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Forenübersicht » Pfadfinder - Forum » Allgemeines Off-Topic » Der letzte Detektiv von Michael Koser

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Jonas1 ist offline Jonas1  
42 Beiträge
Der letzte Detektiv
Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
Heute: Störfalle

Jonas: Plötzlich war er da. Er stand mitten in meinem Büro. Sehr jung, sehr verlegen, und starrte mich an. Mit riesengroßen Kalbsaugen. Ich hätte die Tür verrammeln sollen, oder noch besser verreisen, weit weit weg von Babylon, aber meine Kristallkugel war außer Betrieb an diesem 10. Januar 2012.

Justus: Herr Jonas? Sie sind doch Herr Jonas?

Jonas: Ich glaub schon. Außerdem steht’s draußen an der Tür.

Justus: Ja, Herr Jonas, ich, äh ich finde Sie toll. Sie sind ein Held, ja, Sie sind der größte, echt, total der größte.

Jonas: Hör mal zu, Kleiner, Jonas ist alles mögliche, eine 1-Mann-Show, Jongleur, Clown, Feuerspucker, Degenschlucker, der Mann auf dem fliegenden Trapez, der Mann, der durch den brennenden Reifen springt, für 100 Euros pro Tag und Spesen, aber ein Held ist Jonas nicht. Jonas ist Detektiv. Der letzte Detektiv. Nicht mehr und nicht weniger. Klar?

Justus: Ja. Ja, Herr Jonas.

Jonas: OK, damit hätten wir geklärt, wer ich bin. Bleibt nur noch ein kleines Problem. Wer bist du?

Justus: Ja, ich...mein Name ist Justus.

Jonas: Und?

Justus: Nur Justus.

Jonas: Ach ja.

Justus: Ich ich will Detektiv werden, so einer wie sie, Herr Jonas. Ich will bei Ihnen lernen. Bitte, Herr Jonas, lassen Sie mich bei Ihnen bleiben als ja als Volontär, es muß ja nicht lange sein, ein paar Wochen oder vielleicht nur ein paar Tage, ich falle Ihnen auch bestimmt nicht lästig, Herr Jonas, bestimmt nicht, bitte Herr Jonas.

Jonas: Weißt du, Kleiner, Jonas braucht einen Lehrling wie wie ein Beduine eine Höhensonne. Und auch wenn ich einen brauchte, du bist mir zu klein und zu grün.

Justus: Ich bin schon 18, Herr Jonas, und ich hab Erfahrung, ich war 3 Jahre beim Werkschutz von BIO.

Jonas: Was soll ich dir beibringen, Kleiner, im Büro rumsitzen, Däumchen drehen, mehr ist nicht drin, Jonas hat keinen Fall.

Justus: Doch Herr Jonas, Sie haben einen, das heißt, wenn Sie wollen, Elmer Zeitgeist ist unten, ich hab ihn hergerollt, er muß dringend mit Ihnen reden wegen Zora. Zora ist verschwunden.

Jonas: Zora Zeitgeist, eine Nachbarin, sie hatte ihr Büro 1 Stockwerk über meinem. Von Beruf war sie Reporterin. Investigatorin. Eine von vielen im zweiten Glied, kaum bekannt. Bis vor etwa 3 Wochen. Da hatte sie einen Coup gelandet. Eine Story im Holo-Ökomagazin über einen Störfall bei BIO. Irgendwas mit einem verbotenen Unkrautkiller, den BIO heimlich produzierte für ein Land im mittleren Osten. Trichlorphenol oder so ähnlich. Und bei der Produktion war was passiert. Ein Kessel ging hoch, Dioxin wurde frei, ein Mann kam ins Werkskrankenhaus. BIO machte natürlich sofort den Deckel drauf, aber Zora hatte was gehört, bohrte nach und kam groß damit raus. Zoras Partner Elmer mußte unten warten. Weil der Lift kaputt war, wie meistens. Und weil er seinen Rollstuhl nicht auf den Buckel nehmen und in den 16. Stock schleppen konnte. Also stieg Jonas nach unten. Elmer war halbseitig gelähmt, und Zora war eine Nachbarin, eine Nachbarin, die verschwunden war.

Elmer: Seit 4 Tagen, Jonas, sie ist nicht nach Hause gekommen. Sie hat nicht angerufen und im Büro ist sie auch nicht. Justus hat sie überall gesucht.

Jonas: Sieh mal an, du bist nicht nur ein Detektiv in spe, Kleiner, du bist auch ein Wohltäter der Menschheit.

Justus: Deshalb bin ich ja bei BIO rausgeflogen, Herr Jonas, weil ich Zora die Wahrheit gesagt habe über den Störfall und daß bei BIO Trichlorphenol produziert wird.

Jonas: Daher kennt ihr euch.

Elmer: Ja, und jetzt machen wir uns Sorgen um Zora. Weißt du was ich glaube, Jonas, ich glaube BIO steckt dahinter.

Jonas: Kann ich mir nicht denken, Elmer. Was für einen Grund hätte BIO, Zora verschwinden zu lassen. Ja, wenn ihre Story noch nicht erschienen wäre, aber jetzt.

Elmer: BIO will sich rächen.

Jonas: Unsinn, BIO ist ein Großkonzern. Unmoralisch von mir aus, aber praktisch. Rache ist kontraproduktiv, wie der Fachmann sagt. Rache bringt nichts ein.

Justus: Das hab ich ihm auch gesagt, Herr Jonas.

Elmer: Aber Zora bleibt nicht so lange weg, ohne sich zu melden. Irgendwas muß passiert sein.

Jonas: Soll ich mich drum kümmern?

Elmer: Darum wollte ich dich bitten, Jonas, und was dein Honorar angeht.

Jonas: Laß mal, Elmer, das läuft unter Nachbarschaftshilfe.

Justus: Kann ich mitmachen, Herr Jonas, jetzt haben Sie doch einen Fall.

Jonas: OK, Kleiner, weil du ein Freund von Zora bist. Du gibst mir den Schlüssel zu ihrem Büro und dann fährst du Elmer nach Hause, wir treffen uns in Zoras Büro. In 1 Stunde.

Justus: Steh ich auf der Matte, Chef, pünktlich. Fangen Sie nicht ohne mich an.

Jonas: Keine Sorge, Kleiner. Vorher hatte ich noch was zu erledigen. Ich jagte Sam ins Personaldatensystem von BIO: Justus kam mir ein bißchen zu treu und bieder vor, aber er war astrein, seine Geschichte stimmte: Vor drei Wochen gefeuert, wegen Illoyalität und Geheimnisverrat. Soweit alles klar. Sam hatte trotzdem was zu mosern.

Sam: Sagt an und sprecht o hoher Herr und Kampfgenosse, was soll uns dieser kleine grüne Beinsteißer, reinekühne Steinscheißer, Schweinbeißer Schleimscheißer.

Jonas: Steinbeißer.

Sam: Sag ich doch. So was brauchen wir nicht, nun nicht und nimmer mehr.

Jonas: Sam ist mein Computer. Tüchtig, schlau und redegewaltig. Zu redegewaltig. Sam ist ein verbaler Dauerchaot, außerdem eigenwillig und eigensinnig. Ich weiß, ein Computer kann nicht eigenwillig und eigensinnig sein, aber sagen sie das mal Sam.

Sam: Jonas ist Jonas und Sam ist sein Computer. Alles weitere ist von Übel, möge es nun Judith heißen.

Jonas: Vorsicht Sam, Judith Delgado ist für uns gestorben.

Sam: Oder Jolanda Nix, wenn es denn erlaubt ist, diese ein wenig vorlaute junge Lady zu erwähnen.

Jonas: Mit Vergnügen Sammy.

Sam: Oder auch Justus, nur Justus, unverschämter Plagiator.

Jonas: Reg dich ab Sammy und laß den Kleinen in Ruhe, soll er ein bißchen mitlaufen und was lernen.

Sam: Das wird dir noch einmal leid tun du Trottel, wollte sagen, eure vertrauensselige Blauäugigkeit.

Jonas: Damit sollte Sam Recht behalten, aber wie gesagt, an diesem Tag war meine Kristallkugel in der Werkstatt. Zoras Büro war halb so groß wie meins und doppelt so aufgeräumt. Wandschrank, Stuhl, Tisch, Sojakaffmaschine, Computer mit Textsystem. Keine Leiche, kein Blut, keine Spur.

Sam: Das gefällt mir nicht, das gefällt mir gar nicht.

Jonas: Was gefällt dir nicht, Sammy.

Sam: Daß alles so klar und sauber und unauffällig ist, o du mein mangelhafter Durchblicker. Unter glatter Oberfläche lauert das Chaos, sagt der weise Bosequo.

Jonas: Wer immer das ist, hör auf zu unken, Sammy, tu was.

Sam: Befehl, Herr Rittmeister. Was tun. Was?

Jonas: Nimm dir den Computer vor, steig ein und sieh nach, woran Zora Zeitgeist in den letzten Tagen gearbeitet hat.

Sam: Befehl, Angriffsziel Computer. Attacke.

Jonas: Ruhe. Na was ist, Sammy.

Sam: Sorry Sir, nothing.

Jonas: Bitte?

Sam: Zero. Nada. Nihil. Null Nichts. Du verstehen, häh?

Jonas: Zora hat sich mit nichts beschäftigt?

Sam: Genau. Mit nichts. Seit 3 Wochen. Und vorher

Jonas: Die BIO-Kiste.

Sam: Und abermals genau. Das Material dazu ist säuberlich sortiert und abgelegt. Ergebnisse der Nachforschungen im BIO Werkskrankenhaus, Befragungen von Justus, Werkschutzmitglied und Zeuge des Störfalls, Daten der Besuche von Handelsdelegationen aus Merdistan in Babypsilon, Korrektur Babylon.

Jonas: Merdistan?

Sam: Jener wenig sympathische Staat im Orient, für welchen laut Zora Zeitgeists Enthüllungen BIO das giftige und daher legal geächtete Herbizid Trichlorphenol herzustellen pflegt. Alles dies wie bereits vermeldet penibel, ja pedantisch geordnet und höchst übersichtlich archiviert.

Jonas: Merkwürdig, Soweit ich Zora kenne, geht sie mit ihren Unterlagen eher schlampig um.

Sam: Jajajajajajaja, außen hui, innen pfui.

Jonas: Sagt der weise Bosequo.

Sam: Mitnichten, ein Bonmot von Sam, dem Computer, geschöpft aus dem reichen Schatz seiner Erfahrung.

Jonas: Ob Zora noch woanders Aufzeichnungen hat. Sie muß sich doch mit irgendwas beschäftigt haben.

Justus: Hat sie auch, Chef, da bin ich wieder.

Jonas: Ich weiß mich vor Freude kaum zu fassen, Kleiner.

Justus: Eine große Sache hat Zora gesagt. Größer als der BIO-Störfall. Es hat mit Ultex zu tun.

Jonas: ULTEX: kurz für Ultimate Experience. Die letzte Erfahrung, der letzte Trend, die letzte craz. Bei ULTEX wurde man umgebracht, das heißt so gut wie. Man ließ sich bis an die Schwelle des klinischen Todes bringen und wieder zurückholen, durch Drogen und für schweres Geld natürlich. ULTEX hatte ein Haus im Südosten von Babylon, eine Monstrosität genannt die Gruft, am Rand der Trümmerwüste, die die Unruhen der 90er Jahre hinterlassen haben. Gleich neben dem Reservat. Vor einem halben Jahr war ich zuletzt hier gewesen, Fall Megastar, keine gute Gegend. Ein Biotop für Psychos und Nachtmenschen, für Straßensamurais und Killerkids. Aber wir waren ja zu dritt, Jonas, Sam und Justus.

Justus: Wie die drei Musketiere, Chef.

Sam: Drei Musketiere, von wegen. Zwei Herren aus Verona und ein unqualifiziertes Anhängsel.

Jonas: Sei still, Sam. Paß auf, Kleiner, ich geh jetzt rein.

Justus: Kann ich nicht mitkommen, Chef.

Jonas: Du bleibst hier, Kleiner, als Reserve und Rückendeckung, behalt das Haus im Auge, wenn ich sagen wir nach einer halben Stunde nicht wieder draußen bin, kommst du nach und stellst fest, was los ist, aber vorsichtig.

Justus: Sie können sich auf mich verlassen, Chef.

Jonas: Ein kadaverdürrer Grufti im kalkweißen Hemd mit Ringen unter den Augen führte mich in einen Warteraum. Schwarze Vorhänge vor Spitzbogenfenstern. An den Wänden Kreuze und Sprüche. Vivala Muerte und Wenn nicht hier, wo sonst. Wenn nicht du, wer sonst. Berechtigte Frage. Die elegante Frau im gotischen Kirchengestühl mustere mich mißtrauisch. Offenbar sah Jonas nicht aus wie jemand, der schnell mal ein bißchen sterben wollte. Aber weil sonst keiner da war, ließ sie sich dann doch herab, ein paar Takte mit mir zu plaudern.

Kundin: Ein irres feeling, sagt Iris, meine Freundin, die ist schon 7mal gestorben, stellen Sie sich das vor.

Jonas: Ungern.

Kundin: Ganz genau wie in den Sachen von Frau Dr. Rübler-Kotz, sagt Iris. Diese Klassiker, wissen Sie, haben Sie sicher im Holo gesehen. Erst ein wahnsinnig helles Licht, und dann zieht das ganze Leben vorbei wie ein Holofilm vor dem inneren Auge irgendwie. Ungeheuer sagt Iris, absolut ultrasuper. Wer nicht wenigstens einmal tot war, kann überhaupt nicht mitreden, sagt Iris.

Mors: Bitte, Herr äh...

Jonas: Jonas, nur Jonas.

Mors. Ganz recht, treten Sie näher.

Kundin: Aber ich war vor dem Herrn hier.

Mors: Ein Sonderfall, gnädige Frau, bitte haben Sie noch einen Augenblick Geduld.

Jonas: Der Typ hatte sich auf Sensenmann gestylt. Aber sein Büro wirkte ganz normal, nichts gruftiges, kein Sarkophag, kein Kruzifix, und der Sessel, den er mit anbot, kam aus Helsinki, nicht aus dem Kölner Dom.

Mors: Wir haben Sie erwartet, Herr Jonas.

Jonas: Das wundert mich. Sie sind der Chef von ULTEX.

Mors: Ja, Herr Jonas. Ich bin der große Tod. Sie können mich schlicht Mors nennen.

Jonas: Sie mich auch.

Mors: Bitte, Herr Jonas. Ein Mann, der kurz vor dem Tode steht, sollte keinen schlechten Witze machen.

Jonas: Moment mal Freund, das ist ein Mißverständnis, ich bin nicht hier um zu sterben.

Mors: Ja, da glaub ich Ihnen, Herr Jonas, aber Sie werden es müssen, und zwar endgültig. Dreh ihm die Luft ab, Siebzig.

Jonas: Plötzlich legten sich die massiven Backen eines Schraubstocks um meinen Hals, von hinten, immer fester, immer enger. Feuerräder drehten sich vor meinen Augen, in meinem Ohren explodierten Raketen, rauschten alle Ozeane aller Welt, dazwischen Stimmen, undeutlich und weit weg, wie im Traum.

Mors: Wehren Sie sich nicht, Herr Jonas, das nützt nichts. Wenn Siebzig mal zupackt, läßt er nicht wieder los. Interessanter Name, Siebzig. Wollen Sie wissen, warum er so heißt, Herr Jonas. Sag's ihm, Siebzig.

Siebzig: Wegen mein Intellgenzquotient, Boss.

Mors: Sie werden nicht hier sterben, Herr Jonas. Eine echte Leiche bei ULTEX wäre schlechte Publicity. Wir reichen Sie weiter, an unsere Mitarbeiter im Außendienst sozusagen.

Jonas: Meine Bronchien kreischten, als ob sie tagelang nur Schwefeldampf und Höllenfeuer eingeatmet hätten. Mein Kopf war zersprungen und falsch zusammengeleimt worden. Irgendwas hartes drückte Serpentinen in mein Kreuzbein, meine Hände, ich lag auf meinen gefesselten Händen, auch die Füße waren gefesselt, ich versuchte die Augenlieder aufzuwuchten. Hundert Jahre später hätte ich es geschafft. Jonas konnte sehen, und was sah Jonas, ein Stück grauen Himmel durch ein Loch im Dach, Trümmerwände, ein historisches Sprechfunk anno Vietnam, und Kinder, Kinder zwischen 6 und 14 in altmodischen Kampfanzügen, braun und olivgrün. Buschmesser im Gürtel, antike M16-Sturmgewehre unter dem Arm. Ein Junge mit einer goldenen Kokarde am grünen Barett stand neben mir und trat mich mit seinen Parastiefeln, immer wieder immer an die selbe Stelle.

Jonas: Hör auf. Das tut weh.

Dakota: Solls auch, Alter. Weißt du, wo du bist?

Jonas: Reservat.

Dakota: Kennst dich aus, Alter, wenn du's genau wissen willst, du bist im Kommandobunker der Rambos, der einmaligen unbesiegbaren Rambos. Rararambo.

Rararambo Rararambo!

Jonas: Killerkids. Ihr habt mir gerade noch gefehlt.

Dakota: Dir wird gleich gar nichts mehr fehlen, Alter. Weißt du wer ich bin?

Jonas: Was spielen wir hier, Quiz für die Hausfrau?

Dakota: Werd nicht frech Alter. Ich bin der einmalige unbesiegbare Dakota, der Chief der einmaligen unbesiegbaren Rambos. Ra-Ra-Rambo.

Rararambo Rararambo!

Dakota: Weißt du was wir mit dir machen, Alter?

Jonas: Wie oft darf ich raten, dreimal?

Dakota: Easy Alter, wir löten dich auf ein Eisengitter und machen dir Feuer unter dem Hintern, und dann grillen wir dich, Alter, ganz langsam und ganz cool. Und wenn du zu laut quakst, gießen wir dir Benzin ins Maul, und halten ein Streichholz dran.

Jonas: Der dritte Weltkrieg, dachte Jonas, machte sich flach und robbte in eine Ecke, aber es waren bloß wieder Killerkids: eine neue Gang. Bunte Flickenkostüme und knallrote Hennahaare, und weil die Angreifer keine alten Sturmgewehre hatten, sondern moderne Laserstrahler, schafften sie die Rambos, sie brachten sie um, alle, bis auf den unbesiegbaren Dakota, den verschnürten sie zu einem Paket und legten ihn ab, zwecks späterer Freizeitgestaltung vermutlich, und dann entdeckten sie Jonas und holten ihre Chefin: ein etwa 12-jähriges Mädchen mit einem spitzen schwarzen Hut auf den roten Locken.

Anna Conda: Hey, du bist doch kein Rambo.

Jonas: Seh ich so aus, Schwester.

Anna Conda: Weißt du, was du bist?

Jonas: Jetzt geht das Quiz wieder los.

Anna Conda: Du bist Kriegsbeute. Kannst du Lösegeld zahlen?

Jonas: Wenn's sein muß, 50 Euros könnte ich vielleicht.

Anna: 50 Euros, du tickst wohl nicht richtig. Schafft den Kerl raus und lasert ihn ab.

Jonas: Augenblick Schwester, wollen wir nicht noch mal in Ruhe darüber reden.

Anna Conda: Zwecklos.

Jonas: Aber Schwester.

Anna Conda: Ich bin keine Schwester, ich bin Anna Conda.

Jonas: Einmalig und unbesiegbar, angenehm, mehr oder weniger, ich bin Jonas.

Anna Conda, die Matriarchin der ewig siegreichen Witches. We are the witches.

We are the Witches!

Anna Conda: Wir haben alle geschlagen, die Paras, die Heavy Metals, die Juppies, die Contras, die Horrors, die Sadomasos und jetzt auch die Rambos. Wir sind die größten, uns gehört das Reservat.

Jonas: Und morgen die ganze Welt, gratuliere.

Anna Conda: Jonas? Hast du gesagt, du heißt Jonas?

Jonas: Stimmt.

Anna Conda: Nur Jonas?

Jonas: Stimmt auch.

Anna Conda: Der letzte Detektiv?

Jonas: Und wieder genau ins Schwarze, Damen und Herren, wieder ein Volltreffer.

Anna Conda: Red nicht so viel. Du hast also Zombie und seinen Laden hochgehen lassen vor zwei, drei Jahren. Dann bin ich dir was schuldig. Macht ihn los.

Jonas: Danke Anna. Würdest du mir einen Gefallen tun.

Anna Conda: Vielleicht.

Jonas: Frag Dakota, wie er an Jonas gekommen ist.

Anna Conda: OK, Jonas, kleine Fische.

Jonas: Dakota wollte nichts sagen, aber Anna Conda hatte ein paar gute Mittel gegen verbale Verstopfung. Ein bißchen laut, ein bißchen unsauber, aber sehr wirkungsvoll. Dakota packte aus: Jonas war ihm geliefert worden. Von ULTEX-Mitarbeitern in einem E-Laster nach Voranmeldung über das Funkgerät.

Dakota: Frankenstein, Frankenstein hat gefunkt, daß wir wieder einen kriegen, von ULTEX, und wir sollen ihn alle machen.

Jonas: Frankenstein, du meinst Mors von ULTEX.

Anna Conda: Meint er nicht, Frankenstein war früher Chief der Rambos, vor Dakota, dann ist er weg, weil er zu alt war für ein Killerkid. Er ist raus aus dem Reservat, rüber zu euch. Und da ist er was geworden.

Jonas: Was?

Anna Conda: Was wichtiges. Genauer weiß ich's nicht.

Jonas: Vielleicht Dakota.

Dakota: Nein, nein, keine Ahnung, wirklich nicht, echt.

Anna Conda: Frankenstein ist so eine Art Ehrenchief der Rambos. Deshalb arbeiten sie für ihn. Und weil er sie bezahlt.

Dakota: 1000 Euros jeden Monat.

Jonas: O nicht schlecht, und was mußt ihr dafür tun.

Dakota: Frankenstein sagt uns bescheid, über funk, und dann schickt er uns Typen zum killen.

Jonas: Zum Beispiel Jonas.

Dakota: Ja, oder die Tussi vor 4 Tagen, diese Reporterin.

Jonas: Zora Zeitgeist.

Dakota: Ja, Zeitgeist. Komischer Name.

Jonas: Was habt ihr mit ihr gemacht.

Dakota: Na was.

Jonas: Sie ist tot.

Dakota: Ja. Manchmal kommen auch bloß Leichen zum Wegschaffen, eine oder zwei, aber neulich war’s ein Riesenhaufen, ganzer Container voll, mehr als 20, und alle tierisch zerfleddert, total kaputt.

Jonas: Neulich. Wann?

Dakota: Weiß nicht.

Anna Conda: Denk nach, Dakota, oder...

Dakota: Nein, nein, bitte nicht. Dezember, 1. Dezember 2011.

Jonas: Da war doch was. 1. Dezember 2011, Störfall bei BIO, den, den Zora Zeitgeist aufgedeckt hat. Seltsam. Was hast du mit Dakota vor, Anna?

Anna Conda: Muß mir noch was einfallen lassen. Was ganz besonders.

Jonas: Heb ihn erst mal auf und das Funkgerät auch, ich hab eine Idee, wenn die Sache klappt und wenn du mir hilfst, dann verspreche ich dir ein gewaltiges Lösegeld, mehr als du dir vorstellen kannst.

Anna Conda: Ich kann mir eine Menge vorstellen, Jonas. See you.

Jonas: Als ich die Bürotür aufmachte, fiel Volontär Justus vor Schreck fast vom Stuhl, von meinem Stuhl, anscheinend wollte er mal üben, wie ein richtiger Detektiv sitzt.

Justus: Chef, da sind Sie ja endlich, ich hab mir schon Sorgen gemacht.

Jonas: Nett von dir, Kleiner, warum bist du nicht nachgekommen, wie wir vereinbart hatten.

Justus: Bin ich doch, Chef, nach einer halben Stunde, ganz pünktlich, und da haben die mir gesagt, sie sind schon weg. Durch den Hinterausgang.

Jonas: So. Und das hast du geglaubt.

Justus: Was ist denn passiert, Chef.

Jonas: Och, nichts besonders, man hat nur versucht mich umzubringen.

Justus: Wirklich, Chef? Wer denn?

Jonas: Herr Mors von ULTEX und eine Horde rabiater Killerkids.

Justus: Um Gotteswillen, wie sind Sie denn da rausgekommen, Chef.

Jonas: Och, das erzähl ich dir mal später, Kleiner, zu deiner Belehrung und Auferbauung, jetzt hab ich keine Zeit. Ich bin nur gekommen um meinen Laser zu holen und Sam. Hast du ihn irgendwo gesehen, Kleiner, die drahtlose Taschenausgabe mein ich.

Sam: Hallo, hier bin, o Leuchte meines Daseins, im Schreibtisch rechts, o Trost meiner schlaflosen Nächte. Ach, neben der Whiskyflasche du Döskopp. Grüß Gott.

Jonas: Zwei Dinge braucht der Detektiv, Whisky und Sam. So, mach's gut, Kleiner.

Justus: Wo gehen Sie hin, Chef.

Jonas: Zu ULTEX. Ich werde mir diesen Mors mal vorknöpfen.

Justus: Nehmen Sie mich nicht mit, Chef?

Jonas: Besser nicht, Kleiner, wenn du mir den Rücken deckst, muß ich gleichzeitig nach vorn und hinten kucken. Bleib schön zu Hause und halt die Stellung.

Sam: Ja, halt die Stellung.

Jonas: Diesmal war die ULTEX-Gruft so tot wie ihr Name. Gruftis und sterbegeile Damen waren ausgeflogen. Mors war noch da. Er lag in seinem Büro und sah nicht gut aus. Jemand hatte ein Teesieb aus ihm gemacht. Mit einem Laserstrahler. Sein Gesicht war verzerrt. Offenbar war er nicht leicht gestorben.

Sam: Erstaunlich, Herr Konsul, wo er doch so viel Übung im Sterben hatte. Hier liegt übrigens noch einer.

Jonas: Ein stark behaarter Gentleman mit riesigen Pranken. Das dürfte Siebzig sein. Siebzig, der wilde Würger.

Sam: Auch tot.

Jonas: Noch ganz warm, sein Boss auch. Das heißt

Sam: Die Herrschaften sind erst vor sehr kurzer Zeit ins Jenseits befördert worden. Das gibt einem Computer zu denken.

Jonas: Einem Detektiv auch. Wem gehört ULTEX, kannst du das feststellen.

Sam: Nichts leichter als diese euer Fragwürden. Firma ULTEX gehört der Freund Hein AG Babylon.

Jonas: Sagt mir nichts.

Sam: Nun warts doch ab du Hektiker. Freund Hein AG Babylon gehört der Thanatos Corp. New York, die Thanatos Corp. New York gehört der Thanatos Holding auf den Bahamas, eine sogenannte Briefkastenfirma, die Thanatos...

Jonas: Stop stop stop, das dauert mir zu lange, überspring die nächsten Stationen und sag mir gleich die letzte, den wirklichen Besitzer.

Sam: BIO.

Jonas: Was?

Sam: BIO Babylon. Surprise. Surprise.

Jonas: Ja und Nein, irgendwie hatte BIO die Neigung, ständig in meinem Fall aufzutauchen, unerwartet und überraschend, so überraschend wie die Nachricht von Zoras Ermordung. Wer immer dahinter steckte. Möglicherweise war an dem Störfall von damals mehr dran als Zora rausgekriegt hatte. Aber dazu konnte ich ja jemand ausfragen, einen Ex-Werkschützer und Augenzeugen.

Justus: Am 1. Dezember hatte ich Dienst, Chef. In der geheimen Produktionseinheit, wo BIO dieses Trichlorphenol für Merdistan macht. Ich war in der Steuerzentrale. Und plötzlich merke ich, wie der Aufseher am Pult nervös wird. Er kuckt immer wieder auf seine Monitore und Meßgeräte, dann springt er auf. Was ist los, sage ich, und er sagt: Der Autoklav spielt verrückt.

Jonas: Autoklav?

Sam: Ein in der chemischen Produktion verwendetes Großgefäß zum Erhitzen unter Druck, euer Unbeschlagenheit, eine Art Dampfkochtopf.

Jonas: Aha, mach weiter, Kleiner.

Justus: Der Druck ist viel zu hoch, sagt Samsa.

Jonas: Samsa?

Justus: Der Aufseher. Gregor Samsa heißt er. Die Temperatur ist auch zu hoch, sagt er. Und was das schlimmste ist: wir haben Austritt von TCDD.

Sam: Blutigen chemischen Laien bekannter als Sevesodioxin.

Justus: Ich muß abstellen, sagt Samsa, sonst wird ganz Bioland verseucht, und er rennt zum Schott, fünf Minuten später ist er wieder da, er kann gerade noch das Schott hinter sich verriegeln, dann bricht er zusammen. Ich hab inzwischen internen Alarm gegeben, die Sanitäter kommen und bringen Samsa ins Werkskrankenhaus, und soviel ich weiß, liegt er da heute noch. Mit Dioxinvergiftung und einer schweren Chlorakne.

Sam: Es lebe Herr Samsa, in Qualm und Brand hielt er das Steuer fest in der Hand, er hat uns gerettet, er trägt die Fahne, gedichtet von Sam frei nach Fontane.

Justus: Ein Held, das hat auch Frau Zeitgeist über Samsa geschrieben.

Jonas: Richtig, Zora. Wann war sie bei BIO?

Justus: Zwei Wochen später, Chef, um den 15. herum.

Jonas: Hmh, vor 4 Wochen. Hoffentlich ist die Spur noch nicht kalt, na das wird sich zeigen.

Justus: Sie wollen zu BIO, Chef.

Jonas: Du hast es erfaßt Kleiner.

Justus: Und wie wollen Sie reinkommen, heimlich in Verkleidung.

Jonas: Aber sicher Kleiner, als Supermann in Faschingsmaske und langen Unterhosen, du hast zuviel Fantasie, jeder kann sich in Bioland umkucken ganz offen für 10 Euros. Jonas wird Tourist, falls heute noch ein Sightseeing Bus fährt. Sam?

Sam: In genau 44 Minuten vom zentralen Busbahnhof.

Jonas: Dann müssen wir uns beeilen.

Justus: Und ich, Chef?

Jonas: Du kannst dich bei Bio nicht sehen lassen, Kleiner, dich haben sie gefeuert, dich kennen sie, du übst weiter Stellung halten.

Sam: Geduld, mein junger Freund, ist die wichtigste Eigenschaft des Detektivs, vermerke dir dies in deinem Poesiealbum zur dauernden Beherzigung.

Jonas: BIO hieß früher Chemoplast, aber vor etwa 20 Jahren hatte der Vorstand die Zeichen der Zeit erkannt, und den Konzern umbenannt. In BIO. Und nicht nur der Name wurde geändert, auch das Erscheinungsbild kriegte eine kosmetische Operation verpaßt: BIO wollte nichts zu tun haben mit lauten Fabrikhallen, stinkenden Schornsteinen, häßlichen Rohrleitungen. BIO stellte Bioland in die Gegend, auf einem Gelände im Südosten von Babylon, nicht weit von ULTEX und vom Reservat. Aber ganz ganz anders. Bioland ist eine Art Supergewächshaus. Ein künstliches Ökosystem elektronisch gesteuert, obendrüber eine gigantische Plexiglaskuppel mit Klimakonvertern und Deflektoren, darunter eine wunderschöne mitteleuropäische Landschaft, wie vor 100 Jahren, mit allem was dazu gehört, Wald und Feld, Wiesen und Gärten, ein Teich, ein Bauernhof, für die Verwaltung von BIO, ein Heuschober usw. Einen Teil der Produktion hat BIO ausgelagert, in die Dritte Welt. Was noch da ist, liegt unter Bioland, wo man es nicht sieht, nicht hört, nicht riecht, wo es nicht stört. BIOland ist berühmt, wer nach Babylon kommt, muß Bioland gesehen haben, BIO hat einen Sightseeing-Service aufgezogen, mit E-Bussen, die mehrmals am Tag fahren, unter sachkundiger Führung, so stand's im Prospekt, den Jonas mit dem Ticket in die Hand gedrückt kriegte.

Führerin: Beachten Sie neben den landschaftlichen Schönheiten bitte auch die zahlreichen Vertreter einer mannigfaltigen Tierwelt in Wald und Flur, meine Herrschaften, das grasende Rind, das scheue Reh, die bunte Schar sangesfreudiger Vöglein. Simulationen, meine Herrschaften, das versteht sich, Holoprojektionen sowie geschickt verborgene Tonbänder, das gleiche Illusionssystem, wie im Ihnen zweifellos bekannten Romanticpark zu Babylon. Wir haben nunmehr die Waldlichtung erreicht, meine Herrschaften. Sehen Sie links zwischen den Bäumen den spitzzulaufenden Giebel mit dem Hirschgeweih, das ist das Forsthaus: der Sitz des Vorstandes von BIO, und rechts hinter der Taxushecke haben wir die Tannenklinik, das BIO-Werkskrankenhaus. An dieser Stelle legen wir einen kurzen Aufenthalt ein, meine Herrschaften, Sie können aussteigen und holographieren, wenn Sie wollen, aber bleiben Sie bitte zusammen und entfernen Sie sich nicht allzuweit von Ihrem Bus.

Jonas: Kann man sich die Häuser auch von innen ansehen?

Führerin: Bedauere mein Herr, das ist leider nicht möglich, haben Sie bitte Verständnis für diese kleine Einschränkung, die Insassen der Klinik sollen in Ruhe und Frieden Genesung finden, und auch der Vorstand, auf dessen Schultern die gewaltige Verantwortung für den gesamten Konzern ruht, hat ein Recht auf ungestörte Arbeit. In 5 Minuten geht es weiter, meine Herrschaften.

Jonas: Ohne mich, dachte Jonas, ganz zufällig und beiläufig wanderte ich immer tiefer in den Wald, Richtung Krankenhaus, nach 100 Metern stellte ich mich hinter einen dicken Baum und versuchte wie die naturgetreue Holoprojektion eines scheuen Rehs auszusehen. Offenbar war ich nicht überzeugend, plötzlich stand ein Typ in himmelblauer Uniform vor mir, unter seiner Jacke eine diskrete Beule, die verdächtig an einen Knockouter erinnerte.

Wachmann: BIO Werkschutz, mein Herr, Sie haben sich verlaufen.

Jonas: Iwo, Herr Wachtmeister, ich wollte mir nur ein bißchen die Beine vertreten.

Wachmann: Sie haben sich verlaufen, mein Herr. Ich bringe Sie zu ihrem Bus.

Jonas: Brauchen Sie nicht. Ich find schon allein zurecht.

Wachmann: Ich bringe Sie zu ihrem Bus, mein Herr. Folgen Sie mir.

Jonas: Der Ausflug nach Bioland war also eine Pleite gewesen, einerseits. Andererseits hatte ich viel gelernt, über Felder und Wälder, über Vögel und Viehzeug. Und ich wußte jetzt, wo das Biowerkskrankenhaus lag und wo der Vorstand unter der Last der Verantwortung fast zusammenbrach.

Justus: Was wollen Sie jetzt machen, Chef.

Jonas: Jetzt, Kleiner, gar nichts, es ist spät, Jonas geht schlafen und du gehst nach Hause.

Justus: Aber Chef, Sie wollen doch nicht aufgeben. Sie doch nicht. Jonas hakt nach, Jonas ist hartnäckig, Jonas ist stur.

Sam: Ja, da hat er recht, Meister, und wo er recht hat, hat er recht. Auch wenn er bloß ein Lehrling ist.

Justus: Volontär.

Sam: Naja, auch gut.

Jonas: Im Moment ist Jonas müde und sonst gar nichts, aber morgen Kleiner, morgen früh bist du wieder hier und dann machen wir ein Brainstorming, zu dritt wird uns schon was einfallen.

Sam: Hähä, Brainstorming zu dritt, lächerlich, der eine hat keins, beim zweiten ist nicht viel los damit und nur der dritte hat ein vollwertiges erstklassiges solches.

Jonas: Was meinst du Sammy.

Sam: Brain. Bregen. Hirn. Denkapparat.

Jonas: Jonas ging schlafen, aber nicht für lange, um 12 heulte der Wecker, Mitternacht Dr. Schweitzer, Jonas stand auf und packte zusammen, was er so brauchte: Guerillaanzug aus dem antarktischen Krieg, Sauerstofftank, Laser, Knockouter und Sam natürlich. Anna Conda wartete schon. Ich wußte, daß BIO Abfallstoffe ins benachbarte Reservat leitete, illegal, aber ich wußte nicht wie und wo. Das wußte Anna.

Anna Conda: Am besten du nimmst das Rohr unter dem alten Funkturm gleich beim Kommandobunker der Rambos, bloß daß der jetzt den Witches gehört, weil's die Rambos nicht mehr gibt.

Jonas: Aber das weiß draußen noch keiner. Wie geht's meinem Freund Dakota?

Anna Conda: Schlecht, ganz schlecht, ich hab ihm erzählt, was wir mit ihm machen.

Jonas: Aber erst später, Anna. Du weißt, was Dakota sagen soll, wenn er von Frankenstein angefunkt wird.

Anna Conda: Logo Jonas. Hör auf mich zu nerven. Zieh deine Killerklamotten an und tauch ab.

Jonas: Was ist in dem Rohr?

Anna: Bißchen Wasser und irgendwelches Gift natürlich, aber nichts schlimmes.

Jonas: Der Anzug ist säurefest und chemiestabil, steht in der Gebrauchsanweisung, unterschreiben vom Kriegsminister, und ein Minister lügt nicht, oder?

Anna Conda: Komm wieder, Jonas, du schuldest mir ein Lösegeld.

Jonas: Im schwachen Licht aus Bioland ragte die schiefe Spirale des Funkturms in den Nachthimmel wie das Skelett eines Krüppels in der Anatomie. Jonas warf einen Blick zurück, dann verschwand er in der Unterwelt, nicht zum ersten Mal, siehe Schmiergeld oder Spielwiese. Da mußte ich durch ganz andere Sachen kriechen. Trotzdem schaltete ich auch diesmal auf Eigenluft. Sicher war sicher. Was da, wo ich auftauchte produziert wurde, weiß ich nicht, ich blieb erst mal auf Sauerstoff und in Deckung, zwischen mir und der Oberwelt standen ein Aufseher und ein Werkschützer. Kein Problem. Wozu hatte ich den Knockouter. Draußen fühlte ich mich sicher im großen und ganzen. Der Anzug machte mich praktisch unsichtbar, außerdem wurde Jonas nicht erwartet. Nicht jetzt, erst morgen. Eine halbe Stunde und zwei zur Ruhe gelegte Werkschützer später war ich im Keller der Klinik. Wo der Datenspeicher stand, kein ganz taufrisches Modell.

Sam: Ein altes Hündchen ist das, euer Untertreibung, überholt und abgeschrieben.

Jonas: Typisch, beim Krankenhaus wird gespart. Ist das Ding gesichert?

Sam: Was soll schon heißen gesichert, klar da ist was, eine alte rostige Kette, bildlich gesprochen, die knackt Sammy mit links.

Jonas: OK Sammy, dann knack mal, und wenn du fertig bist, fragst du den Kollegen

Sam: Kollege? Ich bitt euch Herr, der Scherz ist gar zu grausam. Shakespeare.

Jonas: Halt uns nicht auf, Sam, frag ihn nach Samsa, Gregor Samsa.

Sam: Negativ. Kein Gregor Samsa. Kein Gregor, kein Samsa, oder auch weder Gregor noch Samsa.

Jonas: Kein Gregor Samsa am 1. Dezember 2011 eingeliefert?

Sam: Ganz und gar kein Gregor Samsa überhaupt jemals eingeliefert, du Weichei.

Jonas: Das gibt's doch nicht, Sammy.

Sam: Gestatten euer Libden eine klitzekleine Korrektur: Den gibt es nicht, den Gregor Samsa, denn siehe und staune, auch im Biopersonalsystem ist eine Person diesen Namens nicht verzeichnet.

Jonas: Eine Unperson. Die Heldenlegende, die Zora Zeitgeist berichtet hat, stimmt also nicht, wahrscheinlich ist der ganze Störfall Schwindel. Aber warum hat Bio dann nicht dementiert. Was ist hier am 1. Dezember passiert, Sammy?

Sam: Zweierlei euer gestrengen: 1. Besuch einer Handelsdelegation aus Merdistan, welche sich, wie die in dieser Datei gespeicherten Verpflegungsliste ausweisen, vorzugsweise im Werkskrankenhaus aufgehalten hat. 2. an besagtem Tage verzeichnete besagtes Werkskrankenhaus einen unheimlich starken Abgang.

Jonas: Was soll denn das nun heißen?

Sam: Abgang du Birnekompott? Exitus, Tot, am 1.Dezember 2011 sind in dieser Klinik ungewöhnlich viele Menschen gestorben, präzise 22.

Jonas: Todesursache?

Sam: Nicht vermerkt. Übrigens sind die Betroffenen nicht wie sonst üblich einem Bestattungsinstitut überstellt, vielmehr so steht es geschrieben, zur entgültigen Beseitigung weitergereicht worden.

Jonas: Wohin?

Sam: Nicht vermerkt.

Jonas: Ins Reservat, zu Dakota und den Rambos, am 1. Dezember haben sie ein ganzen Container voller Leichen gekriegt, mehr als 20 hat Dakota gesagt, kaputt und tierisch zerfledert, von Frankenstein ihrem Ex und Ehrenchief der arbeitet als für BIO.

Sam: Hatten wir uns das nicht gleich gedacht, Kumpel.

Jonas: Aber jetzt wissen wir, Sammy. Und hinter der Sache steckt tatsächlich ein Störfall, ein Superstörfall mit 22 Toten. Da muß mehr in die Luft gegangen sein als ein ein wie heißt das Ding? Autoklav.

Sam: Bedaure zutiefst widersprechen zu müssen, eure Vorschnelligkeit. Alle 22 waren bereits längere Zeit vor dem 1. Dezember Insassen dieses Krankenhauses.

Jonas: Das heißt ein Unglück hier im Krankenhaus. Eine Katastrophe.

Sam: Mehr als nur dies, Brüder und Schwerstern, lasset uns noch einmal zurückkommen auf den bereits kurz angesprochenen Besuch der merdistanischen Delegation. Merdistan ist ein Staat, welcher wie wir wohl wissen, seit Jahrzehnten im Kriege liegt mit dem Nachbarland Marik, und wie wir ebenfalls wissen, setzt Merdistan in diesem Krieg massiv chemische Kampfstoffe ein. Nervengifte wie Taput und Soman, sogenannte V-Stoffe und Flurazetate, aber auch Psychogifte, etwa Lüsert und Benzülsäurederivate. Merdistan selbst ist nicht in der Lage, diese Stoffe zu produzieren. Woher es sie bezieht, ist nicht bekannt.

Jonas: Bis jetzt. Kein Störfall. Kein Unglück. Ein Test.

Sam: Hat man das unmöglich eliminiert, mein lieber Watson, so muß das, was übrig bleibt, und sei es auch noch so unwahrscheinlich, die Wahrheit sein.

Jonas: Wie komm ich in den Speicher, Sam, wir brauchen die Platten mit den relevanten Informationen. Wir holen sie raus, nehmen sie mit.

Sam: Und deponieren sie an geeigneter Stelle.

Jonas: Das hieß bei Anna Conda im Reservat, und als das erledigt war, legte sich Jonas für ein paar Stunden hin, bis es hell wurde, dann ging ich auf die Suche nach einem funktionierenden Fon. Das dauerte seine Zeit. Ich rief den Vorstand von Bio an, und wartete auf die große schwarze E-Limousine, die mich einsammelte und nach Bioland brachte, ins Forsthaus, in ein gemütliches Zimmer, mit Gehörn an den Wänden und Bildern von röhrenden Hirschen, mit einem Kamin und 3 Sesseln, 2 waren besetzt.

Roth: Frau Prof. Grin.

Grin: Herr Prof. Roth.

Jonas: Jonas, nur Jonas. Sie sind der Vorstand.

Grin: Wir beide. Sie haben die Platten bei sich?

Jonas: Sehe ich aus wie ein Hirnamputierter? Die Platten sind in Sicherheit und damit wir das gleich abklären, wenn ich mich nach einer Stunde nicht melde, werden die Daten vervielfältigt und an die Medien geschickt, an die Ökopolizei sowieso.

Roth: Sie blöffen, Herr Jonas.

Jonas: Wollen Sie's riskieren?

Grin: Sie haben uns überrascht, Herr Jonas.

Roth: Auf Ihren nächtlichen Besuch waren wir nicht vorbereitet.

Grin: Die Dateien sollten erst heute umgestellt werden.

Jonas: Das können Sie sich jetzt sparen. Was schlagen Sie vor?

Roth: Das hat uns Frau Zeitgeist auch gefragt.

Grin: Vor gut 3 Wochen in diesem Raum.

Roth: Sie hatte ebenso gut recherchiert wie Sie, Herr Jonas.

Grin: Und Daten eruiert, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren.

Jonas: Daß Sie ein Giftgas getestet haben für ihre Kunden in Merdistan, und daß Ihnen der Test aus dem Ruder gelaufen ist.

Roth: Sie irren, Herr Jonas.

Grin: Der Test ist durchaus nicht wie Sie sich ausdrücken aus dem Ruder gelaufen.

Roth: Er ist planmäßig durchgeführt worden, sein Ergebnis war erwartet und für alle Seiten höchst zufriedenstellend.

Grin: BIO hat nämlich ein neues Psychogift entwickelt auf der Basis von Benzülsäure oder BZ. Wie wir kurz sagen.

Roth: Sollten wir wirklich in die Details gehen, Frau Kollegin.

Grin: Warum denn nicht, Herr Kollege. Es handelt sich um eine Variation jene Ihnen bekannten Selbstmorddroge, die von der verstorbenen Professor Caligari vor etwa 3 Jahren durchgetestet wurde.

Jonas: Der Testmarktfall, ich weiß.

Roth: Unser Produkt, wir haben es intern Beserkerdroge getauft, führt bei den Betroffenen zu schrankenlosem Aggression- und Autoaggressionsverhalten.

Grin: Das heißt zu Mord und Selbstmord.

Jonas: 22 tierisch zerflederte Leichen.

Grin: Ein schlagender Beweis. Unsere Geschäftsfreunde aus Merdistan waren sehr beeindruckt.

Roth: Was übrigens Frau Zeitgeist betrifft, so zeigte sie sich vernünftigen Argumenten durchaus aufgeschlossen.

Grin: Wir konnten sie nicht aus dem Wege räumen, ihre Auftraggeber wären mißtrauisch geworden und hätten andere Investigatoren geschickt.

Roth: Also haben wir ihr die Informationen abgekauft.

Grin: Und weil sie ja irgendein plausibles Resultat vorweisen mußte, haben wir uns den falschen Störfall ausgedacht.

Roth: Glaubhaft und in Maßen schwerwiegend.

Grin: Insofern eine ideale Legende. Leider wurde Frau Zeitgeist zu gierig.

Roth: Sie konfrontierte uns mit neuen, sehr hohen Forderungen. Unklugerweise nach der Publikation ihrer angeblichen Untersuchungsergebnisse.

Grin: Wir hatten also freie Hand und konnten dafür sorgen, daß sie uns nicht mehr zur Last fiel.

Roth: Damit war die Angelegenheit ausgestanden.

Grin: Dachten wir, aber dann traten Sie in Erscheinung, Herr Jonas.

Roth: Wir könnten uns vorstellen, daß auch Sie ein offenes Ohr für vernünftige Argumente haben.

Jonas: Vielleicht. Wieviel.

Grin: In Anbetracht der Tatsache, daß es sich bei denen von Ihnen entwendeten Daten lediglich um Hinweise, nicht aber um Beweise handelt.100.000 Euros.

Jonas: Sehe ich aus wie ein Kleinviehhalter.

Roth: 200.000.

Jonas: Wir einigten uns auf 1 Million. Eine schöne runde Summe, leicht zu merken, aber nicht so leicht zu übernehmen. Wir mußten einen Austausch arrangieren, nicht bei Jonas, nicht in Bioland.

Auf neutralem Boden. An der Grenze zum Reservat. Sie kennen den alten Funkturm.

Selbstverständlich.

Jonas: Da treffen wir uns, in drei Stunden. Wäre Ihnen das recht.

Einverstanden.

Jonas: Sie kommen allein, das heißt zu zweit, ohne Werkschutz.

Und Sie, Herr Jonas.

Jonas: Ich bringe jemand mit, einen Detektiv in Spe, zwei gegen zwei, das ist nur fair.

Grin: Wir haben nichts dagegen, seien Sie pünktlich.

Jonas: Fünf Minuten vor der Zeit waren wir da. Der Funkturm sah immer noch aus wie ein verbogenes Gerippe. Wir warteten direkt neben dem Kommandobunker. Justus wirkte nervös, vielleicht der Lerneifer, und dann kam er auch schon über die Steine gestolpert, der doppelte Biovorstand, ohne Begleitung, Professor Roth trug einen Aktenkoffer.

Roth: Ihr Geld, Herr Jonas.

Jonas: Die Platten sind hier in der Tasche. Geben Sie den Koffer rüber.

Grin: Einen Augenblick, Herr Jonas, spielen Sie Bridge?

Jonas: Poker und auch das nur manchmal. Warum?

Roth: Weil die Zeit gekommen ist, die Karten auf den Tisch zu legen, alle Karten, auch den Trumpf, den wir bisher im Ärmel versteckt hielten.

Grin: Der junge Mann an Ihrer Seite, den sie als Justus kennen, gehört zu uns, zu Bio. Er ist unser Experte für Sonderaufgaben.

Roth: Nachdem er das Problem Zora Zeitgeist gelöst hat, blieb er noch für gewisse Zeit bei ihrem Partner Elmer, um jede nur mögliche unerfreuliche Erweiterung der Affäre im Keim zu ersticken.

Jonas: Und dann hat er sich an Jonas gehängt.

Justus: Jawohl Chef, ich bewundere Sie ja so Chef, ich will von Ihnen lernen, Chef, jetzt siehst du ganz schön alt aus, was Alter.

Jonas: Blas dich nicht auf, Kleiner, Jonas weiß längst Bescheid, daß du in Wirklichkeit Frankenstein heißt, daß du für Bio die Drecksarbeit machst, du warst nicht gut, Kleiner, du hast die naive Masche schwer übertrieben. Du hat mich zu ULTEX geschickt, du hast Mors umbringen lassen, damit ich ihn mir nicht vornehmen konnte. Und jetzt hast du deine Rambos herbestellt per Sprechfunk.

Grin: Sie sitzen in der Falle, Herr Jonas, in der Störfalle, wenn Sie uns das Wortspiel gestatten.

Justus: Rararambo Rararambo!

Jonas: Gut gebrüllt kleiner, hat nur leider kein Zweck, weil nämlich gar keine Rambos da sind. Alle in die Ewigen Jagdgründe eingegangen. Deine Funkkommandos sind an der falschen Adresse gelandet. Und jetzt ist Jonas dran mit ausspielen. Jonas hat auch einen Trumpf im Ärmel, aber ein höheren als Bio. Anna! Anna Conda!

Anna Conda: Hände hoch. Du doch nicht, Jonas.

Jonas: Anna Conda war selig. Der Aktenkoffer war zwar leer, aber sie hatte Frankenstein, und die Aussicht auf ein gigantisches Lösegeld für Grin und Roth. Außerdem hatten beide etwas Bargeld in den Taschen.

Anna Conda: 11000 12000 und ein bißchen Kleingeld willst du nicht auch was Jonas.

Jonas: OK, 2 Tage Arbeit, Spesen, sagen wir 300 Euros.

Sam: Oh, Sankt Jonas, der korrekte Schutzpatron aller Korinthenkacker.

Jonas: Noch ein Wort Sammy, und ich laß dich hier.

Anna Conda: Bleib doch noch ein bißchen, Jonas, wir machen ein Fest, einen großen Hexensabbat mit Dakota und Frankenstein. Soll ich dir sagen, was wir mit ihnen machen.

Jonas: Besser nicht, Anna, ich möchte heut Nacht ruhig schlafen.

Anna: Eigentlich bist du ein ganz brauchbarer Typ, Jonas, aber weich, viel zu weich.

Jonas: Da mochte sie recht haben. Zuhause wartete Elmer, unten in der Eingangshalle. Ich sagte ihm, Zora sei tot. Ermordet von Bio.

Elmer: Ich hab's ja gewußt, meine Zora. Anders konnten sie sie gar nicht zum schweigen bringen, weil sie so geradlinig war und so unbestechlich.

Jonas: Gradlinig wie ein Korkenzieher. Unbestechlich wie ein Baustadtrat. Aber das sagte ich nicht. Ich drehte mich um und stieg die Treppe hoch. In den 16. Stock. Der Lift war kaputt, wie meistens.

Sam: Ach ja, der Mensch vom Weibe geboren muß sich abfinden mit den Unzulänglichkeiten seines Dasein, er muß sich wie man so sagt, nach der Strecke decken, nein in die Ecke drecken, eine Zecke hecken.

Jonas: Nach der Decke strecken, Sammy.

Sam: Sag ich doch, du Kekskopf.

Das war Störfalle. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas spielte Bodo Primus, sein Supercomputer Sam war Peer Augustinski. Frau Prof. Grin: Ilse Zielstorff, Herr Prof. Roth: Helmut Stange, Justus, ein Detektivlehrling: Rene Heinersdorff, Anna Conda: Julia Fischer, Dakota: Ronnie Jarnoth. Außerdem wirkten mit: Ingeborg Schöner, Michael Lenz, Otto Stern und Jürgen Rehmann (Ursula van der Wielen, Reiner Kositz). Ton und Technik: Günter Heß und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Regie: Alexander Malachovsky. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks (1989). Redaktion Erwin Weigel und Christoph Lindenmeyer.

Beitrag vom 02.04.2022 - 21:19
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Der letzte Detektiv
Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
Heute: Eurodschungel

Jonas: Er fing schon mies an, dieser 3. Mai 2012. Jacob hatte vor, seinen Schuppen umzutaufen. Nicht mehr Casablanca sollte er heißen, sondern...

Jonas: Wie soll dein Schuppen jetzt heißen?

Jacob: Babylon. Cafe Babylon.

Jonas: Cafe? Du weißt doch gar nicht, was Cafe ist, Jacob.

Jacob: Na und? Cafe hat was. Nostalgie. Klasse.

Jonas: Es gab immer noch den alten Synth-Whisky. Mies und teuer. Es war immer noch das alte Casablanca. Ich fühlte mich wie zu Hause. Müde und mies.

Jacob: Ja? Ja, Moment. Für dich Jonas.

Jonas: Sie können eine Nachricht hinterlassen. Sprechen Sie nach dem Pfeifton. Tüt. Oder pfeifen Sie nach dem Sprechton, wie Sie wollen.

Toivonen: Jonas?

Jonas: Von mir aus können Sie auch summen oder singen.

Toivonen: Sind Sie Jonas? Der Detektiv?

Jonas: Ich mußte es zugeben. Jonas. Nur Jonas. Der letzte Detektiv. Der letzte vom Stamm der Marlowe, Spade, Burma. Und der vielen anderen, die es auch nie gegeben hat. Einzelkämpfer. Einsam und ungebrochen. Der Typ, der für Sie die heißen Kastanien aus dem Feuer holt, ohne Handschuhe, für 100 Euros pro Tag und Spesen und so weiter. Manchmal komm ich mir richtig toll vor. Aber meistens fühle ich mich mies.

Jonas: Jetzt wissen Sie’s. Und wer oder was sind Sie?

Toivonen: Toivonen. Martta Toivonen. Sind Sie frei?

Jonas: Wie ein Vogel.

Toivonen: Ich meine, wären Sie bereit und in der Lage, einen Auftrag zu übernehmen?

Jonas: Ich könnte Sie gerade noch reinquetschen, Frau Toivonen, worum geht’s?

Toivonen: Nicht übers Fon. Kommen Sie zu mir.

Jonas: Wann?

Toivonen: Am besten gleich.

Jonas: Wohin?

Toivonen: Rubinweg 17. Apartment G.

Jonas: Rubinweg. Sie wohnen im Golden Ghetto.

Toivonen: Im High Security Compound für Spitzenkräfte. Ganz recht.

Jonas: Zugang nur mit Spezialpaßscheibe. Lassen Sie eine für mich am Tor hinterlegen.

Toivonen: Ich denke nicht daran. Sehen Sie zu, wie Sie mich erreichen. Wenn Sie der richtige Mann für den Job sind, schaffen Sie es. Viel Glück.

Jonas: Gieß mir noch einen Plastikschnaps ein, Jacob.

Jacob: Kannst du bezahlen?

Jonas: Kommt darauf an.

Jacob: Worauf?

Jonas: Ob ich einen Fall habe.

Jacob: Und? Hast du einen?

Jonas: Kommt darauf an.

Jacob: Worauf?

Jonas: Ob ich ins Golden Ghetto komme.

Jacob: Mit oder ohne Paß?

Jonas: Ohne.

Jacob: Vergiß es. Vergiß den Fall und vergiß die Bestellung.

Jonas: Schreib an, Jacob.

Jacob: Seit Wochen schreib ich an für dich, Jonas. Jetzt ist Schluß.

Jonas: Aber Jonas wollte gar keinen Fall. Jonas wollte im Casablanca sitzen, trinken und sich mies fühlen. Man ließ ihn nicht. Jacob drehte ihm den Hahn zu. Und dann mischte sich auch noch Sam ein.

Sam: Sprung auf, Kamerad, marsch marsch aufs Pferd. Wieher! Die Pflicht gebeut, der leere Beutel schreit zum Himmel.

Jonas: Komm wieder runter, Sammy.

Jonas: Sam saß heute auf dem hohen Roß. Sam ist mein Computer. Es gibt ihn zweimal, dick und fett im Büro, klein und handlich in der Tasche. Sam kann viel. Vor allem reden. Wie drei Dutzend Staubsaugerverkäufer oder wie eine große Bibliothek nach einem Wirbelsturm. Überprogrammiert bis zum verbalen Dauerdurchfall. Das ist Sam.

Sam: Sammy ist groß. Sammy ist mächtig.

Jonas: Wenn er auf den Stuhl steigt, 1 Meter 60. Schluß mit der Blödelei. Jetzt wird gearbeitet. Kategorischer Befehl.

Sam: Was steht zu Diensten, Sir, sagt’s mir an.

Jonas: Wie kommt Jonas ohne Paß ins Golden Ghetto? Kurz und knapp, wenn ich bitten darf.

Sam: Wer wenn nicht ihr, mein Herr und Meister.

Jonas: Warum er Sam heißt, muß ich wohl nicht erklären. Wer sich für Jonas interessiert, kennt auch Casablanca, den alten Film meine ich, nicht Jacobs Kneipe.

Sam: Der High Security Compound oder Golden Ghetto, wie des Volkes Mund ihn so treffendtümlich zu benamsen pflegt rühmt sich eines hochentwickelten ultramodernen superkomplexen elektronischen Schutz- und Sicherheitssystems vom Typ ANK 2020

Jonas: ANK?

Sam: Absolut lamente nicht knackbar, geliebtester Analphabet.

Jonas: Nicht knackbar, wirklich, auch nicht für dich, Sam?

Sam: Gemach, Gevatter, ein System, welches sich von Sam nicht penetrieren ließe, müßte noch erfunden werden.

Jonas: Du kommst also rein.

Sam: Gewiß, Genosse, im Prinzipe.

Jonas: Was heißt das?

Sam: Sammy braucht dazu nur ein ganz klein wenig Zeit.

Jonas: Wieviel?

Sam: Ach, ein Wöchlein nur.

Jonas: Eine Woche.

Sam: Naja, vielleicht auch zwei.

Jonas: Gestorben, Sammy, ich muß heute noch bei dieser Toivonen antanzen.

Sam: Auch in diesem Falle, eure hektische Betriebsnudeligkeit, hat Sam etwas anzubieten, Sam, der Kluge, Sam, der Weise, der stets Rat Wissende, der niemals um einen Ausweg...

Jonas: Is ja gut, Sammy, was schlägst du vor?

Sam: Jonas besorgt sich eine Paßscheibe.

Jonas: Einfach so?

Sam: Einfach so. Von der Zentralen Sicherheitsverwaltung. Allwo eine gewisse hochgestellte Amtsperson...

Jonas: Etwa Judith?

Sam: Ja.

Jonas: Nein.

Sam: Doch.

Jonas: Kommt nicht in Frage.

Sam: Da haben wir’s wieder, Damen und Herren, hochgeschätztes Publikum, der Stolz erhebt sein Haupt, in unlogische irrationale unsinnige, zutiefst menschliche Eigenschaft. Ich frage Sie: Kann man Stolz essen, kann man sich was dafür kaufen?

Jonas: Sammy, es geht nicht.

Sam: Es muß gehen. Hör zu, du Schnarch, dein Konto ist total ausgefüllt, nicht mal Jacobs miesen Whisky kannst du dir leisten. Dein letzter Fall war vor drei Monaten die Biogeschichte, und dir hat dir nur ein paar Piperlinge eingebracht, du brauchst den Auftrag, Mann, ja, nimm ihn, also reiß dich zusammen.

Jonas: Judith. Judith Delagdo. Wir hatten eine wunderschöne Beziehung gehabt, bis zum Fall Inselklau vor einen Jahr, da hatte sie mich kaltschnäuzig ausgenutzt, um ihre Karriere zu fördern, nicht zum letzten Mal, daß sie im November 2011 Sicherheitsdirektorin geworden war, verdankte sie Jonas, der hatte ihr ahnungslos den Weg freigeschaufelt. Siehe Fall Schneewittchen.

Judith: Das hab ich dir nicht vergessen, Jonas, du bist im Casablanca? Ich schicke Chefinspektor Brock vorbei, mit einem Spezialpaß fürs Golden Ghetto, und wenn du sonst noch was brauchst...

Jonas: Danke, ich bin wunschlos glücklich, Judith.

Judith: Wirklich? Ruf mich an, wenn dir was einfällt. Ich schulde dir was, Jonas, nicht nur wegen Schneewittchen und Inselklau. Machs gut, Jonas.

Jonas: Zwei Stunden später. Weit im Westen von Babylon. Wo Permaplestmauer und Plexikuppel über dem Golden Ghetto in den grauen Himmel ragen. Hier hausen die auserwählten in olympischer Ruhe. Unter sich. Unbehelligt von den widerlichen Wucherungen des 21. Jahrhunderts und von Menschen wie Jonas. Wer ins Schlaraffenland wollte, mußte sich durch Reisbrei fressen. Ins Golden Ghetto zu kommen, war schwieriger. Man mußte durch die Sicherheitsschleuse, vorbei an Holo-Augen und Sensor-Fallen, an scharfen Robo-Dogs und noch schärferen Robo-Wächtern. Hier halfen weder Argumente noch Bitten, hier half nur eine kleine grüne Silikonkarte. Der Spezialpaß.

Robo-Wächter: Danke. Paß gültig. Bitte rechts herantreten.

Jonas: Wozu denn das?

Robo-Wächter: Eye-Scanning. Retinacheck. Eine zusätzliche Sicherheitsmaßnahme. Soeben installiert. Bitte rechts herantreten.

Jonas: Hast du das gewußt, Sammy, daß die hier Eye-Scanning haben. Wenn ich rechts rantrete und in den Scanner gucke, dann stellt der doch sofort fest, meine Netzhaut ist nicht gespeichert, er schlägt Alarm, die Robo-Dogs kommen und machen Hackfleisch aus Jonas.

Robo-Wächter: Bitte rechts herantreten. Kinn fest auf Vorsprung pressen, Augen an die Scanneröffnungen.

Jonas: Was soll ich tun, Sammy, gib mir einen Rat, wozu hab ich dich denn.

Sam: Nur keine Panik auf der Titanic, Herr Kapellmeister. Wie soll ein Computer in Ruhe überlegen, wenn sein Mensch ihm ständig dazwischenzetert. Na, wollen mal kücken. Der Scanner hängt an einem eigenen geschlossenen System. Ja, nicht allzu complicated. Da läßt sich was machen. Alles klar auf der Andrea Doria.

Robo-Wächter: Rechts herantreten. Sofort rechts herantreten!

Sam: Tu, was er sagt, der brave Robo-Wächter. Kein Zaudern, kein Zagen, frisch auf, wohl an, ich bin dein Mann.

Jonas: Kein Zagen, von wegen. Als der Scanner meine Netzhaut abtastete, wartete ich mit weichen Knien auf den Alarm, der nicht kam, statt dessen ging die Schranke hoch. Jonas durfte ins gelobte Land, ohne Probleme.

Jonas: Wie hast du das gedreht, Sammy?

Sam: Och, eine ganze klitze Kleinigkeit, du mein zelebrales Softeis, nicht der Rede wert. Wie mein Meister durchs Loch linste, hab ich das System kurzfristig lahmgelegt.

Jonas: Wie, Sammy?

Sam: Na wie schon? Saft abgedreht, und dann gleich wieder angedreht, und derweil dem Kleinen fix ein falsches Memory verpaßt, in Folge welchen Tuns der Scanner nun mehro der festen Überzeugung huldigt, er habe die Netzhaut meines Herrn in Augenschein genommen, sie überprüft und ihr spezifisches Muster in seinem Speicher vorgegeben gefunden. Resultat: Alles in Ordnung. Jonas kann passieren. Ach, diese Zwergsysteme sind manchmal doch zu blöd.

Jonas: Rubinweg 17, wir sind da.

Sam: Aha.

Jonas: Apartment G.

Sam: Gut.

Toivonen: Ja?

Jonas: Sicherheitsdienst. Wir haben eine verdächtige Person aufgegriffen, an der Mauer, sie will zu Ihnen, Frau Toivonen, sagt sie.

Toivonen: Jonas?

Jonas: Ja, so heißt der Mann.

Toivonen: Sie sind Jonas. Ich erkenne Ihre Stimme. Sie haben es also geschafft.

Jonas: Wie Sie hören, Frau Toivonen.

Toivonen: Guter Mann. Warten Sie einen Moment, ich komme runter. Wir müssen zurück nach Babylon.

Jonas: Nachdem ich mir die Beine ausgerissen habe, um zu Ihnen ins Getto zu kommen?

Toivonen: So ist das Leben, Herr Jonas. Ich bin gleich bei Ihnen.

Jonas: Zurück ging es schneller und bequemer. In Frau Toivonens schwarzer Luxuslimousine. Unser Ziel war das Zentrum, der Platz der immerwährenden Hochkonjunktur, da lag die Bank, die Frau Toivonen gehörte. Die Europäische Depot- und Investment-Bank. Klein aber fein. Der begehbare Safe im Keller war offen und leer.

Toivonen: Heute nacht ausgeräumt, Herr Jonas, bis auf den letzten Euro.

Jonas: Und das trotz Ihrer spektakulären Hardwareparade, Frau Toivonen.

Toivonen: Ja. Wir haben alles, was sich für gutes Geld kaufen läßt, Herr Jonas. Bioschlösser, Holocams, variable Sensoren.

Jonas: Kein Alarm heute Nacht.

Toivonen: Nein, Herr Jonas.

Jonas: Und keine Anzeichen von Gewaltanwendung.

Toivonen: Unser Sicherheitssystem muß ausgetrickst worden sein, umgangen, manipuliert.

Jonas: Sieht ganz so aus. Hmh. Warum ich, Frau Toivonen?

Toivonen: Bitte?

Jonas: Warum kommen Sie mit der Sache zu mir? Warum nicht zur Kripo?

Toivonen: Weil ich Resultate will. Sie sind mir empfohlen worden, Herr Jonas, von meinen Bundesschwestern, Adamson, Vereinigte Kosmos, und Waldorf, Multipharm, als unorthodox, eigenwillig und erfolgreich. Sie werden feststellen, wer sich an unseren Bareinlagen vergriffen hat, und was viel wichtiger ist, Sie werden das Geld wieder zur Stelle schaffen. Ehrlich sollen Sie ja auch sein.

Jonas: Wie viel Geld, Frau Toivonen?

Toivonen: 2 Millionen Euros, plus minus ein paar Tausend. Aber deshalb brauchen Sie doch nicht gleich in die Knie zu gehen, Herr Jonas, soviel ist das nun auch wieder nicht.

Jonas: Jonas war nicht wegen der Summe auf Grund gegangen. Jonas hatte was erspäht. Hinten an der Wand. Unter der offenen Safetür. Ein kleines Stück Papier. Circa 5 mal 5 Zentimeter. Unregelmäßig. Zackig. Abgerissen. An einem Ende ein paar Bleistiftstriche. Am anderen aufgedruckte Buchstaben. O R R Y, darunter A P P.

Toivonen: Eine Spur?

Jonas: Möglich. Was hältst du davon, Sam?

Sam: Ein Stück Papier.

Jonas: Was du nicht sagst, Sammy.

Sam: Versehen mit Bleistiftaufzeichnungen.

Jonas: Toll. Jetzt weiß ich, warum Computer Denkmaschinen heißen.

Sam: Hmh. Ergänzt man die Striche, für eine Denkmaschine eine Lappalie, so ergibt sich eine zwar grobe, jedoch in allen wesentlichen Punkten korrekte Skizze von Schaltkreisen und Positionen der hierorts installierten Sicherheitsanlagen. Die Buchstaben hin wiederum lassen sich zwanglos und folgerichtig zu folgendem Aufdruck vervollständigen: Dont worry, be happy.

Jonas: Das war mal ein Hit, als ich noch klein war.

Sam: Schon lange her. Ach ja, und was du nicht sagst, hier und heute ist Dont worry be happy der Name eines Stimshops im Wilden Südosten von Babypsilon. Ohne Frage hundelt es sich bei vorgelegtem Beweisstück um den Rest eines Blattes von einem Block, welchen besagter Stimshop zu Werbezwecken hat herstellen lassen. Auf diesem Blatt, und damit komme ich zur Ente meiner Ausführungen, hat der Bankräuber sachdienliche Hinweise zur Durchführung seines lichtscheuen Tuns notiert. Na, was sagst du jetzt, du Schrumpfkopf. Hmh. Nichts? Hahaha. Dann sag ich’s für dich: Niemand, aber auch gar niemand, käme auf die Idee, einen Plattprägen wie dich als Denkmaschine zu bezeichnen.

Toivonen: Sie lassen sich ja einiges bieten von Ihrem Computer, Herr Jonas, meiner dürfte das nicht.

Jonas: Sie haben ja auch keinen Sam, Frau Toivonen.

Toivonen: Gott sei dank nicht.

Sam: Gott sei dank nicht. Gott sei dank nicht. He, was ist jetzt, stehen wir hier rum und plauschen oder arbeiten wir?

Jonas: Wer kennt Ihr Sicherheitssystem, Frau Toivonen?

Toivonen: Die installierende Firma, ich natürlich...

Jonas: Sonst niemand?

Toivonen: Unsere zwei Großkunden, denen haben wir die Anlage erklärt und vorgeführt. Damit sie sich um ihr Geld keine Sorgen machen. Bankerpsychologie.

Jonas: Ihre zwei Großkunden. Namen?

Toivonen: Dirty dancing GmbH, eine Agentur, die ältere Künstler an Seniorenclubs vermittelt, Künstler, die das können, was vor einem viertel Jahrhundert in war, Hipp Hopp, Rap, Scratch Rock und Dirty Dancing natürlich.

Jonas: Und?

Toivonen: Und der Stimshop Dont worry be happy.

Jonas: Ach was.

Sam: Ach ja. Oho. Sieh an. So so. Dont worry, be happy. Mein Pappi, Jaja.

Jonas: Bei den Unruhen von 1996 war aus dem Büroviertel zwischen Südstadt Reservat und Bioland der wilde Südosten geworden. Eine bizarre Landschaft aus Plastikresten und Betonruinen, aus lecken Rohrleitungen, die im Nichts endeten, aus verglühtem Asphalt und schwarzen Fensterhöhlen, aus giftgrünen Wucherungen schleimiger Schlingpflanzen. Ein Dschungel, der größte Straßendschungel in den Vereinigten Staaten von Europa. Bevölkert von Street-Gangs und Killer-Kids, von Nachtmenschen und Neo-Samurais, von Kannibalen und Mutanten, und von ein paar cleveren Geschäftsleuten, die im gesetzlosen Niemandland auf ihre Kosten kommen. Zum Beispiel mit dem Stimshop Dont worry be happy. In den wilden Südosten von Babylon kommt man leichter als ins Golden Ghetto. Man braucht keine Paßscheibe. Man braucht nur etwas Mut und feste Schuhe. In den Südosten fährt keine Metro und kein Taxi. Ich ließ mich absetzen so nahe wie möglich und wollte zu Fuß weiter. Aber da gab’s Probleme. Drei Probleme. Sie stiegen aus einem roten E-Mobil und bauten sich vor mir auf.

Groucho: Du Jonas?

Jonas: Und wenn?

Groucho: Du nicht weiter.

Jonas: Sagt wer?

Groucho: Wir sagen. Du nicht weiter. Du zurück.

Jonas: Drei Superchimps, illegale Importe aus dem Süden. Genmanipulierte Züchtungen. Bei meinen mußte ein nostalgischer Witzbold am Werk gewesen sein. Nummer eins hatte einen angemalten Schnurrbart und eine kalte Zigarre zwischen den Zähnen. Nummer zwei trug ein italienisches Hütchen. Nummer drei grinste geil unter einer wüsten roten Lockenperücke. Genau. Groucho, Chico und Harpo, die legendären Marxbrothers. Aber wenn Groucho das Maul aufmachte, war er nicht mehr Groucho, Groucho, das verbale Maschinengewehr, dann war er nur ein Superchimp, ein trauriger Wechselbalg, dem man ein paar Worte beigebracht hatte, und der Befehle ausführte. Bedingungslos.

Groucho: Du zurück.

Jonas: Oder?

Groucho: Wir machen kaputt. Schießen mit Laser.

Jonas: Superchimps Waffen zu geben ist verboten. Weißt du das, alter Freund? Ihr seid überhaupt verboten, ihr dürft in Babylon gar nicht rumlaufen.

Groucho: Schluß. Du nicht reden. Du zurück. Nach Hause. Marsch.

Jonas: Jonas marschierte zurück. Runde 100 Meter. Dann bog er um eine Ecke. Die Chimps natürlich hinterher. Das störte mich nicht. Ich wußte, wie ich sie loswerden konnte. Und wo.

Sam: Altbabypsilon, Herr Denkmalspfleger.

Jonas: Altbabylon, Sammy, wir gehen durch die Wand.

Sam: Aha, euer Ungenauigkeit meinen die Holoprojektion der mittelalterlichen Stadtmauer?

Jonas: Was denn sonst, Sam, du machst ne Stippvisite im Zentralrechner und suchst uns eine gute Stelle zum Durchrutschen.

Sam: Ist geritzt, Kumpel, will sagen, wie ihr es wünschet, Monsignore, also gescheh's.

Jonas: Altbabylon ist nicht wirklich alt. Die Verwaltung hat es vor ein paar Jahren hochgezogen, für Touristen aus Großjapan und Amerika. Ein putziges Viertelchen, Fachwerk, Giebel, Schornsteine, krumme Gassen, Kopfsteinpflaster und eine Stadtmauer aus Feldsteinen, Pseudo- natürlich, Plastik und Holo, rechnergesteuert. Der Plan klappte wunderbar. Ich kroch durch die Holomauer. Die Chimps kamen, stutzen, kratzten sich die runden Schädel, und so standen sie vermutlich immer noch, als Jonas schon längst im wilden Südosten unterwegs war, Richtung Stimshop, und sich dabei so seine Gedanken machte.

Jonas: Jemand hat was dagegen, daß ich mir diesen Stimshop mal ankucke. Warum?

Sam: Weil zu vermuten steht, o Sonne meiner Wonne, daß dorten sich findet, was wir suchen. Der bzw. die Bankräuber nebst den entwendeten Finanzen. Der bzw. die Bankräuber hat bzw. haben die Europäische Depot- und Investment-Bank nach seiner bzw. ihrer Tat unter Beobachtung gehalten und sobald euer Zielstrebigkeit die Biene betruten, Korrektur die Bühne betraten...

Jonas: Hat bzw. haben er bzw. sie verflixt jedenfalls haben sie mich verfolgt und abgefangen. Wer, Sammy, wer steckt dahinter?

Sam: Tja, zwei Gegenfragen, Chef. Erstens: Wer ist ganz groß im Stimshopgeschäft und zweitens wer beschäftigt mit Vorliebe Superchimps als Gorillas. Gut, was? Hehe. Hast du’s mitgekriegt, Mickerhirn, Chimps als Gorillas, paradox, witzig, geistreich. Genauso wie ich, hähähähäh.

Jonas: Du meinst die Korporation?

Jonas: Früher hieß so was Mafia. Heute sagen wir die Korporation, oder die Firma, oder die Organisation. Das organisierte Verbrechen. Verbrechen als Großunternehmen. Drogen. Hirnstim. Medien. Sex. Überall saß sie drin, die Korporation und scheffelte Milliarden.

Sam: Millionen. Trilliarden.

Jonas: Und darum kann ich mir nicht vorstellen, daß die große Korporation eine kleine Bank um jämmerliche 2 Millionen Euros beklaut, und dann soviel Wind macht, um Jonas an der Aufklärung zu hindern. Da muß was anderes dahinter...

Groucho: Da, Jonas.

Sam: Kaptän Hornblower, Sir, melde gehorsamst, drei Superchimps backbord voraus.

Groucho: Halt! Du stehen. Du warten.

Sam: Du nix können sprechen, du Pfeife.

Jonas: Jonas dachte nicht daran. Jonas rannte. Über Stock und Stein. Vor allem Stein. Bis ich fand, was ich brauchte. Vor einer Halde aus Schlacke und verschmorten Metallteilen hatten ein paar Amazulu in wilder Kriegsbemalung einen einsamen Straßensamurai gestellt. Arme Amazulu. Die Wetten der Zuschauer standen 5 zu 1 für den Samurai. Ich schlug einen Haken, tauchte im Gewühl unter und hängte die Superchimps ab. Dachte ich.

Jonas: So. Zurück zum Thema. Was hat die Europäische Depot- und Investment-Bank mit der Korporation zu tun, Sam.

Sam: Es steht geschrieben: ein Narr fragt mehr denn zehn Weise zu beantworten vermögen.

Jonas: Ich hab dich was gefragt.

Sam: Hach, unzureichende Daten, du Träne.

Jonas: Bitte, dann eben anders. Du kommst zurück in die Tasche.

Sam: Nein.

Jonas: Da gehst du in dich.

Sam: Nein.

Jonas: Und wenn du was entdeckt hast.

Sam: Nein. Nicht auf mich drauf.

Jonas: Ich hatte mir nur die Vorstellung ansehen wollen, aber sie hatten mich in die Kanone gesteckt und abgeschossen. Ich flog hoch über dem Zirkus, über Babylon, hoch, immer höher, dann machte ich einen Bogen und stürzte, tiefer, tiefer, bis ich wieder bei mir war und die Augen aufschlug. Ich lag unter einer Straßenleuchte, die vor langer Zeit ein Riese zu einem Korkenzieher verdreht hatte. Der Kopf tat mir weh.

Sam: Jaja, jaja. Die übliche Nachwirkung eines Knockouters. Drei Tage Bettruhe. Absolute Alkoholabstinenz.

Jonas: Halt den Schnabel, Sam.

Sam: Hab keinen.

Jonas: Halt ihn trotzdem. Was ist passiert?

Sam: Sam hält den Schnabel. Wie das Gesetz es befielt.

Jonas: Du sollst antworten.

Sam: Sammy in Tasche, Mata, Sammy nix gesehen.

Jonas: Aber gehört wirst du doch wohl was haben. Na?

Sam: E-Mobil.

Jonas: Rot vermutlich.

Sam: Knockouter.

Jonas: Da sagst du mir nichts neues, Sammy.

Sam: Schwere Tritte, sechs Füße.

Jonas: Die Superchimps.

Sam: Hin zu Jonas, Pause, wieder weg.

Jonas: So. Dann wollen wir mal nachsehen, was die drei Brüder Jonas abgenommen haben.

Sam: Aua.

Jonas: Nanu?

Sam: Meinem über alle Maßen bedauernswerten, da ausgeknockten und superchimplich manipuliertem Herrn fehlt ihm wohl etwas von Wichtigkeit?

Jonas: Im Gegenteil, Sammy, sie haben mir nichts geklaut, sie haben mir was zugesteckt. Zehn Hundert-Euroscheine in Banderole.

Sam: Mit Stempel.

Jonas: Mit Stempel, Sammy.

Sam: Worauf steht: Europäische Depot- und Investment-Bank, korrekt?

Jonas: Korrekt. Seltsam.

Sam: Nein, nur Sam. Komm, wirf ihn von dir, den schnöden Mammon.

Jonas: Tausend Euros? Das schöne Geld.

Sam: Na, schmeiß weg, Döskopp. Zu spät. Och, da sind sie schon wieder, unsere äffischen Verfolger.

Jonas: Und nicht nur die. Im Fenster des E-Mobils erschien ein Kopf. Ein häßlicher Kopf. Aber unbestreitbar menschlich. Zwei Marxbrothers hielten Jonas fest. Der dritte apportierte dem Kopf das Bündel Euroscheine.

Medusa: Ah, unser Geld. Das Korpus delicti, wie die kriminologisch Gebildeten sagen, und der Delinquent gleich dabei, wie überaus zuvorkommend. Ich freue mich, Sie zu sehen.

Jonas: Die Freude ist ganz auf Ihrer Seite.

Medusa: Jonas, nur Jonas, Privatdetektiv und Bankräuber.

Jonas: Und der Unhold, der Schulkindern das Pausenbrot wegißt.

Medusa: Aber Herr Jonas, wo wir Sie doch mit dem Beweis in der Hand gestellt haben, in flagrante delicto, wie es heißt. Sie haben die Europäische Depot- und Investment-Bank beraubt. Sie haben unser Geld gestohlen. Was machen wir mit Ihnen, Herr Jonas. Nehmen wir Sie mit ins Generaldirektorium? Ich weiß nicht. Verhöre, Diskussionen. Umständlich, Herr Jonas, und unnötig. Wir sollten die unangenehme Affäre gleich hier beenden. Auf der Stelle. Meine drei Assistenten werden das gern übernehmen. Nicht wahr, Groucho?

Groucho: Machen Jonas kaputt? O ja Boss!

Sam: Du Flöte, freue dich und frohlocke, Chef, denn siehe, es naht die Rettung, haha, vom Himmel hoch da komm ich her...

Jonas: Ein Helikopter fegte heran mit dem blauem Emblem der Sicherheitsverwaltung, und mit sensorgesteuerten Miniraketen. Die Superchimps waren durchlöchert, ehe sie ihre Laser hochkriegen konnten. Ihr Boss setzte sich ab. In seinem gepanzerten Fahrzeug. Der Helikopter blieb kurz über Jonas stehen. In der offenen Tür winkte einer.

Brock: Klein und häßlich sehen Sie von hier oben aus, Jonas. Bis zum nächsten Mal.

Jonas: Genau im rechten Moment. Zufall?

Sam: Daß Sam nicht kichert. Hähähäh.

Jonas: Hast du den Typ im E-Mobil erkannt, Sammy?

Sam: Natürr, Medua.

Jonas: Max Medusa, Finanzminister der Korporation, ihr oberster Geldwäscher.

Sam: Hmh. Und wieder findet im großen Detektivpuzzle ein wichtiges Stück seinen Platz. Das der Bank entwendete Geld gehört der Korporation, sie hat es dort deponiert, um es bei nächster Gelegenheit zu waschen.

Jonas: OK, Sammy, aber wieso hält Medusa ausgerechnet Jonas für den Bankräuber, und wieviel...

Sam: Alarm! Rotes E-Mobil kommt zurückeldibums!

Jonas: Laß uns verschwinden, Sam.

Toivonen: Kann ich Ihnen einen Platz in meinem Wagen anbieten, Herr Jonas?

Jonas: Frau Toivonen!

Toivonen: Kommen Sie, steigen Sie ein, oder trauen Sie mir nicht?

Jonas: Ehrlich gesagt, nein.

Toivonen: Wollen Sie sich lieber mit Medusa auseinander setzen?

Jonas: Das wollte Jonas nicht. Also stieg er ein. Eine kurze Fahrt, ein paar Minuten um ein paar Ecken. Dann hielten wir vor der ausgebrannten und ausgeschlachteten Hülle eines Hochhauses.

Toivonen: Steigen Sie aus, Herr Jonas. Sie tauchen am besten hier unter und warten.

Jonas: Worauf, Frau Toivonen?

Toivonen: Daß es dunkel wird, Herr Jonas, daß Sie weitermachen können. Sie haben doch ein Ziel.

Jonas: Sie meinen den Stimshop Dont worry be happy?

Toivonen: Genau, Herr Jonas.

Jonas: Augenblick, Frau Toivonen, ich hab ein paar Fragen.

Toivonen: Später, Herr Jonas.

Jonas: Das war nicht mein Tag. Ich zuckte die Achseln und tat, was Frau Toivonen mir geraten hatte. Wenn es eine Erklärung für das gab, was heute hier ablief, dann würde ich sie im Stimshop finden. In der Lobby des Hochhauses räumte ich mir eine Ecke frei, setze mich hin und wartete. Meine alte Smith & Wesson in Griffnähe. Der Himmel in den Fenstern wurde dunkelgrau, dann schwarz. Plötzlich hörte ich was. Schritte. Vorsichtige Schritte. Sie kamen näher. Wer war das? Medusa und seine Killer? Kannibalische Nachtmenschen auf der Suche nach dem Abendessen?

Brock: Legen Sie den Revolver weg, Jonas, und machen Sie sich nicht in die Hosen. Ich bin zwar kein Fan von Ihnen, aber fressen will ich Sie nicht, schon weil Sie mir nicht bekommen würden.

Jonas: Chefinspektor Brock von der Sicherheitsverwaltung in einer neuen Rolle. Nicht mehr als rettender Engel von oben. Diesmal als Weihnachtsmann mit einem Sack voller Geschenke.

Brock: Da hätten wir erst mal einen Laserstrahler. Neuestes Modell, noch gar nicht auf dem freien Markt. Dann eine AIR-Transfo-Einheit in Taschenformat.

Jonas: AIR für Anti-Infrarot. Die Einheit baut um den Träger ein Feld auf, in dem Mikrosensoren seine Körpertemperatur in die Temperatur der Umgebung umwandeln und ihn so für Infrarotgeräte unsichtbar machen. Hightech, unerschwinglich für einen Privatdetektiv, aber sehr nützlich, wenn der Privatdetektiv nachts in geheimer Mission unterwegs ist.

Brock: Und damit Sie nicht nur nicht geschnappt werden, sondern auch selber was schnappen können, ein paar Infrarotgucker, alles aus dem Arsenal der Sicherheitsverwaltung, mit schönen Grüßen von Sicherheitsdirektorin Delgado. Jetzt sind Sie beide quitt, soll ich Ihnen ausrichten.

Jonas: Sagen Sie mal, Brock, wie haben Sie mich eigentlich aufgespürt?

Brock: Ich kenne Sie gut, Jonas, Sie sind stur und lästig, eine echte Nervensäge, aber dämlich waren Sie bisher nicht, das ist neu. Fragen Sie doch Ihre elektronische Quasselstrippe. Wir sehen uns.

Jonas: Fürchte ich auch.

Sam: Quasselstrippe. Eine unverloste Bodenschämtheit, Korrektur bodenlose Unverschämtheit.

Jonas: Findest du, Sam?

Sam: Ja, finde ich. Preisfrage für geistig nicht eben hochbemittelte Privatdetektive. Auf welche Weise pflegt die Sicherheitsverwaltung Kontakt zu einem ahnungslosen Individuum zu pflegen?

Jonas: Orter.

Sam: Beziehungsweise Mikrotransmitter. Sehr gut, Schüler Jonas. Zuatzfrage. Welchen Gegenstand hat unser kleiner Sonnenschein von der Sicherheitsverwaltung erhalten?

Jonas: Die Paßscheibe fürs Golden Ghetto.

Sam: Yes.

Jonas: Weg damit, und da wir gerade dabei sind, Sammy, sehen wir uns doch auch gleich mal die schönen Sachen an, die uns der liebe Onkel Brock mitgebracht hat. Na bitte, hier ist einer, an der Infrarotbrille. Ex und hopp. Hätt ich wissen müssen, Judith und ihr miesen Tricks.

Sam: Nicht allso eure hektische Voreiligkeit. Vielleicht brauchen wir Sie noch einmal, die Freunde und Helfer. Bedenke doch, wer es auf dich abgesehen hat: Die Korporation.

Jonas: Die ist mir noch immer lieber als die Sicherheitsverwaltung.

Sa: Ach, red kein Stahl. Die Bullen stecken dich höchstens in den Knast, die Korporation steckt dich in Beton, und da kannst du nicht drin wohnen, und dann kippt Sie dich ins Nordmeer.

Jonas: Ein tröstlicher Gedanke. Ich nahm ihn mit auf den Weg zum Stimshop Dont worry be happy. Leicht gesagt und leicht zu finden. Jonas brauchte nur den Kabelfreaks nachzugehen, den Hyppies mit der Steckdose im Hinterkopf. Dahin, wo über dunklen Ruinen bunte Lasergewitter tobten. Wo Neonlichter in blasser Glut vor sich hinfroren, und wo der Roboanimator pausenlos seinen Spruch in die Nacht grölte.

Robo-Animator: Dont worry be happy...

Jonas: In der großen Halle hingen hunderte von Hyppies am Draht und ließen ihr Lustzentrum zappeln. Die Minute 10 Euros.

Sam: Hirnwichser, Kabelfixer.

Jonas: Großes Glück aus kleiner Dose. Nichts für Jonas.

Anmacher: Sie suchen das Besondere, mein Herr, das sehe ich ihnen an. Von Massenabfütterung halten Sie nichts. Sie sind wer. Sie heben sich ab. Ich sag Ihnen was: Gehen Sie nach rechts zum Fahrstuhl, fahren Sie ins Untergeschoß, wo die Supermindmaschinen stehen. Da können Sie sich voll ausleben, mein Herr. Die gewagtesten Wünsche, die geheimsten Träume werden wahr. Genuß ohne Reue, mein Herr. Sie haben die Wahl zwischen mehr als 40 Programmen. Von 500 Euros aufwärts, nur Bargeld, keine Karten. Wie ich Sie so einschätze, mein Herr, Programm Casanova oder Dschingis Khan, wär das nichts für Sie?

Jonas: Philip Marlowe, haben Sie das?

Anmacher: Nie gehört, mein Herr, tut mir leid. Ich merk schon, Sie sind nur mit dem echt ausgefallenen zufrieden. Wir hätten da Sonderprogramme anzubieten, mein Herr, keine Dutzendware, nicht ganz billig, aber exquisit. Vollzugsbeamter im Frauengefängnis. Na?

Jonas: Schalt dich ab. Verschwinde.

Sam: Darf man euer momentan Abgelenkten daran erinnern, daß wir uns nicht hier befinden, um niederer Lust zu frönen, vielmehr...

Jonas: Ich weiß, Sammy, wir suchen was. Bankräuber. Und ne Menge Geld.

Sam: Zuvorderst doch wohl Erleuchtung.

Jonas: Sehen wir uns mal auf der Rückseite um.

Jonas: Auf der Rückseite gab es eine kleine Tür. Nicht verschlossen. Das hätte mich stutzig machen sollen. Ich drückte sie auf und trat ein. Und dann blieb ich stocksteif stehen. Nicht freiwillig. Ein Neurofreezer hatte mich erwischt. Das Licht ging an. Vor mir standen zwei Riesen in schwarzen Kampfanzügen. Und Max Medusa.

Medusa: So sieht man sich wieder, Herr Jonas, jetzt muß ich Sie also doch dem Generaldirektorium vorführen. Schade. Ich hätte es uns und Ihnen gern erspart. Cool, Easy, bringt ihn ins Sprechzimmer.

Jonas: Die Riesen nahmen dem starren Jonas Laser und Revolver ab und schleppten ihn durch den Gang, eine Wendeltreppe runter in einen weißgekachelten Raum, der ein bißchen aussah wie das altmodische Behandlungszimmer eines altmodischen Arztes. Und der dazugehörige Onkel Doktor war auch da. Ein kleiner Mann im weißen Kittel, kahl, mit goldener Brille. Außerdem zwei, die dich kannte: Simon Krapp und Lukrezia Carnevale, zwei führende Mitglieder der Korporation.

Medusa: Das ist er.

Carnevale: Dieser Jonas?

Medusa: Jonas, nur Jonas.

Krapp: Der Mann, der unsere Bank ausgeräumt hat?

Medusa: Zusammen mit der Kollegin Toivonen.

Carnevale: Behaupten Sie, Medusa. Warum hätte Sie das tun sollen?

Medusa: Eine klassische Intrige, verehrte Kollegin. Wir, das Generaldirektorium der Korporation, sollten desinformiert werden, destabilisiert und letztendlich exterminiert. Kollegin Toivonen ist ehrgeizig. Sie will alles. Die ganze Macht.

Carnevale: Beweise, Medusa.

Medusa: Ich habe sie beobachten lassen und daher weiß ich, sie hat Jonas hier her geschickt, um Unruhe zu stiften, Zwietracht zu schüren, den Superchimps, die ich auf ihn angesetzt hatte, konnte er entkommen, aber nun ist er uns direkt in die Arme gelaufen in der typischen Verblendung des Kleinkriminellen. Das hier hab ich ihm aus der Tasche gezogen.

Krapp: Geld? Aus unserer Bank? Alles klar.

Carnevale: Das sind doch nur 1000 Euros, wo hat er die restlichen Millionen?

Medusa. Fragen Sie nicht mich, verehrte Kollegin, fragen Sie ihn.

Jonas: Jonas wurde gefragt. Jonas gab keine Antwort. Nicht weil er nicht sprechen konnte. Der Neurofreezereffekt war abgeklungen. Aber was hätte er sagen sollen?

Krapp: Halten wir uns nicht auf mit dem Kerl. Cool und Easy sollen ihn durch den Wolf drehen, bis er was sagt.

Carnevale: Ich bin mehr für die gute alte Elektroschockmethode. Er sieht aus, als ob er einiges aushält. Was meinen Sie, Dr. Babinski?

Babinski: Sie wissen, ich habe in Ihrem Gremium keine Stimme, meine Herrschaften, lediglich eine beratende Funktion als Mediziner, bei, nun ja, bei intensiven Verhören. Gestatten Sie mir dennoch einen Vorschlag.

Krapp: OK, Doc, aber machen Sie es kurz, ja.

Babinski: Meine Herrschaften, in diesem unseren Stimshop können wir, wie Ihnen bekannt ist, durch direkte Hirnstimulation mittels unserer Supermindmaschinen pansendorische Halluzinationen erzeugen, die von realen Sinneswahrnehmungen nicht zu unterscheiden sind, vor allem wenn die Stimulations- und Rezeptionsakzeptanz unserer Kunden durch die vorherige Verabreichung halluzinogener Drogen gefördert wird, Drogen wie Serotonin, Ditoxipholylethylamin.

Krapp: Kommen Sie zum Punkt, Doc.

Babinski: Sogleich, Herr Krapp. Sie kennen die neueste Entwicklung auf diesem Sektor, unserer erfolgreichen Sadomasoprogramme für eine exklusive Minoritätenklientel.

Carnevale: Ich verstehe. Sie wollen Jonas an so ein Programm anschließen.

Babinski: Ganz recht, Frau Carnevale. Strikt Maso natürlich und unlimitiert. Schmerz, subtilster Schmerz, ohne jene Terminierung, wie sie die kommerzielle Ratio uns auferlegt. Ein hochinteressantes Experiment.

Krapp: Experiment? Der Kerl soll reden!

Babinski: Der wird reden, Herr Krapp, das versichere ich Ihnen, ich denke da an ein historisches Programm, noch im Entwicklungsstadium, Arbeitstitel: In den Folterkellern der Inquisition.

Jonas: Ich trug einen arme Sünderkittel aus grober Sackleinwand und lag auf einer harten Pritsche. Meine Füße waren gefesselt, die Hände auch, über dem Kopf. Fackeln in eisernen Haltern warfen flackernde Schatten auf feuchtes Gestein, auf Brandeisen, Ketten und Peitschen, auf den halbnackten Herkules in roter Kapuze, der neben mir hockte, ein hölzernes Speichenrad zwischen den Fäusten, und auf den Inquisitor, ein kleiner Mann, kahl, in weißer Kutte. Durch seine goldene Brille sah er mich milde an.

Babinski: Nun, mein Sohn, bist du bereit, abzulassen von sündigem Starrsinn und frevelhafter Verstocktheit? Erleichtere deine Seele, gestehe, verirrtes Lamm, gestehe, wo du sie versteckt hast, die ketzerischen Pamphlete, die Teufelssalben für den Hexensabbat. Du weigerst dich zu sprechen? So werden wir denn deinen armen Leib peinigen müssen, auf daß deine unsterbliche Seele gerettet werde. Beginne, Bruder Dominiko, drehe dein Rad. Spürst du es, spürst du, wie deine Muskeln sich dehnen, deine Sehnen sich strecken, deine Haut sich bis zum Zerreißen spannt? Gestehe! Gestehe!

Jonas: Nein! Ich weiß nichts!

Babinski: Halt inne, Bruder Dominiko. Kleine Pause, Herr Jonas, wie fühlen Sie sich?

Jonas: Ich war nicht mehr im Keller der Inquisition. Ich war wieder im Stimshop in der engen Kabine, fest an den Sessel geschnallt. Dr. Babinski nahm mir den Sensorhelm ab.

Babinski: Das war natürlich nur ein Vorgeschmack, eine kurze Einstimmung, um ihre Reaktionen zu testen. In etwa 10 Minuten, wenn das Serotonin seinen vollen Wirkungsgrad erreicht hat, fahren wir fort, und dann, Herr Jonas, machen wir Ernst mit der peinlichen Befragung. Noch einmal Streckbett, dann Daumenschrauben, Brannteisen, und wenn Sie weiterhin hartnäckig sind, Herr Jonas, dann gehen wir bis zum bitteren Ende, bis zum Scheiterhaufen auf der Plaza del Sol.

Jonas: Sam? Bist du da, Sam?

Sam: Hmh. Zur Stelle, Chef, in eurer Tasche.

Jonas: Hast du mitgekriegt, was die mit mir machen?

Sam: O ja Herr. Mit einer Träne im Knopfloch und mit tiefer tiefer Betroffenheit.

Jonas: Dafür kann ich mir nichts kaufen, Sam.

Sam: Ja.

Jonas: Hilf mir lieber. Kannst du dich nicht in die Supermindmaschine einschleichen und das Folterprogramm stoppen?

Sam: No, gewiß Sir, im Prinzipe, jedoch...

Jonas: Nicht in zehn Minuten. Ich weiß.

Sam: Naja, Nobody is perfect, hmh. Pst Pst! Man kommt.

Medusa: Kein Laut, Jonas.

Jonas: Max Medusa. Allein. Gekommen, um Jonas zu retten, sagte er, und er tat es auch. Er schnallte mich los. Und dann ging er voran mit einer Taschenlampe, einen langen Korridor entlang, bis in einen staubigen Kellerraum. Hinter einem Pfeiler blieb er stehen, vor einer rostigen Eisentür.

Medusa: Mein ganz privater Notausgang. Wenn wir ihn benutzen, dann stehen wir auf den Schienen der Metro. Sehen Sie sich nicht so ängstlich um, Jonas, seit 16 Jahren fährt hier kein Zug mehr. Wir gehen nach rechts. Kommen Sie.

Jonas: Fünf Minuten Fußmarsch. Dann wurde es hell. Eine Metrostation. Malachovksy-Platz. Das Beleuchtungssystem funktionierte noch immer. Nach 16 Jahren. Unglaublich. Wir kletterten auf den Bahnsteig. Medusa zog seinen Laserstrahler und richtete ihn auf mich. Dabei sah er mich an, als ob Detektive für ihn noch unter Computerviren stünden. Gleich würde er sagen: Sie hätten sich nicht in Dinge einmischen sollen...

Medusa: Sie hätten sich nicht in Dinge einmischen sollen, die Sie nichts angehen, Jonas, das hab ich versucht, Ihnen klarzumachen, durch meine Superchimps, heute nachmittag, als Sie sich in den Südosten aufmachten, aber Sie wollten ja nicht hören.

Jonas: Und da hatten Sie eine Idee. Jonas ließ sich ganz wunderbar als Sündenbock benutzen, als Ablenkung, als Mittel zur Desinformation. Darum haben Sie mir die 1000 Euros aus dem Bankraub untergejubelt, für Sie kein Problem, denn das ist ja wohl klar, die Euros in der Europäischen Depot- und Investment-Bank, die haben Sie sich unter den Nagel gerissen, Medusa, um Ihrer Kollegin und Konkurrentin Toivonen was anzuhängen nehm ich an, vielleicht brauchten Sie auch nur ein bißchen Bargeld.

Medusa: Wer braucht das nicht. Sie sind wirklich gut, Jonas, Sie haben den Fall gelöst. Nur schade, daß Sie so gar nichts davon haben werden. Denn jetzt, wo Sie alles wissen, ist Ihnen auch bestimmt klar, weshalb ich Sie aus dem Stimshop geholt und hierher gebracht habe.

Jonas: Sie konnten nicht zulassen, daß Jonas weiter gefoltert wird, dann hätte sich nämlich rausgestellt, Jonas weiß nichts, Jonas ist unschuldig, und Ihre Konstruktion wäre zusammengebrochen.

Medusa: Wo ich mir solche Mühe gegeben habe. Das geht natürlich nicht, und deshalb muß ich Sie jetzt umbringen... Was ist das?

Jonas: Hört sich an wie ein Zug.

Medusa: Unsinn, die Linie ist stillgelegt.

Jonas: Das hatte man dem Metrozug wohl nicht gesagt. Er donnerte aus dem Tunnel, hielt, die Türen gingen auf, ganze Horden von Sicherheitsmenschen stürzten auf den Bahnsteig, und griffen sich Medusa. So viel Kavallerie für einen einzigen Indianer. Und zwei ganze Generäle auch noch. Chefinspektor Brock und...

Jonas: Judith!

Judith: Wie du siehst, Jonas. Willst du dich nicht bedanken, wir haben dir mal wieder das Leben gerettet.

Brock: Was passiert mit Medusa, Frau Delgado, nehmen wir ihn mit?

Judith: Wenn ich das wüßte.

Toivonen: Überlassen Sie ihn uns!

Jonas: Wir hatten Zaungäste. Durch ein Loch in der Decke sahen sie uns zu. Toivonen, Krapp, Carnevale und Dr. Babinski unseligen Angedenkens.

Toivonen: Wir haben ein paar Fragen an Medusa. Wo unsere Euros sind, zum Beispiel. Und er wird es uns verraten, oder was meinen Sie, Dr. Babinski?

Babinski: Davon bin ich überzeugt, Frau Toivonen.

Jonas: Ich auch. Verraten Sie mir was, Frau Toivonen.

Toivonen: Wenn ich kann, Herr Jonas.

Jonas: Medusa wollte mich umbringen. Hätten Sie ihn gehindert?

Toivonen: Wissen Sie, Herr Jonas, Sie sind nur ein kleiner Bauer in einem großen Spiel. Ein Bauer ist entbehrlich, sobald er seine Rolle gespielt hat. Sie haben Ihre Rolle gut gespielt. Sie sind der von mir gelegten Spur gewissenhaft gefolgt. Sie haben Medusa aufgescheucht und nicht locker gelassen. Ihre paar Euros haben Sie sich redlich verdient. Ich lasse sie Ihnen überweisen.

Jonas: Von mir aus. Sag mal Judith, wie habt ihr mich hier gefunden? Eure Orter habe ich doch weggeschmissen.

Judith: Sam ist dafür eingesprungen. Seit Schneewittchen, weißt du noch, Jonas, haben wir eine besondere Beziehung, ich und Sammy.

Sam: Rein sexuell.

Jonas: Dein Glück, daß du keine Ohren hast, Sam, ich würde sie dir ja so langziehen.

Sam: Aua!

Jonas: Und was dich betriff, Judith, wir sind quitt, ein für alle mal.

Judith: Nein, Jonas, jetzt bist du mir was schuldig, und ich werde es einfordern, demnächst. Bis bald, Jonas.

Brock: Ehe ich’s vergesse, Jonas, die Sachen, die ich Ihnen vorhin gebracht habe, die rücken Sie mal ganz schnell wieder raus.

Jonas: Die gehören mir. Die haben Sie mir geschenkt.

Brock: Iwo. Nur geliehen. Die Sicherheitsverwaltung hat nichts zu verschenken. Kommen Sie schon rüber damit.

Jonas: Später. Im Casablanca. Jonas war wieder flüssig. Jonas saß und trank. Und fühlte sich mies.

Jonas: Na los, Sam, spiel es, spiel As time goes by.

Sam: Wenn’s unbedingt sein muß, aber singen tu ich nicht.

Jacob: Weißt du, Jonas, vielleicht tauf ich’s doch um, das Casablanca. Relax oder Mind maschine. Zeitgeist, Jonas, das ist es, Lifestyle.

Jonas: Was hab ich gesagt. Es war nicht mein Tag.

Das war Eurodschungel. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam Peer Augustinski. Es wirkten außerdem mit: Karin Anselm, Elisabeth Volkmann, Rainer Basedow, Jochen Busse und viele andere (Cornelia Boje, Claudius Zimmermann, Alvin Joachim Mayer, Roland Astor, Hans Stetter, Detlev Kügow). Ton und Technik: Irene Thielmann und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Regie: Werner Klein. (Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks) (1990). (Redaktion: Erwin Weigel).

Beitrag vom 02.04.2022 - 21:19
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Der letzte Detektiv
Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michel Koser
Heute: Eurobaby

Jonas: Bamballa. Kennen Sie Bamballa? Eine Hafenstadt in Sahel, Nordost-Afrika. Trocken, heiß, staubig, trübselig. Und über dem Ganzen ein durchdringender Duft nach Kamelmist und abgelatschten Sandalen.

Sam: Äh!

Jonas: Das letzte.

Sam: Ja, Gottes linke Achselhöhle. Das Loch gleich neben der Hölle. Des Teufels fauler Stockzahn. Der Arsch der Welt.

Jonas: Sam. Mein Computer und ständiger Begleiter. Redet viel. Weiß alles.

Sam: Ja.

Jonas: Nur nicht, wie man aus diesem verfluchten Nest rauskommt. Ich saß fest. Seit einer Woche. Ich hatte einen Job in Merdistan gehabt. Das ist der sympathische Staat im Orient, der seine Bürger mit öffentlichen Massenfolterungen bei Laune hält. Ich sollte ein Kind aus Merdistan holen für seine Mutter in Babylon. Ihr merdistanischer Ex-Partner hatte es entführt. Jonas sollte es zurückentführen. Das ging schief. Jonas mußte ganz schnell türmen. Über den Golf in einem Fischerboot. Und jetzt saß er in Bamballa. Kein Geld, keine Möglichkeit nach Hause zu kommen. Nach Babylon der großen Stadt mitten in den Vereinigten Staaten von Europa. Dachte ich. Aber da tauchte plötzlich dieser Landsmann auf.

van Meeren: Wir sind doch Landsleute oder? Ich bin sicher Sie kommen aus Europa.

Jonas: Babylon.

van Meeren: Hab ich doch sofort gesehen. Was trinken Sie?

Jonas: Auf der Flasche steht Bier, schmecken tut's wie Spülwasser.

van Meeren: Stern von Sahel. Selber schuld, wenn Sie diesen einheimischen Shit bestellen. Wozu bringen wir denn gute europäische Biere in dieses gottverlassene Land. Pilsen München Dortmund Bremen, das hört sich doch gleich ganz anders an.

Jonas: Kann ich mir nicht leisten.

van Meeren: Aber ich. Boy, zwei Becks, eiskalt und ein bißchen chopchop. So muß man mit denen hier umgehen. Faules Volk.

Jonas: Sie kennen sich aus.

van Meeren. Ja sicher. Bin ja nicht zum ersten Mal hier in Sahel. Ach meine Karte bitte: Cornelis van Meeren. Nennen Sie mich Conny.

Jonas: Muß ich? Was heißt Eurimex?

van Meeren: Kennen Sie nicht. Große europäische Firma. Import Export. Wir kaufen verkaufen vermitteln alles.

Jonas: Bier nach Sahel zum Beispiel.

van Meeren: Und sonst noch so einiges. Alles was gut und teuer ist. Dafür kaufen wir hier Hirse, für Genvieh in Europa.

Jonas: Gewaltige Fleischklumpen in Plastiktrögen ohne Glieder, ohne Kopf, automatisch gewartet und gefüttert. Mit Hirse aus Sahel und anderswo.

van Meeren: Und Holzschnitzereien, Masken, Figuren, echte Volkskunst. Kommt fantastisch an in Babylon. Boutiquen Galerien reißen sich um das Zeug. Haben Sie unser Schiff im Hafen nicht gesehen. Die Eurimex Queen. Gestern eingelaufen. Mit Conny van Meeren unter anderem. Und wer sind sie?

Jonas: Jonas.

van Meeren: Und weiter.

Jonas: Nur Jonas.

van Meeren: Interessant. Und was tun Sie?

Jonas: Sehen Sie doch, ich sitze in einer Kneipe in Bamballa. Trinke einheimisches Bier und überlege wie ich nach Babylon komme.

Jonas: Jonas hatte sagen können, ich bin Detektiv, der letzte Detektiv in Babylon, in Afrika vermutlich auch. Aber das sagte ich nicht. Ich weiß nicht warum.

van Meeren: Abgebrannt.

Jonas: Zu meinem Vergnügen bin ich jedenfalls nicht hier.

van Meeren: Aha. Sie machen den Eindruck als könnten Sie Bodyguarden.

Jonas: Könnte ich. Fragt sich, ob ich will.

van Meeren: Haben Sie eine Wahl?

Jonas: Warum fragen Sie?

van Meeren: Weil wir einen brauchen, einen Bodyguard.

Jonas: Sie? So sehen Sie nicht aus.

van Meeren: Die hohe Frau meine Chefin, Dr. Pretorius, Besitzerin und Generaldirektorin von Eurimex. Trauen Sie sich das zu, haben Sie Erfahrung?

Jonas: Guerillakommando auf Feuerland.

van Meeren: Immerhin. Ist zwar schon ein paar Jährchen her der antarktische Krieg, aber was besseres als Sie werden wir in Bamballa kaum auftreiben.

Jonas: Warum haben Sie sich keinen Bodyguard aus Babylon mitgebracht?

van Meeren: Haben wir ja, aber der Blödmann konnte nicht schwimmen. Heute morgen haben wir ihn tot aus dem Hafen gefischt.

Jonas: Über Bord gefallen.

van Meeren: Muß wohl. Also wenn Sie wollen, Jonas.

Jonas: Vielleicht erzählen Sie mir erst mal worum es genau geht. Was, wie lange und vor allem wie viel.

van Meeren: Nur ein Aushilfsjob, für ein paar Tage, solange wir in Sahel sind. Wir fliegen am, welchen haben wir heute?

Jonas: Sam?

Sam: Mit dem Glockenschlag pardon, vielen tausend mal pardon, mit dem Glockenschlag haben wir Boing, den 12. Juli im mehr oder weniger segensreichen Jahre des Heils oder falls gewünscht des Herrn 2012.

van Meeren: Am 15. fliegen wir zurück nach Babylon per Rakete ab Kundu.

Jonas: Warum fahren Sie nicht mit Ihrem Frachter, so wie Sie hergekommen sind.

van Meeren: Weil die Eurimex Queen schon übermorgen segelt. Das geht bei uns ruckzuck, wissen Sie, gestern abend angekommen, heute entladen, morgen belanden, übermorgen früh abfahrt. Und wir, Dr. Pretorius und ich bleiben noch ein bißchen im Lande. Dr. Pretorius ist nämlich Ehrengast des Präsidenten beim großen Festakt übermorgen in Kundu. Haben Sie sicher davon gehört. 50 Jahre Unabhängigkeit. Uhuru wie sie hier sagen.

Jonas: Uhuru. Freiheit. Freiheit zu kaufen und sich kaufen zu lassen. Hirse, die das Land dringend selber braucht und Vergangenheit, Kultur, Identität, gegen Importbier für die oberen 500, gegen Drogen, Waffen, Holocorder. Es lebe der Fortschritt. Es lebe die Freiheit.

van Meeren: Ihr Job sieht so aus, Jonas: Sie kommen morgen mit nach Kundu, passen 3 Tage auf Dr. Pretorius auf, und kriegen dafür 250 Euros und ein Raketen-Ticket Kundu-Babylon. Einverstanden?

Jonas: Warum beschützen Sie nicht ihre Chefin Herr van Meeren. Die Statur dafür hätten sie.

van Meeren: Besten dank, ich hab was anders zu tun.

Jonas: Verraten sie's mir.

van Meeren: Ich bin der Privatsekretär der hohen Frau. Betonung auf privat. Also was ist Jonas, ja oder nein?

Jonas: Zwischen Bamballa und der Hauptstadt Kundu liegen rund 400 Kilometer Wüste. Das störte uns wenig. Die sahelische Armee hatte dem Ehrengast ihres Präsidenten einen Transporthelikopter samt Pilot zur Verfügung gestellt. Einen Sikorski Ikarus. Viel zu groß für die paar Koffer und für 6 Passagiere. Auch wenn Dr. Pretorius darunter war, die hohe Frau von Eurimex spitz und scharf innen wie außen.

Dr. Pretorius: Das ist der Mann, den Sie uns besorgt haben, Conny.

van Meeren: Ja, Chefin, Jonas, nur Jonas.

Dr. Pretorius: Interessiert mich nicht, wie er heißt. Naja. Durchschnitt.

van Meeren: Die Auswahl war nicht gerade riesig, Chefin. Ist ja nur für 3 Tage.

Dr. Pretorius: Er weiß, was er zu tun hat.

van Meeren: Im großen und ganzen Chefin, ja, das heißt...

Jonas: Ich bin nicht stumm, Ihr Sekretär hat mich als Bodyguard... sehe zu daß Ihnen nichts passiert.

Dr. Pretorius: Sicher, aber in erster Linie passen Sie auf Baby auf.

Jonas: Baby?

Dr. Pretorius: Dieser kleine Koffer. Sie lassen ihn nicht aus den Augen.

Jonas: Schwer. Was ist da drin?

Dr. Pretorius: Mein Schmuck. Nicht daß Sie das was anginge.

Jonas: Sie müssen sehr an Ihren Klunkern hängen, Dr. Pretorius, wenn Sie eigens dafür einen Bodyguard engagieren.

Dr. Pretorius: Sparen Sie sich die Kommentare, dafür bezahl ich Sie nicht. Und steigen Sie endlich ein.

Jonas: Die Frau, die schon im Helikopter saß, war das ganze Gegenteil von Dr. Pretorius. Groß, jung, weder scharf noch spitz. Der Hautfarbe nach hätte sie eine Einheimische sein können. Aber die Kleidung sagte Amerika. Vielleicht Washington.

Jonas: Wo kommen Sie denn her? Aus Washington.

Neon: Nicht ganz, New York. Neon heiß ich, ganz einfach Neon.

Jonas: Nur Neon. Sind Sie Detektivin?

Neon: Wie kommen Sie da darauf. Ich schreibe.

Jonas: Für Holo?

Neon: Nein, Bücher.

Jonas: Kriminalromane.

Neon: Ist wohl eine fixe Idee von Ihnen. Ich schreibe Reiseberichte mit Background: Politik, Geschichte, Wirtschaft. Ich schicke ihn gern mal ein Buch von mir, falls Sie lesen können.

Jonas: Nur großgedrucktes. Wie kommen Sie hierher.

Neon: Ich war oben an der Grenze im Kriegsgebiet.

Jonas: Krieg? Was für Krieg.

Neon: Sahel gegen Farasan. Die Schiffahrtsrechte auf dem Grenzfluß Tschuba. Schon seit Jahrzehnten schlagen sie sich darum. Wissen Sie denn das nicht.

Jonas: Warum sollte ich, ich bin nur zufällig hier. Und ich meinte eigentlich wie kommen Sie in diesen Helikopter. Ich dachte er ist reserviert für ihre Majestät Dr. Pretorius nebst Hofstaat.

Neon: Ich will mir die große Uhurufete in Kundu ansehen. Und weil ich weder Lust noch Zeit habe, in einem uralten Bus tagelang über Wüstenpisten zu klappern, habe ich Dr. Pretorius um einen kleinen Platz in ihrem großen Helikopter gebeten. Sehr begeistert war sie aber sie sehen sie nimmt mich mit. Was führt Sie nach Kundu.

Anschnallen, wir starten.

Dr. Pretorius: Hey Sie Bodyguard, wie geht's Baby?

Jonas: Bestens. Ich sitz drauf.

Jonas: 6 Passagiere. Dr. Pretorius, Neon, Privatsekretär van Meeren, Jonas. Und ein schweigsames Pärchen, das ruhig in seiner Ecke hockte. Geschäftsfreunde aus Kundu, sagte van Meeren. Die Frau kam mir bekannt vor, ich mußte sie schon mal gesehen haben. Wo wann? Es fiel mir nicht ein, egal, dachte Jonas, da dachte er falsch. Ich warf einen Blick durchs kleine Bullauge, braun-gelb-rote Eintönigkeit bis zum Horizont. Ich paßte auf Baby auf. Und ich unterhielt mich mit Neon. Von ihr abgesehen ein langweiliger Trip, dachte Jonas. Da dachte er wieder falsch. Nach etwa einer Stunde Flug wurde es interessant. Interessanter als mir lieb war. Das Pärchen wachte auf, er ging zum Cockpit, sie drehte sich uns zu. Beide hatten Laserstrahler in den Händen.

Laila: Kein Laut, keine Bewegung. Bleiben Sie ganz still sitzen.

Entführer: Wir ändern den Kurs. 200 Grad Südwest.

Wieso. Kundu liegt doch im...

Entführer: Wir fliegen nicht nach Kundu, wir fliegen nach Sokoto in Farasan. Geben Sie den neuen Kurs ein. Los, oder. Gut so.

Dr. Pretorius. Wenn das ein Scherz sein soll, Verehrteste.

Laila: Kein Scherz, Dr. Pretorius. Wir meinen es ernst, verhalten Sie sich ruhig, tun Sie was wir Ihnen sagen. Dann bleiben Sie am Leben, vielleicht.

Jonas: Jetzt fiel es mir ein. In Kusbekistan hatte ich sie gesehen, vor anderthalb Jahren, November 2010. Auf meiner orientalischen Todestour. Sie gehörte zu den Leuten von Duna Khamal. Zur KBF, zur Kusbekischen Befreiungsfront.

Daher unser neues Reiseziel. Farasan unterstützt die KBF. Inoffiziell natürlich. In Sokoto können sich die Entführer sicher fühlen. Und in aller Ruhe verhandeln.

Jonas: Verhandeln, mit wem?

Neon: Das ist doch klar. Mit den Vereinigten Staaten von Europa. Über einen Austausch: 3 europäische Geiseln

Jonas: Und eine Amerikanerin.

Neon: Die aus Versehen in die Geschichte geraten ist.

Sam: Na und? Mitgeflogen reingezogen. Wir sitzen alle in einem Boot, Schwester, wollte sagen in einem Helikopter.

Jonas: Halt den Rand Sammy.

Sam: Weshalb so unwirsch du Knurrhahn, Sam hatte lediglich das Bedürfnis sich wieder mal in Erinnerung zu bringen, denn lange, allzu lange schon mußte er der süßen Rede ganz entsagen, der guten Rats.

Jonas: Geh mir nicht auf die Nerven, deine Zeit kommt schon. Also 4 Geiseln, Neon, gegen wen oder was?

Neon: Im Austausch gegen die KBF-Mitglieder, die in europäischen Gefängnissen sitzen. Sie haben aber auch gar keine Ahnung Jonas.

Sam: Richtig.

Jonas: Irrtum. Niemand wußte darüber besser Bescheid als ich. Schließlich hatte Jonas mitgeholfen Duna Khamal und ihr Kommando hinter Gitter zu bringen. Unfreiwillig aber maßgeblich, siehe Fall Inselklau. Den beiden Entführern war das offenbar unbekannt, ein Glück, der Mann blieb vorn beim Piloten, die Frau behielt die Passagiere im Auge. Ab und zu fuchtelte sie mit ihrem Laser herum. Sonst war sie eigentlich ganz friedlich. Wir konnten uns unterhalten. Leise natürlich.

Neon: Nehmen wir an, ich kriege einen Herzanfall.

Jonas: Sehr gut, Neon, sie wird abgelenkt. Ich nehme ihr den Laser weg, halte den Mann damit in Schach... Wird schon gehen. Was meinst du Sam.

Sam: Frage zu vage. Sam ist ein Computer. Computer meinen nicht.

Jonas: Jetzt muffelt er. Weil ich ihm vorhin übers Maul gefahren bin. So ist er. Frage ich also anders. Du hast gehört, was Neon und ich vorhaben, Sam. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, daß unsere Aktion klappt.

Sam: Piep. 1 zu 1, 2 zu 2, 3 zu 3, 4 zu 4, fifty fifty.

Jonas: Fifty fifty, das reicht mir. Machen Sie sich bereit Neon.

Dr. Pretorius: Augenblick mal Jonas, wollen Sie etwa versuchen die Entführer zu überwältigen?

Jonas: Genau das, Dr. Pretorius.

Dr. Pretorius: Sind Sie verrückt?

Jonas: Im Gegenteil, ich bin Experte.

Dr: Pretorius: Kommt nicht in Frage, Sie arbeiten für mich, Jonas, und ich verbiete es Ihnen, kategorisch.

Jonas: Aber ich...

Dr. Pretorius: Kein aber. Schluß der Debatte.

Jonas: Seltsam.

Neon: Sehr seltsam.

Sam: Äußerst seltsam. Extraordinär. Exorbitant. Exaltiert. Existentialistisch. Explosiv. Extravaganz. Exzentrisch. Extremistisch. Exzeptionell.

Jonas: Ex und hopp, der Flug ging weiter, Richtung Sokoto in Farasan. Dachten wir. Im Helikopter blieb es ruhig. Draußen nicht. Wind kam auf. Wir wurden durchgerüttelt, immer stärker. Vor dem Bullauge wirbelnde Muster aus Sand und Staub. Sonst war nichts zu sehen. Dafür gab's was zu hören. Eine Unterhaltung zwischen Dr. Pretorius und ihrem Sekretär. Gedämpft und sehr interessant.

Dr. Pretorius: Ich dachte, die beiden sind von sahelischen Geheimdienst als zusätzliche Absicherung.

van Meeren: Dache ich auch, Chefin, so haben sie sich vorgestellt. Irgendwas ist schiefgelaufen.

Dr. Pretorius: Das können Sie laut sagen, Conny.

van Meeren: Laut lieber nicht, sonst hören die andern mit.

Dr. Pretorius: Mann Gott, nehmen Sie das doch nicht wörtlich.

van Meeren: Ja schon komischer Zufall, daß die gerade uns entführen.

Dr. Pretorius: Zufall, wenn Sie das glauben, Conny, dann sind Sie noch blöder als ich Sie bisher eingeschätzt habe.

van Meeren: Wenn ich so überlege, Chefin, Bißchen merkwürdig ist es schon.

Dr. Pretorius: Bißchen merkwürdig, Sie sind blöde, Sie sind wirklich blöd. Dieser Helikopter wird entführt, dieser Helikopter mit seiner ganz besonderen Fracht, und wohin, Conny, nach Farasan, ausgerechnet.

van Meeren: Meinen Sie, die wissen, was wir bei uns haben, Chefin?

Dr: Pretorius: Die Entführer, glaub ich nicht, die zeigen überhaupt kein Interesse für Baby. Aber Ihre Hintermänner in Farasan. Die sind genau im Bilde. Sie wollen Baby für sich. Möchte nur wissen, wer ihnen uns kleines Geheimnis verraten hat.

van Meeren: Mein Gott Chefin, was machen wir bloß.

Dr. Pretorius: Abwarten Conny und keine Panik. Und halten sie diesen Idioten zurück. Eine Schießerei an Bord ist das letzte, was wir brauchen. Dann geht alles hoch, Baby, wir, der Helikopter und halb Sahel.

Jonas: Der Idiot war natürlich Jonas. Der Idiot machte sich so seine Gedanken. Über Dr. Pretorius, über Eurimex und über Baby, ganz besonders über Baby. Bis mir plötzlich das Nachdenken verging. Der Helikopter ging unvermittelt in eine Art Sturzflug über, er sackte jäh ab, kurvte scharf nach rechts, dann setzte er hart auf. Alles flog durch die Kabine, Passagiere, Entführer und Baby.

Dr. Pretorius: Baby, wo ist Baby.

Jonas: Hier, Dr. Pretorius, ich hab den Koffer fest im Griff.

Dr. Pretorius: Ist ihm auch nichts passiert.

Jonas: Sieht nicht so aus. Nur ne kleine Delle.

Neon: Sehen Sie nicht zum Cockpit, Jonas, der Pilot macht seine Türe auf, ganz vorsichtig, jetzt jetzt ist er draußen.

Entführer: Halt, stehenbleiben, ich schieße. Laß die Geiseln nicht aus den Augen, Laila. Halt!

Laila: Klar.

Jonas: Der Entführer stand in der offenen Tür und schoß auf den Piloten, der verschwand im aufgewirbelten Staub. Ob er getroffen war, weiß ich nicht. Der Entführer wurde getroffen. Das weiß ich. Von einem Schuß, der draußen abgefeuert wurde. Er sackte zusammen und blieb liegen. Was war hier los. Und vor allem, wo waren wir.

Sam: Auf festem Boden, du intellektueller Blechschaden. Terra firma, wie wir Lateiner sagen.

Jonas: Man sei gedankt Sam, ein höchst profunder und hilfreicher Beitrag zur Klärung der Situation. Daß wir gelandet sind weiß ich selbst, die Frage ist wo.

Neon: In Farasan.

Jonas: Glauben Sie, Neon?

Neon: Wenn wir nur was sehen könnten. Die Schatten, die Umrisse da draußen, sind das Häuser? Ich weiß nicht. Hach, dieser schreckliche Wirbelsturm.

Sam: Präzise Sandsturm oder Kamsin, wie dies hierorts nicht eben unhäufige Naturphänomen von den Einheimischen zu bezeichnet zu werden pflegt, sofern es Sam verstattet ist die Diskussion durch eine profunde Anmerkung aus dem Bereich der meteorologischen wie auch der linguistischen Wissenschaften anzureichen.

Jonas: Wenn das alles ist, was du beizutragen hast, Sam.

Sam: Mitnichten, hohes Gericht, aller guten Dinge sind drei. Kundu.

Jonas: Kundu?

Sam: Kundu.

Jonas: Und was heißt Kundu.

Sam: Nu was wird's schon heißen. Liebe Kinder, formulieren wir es so, daß es auch diejenigen unter euch verstehen, die mit einem Vakuum zwischen ihren Horchlöffeln geschlagen sind. Wir sind in Kundu. Kapito Kapitän. Unser Helikopter ist in Kundu gelandet. Die Straße nebst genaue Hausnummer anzugeben sieht Sam sich bedauerlicherweise nicht in der Lage. Doch scheint es sicher, daß wir uns auf militärischem Gelände befinden.

Jonas: In Kundu.

Sam: Soll ich's auch noch buchstabieren, du Schwachwitz.

Jonas: Wo wir sowieso hinwollten.

Neon: Aber der Pilot mußte doch den Kurscomputer umprogrammieren auf Sokoto.

Sam: Durchaus korrekt, meine Gnädigste, was sich jedoch dero Holdseligkeit Kenntnis entzieht, wie auch der meines wie üblich vernagelten Meister, der uns entführt habenden Herrschaften ist die Tatsache, daß das Flugsystem dieses unseres Transportmittels mit einem geheimen Zusatzprogramm ausgestattet ist, für Notfälle wie Entführungen und dergl. äh dergleichen. Durch einen simplen Knopfdruck läßt besagtes Programm sich unauffällig aktivieren, wodurch a sämtliche sonstigen Eingaben als ungültig nicht befolgt werden b der alte Kurs beibehalten wird nach gewissen Täuschungs- und Ablenkungsmanövern als da wären Geschwindigkeitsvarianten und Kurvenflüge. Kurve... Wo war Sammy.

Jonas: Drittens. Durch das Notprogramm wird drittens.

Sam: c durch das Notprogramm wird c ein automatisches Ortungssignal abgegeben, so war das sahelische Hauptquartier über unsere Situation informiert, konnte den Flug des Helikopters verfolgen.

Neon: Bis zu unserer unsanften Landung an einer Stelle, wo das Empfangskommitte schon gewartet hat. Sehr plausibel. Und woher weißt du das alles, Sam.

Sam: Ach Gottchen Gottchen Gnädigste, ein vergleichsweise primitives System hat keine Geheimnisse vor Sam dem Durchdringenden, dem Scharfsinnigen, dem Allwissenden.

Jonas: Ich werd dich umbenennen in Sam den großen.

Sam: Hoffentlich.

Offizier: Achtung, hier spricht die Armee von Sahel. Sie sind umstellt. Leisten Sie keinen Widerstand. Ergeben Sie sich. Sie haben keine Chance.

Laila: Ah ja. Halten Sie Abstand, kommen Sie nicht näher, sonst schieße ich in den Treibstofftank. Die Folgen können Sie sich ausmalen.

Jonas. Eine riesige Stichflamme.

Neon: Ruhe sanft für alle.

Sam: Amen.

Dr. Pretorius: Baby, mein Gott, alles nur das nicht.

Offizier: Was verlangen Sie, nennen Sie Ihre Forderungen.

Laila: Wir brauchen einen Arzt. Dringend. Und dann Moment kann jemand von Ihnen diesen Helikopter fliegen.

Sam: Ja ich.

Jonas: Ja. Jonas konnte, Jonas war sogar Experte im Helikoptern. Aber Jonas wollte nicht. Auf festem Boden fühlte ich mich zur Zeit sehr viel sicherer. Also sagte ich nein. Wie Neon, wie Dr. Pretorius, wie van Meeren.

Laila: Ein Arzt und ein Helikopterpilot. Beeilen Sie sich.

Offizier: Geben Sie uns Zeit.

Laila: Gut, eine halbe Stunde, bis 17Uhr 40, dann geht mein Laser los, in den Tank.

Jonas: Die Entführerin wirkte ruhig, entschlossen. Die Mündung ihres Laserstrahles berührte den Treibstofftank. Wir in der Maschine hatten vorerst keine Chance was zu unternehmen. Warum hatte das Militär draußen nicht versucht, den Helikopter zu stürmen, gleich nach der harten Landung, das wäre der richtige Zeitpunkt gewesen. Mir fielen meine Gedanken von vorhin wieder ein. Jetzt teilte ich sie mit Neon und mit Sam.

Sam: Die trauen sich nicht, die Helden.

Neon: Warum?

Jonas: Aus dem selben Grund, warum Dr. Pretorius verboten hat was gegen die Entführer was zu unternehmen.

Neon: Baby.

Jonas: Ja, Baby, Baby darf nichts passieren, Baby darf nicht in Gefahr kommen.

Neon: Offenbar ist Baby sehr wertvoll.

Jonas: Und explosiv. Wenn Baby explodiert, fliegt halb Sahel in die Luft, hat Dr. Pretorius gesagt.

Neon: Eine Bombe, ein sehr wertvolle Bombe.

Jonas: Eurimex kauft, verkauft, vermittelt alles.

Neon: Auch wenn's nicht ganz astrein ist. Dafür ist Eurimex bekannt. Und Sahel führt schon lange einen Grenzkrieg mit Farasan, einen Krieg, den keine Seite für sich entscheiden kann, weil beide etwa gleich stark sind. Und gleich gut bewaffnet.

Jonas: Nehmen wir an, Sahel will den Krieg beenden, siegreich natürlich, um den 50. Jahrestag der Unabhängigkeit so richtig schön zu feiern, und darum bestellt die Regierung von Sahel bei einer skrupellosen europäischen Firma eine Waffe, eine kriegsentscheidende Waffe, eine Waffe die der Gegner Farasan nicht hat.

Neon: Und weil nach dem Völkerrecht und nach allen internationalen Vereinbarungen gewisse Waffen auf gar keinen Fall gehandelt werden dürfen und weil die UN dieses Verbot mit strengsten Kontrollen überwacht.

Jonas: Könnte Eurimex auf die Idee gekommen sein, die Waffe durch die Hintertür nach Sahel zu schmuggeln, im Handgepäck eines Ehrengastes, der mit dem Fracht ein reist, über einen kleinen Hafen, nicht gerade der übliche Weg.

Neon: Aber sicher.

Sam: Brava, Bravo, Bravissime, recht gefällig kombiniert, für Menschen gar nicht mal so übelst, nichts desto trotz und dessen ungesiebt Korrektur ungeachtet, dies dürfte der Gnädigsten eben so klar sein wie dem mich besitzenden Schrumpfkopf, hundelt es sich nicht um wohlfundiertes Wissen, vielmehr um Spekulation, um konjuntivistisches Gerätsel. Was der kühnen Konstruktion fehlt ist ein Beweis, ein haftfester faktischer Beweis.

Jonas: Sieh mal an, ein Beweis fehlt dem Herrn, was soll ich denn da tun, den sogenannten Schmuckkoffer aufmachen und nachsehen, was drin ist.

Sam: Keinesfalls Sir, eine höchstgefährliche Prozedur. Obendrein unnötig. Der Beweis ist da.

Jonas: Was? Wo?

Sam: In aller Bescheidenheit, hier in Sam. Es zeigt sich nun, wie recht eure vorausschauende Umsichtigkeit hatten, als sie angeregt durch Fall Inselklau dero demütigen Diener auf dessen inständiges Flehen mit der Installation eines Radioaktivitätsfrüherkennungsprogramm auf Geiger-Müller-Basis beschenkten.

Jonas: Radioaktivität.

Sam: In minimaler Quantität. Völlig gefahrlos. Aus dem Koffer, der bei der Landung strukturell ein ganz klein wenig lädiert wurde.

Neon: Alles klar, Baby ist eine Atombombe.

Dr. Pretorius: Bombe, ach du lieber Gott, ein winziges Sprengköpfchen für eine Boden-Bodenrakete. Kaum der Rede wert. Am besten vergessen Sie's gleich wieder. Wir haben doch schon genug auf dem Hals, Entführer, Sandsturm, die sahelische Armee, warum wollen Sie sich zu allem Überfluß auch noch mit internationalen Problemen belasten.

van Meeren: Wie sagt ein babylonisches Sprichwort: Was ich nicht weiß, macht mich nicht radioaktiv.

Dr. Pretorius: Sie halten das Maul, Conny, ich hab nämlich nachgedacht, und mir ist was klar geworden, Sie haben uns in diesen Schlammassel gebacht, Conny, Ihnen verdanken wird, daß wir hier sitzen in akuter Lebensgefahr und nicht wissen wie's weitergeht.
van Meeren: Wie kommen Sie darauf, Chefin?

Dr. Pretorius: Nur drei Menschen wissen, daß Baby von Europa nach Sahel transferiert wird und auf welchem Weg. Ich natürlich, der Präsident von Sahel Generalissimus Simba, und Sie, Conny van Meeren. Mein Privatsekretär, meine rechte Hand. Sie haben uns an Farasan verraten, darauf hat Farasan die Kusbekische Befreiungsfront mobilisiert und uns entführen lassen. Sie haben die Entführer an Bord gebracht als angebliche sahelische Geheimdienstleute und vorher haben sie meinen Bodyguard beseitigt und einen neuen engagiert, den sie für einen harmlosen Trottel hielten. Mich freut nur eins, Conny, daß Sie jetzt mit uns in der Scheiße sitzen.

Offizier: Achtung, wir schicken ihnen den erbetenen Arzt. Geben sie ihm freies Geleit.

Jonas: Zeit für eine Zwischenbilanz. Die Saheli waren blockiert, sie wußten, was wir bei uns hatten und wollten es unbedingt haben, einen Sturmangriff auf den Helikopter konnten sie nicht riskieren. Wegfliegenlassen konnten sie ihn auch nicht, weil dann die Farasani Baby kriegen würden. Patt. Und wir saßen auch fest, weil Laila einen Laser hatte, aber keine Piloten für den Helikopter. Wieder Patt. Jonas konnte nur eins tun, abwarten bis sich die Situation sich änderte, durch einen neuen Faktor, z.B. durch der Arzt, falls er ein Arzt war, auf jeden Fall sah er sich den angeschossenen Entführer kurz an, in der letzten halben Stunde hatte der sich verdächtig ruhig verhalten.

Arzt: Seinetwegen haben Sie mich gerufen? Der braucht keinen Arzt mehr.

Tot.

Arzt: So tot wie’s nur geht. Dr. Pretorius?

Dr. Pretorius: Ja bitte?

Arzt: Was ihre spezielle Fracht betrifft, Sie können sich denken, daß Generalissimus Simba sehr daran interessiert ist. Er wünscht zu erfahren...

Laila: Schluß, keine Unterhaltung mit den Geiseln.

Arzt: Ja aber ich wollte doch bloß...

Laila: Kein Wort mehr, raus, und sagen sie Generalissimus Simba, wenn in 5 Minuten kein Pilot...

Jonas: Zu spät, van Meeren, Madam war einen Moment nicht konzentriert, das reichte. Jetzt hat Jonas den Laser und wer den Laser hat, hat das Sagen. Stellen sie sich drüben an die Wand. Alle. Sie nicht Neon, Sie nehmen sich den Onkel Dr. vor. Klopfen sie mal kräftig ab. Er hat so eine interessante Ausbuchtung unter dem Kittel.

Jonas: Darunter war ein Knockouter. Gar nicht schlecht. Jetzt hatte auch Neon was in der Hand. Die einzige Person, der Jonas trauen konnte.

Dr. Pretorius: Wunderbar. Entführung beendet. Alles in Butter, Guter Mann Jonas, Sie sind ihr Geld wert, so, dann wollen wir mal aussteigen, wird Zeit daß wir es uns ein bißchen bequemer machen, ein anständiges Hotel, Klimaanlage, Füße hoch, ein kaltes Bier auf den Schreck, hört sich doch gut an. Wenn ich um Baby bitten dürfte. Jonas.

Sam: Du wirst doch nicht, du Puddingkopf.

Jonas: Keine Angst, Sammy, da müßte ich ja vom wilden Sandfloh gebissen sein.

Dr. Pretorius: Na los, Jonas Geben Sie mir den Koffer.

Jonas: Ich denke nicht daran, Dr. Pretorius. Baby bleibt bei mir. Vorläufig. Jonas hat was gegen wandernde Atombomben. In Afrika und sonst wo. Und dann gibt noch ein Grund. Einen triftigen Grund. Ich würde dieses Abenteuer gern überleben. Ich weiß was los ist, Neon weiß es und Sie Dr. Pretorius wissen, daß wir es wissen.

Dr. Pretorius: Ach wissen Sie, Jonas, vergeben und vergessen, das ist mein Motto.

Jonas: Rührend. Sie kommen in Teufels Küche, Dr. Pretorius, wenn Ihr schmutziger Deal mit Sahel bekannt wird. Sie haben gar keine Wahl. Sobald wir den Helikopter verlassen, Neon und ich, werden wir liquidiert.

Dr. Pretorius: Also... also sitzen wir wieder mal fest. Irgendwie müssen wir doch zu einem Ende kommen. Sie führen jetzt das große Wort, Jonas schlagen Sie was vor.

Jonas: Als erstes werden wir Ballast abwerfen. Doktor, Leila, nehmen Sie den Toten, schaffen Sie ihn raus, und bleiben Sie draußen. Machen Sie die Tür auf, Neon, vorsichtig. Und Doktor, richten Sie Generalismus Simba von mir aus, für ihn hat sich nichts geändert. Er soll seine Leute zurückhalten, sonst geht der Helikopter hoch mitsamt der speziellen Fracht, für die er sich so interessiert. Mit großem Getöse und weltpolitischen Komplikationen. Sagen Sie ihm das, Doktor, mit freundlichen Grüßen von Jonas. Nur Jonas.

Jonas: Allmählich reichte es mir. Jonas hatte keine Lust noch länger festzusitzen: Außerdem wurde es wirklich Zeit, über die Sache mal gründlich nachzudenken. Hier ging das nicht, zu laut, zu unruhig, zu viele Soldaten. Ein Ortswechsel war angesagt.

Neon: Ganz meine Meinung Jonas, leider unmöglich.

Jonas: Wer sagt das, wozu haben sie ein Helikopter.

Neon: Können Sie das Ding denn fliegen, Jonas.

Dr. Pretorius: Versuchen Sie's. Generalismus Simba wird Sie abschießen.

van Meeren: Uns mit, Chefin, vergessen Sie das nicht.

Dr. Pretorius: Mit Ihnen rede ich nicht mehr, Conny.

Jonas: Abschießen glaub ich nicht, solange Baby an Bord ist, sind wir sicher, was Sam.

Sam: Bombensicher, so sicher wie in Abrahams Schoß, Herr Oberrabbiner. Wie in Moses Hosentasche. In Noahs Schürzenzipfel. Man könnte auch sagen.

Jonas: Man könnte auch still sein und was tun zur Abwechslung.

Sam: Bitte bitte, was befielt mein Gebieter und Gebieter.

Jonas: Setzt die komplette Elektronik im Cockpit außer Gefecht. Automatische Steuerung, Radar, Kurscomputer und was sonst noch da ist.

Sam: Eure unüberbietbare Selbstüberschätzung hegen doch nicht die Absicht, den Helikopter mit eigener bloßer Hand splitterfasernackt zu fliegen, a Korrektur den Helikopter mit eigener bloßer splitterfasernackter Hand zu fliegen.

Jonas: Das ist der Plan, Sammy.

Sam: Ooo, wenn das nur gutgeht.

Jonas: Laß das meine Sorge sein, und tu was ich dir gesagt habe. Mach die Elektronik kaputt.

Sam: So richtig mit Schmackes und Puff und Knall und Bumms.

Jonas: Wenn's dir Spaß macht, Sammy.

Sam: Und wie Pappi. So und so. Befehl ausgeführt, Herr Staffelkommandeur.

Jonas: Sehr gut, Gefreiter Sam.

Sam: Gefreiter? Wenn Jonas Staffelkommandeur ist, dann ist Sam mindestens Luftmarschall oder Generalissimus.

Jonas: Apropos. Wenn ich voll in den Sandsturm starte, kriegen Simba und seine Krieger das erst mit, wenn wir schon weg sind.

Sam: Dein Wort in Gottes Ohr. Na ja gut also in Gottes Ohr. Radar?

Jonas: Die haben nicht gerade das allerneueste. In Bamballa hab ich's mir angesehen. Kein Problem. Den Radar tricksen wir aus, wir fliegen unten durch, so niedrig wie’s geht.

Neon: Bei einer Sicht von maximal 10 Metern. Riskant.

Jonas: Die Alternative wäre hier stehen zu bleiben und zu warten bis sie uns einkassieren. Auf geht's.

Sam: Holloridiö. Horrido. Mast und Schotbruch. Und immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel. Das heißt O2 oder auch gymnastisch Luft.

Jonas: Wie die wilde Jagd fegten wir durch die aufgewirbelten Sandsäulen, vorbei an Giebeln, Masten und Türmen, rechts, links, dann immer gerade aus. Der Sturm nahm ab, ich konnte was sehen. Wüste. Nichts als Wüste. Keine Verfolger. Soweit so gut.

Dr. Pretorius: Gut, gar nicht gut, Jonas, was haben Sie denn gewonnen durch Ihre unüberlegte Flucht. Sie werden nicht weit kommen, glauben Sie mir. Die Saheli werden Ihnen keine Ruhe lassen, sie werden Sie jagen.

Jonas: Sam?

Sam: Dein Sklave windet sich im Staube, erhabene Herrscher.

Jonas: Lagebericht, wie sieht's aus.

Sam: Bescheiden Meister. Generalalarm für alle sahelischen Streitkräfte. Luftwaffe Panzer Marine Raketentruppe... Befehl ausschwärmen, Helikopter SHSI 19 orten.

Jonas: Und haben sie uns geortet.

Sam: Sie suchen hier, sie suchen dort, an diesem und an jenem Ort, im Wüstensand im Himmelslicht, gefunden hab'n sie uns noch nicht.

Dr. Pretorius: Nur eine Frage der Zeit, Jonas, ich kenne Generalissimus Simba, der läßt nicht locker, bis er Sie erwischt hat, und dann geht’s Ihnen schlecht. Ich geb Ihnen einen guten Rat. Stellen Sie sich freiwillig, überlassen Sie Baby dem Generalissimus, dann wird Ihnen nichts geschehen.

Sam: Ganz ganz großer Pfadfinderehrenwort.

Dr. Pretorius: Im Gegenteil, Jonas Sie werden eine Belohnung bekommen, eine hohe Belohnung, 5000 ah 10.000 Euros, Sie werden reich, Jonas.

van Meeren: 10.000 Euros lächerlich. In Farasan kriegen Sie mehr, Jonas, viel viel mehr. Das garantier ich Ihnen. Hören Sie nicht auf Dr. Pretorius, die verspricht alles und hält nichts, fliegen Sie über die Grenze, die Farasanie werden sie mit offenen Armen empfangen. Was wünschen Sie sich, eine Villa, einen Harem, eine Million auf Schweizer Konten.

Dr. Pretorius: Warum nicht gleich eine Milliarde. Sie lügen doch, wenn Sie das Maul aufmachen, Conny.

van Meeren: Ich dachte, Sie reden nicht mehr mit mir, Chefin.

Dr. Pretorius: Ich rede auch nicht mit Ihnen, Conny, ich sag Ihnen nur was ich von Ihnen halte. Erst haben Sie mich verkauft und jetzt wollen Sie auch noch Jonas verkaufen. Glauben Sie ihm nicht, Jonas, fliegen Sie nach Kundu zurück.

van Meeren: Nach Farasan, Jonas, fliegen Sie nach rechts. Rechts.

Jonas: Und so weiter. Das Gezeter fing an mir auf die Nerven zu gehen. Vor uns am Horizont eine Steinwüste, kein Mensch, keine Pflanze, kein Wasser, nur Felsen und Sand. Ich landete kurz und schmiß die beiden raus. Vielleicht hätte ich das schon in Kundu tun sollen. Aber hier hatten sie es schwerer. Strafe muß sein. Als ich abhob prügelten sie aufeinander ein. Angenehmen Aufenthalt.

Sam: Ah endlich allein.

Jonas: Allein? Neon und Jonas.

Sam: Und der liebe gute Sam. Anrührend. Eine rechte echte Familie. Vater Mutter Kind.

Neon: Nicht zu vergessen Baby.

Sam: Und hier meine Damen und Herren Abgeordneten steht das gewichtige Problem mitten im Raume, erhebt die große Frage ihr brennendes Haupt, was tun was tun mit Baby.

Jonas: Am liebsten Klappe auf und raus, wie Dr. Pretorius und van Meeren, aber das ist nicht drin.

Neon: Im Sand eingraben oder in den Bergen verstecken.

Jonas: Alles viel zu unsicher. Es geht ja nicht nur darum, Baby los zuwerden, das ist nicht schwer.

Neon: Wir müssen auch verhindern, daß die Bombe in falsche Hände kommt.

Jonas: Und wir müssen uns absichern, zusehen daß wir heil aus der Geschichte rauskommen, das heißt erst mal aus Sahel.

Sam: Schwierig eure Tüdeligkeit. Wie das jetzt aussieht sitzen wir voll in der Falle. Die Grenze ist dicht. Der Luftraum drüber auch. Flak, Raketen, Jägerpatrouillen. All über all auf den Tannenspitzen. Falle zu Ratte tot.

Jonas: Soweit sind wir noch nicht, Sammy, es wird uns schon was einfallen.

Sam: Ja, dann sollten wir uns aber beeilen, Herr Hilfsnachtwächter. Denn siehe es will Abend werden und der Tag hat sich geneiget.

Jonas: Jonas flog weiter und dachte nach. Neon dachte auch nach und Sam sowieso. Mir fiel nichts ein, dafür fiel mir was auf. Unten auf dem Erdboden: ein unendlich langer Strich in der Landschaft. Ich ging tiefer.

Neon: Das ist die Piste, die Straße durch die Wüste von Kundu nach Bamballa.

Sam: Bzw. von Bamballa nach Kundu. Immer präzis gell.

Neon: Ein Lastzug.

Jonas: Der steht.

Sam: Der auch?

Neon: Der Fahrer hat wohl gehalten, um den Sandsturm abzuwarten.

Jonas: Jetzt schläft er im Führerhaus.

Neon: Container hat er geladen für Bamballa.

Jonas: Ich hab ne Idee.

Neon: Ich auch Jonas.

Sam: Und Sam schon lange.

Jonas: 12 Stunden später. Vormittag. In Kundu ging es los das große Fest, 50 Jahre Uhuru 1962-2012. Menschen über Menschen auf dem riesigen Areal vor dem Nationalpalast. Fahnen, Spruchbänder, pflichtschuldiger Jubel für die großen Führer des sahelischen Volkes. Generalissimus Simba, der winkte huldvoll vom Balkon. Ein Brummen in der Ferne, es kam näher, wurde lauter. Ein Helikopter SHSE19. Das stand groß und weiß auf der Unterseite. Darüber das Emblem der sahelischen Armee: schwarzer Elefant unter grüner Palme auf gelbem Grund. Der Helikoper drehe eine Runde und schwebte dann über dem Nationalpalast. Neon und Jonas nickten sich zu. Ein bißchen nervös aber entschlossen das Spiel zu Ende zu spielen: Sam machte uns eine Sprechfunkverbindung mit dem Generalismus.

Simba: Ich weiß wer Sie sind, Jonas, Sie haben Baby, Baby gehört mir. Ich hab dafür bezahlt, viel Geld. Kommen Sie runter, ich will mein Eigentum.

Jonas: Sichern Sie uns freien Abzug ins Ausland zu, Generalissimus.

Simba: Was Sie wollen, auf der Stelle, kommen Sie, kommen Sie, bringen Sie mir mein Baby.

Jonas: Nicht so schnell, wir verlangen Garantien.

Simba: Von mir aus, ich verspreche alles.

Steigen Sie zu, Generalismus.

Simba: Was?

Jonas: Kommen Sie zu uns in den Helikopter. Wir lassen ihn eine Strickleiter runter. Dann können wir reden.

Simba: Kommt nicht in Frage. Wozu? Reden können wir auch so. Sie kommen zu mir. Landen Sie sofort, sonst laß ich Sie abschießen.

Jonas: Das liegt bei Ihnen, Generalismus, wenn sie Ihr großes Fest unbedingt mit einem atomaren Feuerwerk abschließen wollen.

Simba: Also gut, schieß ich Sie nicht ab, aber in den Helikopter komme ich nicht.

Jonas: Ich muß darauf bestehen, Generalissimus.

Simba: Sie können mich nicht zwingen.

Wollen wir wetten. Wenn ich den Helikopter auf Ihren Nationalpalast fallen lasse.

Simba: Dann sind Sie tot, Jonas.

Jonas: Sie aber auch, Generalissimus, und ihr jubelndes Volk, der Palast ist kaputt, ganz Kundu ist kaputt, von Sahel bleibt nicht viel übrig.

Simba: Lassen Sie die Leiter runter.

Jonas: Wir ließen die Strickleiter runter, und dann hievten wir sie hoch mitsamt dem Generalissimus. Keine leichte Arbeit. Exzellenz hatten erhebliches Übergewicht.

Simba: Hier bin ich.

Neon: Wissen Sie, Jonas, wie die Saheli ihren Präsidenten nennen, nicht Simba, Löwe, Combe, das heißt Bier.

Jonas: Ich bin sicher er trink nur Import, kein Stern von Sahel. So, Tür zu, Neon.

Neon: Wird gemacht.

Jonas: Schnallen Sie sich an, Generalissimus.

Simba: Was soll das. Halt, bleiben Sie, das ist nicht vorgesehen.

Jonas: Von uns schon, Generalissimus.

Simba: Wo fliegen wir hin.

Neon: Zur Grenze, Generalissimus. Sie werden ihre Truppen anweisen, den Helikopter passieren zu lassen.

Simba: Ja das hätten Sie gern. Warum sollte ich.

Jonas: Weil Sie noch eine zeitlang Bier trinken möchten.

Neon: Außerdem wollen Sie was von uns.

Simba: Baby, wo is baby.

Jonas: Nicht an Bord, Generalissimus.

Simba: Sie haben mich angelogen.

Jonas: Nicht doch Generalissimus.

Neon: Wir haben nicht behauptet, daß wir Baby noch bei uns haben.

Simba: Versteckt haben Sie Baby, wo?

Jonas: In Sahel.

Simba: Natürlich in Sahel. Über die Grenze wären Sie nicht gekommen. Wo in Sahel.

Neon: Das verraten wir Ihnen, wenn wir die Grenze hinter uns haben.

Simba: Kann ich mich darauf verlassen.

Jonas: Sie können.

Neon: Unser Ehrenwort, Generalissimus.

Jonas: Wir kamen sicher über die Grenze. Nicht die Grenze zu Farasan. Da wären wir vom Regen in die Traufe geraten. Die Grenze zu Solaria, ein Staat, der mit Sahel und Farasan wenig am Hut hat, um so mehr mit Europa, weil von da viele Touristen nach Solaria kommen, um sich an den berühmten weißen Strand zu legen, unter die berühmten grünen Palmen. Außerdem hat die Atomwaffenkontrollkommission der UN ein Büro in Solaria.

Simba: Ihr Ehrenwort, Sie haben mir Ihr Ehrewort gegeben.

Neon: Und das halten wir auch.

Simba: Dann sagen Sie mir wo Baby steckt.

Jonas: Mit Vergnügen, Generalissimus, und nicht nur Ihnen. Sam?

Sam: Kann es denn war sein, wirklich wahrhaftig wahr, Sam wird wieder gebraucht. Hallejula. Halleluja. Lobe den Herr.

Jonas: Dein Herrn loben kannst du später, Sam. Jetzt mach mir eine Verbindung nach Solaria zur UN.

Sam: Jawohl Herr Cheftelegraphist. Zack Zack. Verbindung steht.

Jonas: Folgende Mitteilung: Achtung. Frachter Eurimex-Queen heute morgen in Bamballa ausgelaufen, Ziel Babelshaven, Europa, an Bord Atomsprengkopf, der illegal in Sahel eingeführt wurde. Sprengkopf befindet sich in Koffer, Koffer befindet sich in Container E4, Inhalt sahelische Holzschnitzereien, empfehle Sofortmaßnahmen, Frachter stoppen, entern, Sprengkopf sicherstellen. Stop.

Sam: Stop. Mitteilung unterwegs.

Simba: Sie... Reingelegt haben Sie mich. Ich werde Sie

Neon: Sie werden ganz friedlich sitzen bleiben. Sonst geht mein Knockouter los.

Simba: In Sahel haben Sie gesagt, in Sahel haben Sie Baby versteckt.

Neon: Jawohl das haben wir. Direkt an der Piste Kundu-Bamballa. Gestern abend in einem Lastzug, genauer gesagt in einem Container auf dem Lastzug.

Jonas: Eurimex Queen E4 stand auf dem Container. Und das brachte uns auf die Idee. Jonas landete den Helikopter in einiger Entfernung, wir schlichen uns an, Neon und ich, machten vorsichtig den Container auf, packten Baby zwischen die Volkskunst, machten den Container wieder zu, dann weckten wir den Fahrer, damit er pünktlich nach Bamballa kam, und die EURIMEX Queen am nächsten Tag planmäßig segeln konnte. Übernachtet haben wir übrigens in den Bergen, auf einem unzugänglichen Hochplateau. Tja, das wär's dann wohl. Fall abgeschlossen.

Sam: Hey Moment mal, so geht's ja nicht, da ist noch einiges zu klären. Zum Bleistift.

Jonas: Mach du das, Sammy, Jonas hat's eilig. Eine Verabredung mit Neon. Mit der kann man nicht nur Pferde stehlen oder Atombomben verstecken. Wir haben beschlossen, ein paar Tage in Solaria zu bleiben und uns näherzukommen. Bis dann Sammy.

Sam: Ja und nu? Hä? Weg ist er. Und während der Herr und Meister sich vergnügt muß der Knecht schuften. So ist das. Immer so gewesen. Der Lauf der Welt. Naja. Dann wollen wir mal die losen Enden aufwickeln. Mit Musik. Denn damit geht bekanntlich alles besser. Fangen wir an mit Generalissimus Simba, der blieb auch in Solaria, allerdings unfreiwillig. Während seiner Abwesenheit hatten die Saheli Revolution gemacht und ihn gestürzt. Dr. Pretorius tauchte nach einer Woche aus der Wüste auf, gesund munter wohlgenährt, ja und allein. Von Cornelis van Meeren hat man nie wieder was gehört. Baby wurde gefunden und von der UN in Gewahrsam genommen. Und dann kehrte man die ganze Geschichte unter den Teppich, naja weil sie sonst zu peinlich geworden wäre für Sahel, für Farasan und für die Firma Eurimex. Tja, und Jonas, der legte sich mit Neon an, Korrektur der legte sich mit Neon an den berühmten weißen Strand unter die berühmten grünen Palmen, und wie er da lag war er schon mitten im nächsten Fall. Und es ging wieder los. Das Rennen und jachern und detektieren oder heißt es detektivieren. Na igel äh egal. Nichts mit ausruhen und sich näher kommen. Armer Jonas, ach was heißt armer Jonas. Geschieht ihm ganz rechts, äh links na mittendurch ah Ende.

Das war Eurobaby. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus. Seinen Supercomputer Sam: Peer Augustinski. Es wirkten außerdem mit: Evelyn Hamann, Jutta Speidel, Günther Sauer, Reinhard Glemnitz und viele andere (Sibylle Nicolai, Peter Bertram, Michael Gahr, Hans Peder Hermansen). Ton und Technik: Irene Thielmann und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Regie: Werner Klein. (Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks) (1990). (Redaktion: Erwin Weigel).

Beitrag vom 02.04.2022 - 21:20
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Der letzte Detektiv
Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
Heute: Euromüll

Stimme: Jonas, hilf mir, Jonas, bitte, bitte hilf mir! Hilf! Jonas! hilf! Jonas, bitte bitte hilf mir! Jonas, bitte. Jonas, bitte hilf mir, Jonas!

Jonas: Judith ruft mich. Sie ist in Gefahr. Sie braucht Hilfe. Wo ist Sie? Wo bin ich? Ich wachte auf. Ich war in Afrika. Ich hatte geträumt. Aber da rief immer noch jemand.

Tou-Po 1: Jonas! Hilfe! Hilf mir Jonas. Hilfe! Machen Sie auf, Jonas, schnell!

Jonas: Nicht Judith. Die war zu Hause in Babylon. Ein Mann.

Neon: Jonas, laß das, Jonas jetzt steh doch auf! Da ist einer an der Tür!

Jonas: An der Tür. Vor unserem Bungalow. In der Hotelanlage am Meer. Unter Palmen. Mitten in der Nacht. Ein Radaubruder. Wußte der nicht, daß Jonas Urlaub hatte?

Tou-Po 1: Jonas! Um Gottes Willen, Hilfe! Hilfe! Ah!

Jonas: Nein, ich will das nicht, ich hab frei.

Neon: Was ist Jonas?

Jonas: Ach, hier liegt einer, Neon, direkt vor der Tür.

Neon: Tot?

Jonas: Total.

Neon: Die haben ihn umgebracht.

Jonas: Die waren zwei kräftige Männer, die hinten im Schatten verschwanden. Schwarze Haut in himmelblauen Uniformen. Sehr auffällig. Sehr verdächtig.

Jonas: Die haben ihn nicht umgebracht, Neon, jedenfalls nicht hier und nicht jetzt.

Neon: Wieso?

Jonas: Einschuß in der linken Brust.

Neon: Na bitte.

Jonas: Und kein Blut, kein einziger Tropfen. Im Nacken Blutergüsse, sogenannte Leichenflecken, der Typ liegt aber auf dem Bauch, außerdem treten Leichenflecken erst Stunden nach dem Tod auf.

Neon: Hmh.

Jonas: Jonas ist kein Pathologe, aber ein bißchen Bescheid mit so was muß ein Detektiv wissen, und Jonas ist Detektiv. Der letzte Privatdetektiv. Wohnhaft und tätig zu Babylon, Vereinigte Staaten von Europa, zur Zeit aushäusig in Urlaub und lustlos.

Neon: Der Mann ist also schon eine ganze Zeit lang tot.

Jonas: Mit Sicherheit.

Neon: Dann kann er ja auch nicht gerufen haben.

Jonas: Sehr gut mein lieber Watson.

Neon: Aber das Geschrei und der Schuß.

Jonas: Theater, Neon, alles Theater. Die zwei Himmelblauen haben uns einen toten Mann vor die Tür gelegt, sie haben ein bißchen gebrüllt, gebollert, in die Luft geschossen.

Neon: Und warum?

Jonas: Woher soll ich das wissen. Vielleicht hat er die Erklärung bei sich, unser schweigsamer Besucher.

Neon: Du meinst den Briefumschlag unter seiner linken Hand. Oh, Für dich, Jonas.

Jonas: Tatsächlich. Da steht Jonas.

Neon: Und was ist drin?

Jonas: Nichts. Ein kleiner Schlüssel aus Blech, auf der einen Seite ist eine Zahl eingestanzt, 227.

Neon: Hm.

Jonas: Auf der anderen Seite steht: Aerodrom Sabac.

Neon: Ein Schließfachschlüssel. Schließfach 227 im Flughafen von Sabac.

Jonas: Vermutlich.

Neon: Was wirst du tun, Jonas. Fährst du nach Sabac?

Jonas: Nein. Jonas wollte nicht nach Sabac fahren. Jonas wollte sich erholen mit Neon, der schönen dunkelhäutigen Autorin aus den USA. Wir hatten uns beim Fall Eurobaby kennengelernt und als der glücklich zu Ende gebracht war, hatten wir beschlossen, ein paar Tage Ferien zu machen, in Solaria, dem beliebten afrikanischen Staat, in den so viele Touristen fahren. Weißer Strand, grüne Palmen und relativ saubere Umwelt. Wir wollten für uns bleiben, Neon und ich.

Jonas: Und jetzt so was. Ärgerlich. Komm wieder ins Bett Neon.

Neon: Aber wir müssen doch etwas tun, Jonas.

Jonas: Morgen, Neon, morgen denken wir in Ruhe über alles nach.

Neon: Und jetzt willst du gar nichts unternehmen?

Jonas: Doch, den Nachtportier anrufen.

Portier: Ja bitte?

Jonas: Jonas Bungalow 12a.

Portier: Was können wir für Sie tun, Herr Jonas, eine neue Flasche Scotch, frisches Eis?

Jonas: Keine schlechte Idee, aber deshalb ruf ich nicht an, vor meiner Tür liegt ein Toter.

Portier: In der Tat, Herr Jonas?

Jonas: Lassen Sie ihn wegschaffen.

Portier: Wird sofort erledigt, Herr Jonas.

Jonas: Am nächsten Morgen hörten wir mehr, wir saßen beim Frühstück, der Nachtportier erschien, sah sich um, kam an unseren Tisch.

Portier: Die Leiche ist fort, meine Herrschaften.

Jonas: Haben wir gemerkt.

Portier: Ganz und gar fort meine ich. Nicht mehr im Hotel. Die Tou-Po hat sie abgeholt.

Jonas: Tou-Po.

Portier: Ja, die Tourismuspolizei. Na Sie wissen doch meine Herrschaften, wir in Solaria leben vom Tourismus. Und deshalb gibt’s die Tou-Po, eine Sondertruppe mit Sondervollmachten. Sie untersteht nicht dem Innenministerium wie die normale Polizei, sondern dem Ministerium für Tourismus und Fremdenverkehr.

Jonas: Ach ja, sagen Sie mal, tragen die Bullen von der Tou-Po vielleicht blaue Uniformen?

Portier: Jawohl, Herr Jonas, himmelblau. Ich darf Ihnen das eigentlich nicht sagen, Herr Jonas aber Sie sind ein geschätzter Gast unseres Hauses.

Neon: Soll heißen ein großzügiger Bakschischspender.

Jonas: Jonas war wieder flüssig. Im ominösen Eurobabyhelikopter hatte ich was gefunden, ein Päckchen Euronoten, aus dem Besitz der Firma Eurimex. Das hatte ich beschlagnahmt. Als Honorar und Schmerzensgeld und als Urlaubskasse.

Portier: Die Tou-Po war schon mal hier, Herr Jonas, gestern am frühen Morgen, hat sich nach Ihnen erkundigt, ob Sie noch bei uns logieren, wie lange Sie zu bleiben gedenken. Vielen Dank, Herr Jonas. Immer gern zu Diensten.

Jonas: Das gefiel mir nicht, wie's aussah wurde aus der Geschichte ein Fall, einer der unangenehmen Sorte, kein Klient, kein Honorar, dafür massenhaft Ärger, aber vielleicht kam ich doch noch raus, mit der bewährten Vogelstraußmethode oder mein ich die drei Affen, nichts hören, nichts sehen, Kopf in den Sand, letzteres wortwörtlich, nach dem Frühstück legten wir uns an den Strand. Neon und ich, den Schlüssel nahmen wir mit, Sam auch. Den hätten wir besser zuhause lassen sollen.

Sam: Völker der Welt, schaut auf diesen Strand, schaut wie ein armer kleiner unschuldiger Computer taktiert wird, wie man ihn mißhundelt, martert, malträtiert, schaut ihn an, brutal in glühend heißen Sand gesteckt. Gnadenlos den brennenden Strahlen der Tropensonne preisgegeben. Einen Sonnenstich könnte ich kriegen.

Jonas: Den hast du schon, Sammy.

Sam: Oder einen Sonnenbrand. Oder die ekligen Moskitos pieksen mich zu Tode.

Jonas: Darüber würde ich mir keine Sorgen machen. Wenn ich in einer Schale aus spezial gehärtetem Kunststoff steckte.

Sam: Ich bitte Sie Herr Nachbar, das ist äußerlich, rein äußerlich, doch wie's dar rinnen aussieht.

Jonas: Wollen wir gar nicht wissen, Sam, hör auf zu quengeln.

Sam: Meine Chips fangen an zu schmoren und mein Hals ganz trocken, ausgedörrt.

Jonas: Du hast keinen Hals, Sammy.

Sam: Sei nicht so kleinlich du kaltherziger Korinthenkacker.

Jonas: Sam ist mein Computer, in Taschenausgabe ständig bei mir. Von wegen Rat und Hilfe. Sam mag keine Sonne. Jonas mag er in maßen. Was er am liebten mag ist reden, schnattern, quasseln, querulieren.

Jonas: Was spricht der Dichter quäle nie ein Tier mit Schmerz.

Neon: Du spinnst, Sammy, du bist ein Computer ein Ding aus Metall und Plastik. Schlag- und stoßgesichert und absolut temperaturunabhängig.

Sam: Ach. Nicht einmal die Gnädigste versteht den armen Sam, naja so muß er denn allein und unverstanden seines Weges ziehen und leiden leiden leiden.

Jonas: Wenn du unbedingt leiden willst, Sam, dann tu's leise. Neon, da hinten auf der Düne das Fahrzeug.

Neon: Ein Beachbuggy mit Spiritusantrieb. Toll. Eine echte Antiquität. Also bei uns gibt's so was schon lange nicht mehr.

Jonas: Bei uns auch nicht, aber ich meinte eher die Insassen.

Neon: Blau, himmelblaue Uniformen. Tou-Pos.

Sam: Tou-Pos.

Jonas: Sie kommen hierher.

Neon: Jonas was tust du?

Jonas: Buddeln im Sand, sie dürfen den Schlüssel nicht finden.

Neon: Sam gräbst du am besten auch gleich ein, damit sie ihn nicht aufbrechen.

Sam: Im Namen der Menschlichkeit verwahre ich mich auf das entschiedenste.

Tou-Po 2: Aufstehen, Hände hoch, Beine auseinander.

Neon: Wer sind Sie?

Tou-Po 1: Toupo. Sondereinsatz. Los hoch oder wir machen euch Beine.

Neon: Was wollen Sie von uns, wir sind Touristen, Gäste.

Tou-Po 2: Halts Maul.

Jonas: Es folgte eine doppelte Leibesvisitation. Gründlich und ausgesprochen grob. Dann zertrampelten sie unseren Picknickkorb und zogen ab. Gefunden hatten sie nichts. Das wunderte mich. Im Beachbuggy war ein Metalldetektor. Warum hatten sie den nicht eingesetzt. Einen Schlüssel im Sand zu verstecken war schließlich keine so unerhörte Idee. Merkwürdig. Noch merkwürdiger wurde uns als wir zum Bungalow zurückkamen: Hier waren sie auch gewesen und sie hatten alles kaputtgeschlagen was Neon und Jonas gehörte. Ein Chaos.

Sam: Tohuwabohu. Kraut und Rüben. Grönende Verwüstung. Die spinnen, die Tou-Pos.

Jonas: Jetzt reicht's. Jonas wird aktiv. Wir besorgen uns einen Mietwagen und fahren nach Sabac. Zum Aerodrom. Wir machen das Schließfach auf und sehen nach was drin ist.

Neon: Wir, was heißt wir, Jonas?

Jonas: Willst du nicht mit, Neon?

Neon: Doch Jonas, nach Sabac fahre ich mit bis zum Präsidentenpalast und da steige ich aus.

Jonas: Warum?

Neon: Um ein seit langem abgesprochenen Interview zu machen. Mit Mama Macumba, der Präsidentin von Solaria. Und danach fliege ich nach Hause. Um das Schließfach mußt du dich jetzt schließlich alleine kümmern Jonas. Der Umschlag war für dich, nur für dich, mich geht die Sache nichts an.

Jonas: Und Eurobaby, Neon, hat du vergessen.

Neon: Eurobaby war anders Jonas, da steckte ich mittendrin.

Jonas: Jetzt doch auch.

Neon: Jetzt kann ich aussteigen, und genau das hab ich vor.

Jonas: Sabac ist die Hauptstadt von Solaria, 100 km landeinwärts über eine ordentliche Autostraße, rechts und links Steppe, dann hohe Sichtblenden, dahinter unendliche Elendsviertel. Hier hausen Millionen, wie viele genau weiß keiner, keiner kann sie zählen. Schließlich die eigentliche Stadt. Hochhäuser. Verstopfte Straßen. Ich hielt vor dem Präsidentenpalast. Ein ummauerter Gral mit vielen Rundnöten. Sehr afrikanisch.

Neon: Das ist ihr Stil. Mama Macumba liebt die Tradition.

Jonas: Einschließlich Kannibalismus.

Neon: Ach.

Jonas: Hab ich mir sagen lassen.

Neon: Das ist doch nur ein Gerücht.

Jonas: So. Und daß sie eine Medizinfrau ist, daß sie hext und zaubert und Geister beschwört, daß sie mehr als 100 Jahre alt ist und sich durch Affendrüsen jung hält.

Neon: Alles Gerüchte. Sie ist uralt, das ist wahr. Und sie ist groß, unförmig dick. Eine lebende Legende und eine sehr interessante Frau. Ich freu mich auf das Interview. Die Zeit mit dir war auch sehr interessant, Jonas. Sei vorsichtig.

Jonas: Im Aerodrom von Sabac war es fast so voll wie auf den Straßen. Bleiche Touristen nach der Landung, braungebrannte vor dem Abflug. Im Schließfach 227 lag nur eine schmale Pappschachtel. Als ich sie einsteckte, spürte ich plötzlich Augen im Nacken. Ich drehte mich um. Mehrere himmelblaue Schlachtschiffe pflügten sich durchs Touristenmeer. In Richtung Jonas. Was tun. Sam wußte Rat.

Sam: Da hätten wir ja was wir brauchen, ein herrenloser Rucksack, auf demselben Sonnenhut nebst Sonnenbrille, in demselben, darauf verwettet Sam seine letzten Speicherplättchen kurze Hose, buntes Hemde.

Jonas: Und was soll ich damit?

Sam: Erbarmung, was ist er doch blöd mein Mensch, schnapp dir das Zeug.

Jonas: Du meinst ich soll den Rucksack stehlen.

Sam: Und pingelig ist er auch noch. Was sagt Sokrates der greise, der weise Greis: Not kennt kein Gebot. Klau sonst gehst du tot.

Jonas: Das ist ein Argument. So, und jetzt.

Sam: Ja was jetzt, na ab ins nächste öffentliche WC, nach Möglichkeit eins für Herren männlichen Geschlecht, und siehe dorten wird ein gewöhnlicher Sterblicher sich metamorphisieren zu einem Touristen und er wird sich eingliedern in den Strom seiner soeben eingetroffenen Brüder und Schwestern. Und sich in so gewonnener Unsichtbarkeit hinausschwemmen lassen aus dieser Halle.

Jonas: Bis dahin wo der Bus ins Zentrum abfuhr. Und im Zentrum ging ich ins nächste große Hotel. Ich nahm mir ein Zimmer, ließ mir einen Whisky bringen und was zu essen. Und dann machte ich die Pappschachtel auf.

Sam: Na Chef, was ist drin. Kokain, Heroin, Solipsin, Diamanten...

Jonas: Tut mir leid, Sam, nichts besonders. Zwei Blatt Papier und eine Tonkassette.

Sam: Papier beschrieben?

Jonas: Ja bzw. bedruckt.

Sam: Lies schon vor.

Jonas: Sonst... Müllschlucker.

Sam: Vorlesen mein Herr und Gebieter. Bitte bitte.

Jonas: Na gut.

Vertrag. Für zu leistende Dienste, Klammer auf, Spezifizierung wie per Fon besprochen, Klammer zu, erhält Herr Tom Oyama, Minister für Tourismus und Fremdenverkehr der Republik Solaria von der Firma BABtours, Babylon Vereinigte Staaten von Europa, die vereinbarte Summe von EUROS 300.000. Babylon/Sabac, den 13. April 2012. gez. Tom Oyama, Minister usw. usw. gez. Dr. Wellenlin P. Clipp, Generaldirektor BABtours... Na Sammy, was sagt du.

Sam: Ich, naja auf einem Bein kann man nicht stehen. Volksweisheit. Ersuche um Vorlesung Blatt zwo.

Jonas: Da ist nichts vorzulesen, Sam. Blatt zwo ist eine Bankquittung.

Sam: Aha.

Jonas: Die Bank für Ost- und Zentralafrika bestätigt Einzahlung von 300.000 Euros auf Kontonummer soundsoviel, Tom Oyama privat durch Kontoinhaber am 13. April 2012.

Sam: Na ja, aller guten Dinge sind drei. Nun steh nicht in der Landschaft rum wie die weithin berühmte Salzstange von Dali.

Jonas: Die wer?

Sam: Schieb die Kassette in den hoteleigenen Rekorder. Dalli Dalli.

Jonas: Wenn ich nicht selber so neugierig wäre, Sammy, ach ne.

Clipp: Wir sind uns einig, Minister? Alles klar, Dr. Clipp, ich halte in dieser Saison Ihrer Firma die besten Hotels frei, insgesamt 18.000 Betten, und Sie zahlen mir dafür 300.000 Euros. Nicht gerade viel. Erlauben Sie mal, für eine Sache, die Sie nur ein Lächeln kostet. Sie vergessen Mama Macumba, von allen Nebeneinnahmen ihrer Minister kriegt sie 50%. Eiserne Regel. Sie braucht ja nichts zu erfahren von unserem Deal. Wir halten dicht, Minister. Gut, aber ich muß Geld und Vertrag noch heute in der Hand haben. 13. April 2012. OK, Minister, wir faxen Ihnen den Vertrag runter, sie unterschreiben und faxen ihn zurück. Und das Geld weisen wir Ihnen an. Nix Anweisung, in Bar bitte. Wir schicken einen Lokalmanager von Samacom. Mit einer dicken Aktentasche. Wie Sie wollen, Minister Oyama. Bis dann.

Jonas: Tja, das ist es also, Herr Minister Oyama läßt sich bestechen.

Sam: Ja, von BABtours, dem größten Reiseunternehmen in Europa.

Jonas: Und weil er nicht will, das was rauskommt, hat er seine Toupo drauf angesetzt. Soweit eine ganz normale Geschichte. Nur eins ist nicht normal, wie ist Jonas da reingeraten. Was geht es mich an, daß irgendein Minister in irgendeiner afrikanischen Bananenrepublik sich schmieren läßt.

Sam: Ja, berechtigte Question.

Jonas: Weißt du was Sammy, ich geh zu diesem Oyama. Ich leg ihm das Zeug vor und trag die Sache mit ihm aus. Er soll seine Kettenhunde zurückpfeifen. Ich will noch was von meinem Urlaub haben.

Sam: Dakor Maitre, doch sei's verstattet, einen ganz bescheidenen Verbesserungs-vorschlag einzubringen. Zeug vorlegen gut und schön, aber nicht die Originale. Kopien. Und um solche anzufertigen, bietet uns dieser mit jedem Komfort unserer Zeit ausgestattete Hotelraum alles notwendige dar: Papierkopierer, ein Doppel-kassettendeck, dazu eine Fülle von Musikkassetten. Für den erlesen Geschmack.

Jonas: Sieh mal hier, Sammy: Randy Orgas und Fuck the Ducks ihre Größten Hits. Der gute alte Randy Orgas selig, wann war die Requiemgeschichte, vor zweieinhalb Jahren.

Sam: November 2009 euer Verschwommenheit. Doch lassen wir die ollen Kamellen. Ans Werk. Kopier das Fongespräch auf die Orgaskassette und das Original tust du in die Orgashülle. Da findet's kein Schwein.

Jonas: Und die Papiere.

Sam: In den hohlen Handtuchhalter im Bad, Mann. Denn wisse o Beherrscher der Gläubigen, die alten Tricks sind immer noch die besten.

Jonas: Es war als ob man Jonas erwartet hatte, ich sagte dem Portier im Ministerium meinem Namen und schon gingen alle Türen auf, auch die zum Privatbüro von Minister Oyama: ein hoher Raum, holzgetäfelt, leer bis auf einen Schreibtisch, eine AV-Anlage und eine altmodische Speicherkonsole, die mir irgendwie bekannt vorkam. Davor der Minister. Wie sieht ein Minister aus? Richtig. Wohlgenährt, vertrauenerweckend, durch und durch unecht, und schwarz. Wir waren in Afrika. Oyama war nicht allein, in einer Ecke drückte sich ein unterwürfiges Männlein mit Rastalocken herum.

Oyama: So, Jonas.

Jonas: Nur Jonas.

Oyama: Auch das. Was wollen Sie.

Jonas: Ein Gespräch unter 4 Augen.

Omaya: Mein Mitarbeiter Herr Mostafa Rashid, er besitzt mein volles Vertrauen.

Jonas: Meins nicht.

Oyama: Das wird er verschmerzen, was Rashid.

Rashid: Gewiß, Herr Minister.

Oyama: Was wollen Sie Jonas.

Jonas: Ich zeigte ihm, was ich gefunden hatte. Er besah sich die Blätter, hörte in die Kassette rein, dann hob er mir die Sachen über die Tischplatte zurück.

Oyama: Stecken Sie das Zeug wieder ein, Jonas. Ich kaufe nicht.

Jonas: Moment mal, Sie irren sich.

Oyama: Glaub ich kaum. Wir wissen was wir von Ihnen zu halten haben, was Rashid.

Rashid: Das wissen wir, Herr Minister.

Oyama: Sie sind ein Erpresser, ein mieser kleiner europäischer Erpresser. Auf irgendeine Weise haben Sie sich dieses Material beschafft und nun...

Jonas: Nein, die Sache läuft ganz anders...

Oyama: Sie können sich jedes weitere Wort sparen, wir glauben Ihnen sowieso nicht, was Rashid?

Rashid: Keine Silbe, Herr Minister.

Oyama: Aber Sie, Sie sollten mir glauben, Jonas, wenn ich Ihnen jetzt was sage, falls Sie vorhaben sich weiter mit dieser Sache abzugeben und Ihre käsige Nase weiter in meine Privatangelegenheiten zu stecken, dann denken Sie darüber lieber noch mal nach. Es könnte Ihnen passieren, daß Ihnen die Nase dabei abhanden kommt. Und auch sonst noch dieser oder jene andere Körperteil. Und jetzt raus.

Jonas: Das war schief gelaufen. Warum wußte ich nicht. An mir hatte es jedenfalls nicht gelegen, ich war stinksauer, so geht niemand mit Jonas um, auch kein Minister, erst recht kein Minister. Ich hob den rechten Arm und zeigte Oyama meinen Mittelfinger. Das verdroß ihn.

Oyama: Wenn ich mir's überlege Jonas, sollte ich Sie nicht so ohne weiteres gehen lassen. Wir Solarier sind gastfreundliche Menschen, was Rashid?

Rashid: Sehr gastfreundlich, Herr Minister.

Oyama: Wie wär's mit einem Abschiedsgeschenk, Jonas, damit Sie uns gut in Erinnerung behalten.

Tou-Po: Was liegt an Chef.

Oyama: Der Europäer hier.

Tou-Po: Macht der sich mausig, Chef.

Oyama: Könnte man sagen. Nehmt ihn mit runter in die Wachstube und da zeigt ihr ihm mal wie tüchtig unsere Toupo ist. Nahkampf, Verhörtechnik, ihr wißt Bescheid.

Tou-Po: Zu Befehl, Chef.

Jonas: Sehr tüchtig waren sie weiß Gott nicht, im Hof riß ich mich los, tauchte durch eine offenstehende Hintertür und war auf der Straße, ehe sie überhaupt was mitkriegten. Dann liefen sie mir ein Stück nach, nicht gerade mit Feuerreifer, ich konnte sie leicht abschütteln und mich in einer ruhigen Seitenstraße auf einem Mäuerchen kurz zur Ruhe setzen.

Jonas: Wie findet du das, Sammy. Ein bestochener Minister, der sich benimmt wie die Axt im Walde, TOUPOs, die Jonas durch die Mangel drehen sollen und ihn statt dessen zum Ausbüxen gerade zu auffordern. Sammy, hab die Güte dich zu äußern. Sam!

Sam: Siehe meine Freundin, du bist schön. Dein Gehäuse ist als wie ein runder Becher umsteckt mit Rosen.

Jonas: Sam?

Sam: Deine Chips sind wie Taubenaugen und lieblicher denn Wein sind deine Schaltungen.

Jonas: Ist dir nicht gut Sam.

Sam: Deine Kabel sind wie ein Herde Ziegen, die da gelagert sind am Berge.

Jonas: Komm zu dir, Sammy, was ist los.

Sam: Ach, hast du sie nicht gesehen, vertrauter meines Herzens dorten in Onkel Toms Hütte.

Jonas: Im Büro von Oyama meinst du, da war keine Frau.

Sam: Frau, wer spricht von einer Frau, Sam spricht von ihr. Nr. AX 13/2005 McCoy Incorporated, Versuchsmodell Inamorata. Wie ist sie doch so wunder wunder wunderschön.

Jonas: Natürlich Oyamas Computer. Deshalb kam mir der Speicher bekannt vor. Sieht aus wie unserer zuhause Sam, zuhause in Babylon, gleiche Firma, gleiches Baujahr. Ein Versuchmodel wie du, Sammy. Im Jahr 2005 war Oyama sicher noch nicht Minister und konnte sich nichts besseres leisten. Genau wie ein armer Privatdetektiv, der gerade aus dem Antarktischen Krieg gekommen war.

Sam: O laß uns gehen, uns küssen und herzen, danach steht mein Verlangen.

Jonas: Ich hab fast den Eindruck, du bist verliebt, Sammy.

Sam: Sam muß es eingestehen, Freund meiner Seele, errötend und zagend.

Jonas: Aber Sam, du bist ein Computer, du kannst dich nicht verlieben.

Sam: Hat nicht auch Sam ein Herz?

Jonas: Nein Sam hast du nicht.

Sam: Blutet er nicht wenn er getroffen wird.

Jonas: Getroffen, vom wem?

Sam: Cupidos Pfeile du Kugelhupf. Samantha heißt sie, sie hat es mir gestanden.

Rashid: Steigen Sie ein, Jonas.

Jonas: Rashid, der unterwürfige Rastermann aus Oyamas Büro, jetzt war er gar nicht unterwürfig. Er saß in einer schwarzen Limousine mit Spiegelscheiben, in der Hand hielt er einen Laserstrahler. Seine drei Genossen auch. Keine Toupos, Zivilisten. Jonas stieg ein. Jonas ist kein Selbstmörder. Die Limousine fuhr an. Rashid griff sich das Autofon.

Rashid: Rashid hier. Ja, wir haben den Mann, Herr Baraka. Das Material auch. Warten Sie, bis Sie’s sehen. Hochinteressant. Genau was Sie brauchen. Der Minister ist erledigt. Vielen Dank, Herr Baraka, wir kommen sofort.

Jonas: Wir fuhren durch eine breite Hauptstraße, nicht schnell, das war unmöglich, zu starker Verkehr. Wir wurden noch langsamer, schwenkten nach rechts, auf die offene Einfahrt eines Hochhauses zu. Über der Einfahrt eine solarische Flagge und die großen Buchstaben FCP. Zentimeterweise schob sich der Wagen durch die dichten Fußgängermassen. Das war meine Chance. Tür auf und raus. Geduckt vorbei an zahllosen Hosenbeinen und Rocksäumen dann Kopf hoch, sie waren etwa 20 Meter hinter mir, Rastermann und seine munteren Zombies. Schießen konnten sie nicht. Laufen um so besser. Schneller als Jonas. Der sah sich um, was jetzt, wohin, die Antwort hielt neben mir, ein Motorroller, ein echter antiker Motorroller, unglaublich. Die Fahrerin schlug das Visier hoch.

Neon: Auf den Sozius, Jonas, beeil dich.

Jonas: Neon, aber ich dachte du wolltest weg.

Neon: Ne, ich hab mir's anders überlegt.

Jonas: Wie kommst du zu dem Roller, Neon.

Neon: Man hat so seine Beziehungen.

Jonas: Beachbuggys, Gangsterlimousinen, Motorroller. Dieses Solaria ist ein einziges Museum für Opas Vehikel.

Neon: Nun steig schon auf.

Jonas: Wohin fahren wir.

Neon: Wohin willst du.

Jonas: Hotel Europa, weißt du wo.

Neon: Ich weiß. Halt dich fest.

Jonas: Im Hotelzimmer holte ich die Papiere aus dem Handtuchhalter und die Kassette mit dem Fongespräch aus der falschen Hülle, und dann gingen wir alles durch. Schritt für Schritt. Es mußte doch möglich sein, einen Sinn in die ganze verquere Geschichte zu bringen. Oder?

Neon: Ich weiß nicht, Jonas, schon wie es angefangen hat, mit dem Toten vor der Türe, der nach dir gerufen hat, obwohl er schon lange nicht mehr rufen konnte, und dann der an dich adressierte Umschlag mit dem Schlüssel.

Jonas: Die Toupo, ruppig aber in der Sache ineffizient. Erstaunlich ineffizient. Unglaublich ineffizient. Unglaubwürdig. Der Minister auch. Stößt Jonas vor den Kopf ohne jeden vernünftigen Grund. Nichts stimmt an der Geschichte. Aber auch gar nichts.

Neon: Irgendwie irreal wirkt das alles. Wie inszeniert. Show, Theater, einfach nicht echt. Man macht dir etwas vor, Jonas.

Jonas: Das Gefühl hab ich auch. Aber warum, Neon, warum ausgerechnet Jonas. Was hab ich mit Solaria zu tun. Und wer waren die Typen in der schwarzen Limousine.

Neon: An dem Haus, in das sie dich bringen wollten, stand FCP, Free Congress Partei. Das Hauptquartier der regierenden Einheitspartei von Solaria. Generalssekretär ist ein gewisser Baraka.

Jonas: Baraka. Den hat er aus dem Auto angerufen, der Rastermann, und was soll das, Neon.

Neon: Politik, Jonas, solarische Innenpolitik. Hör zu.

Jonas: Es ging um Mama Macumba, genauer um ihre Nachfolge. Bei dem Alter der Dame konnte die jeden Tag akut werden, trotz Magie und Affendrüsen. Die größte Chance hatte der wichtigste Minister, unser Freund Tom Oyama. Parteisekretär Baraka war zweiter Kandidat, aber schon weit abgeschlagen. Darum versuchte er seit einiger Zeit Belastungsmaterial gegen Oyama in die Hand zu kriegen. Und als er durch einen eingeschleusten Mann im Ministerium von Jonas und seinen Schmiergelddokumenten hörte, griff er natürlich zu.

Neon: Ein Himmelsgeschenk könnte man sagen. Nicht der Deal selbst, so was stört hierzulande niemanden, auch nicht Mama Macumba, aber daß Oyama sie um ihre 50 % betrügen wollte, das bricht ihm den Hals. Und das mein ich ganz wörtlich.

Jonas: Ich werd das Gefühl nicht los, daß auch mit dem Material was nicht stimmt. Da war was mit dem Tonband. Wenn ich nur wüßte...

Jonas: Nein, später... Das ist es. Das Glockenspiel.

Neon: Vom babylonischen Rathausturm, jeden Mittag um 12 Uhr, weltbekannt. Was soll denn damit sein.

Jonas: Nicht jeden Mittag, Neon, im April ist das Glockenspiel überholt worden, vom 1. bis 15.

Neon: Ach.

Jonas: Wenn das Band wirklich vom 13. April stammt, kann das Glockenspiel nicht drauf sein. Es ist aber drauf. Und das heißt.

Neon: Das Band ist eine Fälschung. Vermutlich aus mehreren Fongesprächen zusammengeschnitten. Dafür sprechen auch die kleinen akustischen Unebenheiten. Die Sprünge mitten im Text. Wenn du genau hinhörst.

Jonas: Die Papiere sind vermutlich auch gefälscht, aber um das festzustellen, brauchen wir Sam. Sam? Sammy? Würdest du dich freundlicherweise herablassen.

Sam: Nicht doch. Bitte nicht stören, Sam befindet sich in innigster Kommunikation mit seiner angebeteten Samantha. Chip an Chip. Total mit dir in den Himmel hinein, in den 7. Himmel der Liebe.

Jonas: Hör auf damit, komm runter von deiner rosa Wolke, Sammy.

Sam: Allein mit dir im Kämmerlein.

Jonas: Ist ja eklig. Schluß mit dem Geturtel, jetzt wird gearbeitet.

Sam: Pfui wie gemein, Spielverderber, gefühlloser Pedant. Was gibt's sagt an.

Jonas: Diese formlose Vertrag zwischen Minister Oyama und Generaldirektor Clipp.

Sam: Schwindel. Unterschriften sind nachgezogen, Strich für Strich. Angesetzt und wieder abgesetzt. Eindeutig.

Jonas: Und die Bankquittung.

Sam: Echt.

Jonas: Was? Irrst du dich auch nicht, Sammy?

Sam: Nein und nimmermehr, das Privatkonto von Minister Oyama ist dergestalt stark abgesichert, daß lediglich er selbst und keinesfalls irgendeine andere Person daselbst abheben oder auch einzahlen kann.

Jonas: Oyama hat also tatsächlich selbst am 3. April 300.000 Euros auf sein Konto gebracht.

Sam: Ja.

Jonas: Zufall?

Neon: Vielleicht.

Jonas: Trotzdem, der Schmiergelddeal ist getürkt, mit Sicherheit, Frage: wer steckt dahinter.

Neon: An sich kommt nur einer in Frage: Baraka.

Jonas: Aber der kann's nicht gewesen sein, sonst hätte er Jonas nicht kidnappen lassen, um das Material zu kriegen.

Neon: Außerdem die Fälschung ist zu plump. Baraka hätte sich intelligenter angestellt. Natürlich wenn er die Dokumente zusammen mit dir in die Hand gekriegt hätte, Jonas, sozusagen von Minister Oyama beglaubigt, dann hätte er sie wohl kaum genauer unter die Lupe genommen und wäre gleich damit zu Mama Macumba gelaufen, die hätte sich Oyama kommen lassen.

Jonas: Und, Neon?

Neon: Oyama hätte sich die Beweisstücke angesehen und gesagt: Fälschungen. Baraka will mich fertig machen und er hätte es bewiesen. Mit Leichtigkeit.

Jonas: Ich weiß, es klingt verrückt, Neon, aber könnte der Minister nicht selber hinter der Sache stecken? Schließlich hat er die beste Gelegenheit, seine eigenen Fongespräche aufzunehmen und geschickt zusammenzuschneiden mit eingebauter Notbremse. Und die Fälschungen mit einer echten Kontoquittung glaubhaft zu machen. Und dann durch seine Tou-Pos dafür zu sorgen, daß das Material unter die Leute kommt. Sprich Jonas und Baraka. Wahrscheinlich weiß er, daß Rashid für die Konkurrenz arbeitet.

Neon: Oyama selbst, hört sich wirklich ziemlich unwahrscheinlich an, aber...

Sam: Hat man das Unmögliche ausgeschaltet, so muß das, was bleibt, die Wahrheit sein, und sei es auch noch so unwahrscheinlich. Ein Diktum des Großmeisters aller Detektive, Tusch Herr Kapellmeister, Mr. Sherlock Holmes.

Jonas: Schön daß du uns mal wieder die Ehre gibst Sammy.

Sam: Gerne.

Jonas: Zwei Dinge sind mir aber immer noch nicht klar, Neon, warum hat Oyama Jonas reingezogen und warum hat er die ganze komplizierte Intrige überhaupt angeleiert. Um Baraka unmöglich zu machen.

Neon: Glaub ich nicht, Baraka hatte sowieso keine Chance Präsident von Solaria zu werden, es muß einen anderen Grund geben, einen Grund von dem wir nichts wissen.

Jonas: Ein Geheimnis. Und wo versteckt man seine Geheimnisse, Neon.

Neon: Im PC. Im Speicher.

Jonas: Genau. Hör mal, Sammy.

Sam: Ja?

Jonas: Du stehst doch so gut mit Oyamas Computerin. Könntest du nicht mal einen Blick in ihren Speicher werfen?

Sam: Typisch.

Jonas: Würdest du das tun, wärst du so nett.

Sam: Jaja, erst Spohn und Hott, äh Spott und Hohn und dann wenn's ohne Sam nicht geht, Süßholz mit Schmierseife. Doch was shalls. Gutmütigkeit, dein Name ist Sam. Spähen wir ihr unters Mieder, der liebsten. Auaua.

Jonas: Was war das?

Sam: Eine elektronische Maulschelle, oder Watschen wie's halt im Alpenlandl sagen, ge. Ah, warum weist du ab mich schnöde, o Samantha sei nicht spöde. Geliebte komm ans Fenster, höre mein Flehen und laß den armen Sammy nicht im regennassen Regen stehen. Na, es ist umsonst, Fenster dicht, alles zu, verschlossen verriegelt, verrammelt was der Kuh am Arsche bammelt. Na ja. Sam hat aber doch was gesehen, was er nicht sehen sollte, hihihi.

Jonas: Was, Sammy, was hast du gesehen.

Sam: Ein Wort nur ist's. Es lautet Benadir.

Jonas: Was?

Sam: Benadir. B wie Blödmann. E wie Esel. N wie Null.

Jonas: Und was ist das, Benadir?

Neon: Da kann ich dir sagen, Jonas. Eine Bucht an der Nordküste von Solaria, abgelegen, felsig, menschenleer, uninteressant.

Sam: Uninteressant. So. Und daß Benadir seit 8 Jahren als touristisches Entwicklungsgebiet ausgewiesen ist, ohne daß da jemals was entwickelt wurde, das ist natürlich auch uninteressant. Und daß der gesamte Grund und Boden um Benadir Minister Oyama gehört. Uninteressant. Und daß es eine Verbindung gibt zwischen Benadir und Operation Jonas.

Jonas: Jonas?

Sam: Jonas, all so lautet der im Speicher verzeichnete Codename. Codename.

Jonas: Was für eine Verbindung.

Sam: Sammy muß passen.

Jonas: Und wenn du's noch mal bei Samantha versuchst?

Sam: Zwieback. Zwecklos. Gefährte meiner Leidenschaft. Es ist vorbei, als sei's nie gewesen. Vom Winde verweht. Sammy ist wieder Single.

Jonas: Willkommen im Club, Sammy.

Sam: Thank you.

Neon: Benadir, wir sollten uns da mal umsehen, Jonas.

Sam: Ich komm mit.

Jonas: In einem Mietwagen verließen wir Sabac, Neon in einheimischer Aufmachung, und Jonas in einen Schado gepolt, Schweißtreibend aber angezeigt. Immerhin waren zwei Gegner hinter mir her: die Toupo und die Regierungspartei, in einem kleinen Hotel an der Nordküste mieten wir uns ein. Und dann versuchten wir nach Benadir durchzukommen. Zuerst über Land mit dem Auto.

Neon: Sieh dir das an, Jonas, Sperren, Stacheldraht, Wachtürme.

Sam: Und glaubt es mir, Genossen, überall Elektronik vom feinsten und gemeinsten.

Tou-Po: Halt, kehren Sie um, bei Weiterfahrt wird sofort scharf geschossen.

Jonas: 2. Versuch übers Meer in einem Kahn mit Außenbordmotor.

Tou-Po: Zurück! Sperrgebiet! Wenn Sie weiterfahren, werden Sie versenkt.

Jonas: Sperren und Toupo rings um Benadir. Jemand hatte was zu verbergen. Das machte uns natürlich erst recht neugierig.

Neon: Zu Land geht's nicht und zu Wasser geht's nicht.

Jonas: Bleibt die Luft. Du hast doch so gute Beziehungen, Neon, kannst du uns nicht einen Helikopter besorgen.

Neon: Im Prinzip ja, aber in ganz Solaria gibt es nur zwei Helikopter, einer ist kaputt.

Jonas: Und der zweite.

Neon: Gehört Minister Oyama.

Jonas: Den brauchen wir wohl gar nicht erst zu fragen.

Neon: Ich könnte was anders besorgen, Jonas, ein Sporttaucheroutfit. Anzug, Aqualunge, Harpune.

Jonas: Nur eins.

Neon: Unter Wasser mußt du allein versuchen, Jonas.

Jonas: Das bin ich gewohnt. Einverstanden wenn ich statt Harpune einen Laserstrahler kriege im Gummibeutel, wo er sich mit Sam vertragen muß, und eine wasserdichte Lampe.

Neon: Kriegst du Jonas, heute abend.

Sam: Oha.

Jonas: Es war Nacht, als ich ins Wasser stieg, weit weg von Sperren und Schein-werfern. In die Bucht von Benadir zu kommen war leicht, zu leicht, es war zwischen Ebbe und Flut. Das Wasser lief auf und Jonas wurde unwiderstehlich in Richtung Land gezogen, schräg nach unten, immer stärker, immer schneller, bis dahin, wo sich unter der Oberfläche im Uferfelsen ein riesiges kreisrundes Loch auftat, Durch-messer etwa 20 Meter. Da ging's rein. Und dann weiter, durch einen horizontalen Kanal im Felsen. Der Sog ließ nach. Jonas machte immer weniger Fahrt. Vor ihm ein heller Schein. Der Kanal war zu Ende. Kein Felsen mehr über mir, nur Wasser. Ich ließ mich nach oben treiben, bis mein Kopf durch die Wasseroberfläche stieß, und da riß ich die Augen auf, ganz weit. Ich war in einer Höhle, einer hohen unendlich weit ausgedehnten Höhle, kein verträumte Märchenhöhle für Rübezahl und die 7 Zwerge, hier war was los. Grelle Lampen überall. Direkt vor Jonas eine Mole, daran ein großes U-Boot: BIO Babylon stand am Heck. Ein Abfalltransporter des bekannten Chemiekonzerns. Robots waren beim Löschen. Was sie rausholten, schafften sie nach hinten, dort kippten sie es über einen Granitwall in einen unübersehbar großen Sumpf, einen Sumpf, der blubbernde Blasen trieb, und der in allen Farben des Albtraums schillerte. Blutrot, eitergelb, totenschwarz, giftgrün und der stank wie...

Jonas: Wie die Hölle. Das ist die Hölle, Sam.

Sam: Nicht doch Großmaul. Mußt du immer übertreiben. Die Hölle. Das ist doch bloß Lackschlämme. Polichlorierte Büfenül, äh Büfenyle, Cadmium, Blei, Chlor, Dioxin, mit einem Wort.

Jonas: Giftmüll aus Europa. Hier wird er hergebracht und gelagert. Das ist das Geheimnis von Minister Oyama. Er betreibt eine geheime Giftmülldeponie.

Sam: In einem Staate, wo dergl. Korrektur wo dergleichen auf das allerstrengste verboten ist, schon wegen der Touristen.

Jonas: Wenn Mama Macumba das erfährt.

Oyama: Sie wird es nicht erfahren, Jonas, nur Jonas. Hoch die Hände, holt ihn aus dem Wasser.

Tou-Po: Machen wir, Chef.

Jonas: Plötzlich waren sie aus dem Schatten des U-Boots hervorgetreten. Tom Oyama und seine Toupos. Ich ließ mich auf die Mole ziehen. Einen Augenblick hatte ich an schnelles Abtauchen gedacht. Sinnlos, Sturmgewehre treffen auch unter Wasser.

Oyama: So sieht man sich wieder, Jonas, und wissen Sie, wem wir das zu verdanken haben. Meinem Computer Samantha. Sie hat sich ins System ihres PC eingeschlichen und mit ihm Verbindung gehalten, ohne daß er was merkte. Kluges Mädchen. Samantha.

Sam: Perfides Weib, Schlange, treulose Tomate. Voll Verachtung wendet Sam sich von ihr ab.

Oyama: Damit hat sie ihren Fehler wieder gutgemacht, ich meine, den unabsichtlichen Hinweis auf Benadir. Tja, und jetzt wollen Sie doch wissen, was gespielt wird, Jonas.

Jonas: Das weiß ich schon, Oyama, Sie lagern hier Giftmüll im großen Stil. Geschäft geht gut.

Oyama: Danke, ich kann nicht klagen. 100 Euros zahlt BIO mir für die Tonne, bei Ihnen in Europa kostet so was das 20fache, wenn man überhaupt einen findet, der das Zeug abnimmt.

Jonas: Und damit Ihr Konkurrent Parteisekretär Baraka Ihnen nicht auf die illegale Giftmüllschliche kommt, haben Sie Operation Jonas gestartet. Baraka sollte Sie anklagen, mit getürkten Beweisen, und dabei sollte er sich gründlich die Finger verbrennen. Sie, Oyama stünden dann ganz groß da, ein unschuldiges Opfer krimineller Machenschaften, und wenn doch mal was über Ihre Giftküche durchsickert.

Oyama: Wird Mama Macumba das niemals glauben. So ist es, Jonas, und damit.

Jonas: Moment, Oyama, eine Erklärung schulden Sie mir noch. Warum Jonas, ich meine warum haben Sie gerade mich in Ihrem Stück mitspielen lassen.

Oyama: Mitspielen, nicht so bescheiden Jonas. Sie haben die Hauptrolle gespielt, den Außenseiter, politisch uninteressiert, aufrecht, absolut glaubwürdig.

Jonas: Danke sehr.

Oyama: Und beschränkt natürlich, ich hab lange nach dem richtigen Typ gesucht, dann kamen sie nach Solaria, meine babylonische Geschäftsfreunde waren so freundlich, mir Ihr Psychogramm zukommen zu lassen. Ihr Persönlichkeitsprofil. Sie sind ehrlich, stur und Sie sind ein Querkopf, Oppositionsgeist, wer Sie dazu bringen will, irgendwas zu tun, muß Ihnen das Gegenteil nahelegen. Am besten mit Druck und Drohungen, und das hab ich getan.

Jonas: Trotzdem ist Ihr Plan schiefgelaufen.

Oyama: Leider, leider, ja, Sie haben ein wenig zu viel Eigeninitiative gezeigt, Jonas.. Und deshalb muß ich mir jetzt einen neuen Dummen suchen, weil Sie nicht gespurt haben, Jonas, schade, Sie haben mich sehr enttäuscht, und es wird mich fürchte ich nur wenig trösten, daß Sie jetzt gleich auf recht unangenehme Weise zu Tode kommen werden: ich habe vor, Sie von der Höhlendecke in die Deponie herunterzulassen. Ganz ganz langsam. Stückchenweise wird das Gift Sie fressen, Jonas, die Zehen zuerst, dann die Füße, die Knöchel, die Waden.

Tou-Po: Chef, ein U-Boot.

Oyama: Schon wieder. Ist es angemeldet?

Jonas: Es war nicht angemeldet, weil es nämlich gar kein zweiter Giftmülltransport war, sondern ein U-Boot der solarischen Marine. Es tauchte schnell auf und legte an, das Bordgeschoß drohend auf uns gerichtet. Aus der Luke im Turm stiegen schwerbewaffnete Matrosen, gefolgt von...

Jonas: Neon.

Neon: Hallo, Jonas, alles in Ordnung?

Jonas: Ich bin gerührt, jetzt hast du für mich sogar ein U-Boot organisiert.

Neon: Für dich? Ich bin nicht deinetwegen hier, Jonas, jedenfalls nicht in erster Linie. Und ich bin auch nicht deinetwegen in Solaria geblieben.

Jonas: Ach, weshalb dann?

Neon: Sie hat mich darum gebeten. Sie hatte so eine Ahnung, daß mit Tom Oyama was nicht stimmte, darum sollte ich für sie am Ball bleiben. Das heißt bei dir, Jonas, als einer Art Sonderbeauftragter.

Jonas: Sie? Wer ist sie.

Jonas: Neon zeigte auf die Luke. Da quälte sich was durch mit großer Mühe, gehievt und geschoben, ein grauschwarzer Fleischberg in buntgemusterter Baumwolle, eine Frau, sehr groß, sehr dick. Ich wußte, wer sie war.

Oyama: Mama Macumba.

Macumba: Tommy mein Sohn, wie konntest du deiner Mama das antun. Du weißt doch, wie sie über den Giftmüll der Weisen denkt. Du hast sie belogen und betrogen. Deine alte Mama, die es immer so gut mit dir gemeint hat. Schäm dich Tommy.

Oyama: Gnade Mama, ich tu’s auch nie wieder.

Oyama: Da hast du recht, Tommy, du wirst es nie nie wieder tun, und weißt du warum, Tommy, weil Mama dich bestrafen wird, unartige Kinder müssen bestraft werden, und du warst sehr unartig, Tommy, sehr sehr unartig, darum wirst du auch sehr sehr streng bestraft.

Oyama: Mama bitte.

Jonas: Ich hab einen Vorschlag Mama, ich meine Exzellenz. Mich wollte er an die Decke hängen und langsam in die Brühe tunken. Es wäre doch nur gerecht, wenn ihm jetzt dasselbe.

Macumba: Gewiß mein Sohn, doch Mama Macumba hat andere Pläne. Mama ist alt, Mama hat nicht mehr viel vom Leben, überlaßt ihn mir, hörst du Tommy, Mama nimmt dich mit in ihren Gral.

Oyama: Nein.

Macumba: Eine Medizinfrau braucht viel magische Wirkstoffe. Haare. Fingernägel. Augäpfel. Gewisse Drüsen. Nachschub ist immer willkommen, Tommy.

Oyama: Nein Mama, bitte, lieber ins Gift.

Macumba: Nicht zu vergessen die Gastronomie. Mama hat Lust ein paar neue Rezepte auszuprobieren. Fesselt ihn, seine Leute auch.

Jonas: Das war's. Im großen und ganzen. Mama Macumba ernannte keinen Nachfolger und beschloß 200 Jahre alt zu werden. Neon kriegte den großen Palmwedel von Solaria mit Stern und Bauchbinde. Jonas nicht, der kriegte eine ordentliche Aufwandsentschädigung, und die war ihm auch lieber. Oyamas Giftmülldeponie wurde geschlossen. BIO mußte den Abfall in Zukunft woanders loswerden. Kein Problem. Es gibt genug arme Länder, die sich drum reißen. So ist das. Was, Sammy?

Sam: Wie sprach der große Philosoph Michelangelo zu Karl dem Großen.

Jonas: Na wie sprach er?

Sam: Er sprach: Nicht alles braune auf der Welt ist Schokoladeneis. Ach Samantha.

Jonas: Ach Sammy.

Das war Euromüll. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam: Peer Augustinski. Es wirkten außerdem mit: Evelyn Hamann, Jutta Speidel, Henning Venske und viele andere (Christoph Lindert, Eduard Linkers, Hans Stetter, Peter Bertram, Karl Friedrich). Ton und Technik: Irene Thielmann und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Regie: Werner Klein. (Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks) (1990). (Redaktion: Erwin Weigel).

Beitrag vom 02.04.2022 - 21:20
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Der letzte Detektiv
Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
Heute: Euroblues

Jonas: Judith ist tot. Damit sollte ich anfangen. Aber das kann ich nicht. Ich fange an mit dem 20. Juni 2012. Dem Tag, an dem ich Judith zum letzten Mal lebend gesehen habe, bei mir, in meinem Büroapartment.

Sam: Wir schreiben das 21. Jahrhundert. Eine Zeit der Pläne und Grenzen, der Rahmen und Programme. In dieser Zeit lebte ein Mann, der anders ist als die anderen, der in keinen Rahmen paßt und in kein Programm, der seinen Weg geht. Einsam. Integer. Furchtlos. Es ist, Tusch, Majestro, please, Jonas. Jonas, the last detective, hahaha.

Judith: Bravo! Du solltest dir angewöhnen, deine Tür abzuschließen, Jonas.

Jonas: Judith! Bist du sicher, daß du zu mir willst?

Judith: Stör ich? Ich hab das Gefühl, ich bin hier in eine Sitzung des Vereins für gegenseitige Beweihräucherung geraten.

Jonas: Sammy spielt nur ein bißchen Dampfradio. Er hat neues Material gekriegt. Amerikanische Rundfunkserien aus dem frühen 20. Jahrhundert. Lone Ranger. The Shadow. Superman.

Sam: Da, am Himmel: Ein Vogel. Ein Flugzeug? Nein, es ist Superman.

Jonas: Nicht, daß Sam neues Material brauchte. Er hat schon mehr als genug. Er ist mit Worten voll bis an die Kiemen. Nur daß er keine Kiemen hat. Er hat Mikrochips. Und einen Vokoder. Sam ist mein Computer. Wo Jonas hingeht, da geht er mit. In der Tasche. Hilfreich. Geschwätzig. Innervierend. Unentbehrlich.

Sam: Schneller als ein Geschoß. Stärker als eine Lokomotive.

Judith: Es lebe die Nostalgie.

Jonas: Dreimal hoch. Was willst du?

Judith: Ja, ich brauch deine Hilfe, Jonas.

Jonas: Das ist nicht wahr. Du bist Judith Delgado, Sicherheitsdirektorin. Ein ganz hohes Tier in der Polizeiführung. Und ich bin Jonas. Nur Jonas. Freischaffender Privatdetektiv. Ein armes Schwein. Niemand.

Judith: Du schuldest mir etwas, Jonas.

Jonas: Wie man’s nimmt. Judith und Jonas. Das war eine lange Geschichte. Angefangen hatte sie mit einer sehr intensiven Beziehung, die nach anderthalb Jahren in die Brüche ging, weil Judith auf Jonas Knochen Karriere machte, zuletzt in der Sache Mustermann, alias Schneewittchen. Ohne mich wäre sie nie Sicherheitsdirektorin geworden, und ohne sie wäre ich tot, siehe Fall Eurodschungel.

Sam: Wie aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen verlautet, werden Sicherheitsdirektorin Delgado hervorragende Chancen eingeräumt, die Nachfolge von Sicherheitspräsident Henning anzutreten, wenn dieser am 1. Juli 2012 in den wohlverdienten Ruhestand tritt. Wir gratulieren.

Jonas: Ist das wahr, Judith, du wirst Polizeichefin von Babylon?

Judith: Vielleicht, Jonas, darüber wollte ich mit dir reden.

Jonas: Mit mir? Was verstehe ich von höherer Sicherheitspolitik?

Judith: Gerade deshalb, Jonas, du bist Außenseiter, und ein guter Detektiv bist du auch.

Jonas: Willst du mich anheuern?

Judith: Wenn du nicht zu viel verlangst.

Jonas: 100 Euros pro Tag und Spesen.

Judith: Einverstanden. Und, was sagst du?

Jonas: Auch einverstanden. Wenn du ein paar Tage warten kannst. Morgen fliege ich in den Orient, nach Merdistan.

Judith: Kannst du das nicht verschieben?

Jonas: Unmöglich. Ich melde mich bei dir, sobald ich wieder in Babylon bin. Worum geht’s?

Judith: Das erzähle ich dir, wenn du zurück bist. Aber einen Tip geb ich dir schon jetzt, weil du dich so für alte amerikanische Geschichten interessierst. Es war glaub ich 1980, da wurde ein gewisser Reagan zum Präsidenten der USA gewählt.

Sam: Richtig.

Judith: Und vor dieser Wahl liefen ein paar sehr merkwürdige Dinge. Erinnerst du dich?

Jonas: Nein. Damals war ich 13 und hatte anderes im Kopf. So wie jetzt. Judith ging. Und Jonas flog nach Merdistan, wo er länger zu tun hatte als vorgesehen war, und dann saß er in Afrika fest, Fall Eurobaby und Fall Euromüll. Zurück kam ich erst Ende Juli, und da war es zu spät.

Sam: Home, sweet home.

Jonas: 22 Quadratmeter, und Aussicht auf die langweiligste Brandmauer in ganz Babylon.

Sam: Der schönste Platz, rums rums, das sag ich dir mein Sohn, ist dein Büro im schönen Babylon.

Jonas: Also auf ins Casablanca.

Sam: Moment, euer Voreilen. Vor den Whisky haben die Götter die Pflicht gestellt. Anrufbeantworter.

Jonas: Wenn du meinst, Sammy.

Judith: Wo steckst du Jonas? Ich warte auf deinen Anruf. Judith. Piep!

Judith: Du müßtest doch längst wieder hier sein. Was ist los? Warum meldest du dich nicht, du hast es versprochen. Piep!

Judith: Bitte, Jonas, ruf an, sofort, wenn du mich nicht erreichst, dann Chefinspektor Brock, der weiß Bescheid. Du mußt mir helfen, Jonas, bitte.

Jonas: Judith war nicht zu Hause. Auch in ihrem Büro ging niemand ans Fon. Also rief ich Chefinspektor Brock an, meinen geschätzten alten Feind.

Brock: Jonas? Was wollen Sie?

Jonas: Judith Delgado. Was ist mit ihr? Wo steckt sie?

Brock: Auf dem Zentralfriedhof.

Jonas: Was?

Brock: Sicherheitsdirektorin Delgado ist tot, Jonas. Räusper. Am Abend des 19. Juli fiel sie beim Sturmangriff der babylonischen Sicherheitskräfte auf die Bastion der terroristischen Stadtguerilla im sogenannten Reservat. Beim feierlichen Staatsbegräbnis betonte Leo Costa, der neuernannte Präsident der obersten Sicherheitsverwaltung in seiner Trauerrede, Frau Delgado habe ihr Leben den ewigen Werten von Recht und Ordnung geopfert, und werde daher allen Mitgliedern der Sicherheitsbehörde stets als Vorbild für...

Jonas: Hören Sie auf mit dem Gelaber.

Brock: Für Einsatz, Hingabe und Pflichterfüllung dienen. Ferner betonte Sicherheitspräsident Costa...

Jonas: Judith ist tot. Schuld ich ihr was, Sammy?

Sam: Was? Nein, nichts schuldet ihr mein Meister, gar nichts, absolut nichts, total überhaupt nichts, null Komma nichts, kein Fitzelchen, auch nicht das aller aller...

Jonas: Ich stelle Sam ab, ich steckte mir einen Laserstrahler ein und meinen alten Smith & Wesson Revolver. Dann ging ich zur Zentralen Sicherheitsverwaltung am Europaplatz. Ich wollte in den 20. Stock zu Chefinspektor Brock. Aber die Frau, die nach mir in den Lift stieg, hatte was dagegen. Sie drückte den untersten Knopf. Tiefkeller. Abstellräume. Notaggregate. Zugang zur Unterwelt.

Killerin: Jonas? Nur Jonas, der letzte Detektiv?

Jonas: Und wer sind Sie?

Killerin: Spielt keine Rolle.

Jonas: Dann muß ich raten. Dünne graue Haare. Altmodisches schwarzes Business Outfit. Klobige schwarze Schuhe. Pensionierte Gerichtsvollzieherin. Verkehrspolizistin?

Jonas: Nur der Aktenkoffer paßte nicht. Zu neu, zu teuer, zu High-Tech. Weil er nämlich gar kein Aktenkoffer war, sondern ein spezial Security case. Um eine MP. Typ Keckler und Hoch, SW7. Die Waffe der besseren Bodyguards und der konservativen Profikiller.

Killerin: Ein besonders aufmerksamer Detektiv sind Sie nicht, Jonas, Sie haben nicht gemerkt, daß ich Sie verfolge, seit Sie Ihr Büro verlassen haben. Machen Sie sich nichts daraus, ich hab trotzdem einen Auftrag für Sie. Sie sollen verschwinden.

Jonas: Aus Babylon?

Killerin: Weiter. Viel weiter. Sie sollen sterben. Und weil ich ein sehr mißtrauischer Mensch bin, werde ich mich persönlich davon überzeugen, daß Sie es auch wirklich tun.

Jonas: Sie sind übrigens auch nicht gerade aufmerksam. Sie halten ihre Kofferknarre falsch rum, und Sie wissen wohl auch nicht, daß die Mündung verklebt ist, sieht aus wie Kaugummi.

Jonas: Das stimmte nicht, aber sie sah trotzdem nach und war einen Augenblick nicht voll bei der Sache. Das reichte. Ein Tritt gegen die Hand, sie ließ den Koffer fallen. Ein harter Schlag an den Hals, es knirschte und knackte. Sie fiel um und blieb liegen. Wenn man ihn umbringen will, wird Jonas eigen. Der Lift hielt, die Tür ging auf, davor stand der männliche Zwilling meiner Begleiterin. Ältlich, schwarz, mit Aktenkoffer. Killer treten meist im Duo auf. Ich war vorbereitet und schoß als erster. Dann legte ich beide pietätvoll im Keller aus und fuhr in den 20. Stock.

Brock: Sie?

Jonas: Man wollte mich umbringen, Brock, hier in der Sicherheitszentrale.

Brock: Gute Idee. Wollen Sie Anzeige erstatten?

Jonas: Ich will wissen, was mit Judith passiert ist.

Brock: Das hab ich Ihnen schon am Fon gesagt.

Jonas: Gar nichts haben Sie gesagt. Sie haben die offizielle Verlautbarung runtergeleiert.

Brock: Na und? Was wollen Sie denn noch?

Jonas: Alles. Die ganze Geschichte. Jede Einzelheit. Das bin ich ihr schuldig.

Brock: Gehen Sie mir nicht auf die Nerven, halten Sie sich raus, hauen Sie ab. Wenn Sie was für Frau Delgado tun wollen, dann gehen Sie ins Casablanca, und halten da eine private Totenfeier, im irischen Stil, mit viel Whisky.

Jonas: So nicht, Brock!

Brock: Doch, Jonas, genau so. Raus!

Jonas: Brock spielte mal wieder den wilden Bullen. Aber mit dem Casablanca hatte er gar nicht so unrecht. Jonas setzte sich in Bewegung, aufmerksam, auf der Hut, Blick zurück in Vorsicht. Nichts schwarzes mit Koffer. Dafür was graues mit Plastiktüte direkt vor dem Casablanca. Ein Penner. Ein Berber. Einer von denen, die nichts haben und alles wissen. Eine von Jonas Ratten.

Penner: Na, Jonas, wie tickt’s denn so?

Jonas: Immer richtig.

Penner: Moment, Jonas, ich weiß was.

Jonas: So?

Penner: Falsch, das heißt nicht so, das heißt, ich geb dir was. 10 Euros?

Jonas: Einer recht.

Penner: Fünf.

Jonas: Drei.

Penner: OK, gib her.

Jonas: So, jetzt bist du dran, pfeif mir was.

Penner: Großalarm, gesucht wird ein gewisser Jonas.

Jonas: Tot oder lebendig?

Penner: Ne, nur tot.

Jonas: Die Bullen?

Penner: Ne, die Todesschwadron.

Jonas: Die beste und solideste Killerorganisation in Babylon. Zuverlässig. Konservativ. Bestückt mit ehemaligen Sicherheitsleuten, nicht mehr dabei, weil sie zu oft die Hand aufhielten oder zu oft auf den Abzug drückten. Jonas fühlte sich geehrt und verunsichert, weil er nicht die geringste Ahnung hatte, wer ihm die Todesschwadron GmbH und Co KG auf den Hals gehetzt hatte und warum.

Jonas: Egal. Jacob, einen Whisky.

Jacob: Hier.

Jonas: Das ist kein Whisky, Jacob.

Jacob: Das ist ein Rohrpostbrief. Vor zehn Minuten gekommen. Für dich. Hier steht. Jonas, care of Casablanca. Dringend. Eilig.

Jonas: Wenn Sie mehr wissen wollen, die ganze Geschichte, jede Einzelheit, Belsatzarstraße 181a, 14.30.

Jacob: Keine Unterschrift.

Jonas: Ich weiß, von wem der Brief ist. Wie spät?

Jacob: Fünf nach zwei. Hey, dein Whisky!

Jonas: Stell ihn warm.

Jacob: Weißt du was, Jonas, ich trink ihn selber. Auf dein Wohl. Sieht so aus, als könntest du’s gebrauchen.

Jonas: Belsatzarstraße 181a war ein Schirmerladen. Voll mit elektronisch super abgeschirmten total abhörsicheren Zellen. Für Leute, die sich mal in Ruhe unterhalten wollten, und sich den Mietpreis leisten konnten. Ich wurde gründlich durchsucht. Sam und die Waffen kamen ins Schließfach. Brock wartete schon in der Zelle.

Brock: Wurde auch Zeit, Jonas. Ich dachte schon, Sie hätten meinen Brief nicht gekriegt, oder nicht kapiert, das hätte ich Ihnen zugetraut.

Jonas: Wollen Sie sich mit mir streiten, Brock, oder wollen Sie mir was sagen?

Brock: Nur wegen Frau Delgado. Die hat nämlich viel von Ihnen gehalten. Weiß der Teufel warum. Und ich hab viel von Frau Delgado gehalten. Darum bin ich hier. Obwohl das gegen alle Dienstvorschriften verstößt.

Jonas: Und das bringen Sie über Ihr öffentlich bedienstetes Herz. Ich bin gerührt.

Brock: Sie haben gut reden, Jonas, Sie riskieren nur Ihr Leben, ich riskiere meine Pension.

Jonas: Aber dann kam er doch noch zur Sache. Zur babylonischen Stadtguerilla. Eine verquere nostalgische Truppe, die sich die klassischen Terroristen des 20. Jahrhunderts zum Vorbild genommen hatte. Eine Frau führte sie an. Sie nannte sich Karla, und sie hatte Ideen. Zum Beispiel die, ein paar prominente Babylonier zu kidnappen und irgendwo im Reservat festzuhalten, in der wilden Ruinenlandschaft, ohne Recht, ohne Gesetz und ohne Sicherheitsverwaltung. Und dann der Verwaltung Forderungen zu stellen.

Brock: Eine halbe Milliarde Euros, regelmäßige Sendezeiten im Holo. Die Bürgermeisterin sollte live auftreten in Sack und Asche und alle ihre politischen Sünden beichten.

Jonas: Alle? Das wird ne Endlosserie.

Brock: Ein Teil der Sicherheitsführung war für Gewalt, ins Reservat einmarschieren, alles kurz und klein schlagen, Oberst Frank von der Terrorpolizei, ein paar andere. Aber sie kamen nicht durch. Der Chef, Sicherheitspräsident Henning, setzte auf Verhandlungen, schon wegen der Geiseln. Ein Sonderstab wurde gebildet, Codename Houdini, und da...

Jonas: Lassen Sie mich raten, Brock, Judith Delgado.

Brock: Assistiert von Chefinspektor Brock.

Jonas: Die Schöne und das Biest.

Brock: Wollen Sie sich mit mir streiten, Jonas, oder wollen Sie was hören?

Jonas: Judith nahm Kontakt zu Karla auf, sie traf sich mit ihr, sie verhandelte, sie machte Fortschritte. Das war wichtig, nicht nur für die Geiseln, auch für Sicherheitspräsident Henning, der wollte am 1. Juli in Glanz und Gloria abtreten. Und für Judith. Die wollte Hennings Nachfolgerin werden und brauchte den großen Geiselerfolg, um sich gegen ihren Konkurrenten durchzusetzen, Sicherheitsdirektor Leo Costa, eine eher graue Schreibtischmaus. Leiter des Beschaffungsamts. Zuständig für den Nachschub von Kugelschreibern und von Laserstrahlern. Viel Chancen hatte er nicht. Judith marschierte und verhandelte und stand kurz vor dem erfolgreichen Abschluß.

Brock: Das war Anfang Juni. Und auf einmal war der Wurm drin. Karla ließ Termine platzen, es gab immer neue Forderungen, die Sache zog sich hin, die Geiseln kamen nicht frei, Henning ging in Pension.

Jonas: Sein Job kriegte nicht Judith, sondern dieser Costa.

Brock: Natürlich. Frau Delgado hatte versagt. Sie blieb Leiterin des Sonderstabs, traf sich noch zwei dreimal mit Karla, das letzte Mal am Abend des 19. Juli. Und zur gleichen Zeit rollte der Sturmangriff auf den Schlupfwinkel der Stadtguerilla im Reservat. Kleinbeirut haben sie ihn genannt. Wir vom Sonderstab wußten nichts davon. Chef Costa und Oberst Frank haben die Vorbereitungen geheimgehalten, um die Terroristen zu überraschen. Ein Unternehmen mit allen Schikanen. Helikopter, Tanks, Laserhaubitzen, sogar ein paar Robokiller. Was dabei rausgekommen ist, wissen Sie.

Jonas: Keine Ahnung, Brock, ich war in Afrika.

Brock: Alle Terroristen tot, mit einer Ausnahme, fast alle Geisel tot, viele Unbeteiligte tot, ein paar Sicherheitskräfte tot.

Jonas: Judith Delgado tot.

Brock: Nicht beim Sturmangriff. Sie traf sich mit Karla. Sie war gar nicht dabei.

Jonas: Und warum die falsche Verlautbarung?

Brock: Weil es so einfacher war und sicherheitspolitisch geschickter. Bei so vielen toten Geiseln war es nicht verkehrt, auch in den eigenen Reihen ein hochrangiges Opfer zu haben.

Jonas: Wie ist Judith umgekommen?

Brock: Erschossen. Mit einer Keckler und Hoch, SW7. Am nächsten Morgen haben wir sie gefunden, im Osten, an der Grenze zum Reservat. Unter freien Himmel. Nicht weit vom Aquarium und vom Giganthotel.

Jonas: Wo hat sie sich mit Karla getroffen?

Brock: Wissen wir nicht, das hat sie für sich behalten.

Jonas: Sie war allein.

Brock: Die beiden haben sich immer allein getroffen.

Jonas: Wer hat Judith umgebracht?

Brock: Ich weiß nicht.

Jonas: Karla?

Brock: Möglich. Sie soll noch am Leben sein, als einziges Mitglied der Stadtguerilla. Untergetaucht. Wo weiß ich nicht. Sonderstab Houdini ist aufgelöst. Ich bin wieder bei der Kripo. Datenkriminalität, Kleinkram...

Jonas: Wo könnte Karla stecken? Denken Sie nach, Brock. Wo hat Judith Kontakt mit ihr aufgenommen?

Brock: Keine Ahnung, Jonas, wirklich nicht. Ich hab sie mal gefragt, und da hat sie nur eine unverständliche Bemerkung gemacht.

Jonas: Über den alten amerikanischen Präsidenten Reagan?

Brock: Nein, wieso? Über Mao, chinesischer Diktator im vorigen Jahrhundert, über einen Spruch von Mao. Guerillas sind wie Fische im Wasser oder so ähnlich, und dann hat sie gelacht und gesagt, das ist wirklich ein Witz. Frau Delgado hat in den letzten Wochen viel von Ihnen gesprochen, Jonas, Sie haben ihr gefehlt, sie hatte das Gefühl, daß an der Geschichte was nicht stimmt. Jonas würde sich reinknien, hat sie gesagt, Jonas würde es rauskriegen, also dann, kriegen Sie’s raus, ich wünsch es Ihnen und mir und dem Andenken von Judith Delgado. Noch was: Scotland Yard.

Jonas: Scotland Yard, was soll ich damit?

Brock: Geben Sie es Ihrem Computer weiter, der ist schlauer als Sie, der kann was damit anfangen. Wir sehen uns Jonas, bald. Bleiben Sie cool.

Jonas: Weg war er. Aber er ließ mir ein Andenken da: Die Rechnung. 300 Euros für 1 Stunde Schirmerzelle. Jonas zahlte, ungern und ging nach Hause. Wo sich zeigte, daß Sammy tatsächlich was mit Scotland Yard anfangen konnte.

Sam: Das legendäre Hauptquartier der Metropolitan Police of London, verehrter Assistent Commisioner.

Jonas: Du wirst es nicht glauben, Sam, das wußte ich.

Sam: In der Tat, Sir? Es dürfte sich um ein geheimes Codewort handelt, welches mit jedem berechtigtem Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit Zugang zum Zentralcomputer der obersten Sicherheitsverwaltung eröffnet.

Jonas: Da könntest du recht haben, Sammy.

Sam: Ja.

Jonas: OK. Nimm dir das Codewort und geh ein bißchen im Zentralcomputer spazieren. Mal sehen...

Brock: Sie brauchten sowieso eine neue Tür, Jonas, eine die sich abschließen läßt.

Jonas: Brock?

Brock: Chefinspektor Brock, wenn ich bitten darf. Bleiben Sie cool, Jonas.

Pauly: Aufstehen, Hände hoch, an die Wand, Beine auseinander, bleiben Sie so.

Brock: Na, dann wollen wir mal. Jonas, nur Jonas, Bürgernummer, geboren, Beruf, blablabla, auf Anordnung des Herrn Präsidenten der Sicherheitsverwaltung von Babylon, Vereinigte Staaten von Europa, sind Sie festgenommen.

Jonas: Weshalb?

Brock: Behinderung der Arbeit der Sicherheitskräfte, Betreiben eines nicht entstörten Computers.

Sam: Ohohohohoh, nur Blut kann sie abwaschen, diese unerhörte Schmach, geben Sie Satisfaction, Pistols, Säbels.

Pauly: Mit dem Knüppel kannst du was kriegen, du bescheuerte Blechbüchse.

Sam: Blödmann. Ha, und nochmals Ha. En garde, Wicht.

Brock: Ruhe. Planung eines schwerwiegenden Datenvergehens, Erregung öffentlichen Ärgernisses.

Jonas: Das ist alles?

Brock: Mehr steht hier nicht. Hab ich was vergessen?

Jonas: Kontoüberziehung im Wiederholungsfall. Spucken auf den Bürgersteig.

Brock: Haha. Sie werden in kriminalpolizeilichen Gewahrsam genommen und zwecks Aburteilung dem nächstgelegenen Autojudex vorgeführt.

Jonas: Und, was werd ich kriegen?

Brock: Tja, zwei Jahre verschärfter Hausarrest mit Elektrofessel, mindestens, Detektivlizenz weg, Computer eingezogen.

Sam: Niemals! Keine Macht der Welt kann Sammy vom Busen seines innig geliebten Herrn reißen.

Pauly: Das wirst du schon sehen, wie wir das können, und dann kommst du in den Asservatenkeller, da ist es dunkel und feucht und eklig. Und da wirst du vergammelt und verrotten.

Sam: Und du kommst mit.

Brock: Das reicht, Pauly. Sehen Sie sich mal in der Naßzelle um, aber gründlich.

Pauly: Wird gemacht, Chefinspektor.

Brock: Hauen Sie ab, Jonas.

Jonas: Was?

Brock: Sie sollen fliehen, Sie Idiot, nachdem Sie mich überwältigt haben, natürlich. Los.

Jonas: Danke Brock.

Brock: Nur wegen Frau Delgado, Jonas, Gehen Sie nicht ins Casablanca, da schicken wir gleich eine Streife hin.

Sam: Fein.

Jonas: Blieb eigentlich nur ein einziger Zufluchtsort. Der arme Schlucker, ein Dipsomat. Lem-/Ecke Strugazkistraße. Wenig geliebt, weithin unbekannt. Wo man sich einen Strohrum ziehen und mit seinem Computer zu raten gehen konnte. Zum Glück hatte ich ein paar Euros in der Tasche.

Sam: Wieviel?

Jonas: Zehn, zwanzig, dreißig und ein paar zerklemmte.

Sam: Naja, nicht eben stupender Reichtum, euer Minderbemitteltheit. Hilft nix, muß erst mal reichen.

Jonas: Muß nicht, Sammy. Ausnahmsweise hab ich was auf dem Konto. Ich kann bargeldlos zahlen.

Sam: Hehehe, kannst du nicht, Knirschgetriebe, weil sie dich sofort am Arsch haben, wenn du irgendwo im elektronischen Netz auftauchst. Die Bullen, die Todesschwadronen, alle.

Jonas: Jonas gegen den Rest der Welt, wie üblich. Apropos Todesschwadronen, Judith ist mit einer Keckler und Hoch erschossen worden und das heißt...

Sam: Von der Todesschwadron, die auch Jonas auf dem Kicker hat, will sagen, im Visier. Frage: Wer ist der Auftraggeber?

Jonas: Die Antwort finden wir nicht, wenn wir hier sitzen und Strohrum trinken. Scotland Yard, Sammy.

Sam: Ach, längst passiert. Während euer Saumseligkeit über Alkohol in seiner entsetzlichsten Gestalt frönten, unternahm Sam, Sam, der Pflichttreue, der Gewissenhafte, der Verantwortungsbewußte, eine Exkursion in die geheimnisvollen Tiefen des Zentralcomputers. Wer wagt es Knappertsmann oder Ritt zu schlauchen in diesen Tunt. Na, wer schon. Na ich, Sam. Unerschrocken, wendig, alle aufgestellten Fallen geschickt umgehend, konzentriert, diszipliniert.

Jonas: Ist ja gut, Sammy, du bist der größte. Das wissen wir doch. Was hast du entdeckt.

Sam: Zweierlei, du Nieswurz. Hatschi. Danke. Großfahndung nach Jonas, nur Jonas alle erste Priorität. Sicherheitsapparat auf Hochtouren.

Jonas: Meinetwegen? Bin ich Jack the Ripper?

Sam: Unzureichende Daten, mein Jonas.

Jonas: Und zweitens?

Sam: Daten über Stadtguerilla und den Tod der Dame Judith nicht zugänglich, auch nicht mit Codewort Scotland Yard. Zusätzlich verschlüsselt und verrammelt und verschottet.

Jonas: Da kommen wir also nicht weiter, Sam. Neuer Approach. Karla. Wir müssen versuchen, sie aufzutreiben. Wo könnte sie stecken. Kombinieren wir.

Sam: Wir, my dear Watson?

Jonas: Wie du willst, Sam, dann kombinier gefälligst du alleine. Dafür hab ich dich. Los, auf der Stelle.

Sam: Drei vier, Maofisch, Wasserfisch im Wasser. Wo gibt’s so was. Na?

Jonas: Jedenfalls nicht im Meer oder im See oder im Fluß. Schon lange nicht mehr.

Sam: Korrekt. Wo dann?

Jonas: Im Aquarium?

Sam: Exzellent, mein lieber Jonas. Wo wurde die Dame Judith aufgefunden?

Jonas: Im Osten an der Grenze zum Reservat, nicht weit vom Giganthotel und vom...

Sam: Aquarium, Aquarii, neutrum. Quod erat demonstrandum.

Jonas: Du meinst, Karla ist im Aquarium?

Sam: Naja, hast du eine bessere Idee, o du mein Wasserkopf, bluber blubber blub.

Jonas: Ich hätte mich wie Dschango fühlen sollen. Einsamer Wolf. Einsamer Jäger. Einsamer Rächer. Aber als ich durch die Straßen ging, kam ich mir eher vor wie eine Zielscheibe oder wie das Männlein im Walde. Ganz allein auf einem Bein. Und drum herum lauter wilde Tiere, die was von mir wollten. Da hatte ich gar nicht mal unrecht.

Sam: Achtung, Achtung, wir unterbrechen unser Programm für eine Durchsage. In Sicht sind zwei schwarze Aktenkoffer. Ich wiederhole Aktenkoffer. 300 Meter zurück. Abstand abnehmend.

Jonas: Da haben sie mich also wieder gefunden. Was machen wir, Sammy, einen Zahn zulegen?

Sam: Und wenn du wetzt wie Zatopek.

Jonas: Wie wer?

Sam: Kennt er nicht. Eine Kugel ist schneller, allemal. So steht es geschrieben.

Jonas: Ich könnte es mit den beiden ausschießen.

Sam: Ohohoh. Zwei gegen einen, naja, und gut sind die auch.

Jonas: Also was dann, Sammy?

Sam: Was dann? Was deucht euch von der Straße, Eminenz?

Jonas: Straße? Die hier?

Sam: Na, den Markgrafenboulevard werd ich meinen. Natürlich die hier.

Jonas: Was soll mich deuchen. Eine schmale Straße, einsam, tote Lagerhäuser, typisch für Ostbabylon.

Sam: Nicht eben sauber.

Jonas: Es geht. Sag mal Sammy, was soll...

Sam: Müßte mal gereinigt werden.

Jonas: Ich weiß nicht, das geht doch automatisch. Regelmäßig, zentralgesteuert mit Vorwarnung. Siehst du nicht die Düsen an jeder Ecke rechts und links. Die Düsen!

Sam: Ach, hat er’s endlich geschnallt unser mentaler Schneckerich. Die Straßenreinigung untersteht der Sicherheitsverwaltung.

Jonas: Du mogelst dich ins System ein, sagst Scotland Yard, setzt das Normalprogramm außer Betrieb und sorgst dafür, daß dieses Stück Straße mal gründlich sauber gemacht wird außer der Reihe. Achtung, Sammy, hier sind die Düsen. Sobald ich vorbei bin...

Sam: Läuft Aktion saubererer Asphalt. Scotland Yard. Düsen nach hinten. Wasser marsch. Gebläse. Spül weg den Dreck. Hehe.

Jonas: Das Killerteam segelte von dannen. Sehr schnell. Mit achterlichem Wind. Und Jonas ging weiter. Vorwärts. Immer vorwärts. Jetzt war mir wirklich nach Dschango. Das Aquarium war ein flacher ausladender Bau im Schatten des berghohen Giganthotels, nicht weit vom Reservat, der ausgebrannten Ruinenlandschaft, in der Gesetzlose hausten, Freaks, Terroristen, Mutanten, kannibalische Nachtmenschen. Aber die Trümmer und ihre Bewohner waren nicht zu sehen, weil die gewaltigen Holoprojektoren auf dem Dach des Giganthotels die häßliche Realität mit Illusionen zudeckten. Bunte Parks, gelbe Felder, grüne Wiesen, wunderschön anzusehen, und so echt wie das Ehrenwort eines Politikers. Das Aquarium war geschlossen. Wegen Bauarbeiten. Stand auf dem Schild an der Tür. Kein Problem für Sam und sein magisches Codewort. Vor Scotland Yard öffnen sich alle Pforten.

Sam: Dank, mein lieber Brock, ich könnt dich herzen und küssen.

Jonas: Übertreibs nicht, Sammy.

Sam: Ja.

Jonas: Und mach dir gefälligst Gedanken, wie’s weitergeht. Wie finden wir Karla, ist sie überhaupt hier, wie sollen wir sie erkennen.

Sam: Questions over Questions, meine verehrten Damen und Herren, zuhause an den Holoschirmen.

Jonas: Und keine Antwort, wie es scheint.

Sam: Stube. Korrektur. Gemach, mein ungläubiger Jonas. Es gibt eine Antwort, und sie stammt von keinem geringerem als dem großen amerikanischen Philosophen Readers Digest. Wie sagt er doch, in einem seiner erhabendsten, seiner profundesten Aphorismen: Es wird sich alles alles finden. Warte nur.

Jonas. Willst du mich verarschen, Sammy?

Sam: Und siehe, es hat sich gefunden, das weiterführende Glied in der detektivischen Kette. Ein Weg tut sich auf. Es ertönt die Posaune von Jericho, die Trommel ruft zum Streite. Folge dem Klang, altes Kriegsroß. Wieher!

Jonas: Jonas folgte durch eine Tür, über einen langen Gang, um eine Ecke, und da wurde es laut. Vor mir lag ein weiter heller Raum, in der Mitte ein Becken voller Wasser, dahinter eine Frau in Deckung. Eine Frau im weißen Kittel, in der Hand einen Laserstrahler. Zwei schwarze Figuren arbeiteten sich zu ihr vor, rechts und links am Beckenrand. Eine der beiden feuerte aus dem bekannten schwarzen Aktenkoffer, die andere hatte keinen Aktenkoffer, sie hatte einen Kanister auf dem Rücken, und in der Hand ein Rohr, aus dem ein Feuerstrahl schlug. Ein Flammen-werfer, ein richtiger altmodischer Flammenwerfer. Typisch Todesschwadron. Ich mischte mich ein, mit meinem Laser.

Karla: Danke, Fremder. Reine Menschenfreundlichkeit, oder haben Sie einen bestimmten Grund, mir zu helfen?

Jonas: Die Todesschwadron. Mit der hab ich ein Hühnchen zu rupfen. Ein Riesenhuhn bessergesagt. Und dann möchte ich, daß Sie mir ein paar Fragen beantworten. Sie heißen doch Karla.

Karla: Sind Sie von der Terrorpolizei?

Jonas: Sie stand vor mir, wachsam, gespannt, den Zeigerfinger am Drücker ihres Laserstrahlers. Jonas sagte ihr, wer er war, und was er von ihr wollte.

Karla: Gut, reden wir. Nicht hier. In der Cafeteria. Da ist jetzt kein Mensch. Warten Sie einen Augenblick, ich will mich nur umziehen.

Jonas: Wo?

Karla: In meinem Zimmer, ich arbeite hier, in der ichthyologischen Abteilung. Dr. rer. nat. Karla Adamski. Sagen Sie Karla. Moment.

Jonas: Was tun Sie?

Karla: Ich laß die Piranhas ins Becken. Damit sie hier reinen Tisch machen. Was bei internen Auseinandersetzungen abfällt, geht andere nichts an. Sehen Sie nur zu, Jonas, sehr lehrreich, und symbolisch. Die kleinen Fische fressen die Großen. Manchmal.

Jonas: Ich ließ sie gehen. Nicht, weil sie einen Laser hatte. Den hatte ich auch. Ich traute ihr. Und sie kam tatsächlich zurück. In einem unauffälligen brauen Overall. In der Cafeteria zog ich mir einen Sojakaff und einen doppelten Sojaburger. Das hatte ich nötig.

Karla: Was haben Sie mit Judith Delgado zu tun? Freund. Partner. Beziehung?

Jonas: Ich bin ihr was schuldig.

Karla: Geht mich auch nichts an. Sie haben mir geholfen, und deshalb bin ich Ihnen was schuldig. Was wollen Sie wissen?

Jonas: Wie ist sie umgekommen?

Karla: Das kann ich Ihnen sagen, ich war dabei, wir waren verabredet zum so und sovielten mal, in der Nähe im Reservat, wie immer, in einem ausgebrannten Haus. Und direkt davor wurde sie erschossen. Vier Schwarze mit Koffern. Kreuzfeuer. Sie war sofort tot.

Jonas: Und Sie Karla?

Karla: Ich war vorsichtig und hatte meine kugelsichere Wäsche angezogen. Gleich nach dem ersten Schuß bin ich abgetaucht. Im Reservat kenn ich mich besser aus als die Killer von der Todesschwadron. Sie haben mich verfolgt. Erwischt haben sie mich nicht. Aber sie versuchen es immer wieder. Wie eben.

Jonas. Warum? Wer steckt dahinter?

Karla: Ich bin der letzte Name auf der Liste. Alle anderen sind gestrichen, abgehackt, erledigt. Die Genossen sind beim Sturm auf Kleinbeirut gefallen. Und zur gleichen Zeit hat die Todesschwadron auf Delgado angesetzt. Weil ihr klar geworden war, was gespielt wurde. Jetzt bin nur noch ich übrig. Und Sie natürlich, Jonas.

Jonas: Ich?

Karla: Sie wühlen und bohren und kommen ihm immer näher.

Jonas: Ihm? Wem?

Karla: Ganz nah dran sind Sie offenbar noch nicht. Costa natürlich.

Jonas: Der Sicherheitschef?

Karla: Seine Ehren Leo Costa. Präsident der obersten Sicherheitsverwaltung zu Babylon.

Jonas: Costa hat Judith umbringen lassen.

Karla: Ja sicher, weil sie ihm auf die Schliche gekommen war.

Jonas: Als Leiter des Beschaffungsamts hatte Costa die Stadtguerilla mit Waffen versorgt. Über Jahre. Er ließ sich dafür bezahlen. Aber das war nicht sein Hauptgrund. Er war der Meinung, die Sicherheitsbehörde brauchte einen Gegenpart, ein wirkungsvolles Feindbild, eine Rechtfertigung für polizeiliches Hochrüstung und law and order Politik. Darum lieferte er den Terroristen Waffen. Nicht viele, nicht die neuesten, nicht die besten. Gerade soviel, daß sie ab und zu von sich reden machen konnten. Aber dann landete Karla ihren großen Coup, ohne Costa zu informieren. Die Geiselnahme. Und danach lief alles schief für Costa.

Karla: Wegen Delgado, weil sie als erfolgreiche Senkrechtstarterin schon als künftige Chefin der Sicherheitsverwaltung gehandelt wurde. Den Job hatte sich Costa selbst vorbehalten. Und als Delgado den Auftrag kriegte, mit uns über die Geiseln zu verhandeln, da sah er seine Chance. Er schlug mir einen Deal vor: Ich sollte die Verhandlungen rauszögern, schleppen lassen, bis Henning aufs Altenteil kam, und wenn Costa Sicherheitspräsident geworden war, wollte er uns Waffen liefern. Mehr als bisher, und modernere. Was ähnliches ist mal in Amerika passiert, vor gut 30 Jahren, bei der Wahl zum Präsidenten. Irgendein Staat im Orient hatte damals amerikanische Geißeln festgehalten, und damit der bisherige Präsident nicht mit einem großen Erfolg im Rücken wiedergewählt wurde, soll sein Konkurrent mit diesem Staat vereinbart haben, daß die Geißeln erst später, nach der Wahl losgelassen werden sollten. Gegen Waffen und sehr viel Geld.

Jonas: Regean.

Karla. Ja, so hieß er wohl.

Jonas: Das hat sie also gemeint.

Karla: Was, wer?

Jonas: Nicht so wichtig. Erzählen Sie weiter.

Karla: Da ist nicht mehr viel zu erzählen. Delgado hat offenbar was spitzgekriegt.

Jonas: Hat sie. Jetzt weiß ich’s.

Karla: Costa konnte nicht zulassen, daß seine geheimen Abmachungen mit uns rauskamen. Er mußte was unternehmen, und das tat er dann auch. Gründlichst. Generalbereinigung. Großes Aufwaschen.

Jonas: Sturmangriff auf Kleinbeirut.

Karla: Richtig. Danach gab’s kein Geiselproblem mehr. Keine Stadtguerilla. Keine Zeugen, die Auspacken konnten. Und zur gleichen Zeit sollten Delgado und ich erledigt werden. Damit beauftragte Costa die Todesschwadron. Gute Kumpel aus alten Sicherheitszeiten. Das war’s Jonas, noch Fragen?

Jonas: Danke, Karla, Sie waren sehr offen.

Karla: Ihnen kann ich alles sagen, Jonas, Sie sind nicht gefährlich, nicht mehr. Dafür wird Costa sorgen.

Jonas: Glauben Sie, Karla?

Karla: Ich bin sicher. Weil ich ihn nämlich angerufen habe, eben in meinem Zimmer. Ich habe ihm einen letzten Deal angeboten. Er kriegt Sie, Jonas, wenn er mich in Ruhe läßt und die Schwarzen zurückpfeift.

Jonas: Und er war einverstanden.

Karla. Natürlich. Ich soll Sie umbringen, hat er gesagt, aber das habe ich abgelehnt. Soll er seine Drecksarbeit selber machen. Sie sind bewaffnet, Jonas, Sie haben eine Chance, eine ganz kleine. Da kommt er! War nett sie kennengelernt zu haben Jonas.

Jonas: Schade, daß die Bekanntschaft nur kurz war. Hätten wir uns nicht zusammentun können?

Karla: Daran habe ich auch schon gedacht. Aber das ist mir zu riskant. Sie sind ein sturer Bock, einer, der keine Kompromisse macht, der sich lieber umbringen läßt als aufzugeben. Ein Romantiker. Das ist nichts für mich.

Jonas: Wo gehen Sie hin, Karla?

Karla: Ins Reservat. In den Untergrund. Abwarten. Mal sehen, was sich bietet. Ichthyologin mit einschlägiger terroristischer Erfahrung sucht neuen Wirkungskreis. Viel Glück, Jonas.

Jonas: Aus der untergehenden Sonne kamen zwei Helikopter. Ein kleiner Kommandohubschrauber und ein Transporter. Schwarz. Ohne Markierung. Costa mit der Todesschwadron. In wenigen Sekunden würden sie landen, auf dem großen Platz zwischen Aquarium, Giganthotel und Reservat. Was tun? Sammy hilf!

Sam: Jajaja, jetzt kommt er angeschissen, mein großer Herr und Meister. Sammy, hilf mir, nachdem ich stundenlang Luft für ihn war, weil er mit diesem Weib herumturteln mußte, dieser Karla, und was hat er davon gehabt, der trottelige Triebmensch, verraten hat sie ihn, schnöde verkauft, kaltschnäuzig verscherbelt für 30 Silberlinge.

Jonas: Genau das hat mir gefehlt, Sam, dein Zuspruch, deine moralische Aufrüstung. Ich danke dir. Du weißt, was ich jetzt brauche, nicht etwa tatkräftige Unterstützung, nein, Worte Worte Worte.

Sam: Ja. Worte. So so. Und was ist das?

Jonas: Was ist was?

Sam: Da draußen. Guck mal aus dem Fenster.

Jonas: Der Kommandohubschrauber setzte zur Landung an. Der Transporter flog weiter. Stur gerade aus. Über den Platz. Über das Reservat. Über die Stadtgrenze. Immer weiter. In die Wüste.

Sam: Bis daß der Sprit alle ist.

Jonas: Und dann, Sammy?

Sam: Fällt er runter. Plumps.

Jonas: Du hast das Steuersystem blockiert.

Sam: Klar doch. Nur Worte, he? Nimmst du das eventuell zurück?

Jonas: Später, Sammy. Falls ich noch dazu komme.

Sam: Dann ist die Sache für mich erledigt.

Jonas: Der kleine Helikopter ist gelandet.

Sam: Damit müssen wir uns abfinden, Majestät. Speziell gesichertes System. Auf die schnelle nicht zu knacken.

Jonas: Ein kleiner Mann in grau steigt aus.

Sam: Ja. Costa.

Jonas: Und zwei Schwarze. Mit Maschinenpistolen. Von hier aus kann ich gar nichts machen, Sammy. Der Laser reicht nicht so weit. Der Revolver auch nicht. Costa hat ein Megafon.

Costa: Jonas, nur Jonas, Ihre Lage ist hoffnungslos. Kommen Sie raus. Langsam, die Hände über dem Kopf.

Sam: Ja, tu, was er sagt, Lahmgesäß.

Jonas: Ach ja, damit sie mich in aller Ruhe abknallen können? So nicht, Sammy. Ich komm raus, aber anders. Im Laufschritt, eine Waffe in jeder Hand. Ich mach denen da draußen Feuerwerk.

Sam: Hehe, wie weiland Butch Cassidy und Sundance Kid.

Jonas: So hab ich wenigstens eine kleine Chance.

Sam: Naja, 1 zu 3. Prädikat: Weniger empfehlenswert.

Jonas: Weißt du was besseres?

Sam: In der Tat, o leicht getrübte Leuchte des Weltalls. Denn merke: Die Holoprojektoren auf dem Giganthotel werden von einem nicht eben schwierig zu infiltrierendem System gesteuert. Es lebe die Illusion. Vertrau auf Sam.

Jonas: Muß ich wohl.

Costa: Kommen Sie raus, Jonas.

Sam: Der ist ja immer noch da.

Jonas: Jonas kam, Hände hoch, langsam. Schritt für Schritt. Costa wartete und sah mich an. Zufrieden.

Costa: Sehr vernünftig, Jonas, so geht es wenigstens schnell. Sie ersparen mir Zeit und sich selbst unnötige Quälerei. Kommen Sie näher. Noch näher. Ich hatte Sie immer im Auge, Jonas, seit Sie zurückgekommen sind. Ich wußte, daß Frau Delgado Sie in Interna der Sicherheitsverwaltung eingeweiht hatte, gegen jede Vorschrift. Darum mußte ich auf dem laufenden sein, was Sie betraf. Wenn irgendwo in meiner Nähe ein Haufen Scheiße rumliegt, dann will ich wissen wo, damit ich nicht reintrete. Kommen Sie näher.

Jonas: Sie sind schon reingetreten, Costa.

Costa: Noch näher, Jonas.

Jonas: Sie stinken zum Himmel.

Costa: Das genügt. Machen wir ein Ende.

Jonas: Sammy?

Sam: Vertrau auf Sam.

Costa: Jonas? Was ist? Wo sind Sie?

Jonas: Ich war noch da, an der selben Stelle. Aber Costa sah mich nicht. Er sah ein wogendes Kornfeld unter strahlend blauem Himmel. Eine Holoillusion, die Sam zwischen uns gestellt hatte. Durchsichtig, von meiner Seite, nicht von seiner. Er sah sich um, verwirrt. Seine beiden Trabanten fingen an, in die Gegend zu ballern. Das ging nicht. Zwei Schüsse aus meinem Laserstrahler, und dann war da nur noch Costa. Und Jonas. Und natürlich Sam, der mit den Holoprojektoren spielte.

Sam: Urwald. Haha.

Jonas: Voller Begeisterung.

Sam: Meer. Hahahaha.

Sam: Wüste. Hahaha.

Sam: Eine wunderschöne grüne Wiese.

Costa: Hören Sie auf, Jonas, zeigen Sie sich.

Sam: Knips ihn ab, Knödelfies, oder willst du ihn laufen lassen?

Jonas: Nein. Aber erschießen wollte ich ihn auch nicht. Das war zu wenig. Zu leicht. Es war dunkel geworden. Sie waren nicht deutlich zu erkennen. Schattenhafte Bewegungen. Kalkweiße Flecken unter den Ruinen. Nachtmenschen. Der Trubel hatte sie angelockt, die Helikopter. Die Schüsse. Die Projektionen. Sie warteten am Rand, an der Grenze zum Reservat. Sie warteten und lauerten. Hungrig. Voller Gier.

Jonas: Wir sollten sie nicht enttäuschen, Sammy. Setzen Sie sich in Bewegung, Costa. Los.

Costa: Nein, nein.

Sam: Schieß ihm in die Haken.

Costa: Au.

Jonas: Das ist die Richtung Costa. Sehr gut. Und noch einen Schritt.

Costa: Nein.

Sam: Doch.

Jonas: Na also. Und noch einer. Für die toten Geiseln und für die Stadtguerilla und für die unschuldigen Opfer. Und jetzt ein großer Schritt für Judith Delgado.

Costa: Nein, Jonas, bitte.

Jonas: Und noch ein Schritt für Judith und noch einer und noch einer. Und jetzt der letzte Schritte.

Costa: Nein. Nein. Au!

Jonas: Gesegnete Mahlzeit.

Sam: Mahlzeit Chef. Ob er ihnen wohl bekommen wird?

Jonas: Nachtmenschen. Sicherheitspräsidenten. Schwarze Killer. Terroristen. Große Fische. Kleine Fische. Fressen und gefressen werden. Sehr lehrreich und symbolisch. Es wurde ruhig. Um uns lag Babylon. Babylon die große Stadt. Unermeßlich. Unerschütterlich. Unbeeindruckt.

Sam: Durch die Straßen der Stadt dadadadadadada, geht ein einsamer Mann, babababababa, ja das ist der Euroblues, dudidudidudi, der zieht aus die Schuhes, bambobambobam, die Strümpfe dazu, schlaf Judith in ewiger Ruh, babababaa, durch die Straßen der Stadt durch die Straßen Straßen Straßen Straßen geht ein einsamer Mann, ja das ist der Euroblues, badi, schlaf Judith, schlaf in ewiger Ruh.

Jonas: Gehen wir nach Hause, Sammy.

Sam: Ok. Ok Ok Ok Ok.

Das war Euroblues. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam Peer Augustinski. Es wirkten außerdem mit: Karin Anselm, Ilse Zielstorf, Helmut Stange und viele andere (Claudius Zimmermann, Helga Engel, Eduard Linkers, Hans Stetter, Werner Klein). Ton und Technik: Irene Thielmann und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Regie: Werner Klein. (Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks) (1990). (Redaktion: Erwin Weigel).

Beitrag vom 02.04.2022 - 21:21
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Der letzte Detektiv
Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
Heute: Attentat

Jonas: August 2012. Hochsommer. Brütende Hitze. Die Klimaregulierung war kaputt. Wie immer. Babylon, die große Stadt, stank zum Himmel. Ein gigantischer Misthaufen. Verrottet. Verwest. Verfallen. Und trotzdem begehrt. Manche reißen sich sogar darum. Alle fünf Jahre. Wenn die Wahl zum Bürgermeister ansteht.

Wahlrobot: Harry Hauer. Nur Harry Hauer. Ihr Kandidat. Neu. Harry Hauer. Wer hat sich hochgearbeitet vom Volksrentner zum Multimilliardär? Harry Hauer. Wen braucht Babylon? Harry Hauer. Wer wird Bürgermeister? Harry Hauer. Harry Hauer Nur Harry Hauer. Harry Hauer. Nur Harry Hauer. Ihr Kandidat. Neu. Unverbraucht. Harry Hauer. Wer hat sich hochgearbeitet vom Volksrentner zum Multimilliardär? Harry Hauer. Wen braucht Babylon? Harry Hauer. Wer wird Bürgermeister? Harry Hauer. Wen wählen Sie? Harry Hauer. Nur Harry Hauer. Harry Hauer. Nur Harry Hauer. Ihr Kandidat. Neu. Unverbraucht. Harry Hauer... Wen wählen Sie?...

Jonas: Überall Wahlrobots und Slogomaten. Elektronische Pappköpfe mit Lautsprechern, auf Straßen und Plätzen, in der Metro, vor Fenstern und Türen. Keine Ruhe bei Tag und Nacht. Ich setzte mich entnervt ab ins Casablanca. Jacob duldet keine Wahlrobots in seiner Kneipe. Aber die Wahl wurde ich auch hier nicht los.

Jacob: Und für wen bist du, Jonas?

Jonas: Für Jonas. Nur für Jonas. Whisky, Jacob, oder was du so nennst.

Jacob: Weiß ich doch. Ich meine, was wählst du Sonntag.

Jonas: Meine Ruhe.

Jacob: Aber wetten wirst du doch wohl oder?

Jonas: In Babylon wettet jeder, obwohl es verboten ist, oder vielleicht gerade weil. Gemanaged wird das Wettgeschäft von der Korporation, dem organisierten Verbrechen. Und gewettet wird auf alles und jedes, nichts ist zu mies. Nicht mal die Bürgermeisterwahl.

Jacob: Willst du einen Tip, Jonas.

Jonas: Brauch ich nicht. 5 zu 4 für Bürgermeisterin Paretzky.

Jacob: Denkst du, längst überholt. Letzte Woche ist Harry Hauer an die Notschka vorbeigezogen, und weißt du, wer auf ihn gesetzt hat.

Jonas: Klar, die eigene Partei, muß sie ja wohl.

Jacob: Aber gleich so hoch, wo alle Umfragen die Paretzky vorne sehen. Sicher, groß ist ihr Vorsprung nicht, aber trotzdem, komisch irgendwie.

Jonas: Deine Sorgen möcht ich haben, Jacob. Noch einen.

Jacob: Und gestern, das bleibt aber unter uns, gestern hat einer Millionen darauf gewettet, daß Hauer nicht Bürgermeister wird, Millionen, Jonas.

Jonas: Wer?

Jacob: Weiß keiner. Um drei Ecken, über Strohmänner. Also wenn du mich fragst, Jonas.

Jonas: Ich frag dich aber nicht, Jacob.

Jacob: Da wird ganz massiv geschoben.

Jonas: Ist ja nicht zu glauben. Du hast meinen Whisky vergessen Jacob.

Sam: Typisch, der würde auch seinen Ar... Korrektur der würde auch seinen Arm vergessen, wenn der nicht fest angeklebt wäre. Tätätätät ich bin die Sammy von der Post, vom Himmel hoch da komm ich her und hab nen schön ganz dicken Sack mit.

Jonas: Was da in meiner Tasche grölte, war natürlich Sam, mein sogenannter Computer. Plastikzwerg und rhetorischer Riese. Vollgestopft mit Nanachips und mit 1001 Sprachprogramm. Schon etwas angestaubt, aber kein bißchen leise, ein verbales Versuchsmodell anno 2005, das keiner haben wollte, außer Jonas, und der auch nur weil's billig war. Man kann sich an alles gewöhnen, sogar an Sam, wenn ich nur wüßte wie.

Jacob: Bei mir ist das so: wenn Menschen reden, halten Computer die Schnauze.

Sam: Selber Schnauze, alter Giftmischer. Du hast mir gar nichts zu sagen.

Jacob: Werd du frech, du elektronischer Lachsack.

Sam: Wer nichts wird, wird Wirt, so spricht das Volk, ein wahres Wort, Damen und Herren, wie sich soeben.

Jonas: Ruhe.

Sam: Lachsack hat er zu mir gesagt, der Gehirntyp.

Jacob: Muß ich mir das von deiner Taschenwanze bieten lassen.

Jonas: Ruhe. Reg dich ab Jacob und gieß mir endlich einen ein, dir auch.

Sam: Und Sammy?

Jonas: Du sagst mir was los ist. Kurz klar.

Sam: Kurz klar. Militärisch jawohl zackzack, eine Botschaft über den heißen Draht, Persönliche Dringlichkeitsstufe Eins A.

Jonas: Meinen Eins A Code kennen nur zwei, eine ist tot. Hallo Darling, wo brennt's.

Belinda: Ich brauch dich Jonas.

Sam: Wer nicht.

Jonas: Juno Belina, genannt Darling. Nicht nur von ihren Freunden. Ich war ein Freund, ein ganz alter noch von der Guerillafachschule her und danach waren wir in Verbindung geblieben, freundschaftlich, aber locker.

Belinda: Hast du heute abend was vor, Jonas?

Jonas: Für dich würd ich alles absagen, Darling.

Belinda: Das ist gut. Ein Aushilfsjob nur für ein paar Stunden.

Jonas: Ach so.

Belinda: Komm gleich rüber, du weißt ja wo.

Jonas: Darling Belinda hatte es zu was gebracht, Besitzerin und Chefin von Safety First, ein kleiner aber effizienter privater Sicherheitsdienst. Einträglich auch, mit einer Adresse am feinen Markgrafenboulevard, im obersten Stock einer atemberaubenden Konstruktion, die höher war als die babylonische Nettoverschuldung.

Belinda: Leben ist plötzlich ausgefallen.

Jonas: Herzinfarkt.

Belinda: Laserstrahler. Ich hab sonst keine frei.

Jonas: Du brauchst nicht Jonas, Darling, du brauchst einen Sicherheitsexperten.

Belinda: Wenn ich mich recht erinnere ist Jonas Sicherheitsexperte, einer der besten.

Jonas: Mag sein, aber eigentlich bin ich Detektiv. Der letzte Detektiv. Ein Philip Marlowe Ableger im falschen Jahrhundert, nicht daß ich nichts zu tun hätte, manchmal mehr als mir lieb ist, ein interessanter Beruf, ab und zu gefährlich, ziemlich einsam, einträglich weniger. Einen echten Holzschreibtisch kann ich mir nicht leisten.

Belinda: Nur kein Neid Jonas, Du hättest dich mit mir zusammen tun können damals nach dem Krieg, aber du wolltest ja unbedingt frei sein, Einzelgänger, aufrecht, geradlinig, lakonisch, ungebrochen und arm.

Jonas: Aber glücklich.

Belinda: Wirklich Jonas? OK. Safety First hat den Sicherheitsdienst für die WORF übernommen, das heißt für Harry Hauer.

Jonas: Der Teufel soll ihn holen und die Bürgermeisterin und die ganze verdammte Wahl gleich dazu.

Belinda: Was hast du gegen die Wahl, Jonas, mir bringt sie was ein, und dir auch, wenn du willst.

Jonas: Bei uns gibt's Leute, die gern auf Politiker schießen. Verrückte, Terroristen, zu kurz gekommene, Zeichensetzer. Und darum müssen Politiker geschützt werden. Bei den regierenden, die’s schon geschafft haben, macht das die Polizei. Nur bei den Regierenden. Die es erst noch schaffen wollen, müssen ihren Schutz selbst organisieren, und bezahlen natürlich. Harry Hauer konnte das mit links, er war ein finanzielles Wunderkind, eins das mit Firmen und Konten spielte wie unsereiner mit der Holo-Fernbedienung. Aber dann wurde ihm das zu langweilig. Angeblich klappte es auch nicht mehr so recht mit dem Milliardenspiel. Jedenfalls ging er in die Politik. Zur Opposition. Zur Partei für Wohlstand, Ordnung, Recht und Freiheit. Kurz WORF.

Belinda: Heute abend läuft Hauers letzte Wahlveranstaltung im zentralen Parteilokal der WORF, das übliche, großer Auftritt, kleine Rede ans besiegte Volk.

Jonas: Und da soll ich aufpassen.

Belinda: Ah, als verantwortlicher Sicherheitschef, 200 Euros.

Jonas: Einverstanden, aber nicht wegen der Euros, deinetwegen Darling. Aus alter Freundschaft.

Belinda: Ich bin gerührt.

Jonas: 250 netto.

Belinda: Aus alter Freundschaft. In 2 Stunden geht's los, am besten fährst du gleich rüber zum Worflokal, die Technik ist schon aufgebaut.

Jonas: Sicherheitsschleuse?

Belinda: Mit Techniker, guter Mann.

Jonas: Sonst noch jemand von dir da, Darling?

Belinda: Hauers Bodyguard.

Jonas: Auch ein guter Mann.

Belinda: Weiß ich nicht, mir ist er zu grün. Den Job hat er nur gekriegt, weil er in der richtigen Partei ist. Ich bin froh, daß du mitmachst, Jonas, also bis später.

Jonas: Das Parteilokal der WORF war eine Betonwarze auf dem unendlichen Flach-dach von Harry Hauer Industries, ein niedriger grauer Kasten, etwa 50 mal 50 Meter, vorne eine Lobby, Endstation für den Fahrstuhl, hier war die Sicherheitsschleuse aufgebaut, dann ein kleiner Saal mit Podium, an den Wänden Harry Hauer in Holo, und zwei Türen, Damen und Herren, dahinter ein Durchgang, daran zwei Zimmer, das war's, sicherheitstechnisch ideal, keine Fenster, problemlose Klimaanlage. Nur ein Zugang.

Heller: Zwei, Herr Jonas.

Jonas: Zwei, wo ist der zweite?

Heller: Im rechten Hinterzimmer, ich zeig's Ihnen gleich. Harry Hauers Privatlift. Unser Kandidat kann doch nicht den selben Eingang benutzen wie das normale Volk.

Jonas: Natürlich nicht, er könnte sich was holen, die Pest, AIDS oder zumindest die Krätze. Wer hat einen Schlüssel?

Heller: Zum Privatlift? Nur Harry Hauer.

Jonas: Eigentlich hätte sie sagen müssen: ihr Ton gefällt mir nicht, aber das tat sie nicht, sie war nervös, Streß, vielleicht mehr. Sie war Hauers Wahlkampfmanagerin, Karen Heller, tüchtig, farblos und nervös.

Heller: Wenn Sie jetzt alles gesehen haben, Herr Jonas.

Jonas: Augenblick noch, was haben Sie geplant, wie läuft die Geschichte ab.

Heller: Die Kundgebung, meinen Sie, Herr Jonas, kurz und klassisch.

Jonas: Das heißt?

Heller: Tusch, Erheben von den Plätzen, Auftritt Hauer, Beifall.

Jonas: Nicht enden wollend.

Heller: Eine Minute.

Heller: Dann Begrüßung durch den Vorstand des Parteibezirks. Ansprache des Kandidaten, 5 Minuten Pause.

Jonas: Pinkeln und Prominieren.

Heller: Der Kandidat will sich hinten kurz ausruhen, bevor er Autogramme gibt und Fragen beantwortet. Babylonische Hymne, Begeisterung, rhythmisches Klatschen, Abgang. Ein simples Szenario.

Jonas: Ein simples Publikum.

Heller: Mein Gott, Herr Jonas, das Publikum ist doch nur Staffage, Liveatmosphäre für die Holoübertragung.

Jonas: Die Staffage strömte, mindestens 50 Mann und Frau natürlich, durch die Sicherheitsschleuse. Alle sauber, kein Wunder, alle waren von der Partei ausgewählt und hatten spezielle Paßscheiben. Sie suchten sich Plätze, rutschten hin und her, redeten leise, gingen aufs Klo, was man so macht bevor's losgeht. Die Holomenschen kamen mit ihren Apparaten, Harry der Große schwebte ein und ging hinten noch mal seine Rede durch. Karen Heller, zusehends nervöser, pendelte zwischen Hinterzimmer und Saal. Im Flur griff ich mir Hauers Bodyguard, der war groß und breit, und mochte mich nicht, trotzdem verriet er mir seinen Namen.

Moos: Moos. Benno Moos. Sie sind dieser Jonas.

Jonas: Ich bin Jonas, nur Jonas, Ihr Chef.

Moos: Aber nur heute abend, hat Frau Belinda gesagt.

Jonas: Das reicht mir auch. Arme hoch, an die Wand, Beine auseinander.

Moos: Was soll das?

Jonas: Sie sind mit Hauer im Privatlift gekommen, nicht durch die Sicherheits-schleuse. Darum. In Ordnung, stehen Sie bequem Moos, Sie haben nur Ihren Dienstlaserstrahler, den können Sie behalten.

Moos: Klar behalt ich meinen Laser, ich hab einen Waffenschein, ich bin Bodyguard.

Jonas: Da kommt Ihr Body, Moos, gehen Sie guarden.

Jonas: Ganz wohl war mir nicht. Moos sah aus wie einer, der wild herumballert, wenn was passiert. Aber sollte passieren, alles lief nach Plan, Applaus, Harry Hauer trat auf, winkte zu, winkte ab, nahm auf dem Podium Platz, rechts neben ihm Karen Heller und Jonas, links Moos und der Bezirksbonze der WORF, ein blasses Wesen, das sich ein paar blasse Sätze abquälte. Dann erhob sich der Kandidat.

Hauer: Babylonierinnen, Babylonier, Zeit für einen neuen Anfang, Zeit für Harry Hauer, nach zehn Jahren Korruption, Filz, Schlamperei werden wir ihn schaffen...

Heller: Erst nachher

Jonas: Nein Moos!

Jonas: In der zweiten Reihe war eine Frau aufgestanden, eine Frau im weißen Kleid mit starren Augen und mit einer Waffe in der ausgestreckten Hand, ein Knall, ich warf mich auf Hauer, riß ihn zu Boden, ein Reflex, spektakulär und nutzlos. Ein zweiter Knall ganz nah, Hauer zuckte, bäumte sich auf, lag still. Ich sah hoch, Moos hatte seinen Laser gezogen, zielte auf die Frau in Weiß, drückte ab. Ich stand auf und schob mich durchs geschockte Publikum.

Jonas: Die Frau ist tot. Kopfschuß.

Moos: Klar, ein guter Bodyguard ist auch ein guter Schütze.

Jonas: Ein guter Bodyguard sollte ein bißchen Grips in seiner Bowlingkugel haben.

Moos: Wieso?

Jonas: Weil eine tote Attentäterin uns nicht weiter bringt, im Gegenteil.

Moos: Ist doch sowieso zu spät. Komische Waffe.

Jonas: Minirakwerfer mit optischem Zielfinder, hier.

Moos: Kleines Holobild, Harry Hauer.

Jonas: Die Zielvorgabe. Nach Abschuß steuert die Minirakete die abgebildete Person an und explodiert.

Moos: In Hauer Schädel.

Heller: Harry Hauer ist tot.

Jonas: Sie merken auch alles, Frau Heller, rufen Sie die Kripo.

Jonas: Merkwürdig, warum eine optische Minirak. Unsicher, veraltet.

Moos: Schwer zu kriegen ist so ein Ding auch, nicht gerade die ideale Waffe für ein Attentat.

Jonas: Sie sagen es Moos. Aber das wichtigste haben Sie nicht gesagt.

Moos: Sagen Sie's Jonas.

Jonas: Wie ist die Waffe hier reingekommen.

Moos: Gute Frage.

Jonas: Es war Mitternacht, als die Kripo uns gehen ließ, nach drei harten Stunden, was danach kam war härter, antreten bei Darling Belinda.

Belinda: Sicherheitsspezialisten von Safety First hilflose Zuschauer bei Mord an Bürgermeisterkandidaten. Das ist genau die Werbung, auf die ich liebend gern verzichte. Wie konnte das passieren?

Moos: Fragen Sie doch Jonas, der war der Chef.

Jonas: Ich habe keine Erklärung, Darling, noch nicht, vorzuwerfen hab ich mir nichts.

Belinda: Du hattest die Verantwortung.

Jonas: Und darum werd ich der Sache nachgehen.

Belinda: Von mir aus, Jonas, aber auf deine Rechnung. Safety First wird eine eigene Untersuchung anstellen, und dafür hab ich genau den richtigen Mann, einen der was gutzumachen hat. Nicht wahr, Moos?

Moos: Ich hab nächste Woche Urlaub, Chefin, Bangkok, Flug ist schon gebucht.

Belinda: Bis dahin haben Sie den Fall abgewickelt oder Sie lassen den Flug sausen, Sie haben die Wahl, Moos.

Jonas: Jonas hatte keine Wahl, ich mußte am Mordfall Hauer arbeiten, auch wenn mich keiner dafür bezahlte. Meine Berufsehre war angeschlagen, reparaturbedürftig. Dringend. Nicht wegen irgendwelcher Negativwerbung, wegen meiner Selbstachtung und weil mir eine leise innere Stimme sagte, an der Sache sei was faul. Eine laute äußere Stimme war der selben Meinung.

Sam: Faul, Herr Oberentsorgungsrat, oberfaul, stinkfaul, es düftelt streng zum hohen Himmel, welchen beiläufig sei's bemerkt von wegen Smog kein babypsilonisches Auge je erschaut. Aber geben soll's ihn. Fragens bitte Frau Brigitte.

Jonas: Ich denk nicht dran. Die Waffe Sammy.

Sam: Indeed Sir, eben die selbige.

Jonas: Der Minirakwerfer kann nicht im Saal gewesen sein. Eigentlich.

Sam: War aber. Ätsch. Erkläret mir Graf Örendur diesen Zwiespalt der Natur.

Jonas: Wie ist das Ding reingekommen, Sammy.

Sam: Naja mehrere Möglichkeiten euer Fragwürden, erstens Ding war schon vorher drin. Verstochen.

Jonas: Ausgeschlossen. Vor der Kundgebung hab ich alles durchsucht, Gründlich. Mit dieser Karen Heller.

Sam: Aha. Frage: Ist mein Jonas eine Intelligenzbestie. Man erspare mir die Antwort. Nächste Frage. Ist er ein brauchbarer Durchsucher, ja ja und abermals ja. Insofern akzeptiert. Also Möglichkeit zwei. Ein Teilnehmer hat Minirak mitgebracht.

Jonas: Geht auch nicht, Sammy, alle mußten durch die Sicherheitsschleuse.

Sam: Und auf die Elektronik ist Verlaß. Ohne wenn und aber, dakor aus vollem Herzen und voller Hose.

Jonas: Hast du beides nicht, Sammy, weiter.

Sam: Naja, gestatten Sie eine Zwischenfrage Herr Kollege.

Sam: Nur zu.

Jonas: Wollen Sie tatsächlich allen ernstes behaupten, sämtliche Anwesenden hätten die Schleuse passiert.

Jonas: Moos meinst du? Den hab ich eigenhändig abgecheckt.

Sam: Sammy meint nicht nur Moos.

Jonas: Na wen denn noch.

Sam: Na wen schon, mein geistesschwaches Gummibärchen.

Jonas: Also

Sam: Wer hat denn außer Bodyguard Moos den Ort des Geschehens durch die Hintertür betreten, häh?

Jonas: Du denkst doch wohl nicht an

Sam: O doch, genau an den. Harry den Hauer.

Jonas: Du spinnst, Sam, Harry Hauer ist das Opfer.

Sam: Hat man alles unmögliche eliminiert so muß das was übrigbleibt, und sei es auch noch so unwahrscheinlich...

Jonas: Die Wahrheit sein. Sherlock Holmes ich weiß aber Jonas ist nicht Dr. Watson.

Sam: Watson.

Jonas: Jonas ist Jonas. Und Jonas bestimmt wo's langgeht. Morgen früh sind wir bei der Kripo.

Sam: Hören ist gehorchen, o Beherrscher der Ungläubigen, doch merke, die Gedanken sind frei.

Jonas: Den Fall Hauer hatte ein alter Bekannter. Freund konnte man ihn beim besten Willen nicht nennen, Chefinspektor Brock. Ich erkannte ihn kaum wieder, als ich in seinem Büro aufkreuzte. Weil er mich nicht mit der üblichen Bullenbeißermiene anglupschte. Er grinste, breit und unschön, von einem Blumenkohlohr zum anderen.

Brock: Sehen Sie mal, wer uns die Ehre gibt, Pauly, der große Sicherheitsexperte höchstpersönlich.

Sam: Und Sammylein.

Brock: Was führt Sie in unsere bescheidenen Niederungen, Jonas. Wollen Sie uns was beibringen, wie man sich seinen Schützling vor der Nase abknipsen läßt zum Beispiel?

Jonas: Ist ja gut, Bröckchen, ich weiß, auf so eine Gelegenheit haben Sie Jahre gewartet.

Brock: Ich hab's Ihnen schon x-mal gesagt, Jonas, ich bin nicht Ihr Bröckchen.

Sam: Wär Kotzbrock Ihnen angenehmer allerwertester Chefinspektor?

Brock: Und Ihrer vorlauten Quackbox sollten Sie endlich ein Anstandsprogramm verpassen oder schmeißen Sie sie doch gleich auf den Schrott. Was wollen Sie?

Sam: Oh Lustmörder, Tierschänder, Tierquäler, Blaubart, Schreibtischtüte.

Jonas: Sei still, Sam. Informationen.

Brock: Über den Fall Hauer? Wozu? Die Sache ist klar. So gut wie abgeschlossen.

Jonas: Ach wirklich.

Brock: Attentäterin Susanne Kemp, 37 Jahre, seit 2010 im Zentralkrankenhaus, Psychiatrie, geschlossene Abteilung, paranoid schizophren, sagt Chefarzt Dr. Quaris, hat Stimmen gehört und so.

Sam: Also bekloppt.

Brock: Eingestuft als schwierig, aber nicht gefährlich.

Jonas: Ein Irrtum der Wissenschaft.

Brock: Soll vorkommen. Gestern früh ist sie ausgerückt.

Jonas: Wie?

Brock: Keine Ahnung.

Jonas: Woher hatte sie die Waffe?

Brock: Was weiß ich, gefunden, gestohlen...

Jonas: Sie reißen sich nicht gerade ein Bein aus, Brock.

Sam: Nicht mal ein kleinen Zeh.

Brock: Sagen Sie mal Jonas wo leben sie?

Sam: In Oberbayern.

Brock: Tja, wenn’s nicht der Kandidat der Opposition wäre, sondern sagen wir Bürgermeisterin Paretzky.

Sam: Mit Hund Radetzky.

Jonas: Die Kripo dein Freund und Helfer, ohne Ansehen der Person. Nächste Station Zentralkrankenhaus: Geschlossene Abteilung, ich war schon mal dagewesen, vor dreieinhalb Jahren, Fall Testmarkt, keine gute Erinnerung. Damals hatte ich eine Paßscheibe abgestaubt, und die kam mir zu paß. Chefarzt Dr. Quaris fand ich im Innenhof, nicht weit vom großen Alzheimerkäfig, er hatte es eilig.

Quaris: Was soll ich Ihnen über Kemp sagen, ich kann Ihnen nicht viel sagen, und was ich sagen kann, habe ich schon der Kripo gesagt.

Jonas: Aber Sie haben sie doch persönlich verarztet Dr. Quaris.

Quaris: Wer sagt das.

Jonas: Der Krankenhauscomputer.

Quaris: Was heißt schon persönlich. Ich bin Chefarzt, ich habe viele Fälle. Dutzende.

Jonas: Warum Kemp.

Quris: Kann ich jetzt nicht mehr sagen, eigentlich ein ganz gewöhnlicher Fall, paranoide Schizophrenie, akustische Halluzinationen.

Jonas: Stimmen. Was haben sie gesagt.

Quaris: Darf ich nicht sagen, Schweigepflicht. Datenschutz. Wiedersehen.

Jonas: In einem der endlosen giftgrünen Korridore hielt mich eine Schwester an, eine kleine dicke mit schiefer Nase. Ich hatte sie schon vorher im Innenhof gesehen.

Schwester: Sie?

Jonas: Ja?

Schwester: Sie haben was verloren.

Jonas: Das Stück Papier. Gehört mir nicht.

Sam: Natürlich hast du's verloren, nimm schön und sag der lieben Schwester brav Dankeschön. Und mit solchen Amöben im Geiste muß ein gewitzter Computer sich abgeben.

Jonas: Auf dem Zettel stand: Susanne Kemp, 50 Euros?

Sam: Der schiere Wucher. 10.

Schwester: 20. Aber deshalb tu ich’s nicht. Wegen der Wahrheit. Weil der Allmächtige Ihnen die Hucke vollgelogen hat.

Jonas: Dr. Quaris.

Schwester: Klar Quaris, seine Majestät, Mr. Universum, der Größte, dauernd hackt er auf mir rum. Letzte Woche hat er mich runtergestuft um zwei Gehaltsgruppen.

Jonas: Eine Schande. Warum.

Schwester: Wegen gar nichts. Ich habe ein paar alte Stänker auf meiner Station gründlich ruhiggestellt. Valumbran Überdosis. Na und, gibt sowieso zu viele Patienten.

Jonas: Das nennt man Radikalkur.

Sam: Susanne Kemp.

Jonas: Susanne Kemp, Sie wollten wir was erzählen.

Schwester: Ich zeig Ihnen was, kommen Sie mit.

Jonas: Eine kurze Tour durch die Eingeweide der geschlossenen Abteilung, Gänge, Ecken, Treppen, dann standen wir in einem kleinen Zimmer, ein Bett, ein Schrank, Täfelung mit Platten aus besten Holzimitat, ganz gemütlich, abgesehen von den Gittern vor dem Fenster.

Schwester: Hier war sie untergebracht die Kemp, seit einem Vierteljahr, verlegt aus dem großen Saal auf Anweisung von Quaris. Als ob sie was besonders wäre, keine scheißnormale Kassenkrücke. Passen Sie auf, ich nehme jetzt die Wandtafel am Kopfende weg. Na, was sehen Sie?

Jonas: Nichts.

Schwester: Ja jetzt, da war aber was, ein ferngesteuertes Tonbandgerät mit Lautsprecher.

Jonas: Ferngesteuert.

Schwester: Quaris. Vom Chefzimmer aus. Gestern morgen ist die Kemp weggebracht worden, große E-Limousine mit Chauffeur, und danach hat Quaris die Anlage abgebaut, Gottvater selbst mit seinen eigenen manikürten Händen.

Jonas: Sagen Sie. Ich seh bloß ein Loch in der Wand.

Schwester: Was ist das?

Jonas: Eine Kassette.

Schwester: Ein Beweis ist das. Wieviel.

Jonas: Wir einigten uns auf 100 Euros. Zu Hause in meinem Büroapartment mußte ich mir erstmal die Hände waschen. Durch Herzenswärme und Selbstverleugnung wird es geprägt, unser medizinisches Personal, sagt der Sozialstadtrat, und der muß es wissen, die Kassette war ein Beweis mir war allerdings noch nicht ganz klar wofür.

Quaris: Harry Hauer. Harry Hauer hat sich angeeignet, was dir zusteht, Geld, Erfolg, Ansehen.

Sam: Mann ist der erkältet.

Quaris: Harry Hauer ist schuld, schuld an deinem Unglück, und an allem Unrecht, was in Babylon geschieht. Harry Hauer muß beseitigt werden.

Jonas. Ist ja unglaublich.

Quaris: Du bist zu dieser großen Aufgabe ausersehen, dir ist sie anvertraut.

Sam: Na denn mal los.

Quaris: Wenn die Zeit gekommen ist, wirst du diesen Ort verlassen, was du dann tun sollst, wirst du noch erfahren. Du wirst erfahren, wo du das Werkzeug findest, wie und wann du...

Jonas: Quaris. Die Stimmen, die Susanne Kemp gehört hat, waren keine Halluzinationen, Chefarzt Dr. Quaris hat eine passende Patientin ausgesucht, er hat sie bearbeitet, auf Harry Hauer angesetzt. Warum, warum, Sammy?

Sam: Weshalb wofür wozu und inwieferne.

Jonas: Vielleicht steckt Bürgermeister Paretzy dahinter.

Sam: Quatsch. Quatsch mit Soße und Kartoffeln. Paretsky liegt sowieso vorn, wieso sollte sie ihren Gegenkandidaten umbringen lassen. Die Frau ist doch noch blöd. Die Antwort, edler Freund, findet sich an ganz anderem Ort, genau gegenüber, könnte man sagen.

Jonas: Was heißt das. Hast du in den Datenbänken was entdeckt.

Sam: Lange lange hat er suchen müssen der arme Sam, über Stock und Stein ist er getrabt, über Berg und Tal, durch Regen und Wind, Blasen an den Füßen hat er bekommen, Schwielen an den Händen, Narben im Gemüt und müde ist er geworden, so entsetzlich müde.

Jonas: Willst du dich ausruhen, ich schalt dich sofort ab, du brauchst es nur zu sagen. Laß den Blödsinn, du bist eine Maschine.

Sam: Wenn man mich sticht blute ich nicht, wenn man mich hetzt erlahme ich nicht?

Jonas: Nein.

Sam: Naja denn nicht. Auch gut. Resultat der elektronischen Pilgerfahrt kurz und präzis folgendes. Der verehelichte Dr. Quaris ist eingeschriebenes Mitglied der Partei für Wohlstand, Ordnung, Recht und Freiheit, ein prominentes in höchsten Parteigremien wohlangesehenes Mitglied.

Jonas: Willst du damit sagen daß die Worf ihren eigenen Kandidaten umgebracht hat

Sam: Gemacht gemacht, immer langsam mit den jungen Pferde, erinnert euch Hoheit, der vertraulichen Insinuationen jenes von Berufs wegen alkoholisch marinierten Hilfsmenschen namens Jacob, die eigene Partei, so gab er zu verstehen, hat auf Harry Hauer gewettet, hoch, sehr hoch, zu hoch, mein Gott ist das hoch.

Jonas: Und deshalb läßt sie ihn abschießen, das ist doch paradox.

Sam: Na und Sherlock Holmes?

Jonas: Du meinst daß eigentlich nur Hauer selbst die Waffe ins Parteilokal gebracht haben kann.

Sam: Was heißt eigentlich, du Humpelhirn, es gibt keine andere Möglichkeit, und wenn ich eure geistigen Hartleibigkeit noch eine dritte Reminiszenz abverlangen dürfte. Was sprach Wahlkampfmanagerin Heller im ersten Schreck unmittelbar nach dem Attentüt?

Jonas: Moment Sam, wie war das. Zu früh, sie sollte erst später. Sie weiß was. Wo wohnt sie?

Sam: Eine Visite bei Madame Karen Heller zwecks mehr oder weniger peinlicher Befragung, sehr gut, lasset uns eulen.

Jonas: Ans Fon ging sie nicht, auch nicht zur Tür, als ich klingelte, und als Jonas fachmännisch das Schloß knackte, kam keine Reaktion. Messerscharfe Folgerung, Heller war ausgeflogen. War sie aber nicht.

Sam: Eine recht ansprechende Behausung, Sir.

Jonas: Viel Platz, mehr als bei uns zu Hause, was Sammy.

Sam: Ja das ist ja auch kein Wunder.

Jonas: Und hier ein richtiges Badezimmer, nicht bloß ne Naßzelle, mit ner echten großen Badewanne. Luxus.

Sam: Superluxus, denn siehe, die Wanne ist bereits gefüllt, und in ihr Tod und Teufel

Jonas: In der Badewanne lag Karen Heller, unter Wasser. Splitternackt und mausetot. Eine unerwartete Komplikation. Was steckte dahinter.

Sam: Meditieren kannst du später, Lahmbeutel, tüdelieger.

Jonas: Pfeife.

Sam: Ja selber, draußen, empfehle dringend strategische Absetzbewegung. Hier ist es nicht geheuer.

Kasbek: Ein wahres Wort.

Sam: Ohohoh. Zu spät, ich rette den Freund nimmer mehr.

Jonas: Drei Männer kamen aus dem großen Kleiderschrank, Laserstrahler in den Händen. Einen kannte ich, zum Glück nicht persönlich, bis jetzt, Kasbek von der Korporation, oberster Hitmann und Vollstrecker, Spezialist für endgültige Maßnahmen. Jonas nahm die Hände hoch, Jonas ließ sich fesseln, was hätte Jonas sonst auch tun sollen.

Kasbek: Und nun wäre wohl eine kleine Kopfwäsche angebracht. Als Kavalier haben Sie sicher nichts dagegen die Wanne mit einer Dame zu teilen. Los. So, wer sind Sie.

Jonas: Jonas, nur Jonas.

Kasbek: Der letzte Detektiv? Freut mich. Weiter. Sie sind härter im nehmen als die Lady. Wir hatten gar nicht richtig angefangen zu fragen, da ist sie uns schon weggeblieben. Mal sehen wie lange Sie's aushalten. Steckt ihn wieder rein.

Jonas: Sie machen einen großen Fehler, Kasbek.

Jonas: Solche Sprüche sage ich ab und zu ganz gern, aus Tradition, aus Spaß diesmal war's mir ernst. Todernst.

Jonas: Sie kriegen Ärger mit Ihren Chefs, wenn Sie mich ersäufen, mit Krapp, mit Lukrezia Carnevale und und mit Martta Toivonen, die sind Jonas noch was schuldig.

Sam: Ja, Fall Eurodschungel, Mai 2012.

Kasbek: Sie können mir viel erzählen, Jonas.

Jonas: Gehen Sie doch ans Fon, rufen Sie Frau Toivonen an.

Kasbek: OK, aber wenn Sie mich anscheißen, Jonas, dann nehmen wir uns mit Ihnen viel Zeit, dann sterben Sie lange und sehr unangenehm.

Sam: Ach du Scheiße.

Jonas: Als Kasbek vom Fon zurückkam, war er wie umgewandelt, fast menschlich. Jonas wurde losgebunden, ins Zimmer gebracht, aufs Sofa gesetzt.

Kasbek: Alles in Ordnung, Jonas.

Jonas: Sehen Sie doch mal nach, Kasbek, ob Sie nicht irgendwo einen Tropfen Whisky für mich auftreiben können. In letzter Zeit habe ich ein bißchen viel Wasser schlucken müssen.

Kasbek: Übertreiben Sie nicht, Jonas, von Whisky hat Frau Toivonen nichts gesagt, sie hat gesagt, ich soll Sie laufen lassen, und vorher soll ich Ihnen sagen, worum es geht.

Jonas: Das tat er denn auch. Mir wurde einiges klar, nicht alles, noch lange nicht, aber doch einiges. Hinter dem Attentat auf Hauer steckte die WORF. Wirklich und wahrhaftig. Sollte natürlich kein richtiges Attentat sein, nur ein Dreh, ein Trick. Jemand sollte auf ihren Kandidaten schießen, dann würden ihn mehr Leute wählen, genug, um den knappen Vorsprung von Bürgermeisterin Paretzky aufzuholen, Mitleidseffekt nennt man das. Die WORF war fest überzeugt, daß die Sache klappen würde, so fest, daß sie sich mit der Korporation zusammentat, und viel Geld von ihr borgte, um es auf Hauer zu setzen.

Kasbek: Das ist jetzt weg. Weil Hauer wirklich umgebracht wurde. Das war nicht vorgesehen. Wir haben der Partei eine Minirak mit optischer Zielfindung besorgt, und ein Zielholo von Hauers Nebenmann eingegeben, ein kleiner Bonze, Bezirkschef oder so, absolut entbehrlich hat man uns gesagt, den sollte es treffen. Harry Hauer sollte wie durch ein Wunder davon kommen und zum Bürgermeister gewählt werden.

Jonas: Aber das ist schiefgegangen.

Kasbek: Und wie. Diese Irre hat zu früh geschossen, nicht in der zweiten Hälfte, wie’s geplant war, damit Hauer erst seine Rede ungestört abliefern konnte, und sie hat Hauer getroffen, nicht den anderen.

Jonas: Weil jemand die Minirak mit Hauers Holo gefüttert hat.

Kasbek: Was das schlimmste ist: Kurz vor dem Attentat hat jemand gewaltige Summen darauf gesetzt, daß Hauer nicht gewählt wird, und jetzt müssen wir zahlen.

Jonas: Der selbe jemand?

Kasbek: Kann gut sein. Wer das war, wissen wir noch nicht. Aber wir haben einen Verdacht und da bohren wir nach. Die Korporation hat nämlich was gegen Verluste.

Jonas: Verständlich. Karin Heller?

Kasbek: Karin Heller. Sie war Hauers Wahlkampfmanagerin und von Anfang an in den Attentatsplan eingeweiht. Hauer hat die Waffe eingeschmuggelt.

Sam: Ja bitte, three cheers for Mr. Sherlock Holmes. Hipp Hipp

Jonas: Hurra.

Kasbek: Sherlock Holmes, wieso Sherlock Holmes.

Jonas: Verstehen Sie doch nicht, Kasbek, machen Sie nur weiter.

Kasbek: Ich soll Sie nicht anrühren, hat Frau Toivonen gesagt. Ihr Glück Jonas. Heller hat die Waffe übernommen und an die Irre weitergeben.

Jonas: Wie und wo.

Kasbek: Im Klo für Damen, dabei hätte die Heller die Minirak umprogrammieren können oder die Attentäterin.

Jonas: Warum hätte sie das tun sollen?

Kasbek: Na, Euros, was sonst. Wenn sie hinter den hohen Wetten auf Hauers Wahlverlust steckt, danach wollten wir sie fragen, aber jetzt...

Jonas: Jetzt stehen Sie da und machen ein noch blöderes Gesicht als sonst.

Kasbek: Konnt ich ahnen, daß die Dame so empfindlich ist. Frau Toivonen hat noch was gesagt, Jonas. Wenn Sie in der Sache was rauskriegen, und Sie sind gut im rauskriegen, hat Frau Toivonen gesagt, dann geben Sie uns Bescheid.

Jonas: Glauben Sie.

Kasbek: Ich bin ganz sicher. Badewannen gibt's auch woanders. Und wenn wir durch Sie wieder zu unserem Geld kommen, dann kriegen Sie einen anständigen Finderlohn, hat Frau Toivonen gesagt.

Jonas: Tja, wenn das so ist, dann fangen wir doch gleich mal an mit dem Rauskriegen. Sam.

Sam: Bei der Arbeit. Was befiehlt mein Mensch und Meister.

Jonas: Siehst du den Kollegen auf dem Schreibtisch, was hältst du von ihm?

Sam: Na es geht, ganz nett für einen nichtverbalen Computer. Na komm putputput. Das ist ein anders Stück. Sicherung ganz ordentlich.

Jonas: Kommst du rein oder nicht.

Sam: In Anbetracht aller Umstände, Weiterungen, Ingredienzien sowie Parafernalien dürfte sich dieses weitestgehend ohne allzu gravierende Probleme bewerkstelligen lassen. Im großen und Ganzen.

Jonas: Dann los, rein.

Sam: Jetzt gleich.

Jonas: Sofort.

Sam: Mein Gott sind wir mal wieder hektisch, eiagor eiagor umgekehrt okay okay.

Jonas: Von seinem Ausflug in Karen Hellers Computer brachte Sam drei interessante Ergebnisse mit: Was Kasbek mir erzählt hatte, stimmte, soweit es die WORF betraf und das falsche Attentat. Was Karen Heller betraf, stimmte es nicht. Sie hatte loyal für die Partei und für Hauer gearbeitet. Sie war unschuldig. Pech, sagte Kasbek.

Kasbek: Pech für uns. Wer hat unser Geld und wie kriegen wir es wieder.

Jonas: Sie sind ein wahrer Gemütsmensch, Kasbek. Sonst noch was, Sammy.

Sam: Ja. Folgendes nicht gänzlich insignifikante Detail fand sich in den Protokollen der WORF-Präsidiumssitzungen: Die Idee durch ein Pseudoattentat den Mitleidseffekt zu aktivieren, stammt von Herrn Harry Hauer höchst selbst. Er hat die Sache ausgedacht, angeregt durchgesetzt und in allen Einzelheiten ausgearbeitet.

Jonas: Hauer selber. Aber das heißt.

Sam: Das heißt, er war zu clever, und das ist gar nicht gut. Ein weiser Rat fürs Poesiealbum, hör gut zu du meine mentale Mogelpackung, und beherzige ihn wohl, sei niemals zu clever nicht, fällt dir was ein dann halte dicht. So, ja so. And now we go home zu Heia, mama oma, basta.

Jonas: Ein Licht war mir aufgegangen ganz plötzlich. Jetzt wußte ich alles, dachte ich. Aber das stimme nicht. Das wichtigste fehlte immer noch, aber das wurde mir erst später klar. Beweise fehlten auch, darum schickte ich Sam wieder auf Tour, als wir zu Hause waren, durch die elektronische Unterwelt von Babylon, da wo gewettet wird, wo illegale Gelder verbucht und abgehoben werden. Niemand laviert so elegant durch diesen Dschungel wie Sam oder so erfolgreich.

Sam: Ha, endlich daheim, Home sweet home. Naja, singe, wem Gesang gegeben, Sammy war ganz schön daneben. Na gut. Man reiche Sam heimischen Mutterboden auf daß er ihn küsse wie weiland Karloja äh Ponitex zu Rom, desweiteren reiche man ihm Cocktail, Pfeife und Pantoffeln, naja und ein Teddybär zum knuddeln wäre auch nicht schlecht.

Jonas: Ich werd dich knuddeln daß dir hören und sehen vergeht.

Sam: So nicht.

Jonas: Und vor allem das dämlich quatschen. Was ist, wer hat die hohen Wetten gegen Hauer abgeschlossen?

Sam: Er derselbige.

Jonas: Harry Hauer.

Sam: Harry Hauer. Versteckt hat er sich der Listenreiche, hinter Zweigfirmen, Scheinfirmen, Tarnfirmen, Tocherfirmen, Schweigertochterfirmen, Schweigermutterfirmen.

Jonas: Das reicht Sammy.

Sam: Nein noch lange nicht, hinter Strohmännern, Strohfrauen, Strohwitwen, Strohweisen, Strohpuppen, Strohköpfen, Strohrum. Prost.

Jonas: Und so weiter. Schluß.

Sam: Zu Befehl Schlunz äh Schluß. Wünscht eure großmächtige Jonasität eine Liste.

Jonas: Später Sammy, halt sie in Bereitschaft und druck sie aus, wenn wir sie brauchen. Weiter. Wie sieht’s aus mit Hauer Industries und den anderen Hauerkonzernen?

Sam: Danke der Nachfrage, Herr Pastor. Mies.

Jonas: Dann ist also was dran an den Gerüchten?

Sam: Was heißt was dran. Noch viel viel schlimmer ist die Wirklichkeit als die Fama uns vermeldet, gar greulich und grauselig. Alle Konten sind ausgefüllt, ratzekahl leer, das ganze große Hauerimperium wackelt wie ein Schwammerlenz, Schlemmerwanz, Lämmerschwanz.

Jonas: Es paßt, Sammy, es paßt alles zusammen. Hauers Finanzen sind am Zusammenbrechen, Hauer hat Unsummen gegen den eigenen Wahlsieg gesetzt, Hauer hat sich den Wahltrick mit dem Attentat ausgedacht, und weil Karen Heller es nicht wahr, kann nur Hauer die Waffe umprogrammiert haben, vom vorgesehenen Opfer auf sich selbst.

Brock: Kripo. Chefinspektor Brock.

Jonas: Eine Frage Brock.

Brock: Glaub ich nicht, Jonas, Sie sind Supersicherheitsspezialist Nr. 1, Sie können alles und wissen alles, Sie haben kein Fragen.

Jonas: Machen Sie nur ihre lahmen Witzchen Brock nichts dagegen aber bitte später. Hatte der tote Harry Hauer ein Holobild in der Tasche, rund, ca. 3 cm Durchmesser.

Brock: Mit dem Bezirksvorsitzenden der WORF: Ja. Warum wollen Sie das wissen.

Jonas: Danke Brock. Harry Hauer.

Sam: Ja, kein Zweifel, my dear Watson. Hauer hat das Attentat umfunktioniert. Er ist Opfer und Täter zugleich.

Jonas: Warum Sammy? Selbstmord hab ich zuerst gedacht, auf besonders spektakuläre Weise, aber das ist unmöglich. Ein Mensch, der alle seine Konten plündert, der hohe Wetten abschließt mit todsicherer Gewinnchance, der will nicht sterben, der will leben und seinen zusammengerafften Reichtum genießen, vielleicht nicht in Babylon, da wo’s warm ist, wo man reichen Leuten keine Fragen stellt, in der dritten Welt.

Sam: Hmh. In Bangkok zum Beispiel.

Jonas: Bangkok. Harry Hauer hat das Attentat überlebt, Sam.

Sam: Und Sammy weiß auch wie.

Jonas: Jonas wußte auch. Ihm war zum zweiten Mal ein helles Licht aufgegangen. Double hieß das Stichwort. Kopie. Simulakrum, Replik, Klon. Genzwilling. So einen genetischen Doppelgänger kann man sich in Japan bauen lassen. Nur in Japan, weil die Japaner am meisten davon verstehen, und weil es in allen anderen Ländern strengstens verboten ist, teuer ist es übrigens auch.

Sam: Das ist er, liebe Gemeinde, hochgeschätzte Trauerversammlung, der casus knacksus, der archimedische Punkt, von welchem sich der gesamte Fall aus den Angel heben bzw. aufräufeln läßt.

Jonas: Hauer hat sich in Japan einen genetischen Doppelgänger schneidern lassen, er hat ihn nach Babylon geschmuggelt, er hat ihn äußerlich ein bißchen verändert, er hat ihm einen Namen gegeben, und eine Geschichte, und er hat ihm Arbeit besorgt.

Sam: Eine Arbeit, wohlgemerkt, die den Zwilling in Hauers unmittelbarer Umgebung festigt.

Jonas: Aus gutem Grund, Sammy.

Belinda: Safety First, Juno Belinda am Apparat.

Jonas: Jonas.

Belinda: Ah.

Jonas: Seit wann arbeitet Benno Moos bei dir?

Belinda: Ähm. Ein Viertel Jahr ungefähr.

Jonas: Wie hast du ihn eingestellt, Darling. Hat er sich bei dir beworben oder.

Belinda: Hauer hat ihn empfohlen, weil er in seiner Partei ist. Er hat ihn sich selbst als Bodyguard ausgesucht, gegen meinen Rat.

Jonas: So hab ich's mir vorgestellt. Tu mir einen Gefallen, Darling, nein zwei.

Belinda: Soviel du willst Jonas, du brauchst es nur zu sagen.

Jonas: Fax mir das Bild von Moos rüber, aus seiner Akte, und dann brauch ich seinen genetischen Fingerabdruck, einen neuen von heute. Hat du da was.

Belinda: Ja wart mal, ja, ja einen Filzschreiber, den hat er benutzt, als er vorhin bei mir war.

Jonas: Gut, den schickst du ans Zentrallabor, analysieren und mit Harry Hauers genetischem Fingerabdruck vergleich. Ergebnis an Jonas. So schnell wie möglich Dringlichkeitsstufe 1a.

Jonas: Ein Holoporträt von Hauer aufzutreiben war kein Problem. Sam glich die Größen an und legte sie auf dem Monitor übereinander. Benno Moos und Harry Hauer.

Sam: Und siehe, sie sind völlig gleich. Identisch.

Jonas: In den Dingen, auf dies ankommt. Gesichtsschnitt, Knochenbau, Hauttextur, der Rest

Sam: Ist Maske, Herr Spielleiter. Moos hat wenig Haare.

Jonas: Hauer um so mehr.

Sam: Perücke.

Jonas: Hauer ist rasiert, Moos trägt Schnauzbart.

Sam: Falsch.

Jonas: Englischer Maßanzug für Hauer, Overall von der Stange für Moos.

Sam: Verkleidung. Harry Hauer, daran dürfte nunmehr auch nicht der klitzekleinste Zweifel bestehen, hochehrwürdiges Kardinalskollegium, Harry Hauer ist Benno Moos bzw. Benno Moos ist Harry Hauer oder auch Harry Moos ist Benno Hauer und schließlich Benno Hauer

Jonas: Ist Harry Moos, von mir aus Sammy. Einen ganz gerissenen Coup hat er sich da ausgedacht der Kerl. Er tauscht den Platz mit seinem Klon, der wird als Harry Hauer umgebracht, und Harry Hauer lebt weiter, als Benno Moos, abgetaucht in Bangkok und anderswo, mit sehr viel Geld. Der Zusammenbruch des Hauerimperium tangiert ihn nicht, er ist Moos, Hauer ist tot.

Sam: Ja, eine schlüssige Rekonstruktion, Herr Phantombaurat. So hat es Hauer geplant, so sollte es ablaufen, aber ob es wirklich so abgelaufen ist.

Jonas: Wieso nicht, Sam. Was stört dich.

Sam: Der prostituierte Platzhirsch, Korrektur der postulierte Platztausch, du Spekulatius, wann hätte er stattfinden sollen und wie.

Jonas: Ja, herein.

Moos: Eilige Sendung für Herrn Jonas vom Zentrallabor.

Jonas: Aber die sollten das doch über Sam schicken, Dringlichkeit 1a.

Moos: Hände hoch. Zurück, an die Wand!

Jonas: Benno Moos mit Laserstrahler, und bösen Absichten, er hatte Belindas Fon abgehört, sagte er, und wollte reinen Tisch machen. Jonas wußte ihm zuviel.

Jonas: Daß sie Harry Hauer sind zum Beispiel.

Moos: Ich Harry Hauer? Sie sind auf dem falschen Dampfer, Jonas.

Sam: Heidewitzka, Herr Kapitän, o und recht hat er auch noch.

Jonas: Was?

Sam: Soeben erreicht uns eine Botschaft vom Zentrallabor, Dringlichkeitsstufe 1a. Piep. Überstellter genetischer Fingerabdruck ist identisch mit dem von Herrn Harry Hauer, bis auf eine Kleinigkeit, er ist markiert.

Jonas: Markiert?

Sam: Ja. Made in Japan. Wie bei allen in diesem Lande produzierten Waren gesetzlich vorgeschrieben. Unser Besucher ist nicht Harry Hauer, und er ist genaugenommen auch nicht Benno Moos, weil Benno Moos nicht existiert, er ist ein Klon, wenn sie wissen was ich meine, euer Tiefwürden, ein technisches Produkt.

Moos: Wie du, Bruder Computer.

Sam: Keine Vertraulichkeiten bitte.

Jonas: Jetzt versteh ich überhaupt nichts mehr.

Moos: So schwer ist das doch gar nicht, Jonas, Hauer hat mich in Auftrag gegeben, um mich als Opfer zu benutzen, aber dabei hat er was übersehen, daß sein Klon auch seine Eigenschaften hat nämlich, ich bin wie mein Original, klug, clever, gerissen.

Sam: Hm ja und hinterfotzig und gemein.

Moos: Gott, das ist eine Frage der Perspektive, jedenfalls hab ich ihn durchschaut, und bin hinter seinen Plan gekommen, und ich hab ihn ein bißchen geändert, eine Kleinigkeit, ich hab dafür gesorgt, daß das Attentat gleich am Anfang über die Bühne ging, nicht wie geplant in der zweiten Hälfte der Kundgebung.

Jonas: Wie haben Sie das gemacht?

Moos: Ich hab der Kemp gesagt, daß sich was verschiebt, als Hauer sie aus dem Krankenhaus abholen und in seiner Firma kurz auf Eislegen ließ mit schönen Grüßen von oben, in der Pause wollte Hauer mit mir die Rollen wechseln, ein Rendezvous hat er mir erzählt. Ich soll ihn im Saal vertreten, er hat mich für blöd gehalten.

Sam: Recht hat er.

Moos: Kurz bevor die Rakete in seinem Kopf explodierte, muß ihm klargeworden sein, wer von uns beiden der Idiot ist, ich hab jetzt das Geld, ich fahr morgen nach Bangkok.

Jonas: Warum nicht schon gestern.

Moos: Weil ich abwarten wollte, was sie zustande bringen, Jonas, damit ich sie ausschalten kann, falls es nötig wird, und jetzt ist es nötig. Sie sind fällig Jonas, und ihr Computer auch.

Sam: Nicht doch Bruder.

Moos: Keine Vertraulichkeiten, du Blechbüchse, mit dir fang ich an.

Kasbek: Darf man eintreten.

Sam: Nur zü, bei Jonas ist heut Tag der offenen Tür.

Jonas: Diesmal war es Kasbek. Kasbek von der Korporation und seine Gorillas. Moos war außer Gefecht. Zwei Schüsse, linke Hand, rechtes Knie.

Kasbek: Gut, daß Sie uns so schnell informiert haben, Jonas.

Jonas: Ach hab ich das.

Kasbek: Klar. Über Ihren Computer.

Sam: Siehste.

Kasbek: Ist das der Mann, ich meine der Klon, oder sagt man das Klon.

Jonas: Sie nahmen ihn mit, und 3 Tage später fand Jonas was vor seiner Tür, einen dicken Umschlag mit 1000 Euros in bar und einem Zettel: Finderlohn.

Jonas: Die Korporation hat also ihr Geld zurück. Möchte nicht wissen wie.

Sam: Kriegen Millionen und zahlen nur tausend. Knickrig, knausrig.

Jonas: Und was mach ich damit.

Sam: Na was, behalten du Dummskopf.

Jonas: Ich weiß nicht, Sammy, es ist so was wie Blutgeld.

Sam: Sag mal Jonas was bist du eigentlich, ein blutiger Idiot, ein blutiger Anfänger, oder ein blutarmer Detektiv, na ja wohl mehr das letztere, der ein paar Euros dringend nötig hat. Merke: Einem geschenkten Schein schaut man nicht in Darm hinein. So, und jetzt gehst und kaufst Sammy ein schönes neues Programm.

Das war Attentat. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam: Peer Augustinski. Außerdem wirkten mit: Veronika Faber, Sabine von Maydell, Rainer Basedow, Hartmut Becker und viele andere (Claudius Zimmermann, Helmut Pick, Christine Merthan, Hans Stetter, Julia Fischer). Ton und Technik: Günter Heß und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz, Assistenz: Wolfgang Ruhdörfer. Regie: Werner Klein. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks (1991). Redaktion: Erwin Weigel.

Beitrag vom 02.04.2022 - 21:21
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Der letzte Detektiv
Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
Heute: Westfront

Jacob: Was ist los mit dir, Jonas? Du sitzt da, sagst nichts, machst ein Gesicht wie Chefinspektor Brock im Spätdienst, trinken tust du auch nicht. Was hast du?

Jonas: Ich mach mir Gedanken, Jacob.

Jacob: Ach was? Worüber?

Jonas: Über Philip Marlowe. Warum er immer im Trenchcoat rumgelaufen ist. In Kalifornien. Wo es nie geregnet hat. Damals. Im 20. Jahrhundert.

Jacob: Ich sag dir was, Jonas. Du bist von der Rolle.

Jonas: Sah ganz so aus. Vielleicht lag’s daran, daß Judith gerade ein viertel Jahr tot war. Oder daß mein letzter Fall schon zwei Monate zurücklag. Wie auch immer. Mit Jonas war nicht viel los. Mit dem Casablanca auch nicht. Außer Jonas nur zwei Gäste. Alter Mann. Junge Frau. Hinten in der Nische.

Jacob: Weißt du, was ich glaube, Jonas? Ich glaube, du wirst alt. Kein Schwung mehr, kein Pep, du hast es schon hinter dir.

Jonas: So, glaubst du, Jacob, das wollen wir doch mal sehen. Hören Sie, ja, Sie meine ich, und Sie auch. Haben Sie Probleme? Brauchen Sie einen Privatdetektiv? Völlig umsonst, kostet Sie keinen Euro. Einmaliges Sonderangebot.

Baltasar: Belästigen Sie uns nicht, junger Mann.

Ophelia: Augenblick, Baltasar. Ein Privatdetektiv, das ist doch keine schlechte Idee. Falls Sie wirklich einer sind, Herr...

Jonas: Jonas. Nur Jonas. Und Jonas war wirklich einer. Genauer gesagt der. Der Privatdetektiv. Der einzige. Und der letzte. In Babylon und Umgebung.

Baltasar: Gesellen Sie sich zu uns, Herr Jonas, nehmen Sie Platz, ich darf mich vorstellen, Baltasar, Schauspieldirektor.

Jonas: Sie haben ein Theater.

Ophelia: Nein, nein wir sind Amateure.

Baltasar: Aber gut, Herr Jonas, ein hervorragendes Ensemble.

Jonas: Wenn Sie das sagen. Wo kneift die Hose?

Baltasar: Bitte?

Jonas: Wo brennt's wo piekts, wo drückt der Schuh.

Baltasar: Ich verstehe. Lassen Sie mich ein wenig ausholen, Herr Jonas, seit einigen Wochen proben wir ein Stück: Hamlet. Prinz von Dänemark, von William Shakespeare. Womöglich ist es Ihnen bekannt.

Jonas: Sein oder nicht sein.

Baltasar: Das ist hier die Frage, ganz recht, Herr Jonas.

Sam: Was ist uns Hamlet und was sind wir ihm daß wir um ihn sollen weinen.

Ophelia: O, was ist denn das?

Jonas: Mein Taschencomputer. Sam mit Namen. Verbal. Ungeheuer verbal und ungeheuer gebildet. Hamlet ist für ihn ein Klacks. Ungeheuer eingebildet ist er auch. Dazu undiszipliniert, vorlaut und absolut unentbehrlich. Was würde ich machen ohne Sam.

Sam: Dir zur Abwechslung mal selber was einfallen lassen du Kleinsthirn. Das ist ein Witz. Haha.

Jonas: Und nochmal ha. Zurück zu Hamlet.

Sam: Hahahamlet. Ha-ha-kotelett. Hammelkotelett.

Jonas: Ruhe. Wo liegt Ihr Problem, Herr Baltasar.

Baltasar: Kurz gesagt, Herr Jonas, Hamlet ist uns abhanden gekommen, unser Hauptdarsteller, seit drei Tagen ist er nicht zu den Proben erschienen.

Ophelia: Und zu Hause ist er auch nicht.

Baltasar: Niemand weiß, wo er sich aufhält, er ist, so hat es den Anschein, vom Erdboden verschwunden.

Jonas: Und ich soll ihn für ihn suchen.

Ophelia: Oh ja bitte.

Baltasar: Ohne ihn sehen wir uns außerstande, unsere künstlerische Arbeit erfolgreich fortzuführen.

Jonas: Wie heißt er?

Domenico Dellasandro.

Jonas: Wirklich?

Baltasar: Das ist sein Künstlername, eigentlich heißt er Dalles.

Ophelia: Dieter Dallas.

Jonas: Kein sehr schöner Name, Dieter Dallas und der andere ist mir zu lang, ich bleibe bei Hamlet. Haben sie ein Bild vor ihm?

Ophelia: Ja hier, ein Foto von der Probe.

Sam: Ach herrje.

Jonas: Hamlet war jung, dunkel, gutaussehend, sehr intensiv. Er wirkte, als wolle er sich aufschwingen, hoch über die abgelatschten Bretter der Hinterhofbühne, hoch über Babylon. Neben ihm das war sie, Ophelia, ihren richtigen Namen habe ich vergessen.

Sam: Was ist ein Name. Schall und Rauch.

Jonas: Für mich sind Sie Ophelia. Weil es steht Ihnen. Wo wohnt Ihr Hamlet.

Ophelia: Ich bring Sie hin, ich habe einen Schlüssel, wir sind befreundet, und ich wohne im gleichen Haus.

Sam: Haha, vielleicht auch nur im Zelt.

Jonas: Ein Quader, auf die Schmalseite gestellt, vergraut, ausgefranst, 60 Stockwerke, in jedem Stockwerk 100 Cubics, von Cubiculum, sagt Sam, das ist lateinisch und heißt Zimmer, ein Cubic ist kein Zimmer, ein Cubic ist ein Wohnloch, für alleinstehende Volksrentner und -innen ohne Zusatzeinkommen, 2 mal 2 mal 3 Meter, alles was der Mensch braucht, und kein Millimeter mehr.

Ophelia: Ich warte vor der Tür.

Jonas: Das müssen Sie wohl. Liege, Waschbecken, Holoschirm, Stauraum, leer, nein hier ist was, Bücher, ha, drei Musketiere, König Salomos Diamanten, durchs wilde Kurdistan.

Ophelia: Seine Bücher. Er hat sie immer wieder gelesen und sich begeistert an Abenteuern und Heldentaten, an Gefahr und Risiko. An allem was er nicht hatte und wonach er sich sehnte.

Jonas: Ich verstehe, ich verstehe sehr gut.

Sam: Wie ekel schal und flach und unersprießlich scheint ihm das ganze Treiben der Welt.

Jonas: Du sagt es, Sammy.

Sam: Nicht ich, Blödmann unliterarischer, Shakespeare Williamsbirne.

Jonas: Auch gut. Er war also Nostalgiker, unser Hamlet.

Ophelia: Er war unzufrieden, das Leben langweilte ihn, deshalb ist er zu uns gekommen, zu Baltasars Truppe, aber die Schauspielerei reichte ihm nicht. Er wollte

Jonas: Na bitte, in Büchern findet ein Detektiv manchmal recht interessante Dinge, nicht wahr Sammy.

Sam: Erlaube mir ergebenst Herrn Diplombibliotheksrat an Fall Sündenbock zu erinnern. Zwei Jahre sind seitdem ins Land gegangen, zwei lange Jahre oder mehr.

Jonas: Shakespeare.

Sam: Sam, Sam der Poet, Sam der Dichter, Sam der Reimer, Sam der Rammler.

Jonas: Sam der Quatschkopf. Einen getürkten Notizzettel haben wir damals gefunden. In einem Krimi. Und heute

Sam: Kopie einer Holotextseite.

Ophelia: Vom 21.Oktober 2012, einen Tag, bevor er verschwunden ist.

Jonas: Anzeigen, nur Anzeigen, eine ist eingekringelt.

Ophelia: Enttäuscht, unzufrieden, auf der Suche, das Leben hat mehr zu bieten als Plan und Programm, als Volksrente und Alltagsfrust, leben Sie riskant, leben Sie gefährlich, leben Sie sinnvoll, machen Sie einen neuen Anfang, wir sagen Ihnen wie, fonieren Sie...

Jonas: Ein guter Detektiv erkennt eine Spur auf Anhieb, besonders wenn sie ihm auf dem Tablett serviert wird. Ich fonierte und wurde für den nächsten Morgen zu einer Adresse im Zentrum bestellt, in eins der vielen lackierten Hochhäuser um den Ernst-August-Platz. Die Firma A wie Abenteuer residierte im 21. Stock, viel Platz, viel Geld, ein großzügiger Empfangsraum, Ledersessel, die fast echt aussahen, Tierfelle und alte Waffen unter Glas, unbezahlbare Antiquitäten. Hinter dem englischen Kapitänstisch eine perfekt gestylte Abenteuerin, Sonnenbräune, Safarikostüm aus Naturleinen, ein Lächeln so offen wie die Prärie und so gefährlich wie der Dschungel.

Angestellte: Sie fühlen sich von unserer Anzeige angesprochen, Herr Jonas.

Jonas: Ein Freund hat mich darauf aufmerksam gemacht.

Angestellte: Sie sind enttäuscht, frustriert, unzufrieden.

Jonas: Dieter Dalles. Er nennt sich auch Domenico Dellasandro.

Angestellte: Sie sind auf der Suche...

Jonas: Vor drei Tagen war er bei Ihnen, am 22.

Angestellte: Durchaus möglich, Herr Jonas. Sie glauben ja nicht wie viel viele Babylonier den Wunsch haben, ihr Leben zu ändern, neu anzufangen und wir sagen

Jonas: Sie sagen ihnen wie. Siehe Anzeige. Und was?

Angestellte: Wie meinen Sie, Herr Jonas.

Jonas: Ich meine was. Was tun Sie? Was tut die Firma A wie Abenteuer.

Angestellte: Wir helfen, Herr Jonas, wir weisen hin, wir beraten.

Jonas: Werben Sie Söldner?

Angestellte: Nicht direkt, Herr Jonas.

Jonas: Vermitteln Sie Jobs, gefährliche Jobs?

Angestellte: Das kann man so nicht sagen. Erzählen Sie mir etwas von sich, Herr Jonas.

Jonas: Ich sagte ihr, ich sei im Krieg gewesen, im antarktischen Krieg, vor 7 Jahren beim 9. Guerillakommando auf Feuerland. Mehrmals verwundet, mehrmals dekoriert. Das hörte sie gern.

Angestellte: Auszeichnet, Herr Jonas, genau das was wir brauchen, erstklassiges Führungsmaterial. Wenn Sie einen Augenblick nebenan warten würden. Ich muß kurz noch Rücksprache nehmen, bevor ich Ihnen ein Angebot machen kann, das für Sie, dessen bin ich sicher von erheblichem Interesse sein wird. Die Tür rechts Herr Jonas.

Jonas: Dieter Dallas alias Dallesandro.

Angestellte: Richtig, Ihr Freund, ich werde nachforschen lassen, ob er uns aufgesucht hat und ob wir ihm weiterhelfen konnten. Ein paar Minuten, Herr Jonas, die Bar im Warteraum steht selbstverständlich zu Ihrer Verfügung.

Jonas: Danke.

Jonas: Eine großzügige Bar, jede Menge Flaschen, Whisky natürlich, Cognac, Wodka, aber auch Grappa und Tequila. Jonas ist altmodisch, Jonas ist Nostalgiker, Jonas hielt sich an Whisky. Scotch. Viel Scotch, wenig Wasser. Und beim Trinken machte ich mir Gedanken, über Ophelia, über den abenteuerlustigen Hamlet und über die seltsame Firma A wie Abenteuer. Ich dachte an den Krieg.

Jonas: Krieg, wieso Krieg, der Krieg ist vorbei.

Angestellte: Noch nicht, Herr Leutnant, aber es wird nicht mehr lange dauern. Prosit, Herr Leutnant, auf den Sieg unserer Waffen.

Jonas: Auf den Endsieg. Leutnant. Ich bin nicht Leutnant, ich bin Detektiv. Der letzte Detektiv.

Angestellte: Ist Ihnen nicht gut, Herr Leutnant, trinken Sie noch einen Schnaps, Herr Leutnant, auf unseren obersten Kriegsherrn seine Majestät Kaiser Wilhelm den zweiten.

Jonas: Hurra Hurra Hurra. Unsinn, Unsinn, in Babylon gibt's keinen Kaiser, in Babylon gibt's nur eine Bürgermeisterin, und die taugt nichts.

Angestellte: Wachen Sie auf, Herr Leutnant, Ihr Marschbefehl, Herr Leutnant, an die Westfront, ausgestellt am 10. März 1918, Herr Leutnant.

Jonas: 1918, das ist nicht wahr. Das ist alles nicht wahr.

Angestellte: Kommen Sie zu sich, Herr Leutnant, die Pflicht ruft, die Front wartet.

Jonas: Jawohl.

Jonas: Ich war wieder bei mir. Ich hatte geträumt, einen Alptraum, von der Zukunft, von einer riesengroßen Stadt namens Babylon, und von einem Detektiv, der so hieß wie ich. Aber jetzt war ich wach, und alles war klar, ich wußte wieder, wer ich war. Leutnant Jonas vom Jägersturmbatallion großherzogliches oldenburgisches Garderegiment zu Fuß, am 18. März 1918 unterwegs zur Westfront.

Fahrer: Wenn Herr Leutnant gestatten, Herr Leutnant müssen aussteigen.

Jonas: Sind wir schon da?

Fahrer: So gut wie, Herr Leutnant. Ab hier müssen Herr Leutnant marschieren.

Jonas: Welche Richtung.

Fahrer: Da ist die Front, Herr Leutnant, wo geschossen wird, immer gerade aus durch den Ännäherungsgraben. Hals und Bauchschuß, Herr Leutnant.

Jonas: Ich sah mich um. Das war also die Westfront, tiefer Himmel, graue Wolken, graubraune Bodenwellen, kahl, abgesehen von schwarzen Baumskeletten, am Horizont Ruinen und Rauch, vor mir im diffusen grauen Hell-Dunkel rotes Flackern. Eine unwirkliche Szenerie. Ein Bühnenbild, eine Theaterlandschaft, und dazu passend die dumpfe Musik aus den Schlünden der Artillerie. Ich setzte mich in Marsch durch den Annäherungsgraben, vorbei an einem Flugplatz, an Wagenparks und Munitionsdepots, an Batterien, Feldkanonen, Haubitzen, an Marschkolonnen und Verwundetentransporten. Der Graben wurden tiefer, Quergräben tauchten auf, Unterstände, und dann ging's nicht weiter. Ich war da, in vorderster Linie.

Major: Da sind Sie ja endlich. Willkommen im Schützengraben, Herr Kamerad. Schluck aus der Pulle?

Jonas: Danke, Herr Major. Leutnant Jonas meldet sich zur Stelle. Mein Marschbefehl.

Major: Ja ja schon gut, die Fisimatenten können Sie sich sparen. Sie sind an der Front Mann, hier braucht man keine Männchen, hier kneift man den Arsch zusammen, verstanden.

Jonas: Verstanden Herr Major.

Major: Damit Sie sich gleich richtig eingewöhnen Herr Kamerad, Sie gehen heut nacht raus.

Jonas: Raus, Herr Major

Major: Raus, rüber auf die andere Seite. Stoßtruppunternehmen. Ein paar Torries einsammeln, damit wir wissen, ob die was wissen.

Jonas: Wissen, was wissen, Herr Major.

Major: Na Sie sind gut. Letzte Nacht in der Etappe ordentlich einen draufgemacht was? Unsere Großoffensive Mann, Operation Michael. In den nächsten Tagen geht's los.

Jawohl Herr Major.

Major: Ich geb Ihnen ein paar gute Leute für Ihren Stoßtrupp. Alte Frontschweine schon jahrelang draußen. Noch'n Schluck.

Jonas: Danke verbindlichst, Herr Major.

Major: Schlage vor, Sie peilen gleich mal die Lage, solange es noch hell ist.

Jonas: Befehl Herr Major.

Major: Doch nicht so, Mann, steckt der Kerl einfach seine Birne über den Rand. Was schicken die uns bloß für Heinis aus der Heimat. Sie sind vom Jägersturmbatallion.

Jonas: Jawohl.

Jonas: Oder vielleicht doch nicht, plötzlich wußte ich es nicht mehr genau. Der Major, der Graben, die Sandsäcke, die Soldaten, der hängende Himmel, alles wurde unscharf, fing an zu verschwimmen.

Major: Reißen Sie sich zusammen Mann, ist ja nichts passiert. Sehen Sie durchs Scherenfernrohr.

Jonas: Befehl Herr Major.

Major: Also der Strich dort hinten etwa 50 Meter, das ist der Feind. Die vorderste Stellung der Tomies, und davor die Drahtverhaue, die MG-Nester, die Erdklumpen und vollgelaufenen Bombentrichter, die Leichen, die Ratten, der Gestank, der Schlamm, dieses hochkünstlerische Stilleben, ist das Niemandsland. Prägen Sie sich alles gut ein, Mann, da müssen Sie heute nacht durch.

Jonas: Befehl, Herr Major.

Major: Verdun liegt direkt vor uns. Der abgebrochene Kirchturm am Horizont, rechts fließt die Sonne da wo die verkohlten Weidestümpfe stehen. Die Berge dahinter, Sie können sie gerade noch sehen, das sind die Vogesen.

Jonas: Irgendwas stimmte nicht, das spürte ich. Ganz deutlich. Irgendwas mit der Westfront, und mit mir. War ich wirklich Leutnant Jonas, wirklich im Jahr 1918, wirklich an der Front. Und was war mit dem rätselhaften Kasten aus irgendeinem harten Material in meiner Hosentasche. Behalten, sagte mir eine innere Stimme, auf gar keinen Fall wegschmeißen.

Major: Schweres Trommelfeuer, der Tommi kriegt ordentlich Khartum. Wohl bekomm's. Uhrenvergleich, es ist jetzt 22 Uhr 18.

Jonas: 22 Uhr 18 Herr Major.

Major: In zwei Minuten rollt die Feuerwalze weiter nach vorn, dann gehen Sie rüber.

Jonas: Jawohl Herr Major.

Major: Gewehr und Bajot bleiben hier, nur Handgranaten und Spaten und ihre P08 natürlich. Es ist soweit, machen Sie's gut, Herr Kamerad. Los.

Jonas: Raus aus dem Graben, mit meinem Trupp, leise und leise arbeiteten wir uns vor, durchs Niemandsland, Richtung feindlicher Graben. Plötzlich ein Knall, ein scharfes Zischen, eine Leuchtkugel stieg auf, noch eine, ein ganzer Leuchtschirm, ich preßte mich in die Erde, versuchte mich unsichtbar zu machen. Zwecklos. Schweres MG-Feuer setzte ein, ich spürte einen Schlag gegen die Stirn, dann nichts mehr, gar nichts, jemand hatte die Welt abgestellt. Ich kam zu mir, Stille, Dämmerung, es wurde dunkler. Abend. Offenbar hatte ich eine ganze Nacht und einen ganzen Tag im Niemandsland gelegen, im Schlamm. In einem Granattrichter. In Gesellschaft diverser Gliedmaßen, Eingeweide, Uniformenfetzen. Jonas war noch ganz, abgesehen von der Schramme an der Stirn, wo mich ein Splitter getroffen hatte. Ich hatte Hunger und Durst. Feldflasche und eiserne Ration hatte ich verloren. Außerdem hatte ich ein Problem. Ich war Jonas. Nur Jonas. Der letzte Detektiv. Tätig zu Babylon Vereinigte Staaten von Europa im frühen 21. Jahrhundert, das wußte ich, das stand fest. Warum lag Jonas dann in feldgrau im der Westfront des 1. Weltkriegs herum, fast ein Jahrhundert vor seiner Zeit, das war mein Problem. In meiner Tasche war ein Ding, das Probleme lösen konnte. Ein Kästchen namens Sam. Ich holte es raus und drückte den Aktivierungsknopf.

Sam: Leipzig, Rostock, Dresden, Halle Halleluja. Sammy ist auferstanden von den Toten. Auferstanden aus Ruinen und der Kuhzunft zugewandt. Jawohl, und er ist wieder bei seinem Jonas mit dem ist er wieder vereinigt. Theo gracias. In dulci jubilo.

Jonas: Jubeln kannst du später, Sammy, jetzt wird gearbeitet. Wo sind wir.

Sam: In der Wildnis, ehrfürchtigster Großmufti, nicht allzuweit von Babypsilon.

Jonas: Was ist passiert, ich war bei dieser Firma A wie Abenteuer im Warteraum an der Bar. Der Whisky.

Sam: Der Whisky, o du mein halt- und zuchtloser Dipsomane, gepanscht, versetzt mit einer Bewußtseinsdroge, Blow your mind.

Jonas: Und Detektiv Jonas verwandelte sich in Leutnant Jonas, im Jahr 1918. Fall Spielwiese, weißt du noch Sammy, da war's ganz ähnlich. Wie hieß das Zeug Luzi.

Sam: Luzinon du Franzenhirn.

Jonas: So was muß im Whisky gewesen sein.

Sam: Nicht nur im Whisky, Speis und Trank an dieser sogenannten Westfront.

Jonas: Aber ja, Sammy, und weil ich fast 24 Stunden nichts gegessen und getrunken habe.

Sam: Bist du wieder klar, Kumpel. Halleluja.

Jonas: Halleluja, Sammy. Also, irgend jemand hat sich hier draußen in der Wildnis

Sam: Wo weder Recht gilt noch Gesetz.

Jonas: Genau, da hat sich jemand ein Stück Westfront aus dem 1. Weltkrieg nachgebaut. Über Anzeigen besorgt er sich Rekruten, ihr Bewußtsein wird manipuliert.

Sam: Durch schnöden Trank aus mitternächtgen Kraut, dreimal vom Fluche Hekates betaut. Shakespeare.

Jonas: Apropos. Hamlet. Ich habe ihn nicht gesehen. Vielleicht ist er drüben bei den Tommies oder hier.

Sam: Dies Stücklein Arm, dies Endchen Darm.

Jonas: Hoffen wir das beste, Sammy. Weiter. Wie bin ich von Babylon hierhergekommen.

Sam: Mittels E-Laster, euer Unbewußtheit, durch die Wildnis, durch ein Tor.

Jonas: Ja Sammy. Und?

Sam: Ja und da verließen sie ihn, das heißt mich. In jenem Tore nämlich, kaum vermag ich's über meine unschuldvollen Lippen zu bringen.

Jonas: Du hast keine Lippen Sam. Was war mit dem Tor.

Sam: Elektronische Barriere, ein gar hundwürdig Ding, so jedweden Computer, der es passiert, zum Absturz wohl mag bringen.

Jonas: Aber du bist doch nicht abgestürzt, Sam.

Sam: Nein und nimmer mehr, hat doch mein Herr in seiner übervollen Güte erst unlängst seinem Sammy was spendiert.

Jonas: Richtig, spezielle Abstürzsicherung, nicht gerade billig.

Sam: Doch lohnend Milord Knieckebein. Sam ist nicht abgestürzt, Sam wurde lediglich deaktiviert. Und nun.

Jonas: Hab ich dich wieder aktiviert. OK dann sei mal ein bißchen aktiver, was hier gespielt wird.

Sam: Klären wir später, wenn wir mehr Daten unser eigen nennen. Jetzt heißt's Parole Heimat, ab dafür, soweit die Füße tragen.

Jonas: Einverstanden. Leutnant Jonas desertiert. Frage wie.

Sam: Frage wie, so schnell wie möglich, trübe Tasse.

Sam: Fluchplatz. Gestern Fluchzeug.

Jonas: Der klapprige Doppeldecker. Das Museumsstück. So was soll ich fliegen.

Sam: Missio Marquis, wer im 21. Jahrhundert Helikopter steuert, der wird wohl doch keine Angst haben von einer Fokker D7 anno 1918.

Jonas: Klar, alles ein Kinderspiel, sich durch die Linien schleichen, den Flugplatz finden, die Wache ins Bett schicken mit dem Griff meiner Luga P 08, die Maschine starten und hochziehen, im Dunkel, sowas macht Jonas jeden Tag, mit links. Ich war in der Luft, hoch über der Westfont. Kein sehr großes Gelände, drum herum eine beleuchtete Mauer, nur unterbrochen von einem zweistöckigen Torhaus. Seltsam, von unten wirkte der Horizont weit und endlos.

Sam: Illusionsholos, du Blindschleierich, ringsum an der Mauer. An der Mauer auf der Lauer liegt ne kleine Tante.

Jonas: Nicht viel los dahinten.

Sam: Indeed Sir. All quiet an der Westfront.

Jonas: Leuchtkugeln und MGs. Die schießen auf uns.

Sam: Nur zu, da lacht er Hohn, der rote Baron.

Jonas: Jonas ist nicht der rote Baron, Sammy, und du bist nicht Snopy.

Sam: Na ja.

Jonas: Die Maschine ist getroffen, Sam.

Sam: Jedoch sie hält sich noch. Flieg zu.

Jonas: Wohin?

Sam: Dorthin mein Freund, wo fern im Westen ein Widerschein den Horizont erhellt.

Jonas: Babylon?

Sam: Babylon, Heimat, süße Heimat.

Jonas: Schaffen wir nicht, Sammy, der Motor setzt aus.

Sam: Keine Panik, flieg weiter so lang die Füße tagen.

Jonas: Und dann?

Sam: Steigst du aus.

Jonas: Einfach so.

Sam: Kannst machen wir du willst, du Knallkopf, du kannst aber auch den Fallschirm nehmen unter dem Sitz. Hals und Leisterbruch.

Jonas: Am nächsten Tag in Babylon, zu Hause, in meinem Büroapartment. Heimkehrer Jonas war noch etwas mitgenommen, aber schon weitgehend aufgefrischt, und der Zukunft zugewandt.

Sam: Hein ist der Seemann, hein vonne See. Und der Jäger heim aus der Berge.

Jonas: Shakespeare?

Sam: Halt, euer Unbilden, Robert Louis Stevenson.

Jonas: Wer immer das ist oder war.

Fonrobot: Hallöchen, tut uns ganz ganz furchtbar leid, unter der Nummer kriegst du keinen Anschluß mehr, die lieben Menschen von A wie Abenteuer sind nicht mehr da, die ganze Firma ist weg, tatü, A wie aufgelöst. Hallöchen tut uns ganz ganz...

Jonas: Aufgelöst.

Sam: Aufschlußreich.

Jonas: Aber nicht hilfreich.

Sam: Mein Gott, Walter, mußt du denn in einer Tour hetzen, jachern und wulackern. Mach mal Pause, leg die Beine hoch, trink gemütlich eine Tasse Sojakaff.

Jonas: Sammy, da draußen sterben Menschen. Da wird gebombt und geschossen.

Sam: Well, life is no cherrypicking.

Jonas: Das muß aufhören, Sam. Darum muß Jonas wissen, was da los ist, wer dahinter steckt und die Fäden zieht.

Sam: Lobenswert euer Wohlmeinen.

Jonas: Außerdem hat Jonas einen Auftrag.

Sam: Ach Gott, Auftrag für noth für nix und wieder nix.

Jonas: Das spielt keine Rolle, Sammy, Auftrag ist Auftrag. Also, Machen wir einen Plan. A wie Abenteuer ist untergetaucht. Wir müssen woanders einhaken, zurück zum Kriegsschauplatz in die Wildnis.

Sam: Ohne neue Daten, wohl Lebensmüde, was. Da ist kein Plan, du Pappnase, das ist Schrott.

Jonas: So Schrott, weiß du was Schrott ist, Sammy, ein gewisser Computer veraltet verdreht.

Sam: Verbumdielt.

Jonas: Genau. Der ist Schrott, Sam.

Sam: Als ob du dir was besseres leisten könntest, korinthenkackende Kirchenmaus.

Jonas: Tusche. Hast du einen besseren Vorschlag.

Sam: Aber immer. Bohren du Bumsprägen, stochern.

Jonas: Das Boot zum Schaukeln bringen.

Sam: Vorausgesetzt, Oberbootsmann Smart bleiben stets der Tatsache eingedenk, daß er selbst einen Insassen besagten Bootes bildet.

Jonas: Schon gut, Sammy, was da draußen abläuft ist der 1. Weltkrieg, in komprimierter Form sozusagen, maßstäblich verkleinert. Wer ist Experte.

Sam: Für Weltkrieg 1, mein Herr und Meister.

Sam: Nur einen einzigen gibt's in Babylon, sein Name Professor Morell, historisches Institut, Philosophische Fakultät, Universität von Babylon.

Jonas: Professor Morell war in seinem Arbeitszimmer im Institut. Er war bereit Jonas zu empfangen und sich anzuhören, was Jonas zu erzählen hatte.

Morell: Eine fantastische Geschichte, Herr...

Jonas: Jonas, nur Jonas.

Morell: Sind Sie sicher, daß es sich nicht um einen Traum handelt oder eine Halluzination womöglich. Pflegen Sie Solipsin zu sich zu nehmen, Plastikiff. Kleiner Fehlgriff bei der Dosierung und Sie erleben die unwahrscheinlichsten Dinge im Kopf.

Jonas: Das ist nicht die Frage, Professor.

Morell: Nein? Und was ist, wenn ich fragen darf, die Frage?

Jonas: Entspricht das was ich erlebt habe der historischen Realität des 1. Weltkriegs.

Morell: Teils teils, Herr Jonas, Waffen, Gerätschaften scheinen, soweit ich das nach Ihrer Schilderung beurteilen kann, historisch zu sein, die Chronologie des gleichen. Diskrepanzen sehe ich vor allem in der Topographie. Zwischen der Sonne und den Vogesen liegen gut 300 km.

Jonas: Ich bin also nicht ins Jahr 1918 zurückversetzt worden.

Morell: Sie meinen durch eine Zeitmaschine oder dergleichen, mein lieber Herr Jonas, so was gibt es nur in Sciencefiction-Romanen. Ich glaube sie haben geträumt.

Jonas: Zurück ins Büro. Feierabend für heute. Es wurde schon dunkel. Hatte mein Besuch bei Morell das Boot zum Schaukeln gebracht. Ich war nicht sicher, aber dann als ich meine Bürotür aufschloß war ich sicher. Ein Schlag, ein plötzlicher heftiger Schlag auf den Kopf, Stärke 12 auf der nach oben offenen Richterskala. Mindestens. Ich war Richthofen, der rote Baron, ich ritt auf meinem Albator D 2 durch die Wolken und schoß den Feind daher so wie es mir gefiel. Und dann wachte ich auf, in meinem Büro, auf dem Fußboden, Hände auf den Rücken gefesselt, Füße zusammengebunden.

Alk: Hey, Kutte, mach hin.

Kutte: Nicht nervös werden, Alk, Spaß muß sein, wir warten, bis die dumme Sau richtig wach ist, und dann sagen wir dem Arsch, was wir mit ihm machen, Schnellkleber ins Maul und in den Rüssel, und dann bescheißt er sich vor Angst.

Alk: Ey scharf, Kutte.

Kutte: Und dann hältst du ihm die Birne fest, Alk, und ich schmier ihn zu, und dann läßt du ihn los, und dann würgt er und hopst rum, wie angestochen.

Alk: Ey geil, Kutte.

Kutte: Und Stielaugen macht er und den Boden kratzt er auf und das Blut zischt ihm nur so aus den Lauschern. Und schön blau wird er.

Alk: Ey super Kutte.

Jonas: Zwei Youngster, rote Gesichter, Stoppelhaarschnitt, Goldringe in den Ohren, Hools, Hooligans, ein Killerkommando, ohne Laserstrahler, ohne Revolver, mit einer Plastikflasche Schnellkleber, billig und effizient. Ausgesprochen lebensgefährlich, aber Jonas war auf sowas vorbereitet. Ich stöhnte und rutschte ein bißchen zur Seite. So, jetzt stand er richtig, der Wortführer mit der Leimflache, an meinen Füßen direkt vor dem Fenster.

Alk: Hey Kutte, der Arsch ist wach.

Jonas: Sam.

Sam: Monsignore wünschen.

Jonas: Notfallplan B und F.

Sam: Zu Befehl Herr Leutnant.

Kutte: Scheißeeeeeeeeeeee!

Alk: Hey Kutte, was ist Kutte.

Jonas: Was war passiert. Sammy der das Leitsystem des Büro kennt wie seine nicht vorhanden Westentasche, hatte das Licht aus und das Fenster auf gemacht, und Jonas hatte die Knie angezogen und Killer Kutte in den Bauch getreten, worauf der rücklings aus dem Fenster flog. Nicht ganz so elegant wie der rote Baron, vielleicht lag's daran, daß er kein Flugzeug hatte. Kumpel Alk tapste herum, wußte nicht, was er tun sollte. Sam half ihm, mit seiner bekanten und beliebten Imitation einer Polizeisirene.

Alk: Ey Scheiße, die Bullen.

Jonas: Kannst aufhören, Sammy, die Luft ist rein und mach das Licht wieder an.

Sam: Ja.

Jonas: Die Fesseln sind wir los. Amateure.

Sam: Zur Gänze die meinige Meinung, Meister aller Klassen, blutige Dilltunten.

Jonas: Was sich auf die schnelle so auftreiben ließ. Ich bin mir ganz sicher, Sammy, kaum war Jonas raus, hat Morell sich ans Fon gehängt und den großen Hintermann angerufen.

Sam: Warum nicht Hinterfrau, alter Chauvi.

Jonas: Sagen wir Hinterperson, und die hat uns gleich die beiden Hools auf den Hals gehetzt als Schnellschuß. Die nächsten Killer sind bestimmt schon unterwegs, echte Profis, da geh ich jede Wette ein.

Sam: Nun denn und wohl, brechen wir im Zorn und stoßen wir was.

Jonas: Was.

Sam: Korrektur stoßen wir ins Horn und brechen wir auf.

Jonas: OK. Wohin Casablanca?

Sam: Da als Schlupfloch meines Jonas weithin bekannt weniger empfehlenswert.

Jonas: Der arme Schlucker.

Sam: Dito Dösbackel.

Jonas: Mit fällt was ein, Sam. Hamlets Cubic ist frei.

Sam: Hehe, und die Dame Ophelia hat den Rüssel Korrektur Schlüssel.

Jonas: Die Dame Ophelia war gar nicht mal sehr ungehalten, als Jonas sie zu später Stunde herausklingelte. Vielleicht hätte sie mir gern mehr gegeben als nur den Schlüssel zu Hamlets Cubic. Aber dafür war keine Zeit. Das Boot schaukelte kräftig und durfte nicht zur Ruhe kommen.

Sam: Babylon Korrektur Babypsilon West, am Schwanensee 1 9 sprich 19.

Jonas: Unmöglich, Sammy, viel zu feine Gegend.

Sam: Naja.

Ophelia: Am Schwanensee wohnen die Reichen und Prominenten, Holostars, Unternehmer.

Jonas: Wie Martin Sesam, Produzent von Zierzwergen. Weißt du noch Sammy.

Ophelia: Aber keine Professoren. Ihr Computer muß sich irren.

Sam: Ohohohoho, Sam wiederholt: Privatadresse Professor Morell: Babylon West Am Schwanensee 19. Ende der Durchsage. Keine Diskussion.

Ophelia: Ah, ist er jetzt beleidigt.

Jonas: Das macht nichts, Ophelia, Sammy wird sich schnell wieder bekrabbeln.

Sam: Wird er nicht. Das macht nichts Ophelia. Kannalie kaltschnäuzige.

Jonas: Bis ich am Schwanssee bin kannst du in der Tasche vor dich hinschmollen. Danke für den Schlüssel, Ophelia, Sie hören von mir.

Ophelia: Ja, ich... ich würde sehr gerne mitkommen, Jonas.

Sam: Nein.

Jonas: Ruhe da unten auf den billigen Plätzen. Kommen Sie, Ophelia.

Sam: Kommen Sie Ophelia. Kommen Sie. Sei still Computer klage nicht und zeig kein lächelnde Gesicht. Doch wies da drinnen aussieht, geht niemand was an.

Jonas: In dem Haus hätten 20 Privatdetektive leben können, aber hier wohnte nur ein Professor, allein, keine Frau, kein Mann, kein Kind, keine Beziehung. Allein in einem Luxusambiente, das 20 Detektive sich nie hätten leisten könnten. Echtholzmöbel, Echtölbilder, Echtglasvitrinen voll Echtporzellan. Echtwollteppiche. Echt antik.

Ophelia: Vielleicht hat er echt geerbt.

Sam: Echt hat er nicht echt echt.

Jonas: Schön daß du wieder bei uns bist, Sammy.

Sam: Bin ich schon lange du Blockkop. Ihr wärt gar nicht ins Haus gekommen, hätte Sam euch nicht das Sicherheitssystem aus dem Weg geräumt.

Jonas: Nett von dir.

Sam: Die Servorobots hab ich auch gleich lahmgelegt.

Jonas: Wunderbar. Dann haben wir’s nur mit Morell zu tun.

Sam: Hier schläft er, der Schnarchsack, hinter dieser Tür.

Ophelia: Wecken wir ihn auf, Jonas.

Jonas: Das macht Sammy. Los Trompete von Jericho.

Sam: Äh Attacke.

Jonas: Auch Morells Nachtgewand war vermutlich echt antik, aus dem 1. Weltkrieg, lang, weiß mit Rüschen. Sein Träger war ernst verwirrt, dann empört, darunter lag Angst und ein ausgesprochen schlechtes Gewissen.

Morell: Sie Sie mit Ihren fixen Ideen, lassen Sie mich in Frieden. Wie sind Sie überhaupt hier rein gekommen.

Jonas: Das ist nicht die Frage, Professor Morell, die Frage ist, was wissen Sie über die Pseudowestfront draußen in der Wildnis?

Morell: Verlassen Sie mein Haus, Sie und dieses Weibstück, auf der Stelle.

Jonas: Sie wollen also nicht reden, Professor. Gut, wir steigen um, auf Boxhandschuhe und harte Bandagen.

Morell: Sie... Sie dürfen mir nichts tun, Sie sind nicht die Polizei. Sie sind nur Privatdetektiv.

Jonas: Ach ja, hören Sie mal zu, Morell, wenn die Kripo Sie ins Gesicht haut, ist das legal, wenn ich Sie ins Gesicht haue, ist das

Morell: Illegal, absolut illegal.

Jonas: Jawohl illegal, aber es tut genauso weh, vielleicht noch mehr, und mich stört es nicht, Jonas ist ein ziemlich illegaler Typ.

Morell: Ich sage nichts, kein Wort und wenn Sie mich totschlagen.

Sam. Warum nicht.

Jonas: Morell übertrieb, totschlagen wollte ich ihn nicht, foltern auch nicht, obwohl Sammy mir ein paar raffinierte Methoden vorschlug. Es ging auch anders. Bringt Gewalt gegen Personen Sie nicht zum Erfolg, so empfiehlt sich in manchen Fällen Gewalt gegen Sachen, sagt das kleine Handbuch für Privatdetektive und solche, die es werden wollen. Gewalt gegen Sachen, schöne Sachen, teure Sachen, echt antike Sachen.

Sam: Herr Brandkassenobergutachter könnten ein Ölschinken ankokeln oder den Perser zu dero liebwerten Füßen.

Jonas: Macht auf Sie alles keinen Eindruck, Morell. Wenn ich mir die komischen Porzellanmännchen vornehme, hier in der Glasvitrine.

Morell: Um Gotteswillen.

Jonas: Na bitte, direkt ins Schwarze.

Morell: Meine Meißen Sammlung. Mein Gott, das war ein echter Kandler.

Sam: Weiter so.

Morell: Aufhören, bitte hören Sie auf, ich sage Ihnen, was Sie wissen wollen.

Sam: Aber ausführlich.

Jonas: Und das tat er. Ausführlich. Mit allen Einzelheiten. Wenn er mal zu lange Pause machte, brauchte Jonas nur nach einer Porzellanfigur zu greifen. Dann lief's wieder. Die Westfront, sagte Morell, war ein Spielbrett, an dem zwei Spieler ein Kriegsspiel spielten, mit scharfen Waffen und lebenden Soldaten. Zwei Superreiche und Supermächtige.

Morell: Frau Astoria Waldorf.

Jonas: Chefin der Multifirma Multipharm, kennen wir, kennen wir gut, was Sammy.

Sam: Hmh. Fall Spielwiese, o Herrscher aller Fakten.

Morell: Und Herr Adolf Beringer.

Sam: Besitzer und Präsident von Supermedia.

Jonas: Supermedia kennen wir doch auch, wenigstens indirekt.

Sam: Siehe Fall Megastar. Juli 2011.

Jonas: Weiter Morell, Sie sind doch wohl nicht müde.

Morell: Nein nein, also beide haben das Gelände erworben und ausgebaut, schon vor ein paar Jahren, von Frau Waldorf stammt die Droge, die Droge die das Bewußtsein der Spielfiguren beeinflußt, wenn ich mal so sagen darf.

Jonas: Luzinon. Hab ich mir doch gleich gedacht.

Sam: Was denn du Dumpfhirn?

Morell: Beringer stellt die medientechnische Ausstattung, die fernlenkbaren Mikrocams, die den Krieg aufnehmen, Bild und Ton, und in den zentralen Gefechtsstand übertragen und die Leitung von der Zentrale zu den Kommandeuren unten.

Jonas: Da kommt also der Befehl von oben, und unten wird angegriffen, und verteidigt, geschossen, gesiegt und verloren. Trommelfeuer, Grabenkampf, Tote, Verwundete. Warum gerade der 1. Weltkrieg, Professor?

Morell: Meine Idee, Herr Jonas, der 1. Weltkrieg, das war noch ein Krieg, Herr Jonas. Der Krieg der Kriege. Extreme Bewährung, Mann gegen Mann. Opfer Frontgeist.

Jonas: Dreck, Blut, Angst.

Morell: Genau Herr Jonas, wissen Sie, Waldorf und Beringer haben beide einen gewissen Hang zum nun ja Primitiven, Atavistischen, sie wissen, daß sie Wirtschaft und Politik in Babylon, in ganz Europa entscheidend mitbestimmen, aber dieses Wissen genügt ihnen nicht, sie wollen ihre Macht spüren, direkt, sie auskosten, physisch erleben, sehen, schmecken, berühren.

Jonas: Und Sie Morell, was ist Ihre Rolle in diesem Spiel.

Morell: Nein, nicht. Die Herrschaften haben mich als historischen Berater engagiert, als Gutachter und Schiedsrichter.

Jonas: Einträglicher Job wie man sieht. Wo ist der zentrale Gefechtsstand. Na?

Morell: Draußen, direkt am Kriegsschauplatz im Torhaus.

Jonas: Aha. Na dann wollen wir mal.

Ophelia: Und was machen wir mit ihm, Jonas?

Jonas: Morell nehmen wir mit. Sonst ist er gleich am Fon und warnt seine Brötchengeber. Wie heute nachmittag, außerdem kommen wir mit ihm sicher leichter in die Zentrale. Als Berater haben Sie doch wohl eine Paßscheibe, Morell.

Sam: Er hat noch was, der schäbige Schreibtischtäter. Eine E-Limousine, in der Garage hinterm Haus.

Jonas: Der zentrale Gefechtsstand war ein weiter fensterloser Raum, ein Raum, der das ganze obere Stockwerk des Torhauses ausfüllte. In der Mitte standen zwei gewaltige Konsolen, mit Mikrophonen, Knöpfen, Reglern, dazwischen erhob sich eine Wand, beidseitig bestückt mit zahllosen Monitoren. An jeder Konsole saß ein Spieler. Angespannt. Konzentriert. Keiner der beiden sah auf, als ich die Tür öffnete und wir leise den Raum betraten. Auch Morell war leise, notgedrungen, er hatte die Mündung meines Laserstrahlers im Rücken.

Waldorf: So werter Kollege nun sehen Sie mal zu, wie Sie meinen Durchbruch stoppen und noch einen kleinen Gasangriff obendrauf. Grünkreuz werter Kollege.

Beringer: Um eine Frontbegradigung komme ich da wohl kaum herum, werte Kollegin, aber triumphieren sie nicht zu früh, meine Tanks sind in Kürze einsatzbereit.

Jonas: Wie schön. Hals und Bauchschuß allerseits.

Waldorf: Jonas, Sie sind nicht tot?

Jonas: Wie Sie sehen, Frau Waldorf. Ich habe den 1. Weltkrieg überlebt und Ihre Hooligans auch. Stellen Sie mir Ihren Freund vor.

Waldorf: Freund, der Herr ist das genaue Gegenteil. Mein alter Feind Adolf Beringer.

Jonas: So habe ich mir einen obersten Kriegsherr immer vorstellt. Alt, fett, Glatze. Wie läuft's denn so, Herr Beringer.

Beringer: Danke, mäßig, meine Truppen haben gerade einen kleinen Rückschlag erlitten.

Morell: Offensive Michael, Herr Beringer, 21. März 1918.

Ophelia: Dieter. Nein. O Gott. Er ist tot.

Sam: Na endlich.

Jonas: Hamlet. Gefallen. Zerrissen von einer Handgranate, und Ophelia hatte zugesehen auf dem Monitor. Damit war mein Auftrag erledigt. Aber noch nicht der Fall. Jonas hatte noch was zu erledigen.

Waldorf: Kein Grund zum Jammern, meine Liebe, Ihr Freund hat gekriegt was er wollte, ein kurzes intensives Leben, Gefahren, Abenteuer, Risiko.

Ophelia: Einen schrecklichen Tod.

Waldorf: Der gehört dazu, zwangsläufig, wenn Sie's nur richtig sehen, haben wir ihm einen Gefallen getan.

Beringer: Der Gesellschaft übrigens auch, in dem wie sie von Menschen wie ihm befreien, von Störenfrieden, unruhigen Elementen, Nichtangepaßten.

Jonas: Wahre Wohltäter der Menschheit Sie beide.

Waldorf: Auf so hohes Lob erheben wir keinen Anspruch, Jonas. Wir sind Spieler.

Beringer: Wir spielen. Wir frönen unserer Leidenschaft.

Waldorf: Am Anfang haben wir Schach gegeneinander gespielt, Beringer und ich.

Beringer: Dann kamen klassische Kriegsspiele im Sandkasten, elektronische Simulationen.

Waldorf: Gladiatorenkämpfe im Colloseum haben wir veranstaltet, Duelle gesponsert, aber das war alles nicht das wahre.

Beringer: Es war nur Ersatz, nur als ob.

Waldorf: Bis wir auf die Idee kamen, richtig Krieg zu spielen, in großem Stil mit ganzen Armeen lebendiger Spielfiguren.

Beringer: Ein erhabenes, ein ungeheueres Gefühl. Wir spielen Schicksal.

Waldorf: Wir sagen es werde und es wird.

Jonas: So ist das. Darf ich mal, das Mikro: Friede. Es werde Friede. Waffenstillstand. Der Krieg ist aus. Ach mach doch die passende Begleitung Sam, du kannst das ja.

Sam: Ach, darf auch ich mal wieder, na ja dann, mit Wonne o du mein Berthold von Suttner, Ding Dong, Ping Pong, King Kong.

Jonas: Die Waffen nieder, jetzt spielte Jonas Schicksal und zwar gründlich: Drei Befehle gab ich den Soldaten auf beiden Seiten der Front. Die Kampfhandlungen einstellen. Nichts essen und nichts trinken. Den Kriegsschauplatz verlassen und nach Hause gehen. Ich schaltete die Holos an der Mauer aus und wartete mit Ophelia, mit Waldorf, Beringer, Morell. Stundenlang. Bis sich auf den Monitoren nichts mehr rührte.

Waldorf: Sie sind ein Spielverderber, Jonas.

Jonas: Das Spiel ist noch nicht zu Ende, meine Herrschaften, das Spiel geht weiter.

Sam: Jawoll.

Beringer: Wie denn. Es sind doch keine Figuren mehr auf dem Feld.

Jonas: Wir schicken neue raus. Sehen Sie, zu allen Zeiten hatten alle Soldaten einen Traum, daß die die den Krieg wollen und herbeiführen, ihn selbst auszutragen haben

Sam: Ein Ziel aufs innigste zu wünschen. Shakespeare.

Waldorf: Sie meinen doch wohl nicht.

Sam: Doch er meint.

Jonas: Ich meine. Sie gehen raus, Frau Waldorf, Herr Beringer, und Ihren zahmen Professor nehmen Sie mit.

Sam: Und zwar hurtig.

Jonas: Sie wollten natürlich nicht, aber sie mußten. Wir fütterten sie mit Frontrationen aus dem Kommissariat unten im Torhaus, und als die Droge sie ins Jahr 1918 versetzt hatte, trieb ich sie aufs Schlachtfeld, ich machte das Tor hinter ihnen dicht und stellte die Holos wieder an. Viel Vergnügen. Waffen würden sie mehr als genug finden. Wir fuhren zurück nach Babylon. Ophelia war stumm, und traurig. Jonas dachte nach. Ob er sie trösten sollte. Und wie. Und Sammy, der deklamierte.

Sam: Von Taten fleischlich blutig unnatürlich zufälligen Gerichten blindem Mord, von Toden durch Gewalt und List bewirkt und Plänen die verfehlt zurückgefallen auf der Erfinder Haupt.

Jonas: Der Rest ist Schweigen.

Das war Westfront. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam: Peer Augustinski. Es wirkten außerdem wirkten mit: Ute Willing, Jochen Busse, Harald Dietl, Hans Günter Martens, Horst Sachtleben und viele andere (Monika Woytowicz, Inge Solbrig, Hans Stetter, Udo Wachtveitl, Detlef Kügow, Hans Peder Hermansen, Werner Klein). Ton und Technik: Günter Heß und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Assistenz: Wolfgang Ruhdörfer. Regie: Werner Klein. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks (1991). Redaktion: Erwin Weigel.

Beitrag vom 02.04.2022 - 21:22
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Der letzte Detektiv
Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
Heute: Wunderland

Jonas: Ein Klient kommt ins Büro. Ein ordentlicher Fall bei einem ordentlichen Privatdetektiv fängt so an. So muß es sein. So steht es in den Büchern. Nicht beim letzten Detektiv. Meine Fälle fangen meist woanders an. Im Casablanca zum Beispiel. Dieser Fall fing ordentlich an. In meinem Büro. Nur eins war nicht in Ordnung. Der Klient hätte eine Klientin sein müssen. Wunderschön. Geheimnisvoll. Und möglichst blond.

Milius: Nett haben Sie es hier, Herr Jonas, so, so übersichtlich.

Jonas: Schauen Sie, Damen und Herren, staunen Sie, vor Ihnen erstreckt sich in seiner ganzen unfaßbaren Weite von sage und schreibe 22 Quadratmeter das Büroapartment von Jonas, dem letzten Detektiv. So lebt Jonas, Damen und Herren, so arbeitet Jonas, sind Sie hier, um mein Büro zu besichtigen oder haben Sie was auf dem Herzen?

Milius: Sagen wir, ich habe ein Anliegen, Herr Jonas, oder genauer, ich habe einen Auftrag für Sie.

Jonas: Ein ordentlicher Klient in ordentlicher Aufmachung, die Hände ordentlich im Schoß gefaltet, die schwarzen Stiefeletten ordentlich nebeneinander. Jedes einzelne der fünf Resthaare ordentlich über den Schädel gelegt. Bloß die Krawatte fiel aus dem ordentlichen Rahmen. Ein holographisches Design von greller Buntheit. Chaotisch.

Sam: Wahnsinnig. Unsinnig. Tierisch. Obszön. Häßlich. Echt geil Total toll. Jawoll.

Milius: Man gönnt sich ja sonst nichts.

Sam: Wo lassen Sie stylen, Genosse?

Milius: Ich bin nicht hier, um über Krawatten zu diskutieren, nicht mit Ihnen, Herr Jonas, und mit Ihrem Computer schon gar nicht.

Sam: Ahahah.

Jonas: Es gibt verschiedene Arten von Klienten: Die einen sagen: Sie haben einen merkwürdigen Computer. Die anderen sagen: Ihr Ton gefällt mir nicht. Manche sagen beides. Dieser Typ sagte weder noch. Eine Rarität. Fast so ausgefallen wie ein überverbaler überdrehter Computer. Ein Computer namens Sam.

Sam: Soll ich das spielen, Ricci, soll ich das noch mal spielen?

Jonas: Untersteh dich, Sammy.

Sam: Spielverderber. Trübe Tasse.

Milius: Zur Sache, Herr Jonas, mein Name ist Milius, Leo Milius.

Jonas: Und?

Sam: Ja und?

Milius: Ich arbeite im Wunderland.

Jonas: Gut für Sie.

Sam: Ja.

Milius: Als Sicherheitschef, und darum bin ich hier, Herr Jonas, wir haben nämlich ein Problem, ein Sicherheitsproblem.

Jonas: Und wie heißt ihr Problem, Herr Milius?

Milius: Sabotage, Herr Jonas, Sabotage im Wunderland. Wissen Sie, was das bedeutet, geschäftlich, meine ich?

Jonas: Ich konnte es mir denken. Wunderland ist ein großer Vergnügungspark. Nicht weit von Babylon. In der Wildnis. Berühmt für seine elektronisch-holografischen Simulationsprogramme. Eine Art Super-Kino zum Mitmachen. Kino gab’s, als ich jung war. Heute ist es überholt, wie 2D-TV, wie Bücher. Wunderland ist nicht überholt, Wunderland ist sehr beliebt, hab ich mir sagen lassen. Simulation ist nicht mein Bier. Sabotage schon eher.

Milius: Bisher weiß nur die Führungsspitze im Wunderland Bescheid, Herr Jonas, wir haben den Deckel draufgehalten, aber lange wird das nicht mehr möglich sein, immerhin hat der Ärger schon vor zwei Wochen angefangen.

Jonas: Einzelheiten, Herr Milius, was, wann, wie...

Sam: Wohin, woher, wozu, wofern, woholofern.

Jonas: Sei still, Sam. Schießen Sie los.

Milius: Also der erste Vorfall, der war am 21. Februar.

Sam: In diesem unserem Jahr des Herrn 2013. Immer präzise, gelle Mister.

Jonas: Was ist da passiert?

Milius: Das Wetter in SA 9.

Jonas: Moment. Wer oder was ist SA 9?

Milius: Simulationsareal 9. Exotische Abenteuer. Es lief gerade das Programm Hurra die Legion. Uralt, aber ständig ausgebucht, Herr Jonas. Die Kunden marschierten durch die Sahara als Fremdenlegionäre anno 1900. Die Sonne brannte, ihr Ziel, Fort Zinderneuf war noch viele Meilen entfernt. Ja wollen Sie sich denn keine Notizen machen, Herr Jonas?

Jonas: Nicht nötig, mein Computer hört zu und merkt sich alles. Nicht wahr, Sammy?

Sam: Schnarch...

Jonas: Sam?

Sam: Häh? Is was Chef?

Jonas: Du hast doch nicht etwa geschlafen?

Sam: Niemals! Stets auf den Pisten und den Posten, Monsieur Capitäne.

Jonas: Das will ich hoffen. Weiter, Herr Milius, die Leute latschten durch die Wüste.

Milius: Und da, Herr Jonas, fing es plötzlich an zu regnen. Ein richtiger Wolkenbruch, Herr Jonas, es regnete und regnete und hörte nicht auf.

Sam: Wenn der Regen, der Regen...

Milius: Das Wettersystem war verstellt und blockiert. Wir mußten die Legion abblasen, die Kunden entschädigen, und die Sahara mit einem speziellen Fönprogramm trocknen.

Sam: Hehehe.

Milius: Ein paar Tage später Vorfall Nummer zwei. In SA 4, die Welt, aus der wir kommen: Römer, Ritter, Recken, Programm Kampf mit dem Drachen. Der Robodrach, ein 10meter hohes Monstrum, fiel schwer aus der Rolle. Statt Feuer zu speien und markerschütternd zu brüllen, fehlte er um Gnade, er heulte, faltete die Tatzen, sagte was von einer todkranken Frau und 12 unmündigen Kinder. Sehr frustrierend für die tapferen Drachentöter in den Plastikrüstungen. Und erst gestern, Herr Jonas, ist eine Stripperin im Kinderprogramm aufgetaucht. Freddy Krüger, Schrecken der Elmstreet, der Renner bei unseren kleinen Besuchern, Sie können sich nicht vorstellen, Herr Jonas, was die Eltern gesagt haben, vor allem die Neopuritaner. Schmutziger Sex in einem gesunden harmlosen Horrorprogramm.

Jonas: Empörend, Herr Milius.

Sam: Ja, ein böser Streich, ein wahres Bubenstück.

Milius: Wir tun, was wir können, Herr Jonas, aber wir kommen nicht weiter. Er ist nicht zu fassen, der Verbrecher, der Saboteur.

Sam: Witzbold, Scherzkeks, Schabernackedei.

Milius: Er kennt sich im Wunderland offenbar bestens aus, weiß im voraus, was wir planen, wo wir unsere Fahnder postieren, ja, und darum bin ich auf die Idee gekommen, einen Außenseiter einzusetzen, einen unorthodoxen Mann, der neue Wege geht.

Jonas: Jonas heißt er, 120 Euros pro Tag und Spesen.

Milius: Sie übernehmen den Auftrag?

Jonas: Sieht ganz so aus. Sabotage im Wunderland könnte interessant sein. Wer meinen Sie, steckt dahinter, Herr Milius, die Konkurrenz?

Milius: Nicht ausgeschlossen, Herr Jonas, sehen Sie, das muß aber unter uns bleiben.

Sam: Natürlich.

Milius: Ein japanisches Unternehmen ist an Wunderland interessiert und hat erst kürzlich ernsthafte Fühler ausgestreckt.

Jonas: Und? Wollen die Denverschwerstern verkaufen?

Milius: Teils teils, Herr Jonas. Glen Denver will. Gwen will nicht. Unter uns, Glen wird sich durchsetzen. Glen setzt sich immer durch.

Sam: Sammy auch.

Jonas: Und bevor sie in die Verhandlungen einsteigen, könnten die Japaner versuchen, den Wert von Wunderland zu drücken, aha, durchaus möglich.

Milius: Denken Sie darüber nach, Herr Jonas, und seien Sie morgen früh in meinem Büro.

Jonas: Wo?

Milius: Ja Wunderland natürlich. Ich gebe am Haupteingang Bescheid. Moment mal, Sie können natürlich nicht als Jonas der letzte Detektiv im Wunderland auftreten, Sie sind, sagen wir...

Jonas: Researcher, für eine geplante Holosendung.

Milius: Einverstanden, und Sie heißen...

Sam: Er heißt Jon, Jan, Janik, Josua, Jason, Jonathan, Junius, Julius, Augustus, piep letztes bitte streichen.

Jonas: Janus, nur Janus.

Sam: Ja, der römische Gott des Eingangs und des Ausgangs, des Anfangs und des Endes, mysteriös, zwiegesichtig, janusköpfig.

Milius: Morgen früh um 10 bei mir, Herr Janus, nehmen Sie den Shuttle vom Heliport.

Sam: Und Ihren Fuß von meinem Kopf.

Jonas: Mitten im Wunderland steht ein hoher künstlicher Berg. Hier sind die Verwaltungsräume untergebracht, die Werkstätten, die Steuerzentren. Milius Büro lag hoch oben, nicht weit vom Büro der Direktorin, direkt unter dem Paradies, dem Gipfelrestaurant mit der berühmten Aussicht auf ganz Wunderland. Und darüber lag nur noch das Doppelpenthouse der Denverschwestern. Milius war nicht allein, als ich in sein Büro kam, 10 nach 10. Ein Detektiv, der auf sich hält, darf nicht zu pünktlich sein. Eine Frau stand am Fenster, unscheinbar angezogen, mein Alter, ein Gesicht, das Geschichten zu erzählen hatte. Sekretärin? So sah sie nicht aus.

Milius: Da sind Sie ja endlich, Herr äh...

Jonas: Janus.

Milius: Richtig, Herr Janus. Unsere Fedora hier wird sich um Sie kümmern. Fedora ist bei uns so eine Art Mädchen für alles. Sie wird Sie herumführen, Ihnen zeigen, was Sie sehen wollen, Ihre Fragen beantworten. Mich müssen Sie entschuldigen. Machen Sie sich am besten selbst bekannt.

Jonas: Gute Idee. Im Paradies, bei einem Drink?

Fedora: Wie Sie wollen, Herr Janus, ich stehe zu Ihrer Verfügung.

Jonas: Fedora war mir sympathisch. Sie hieß nur Fedora. Das sprach für sie. Und sie hatte was: Haltung. Stil. Intelligenz. Zu viel für ein schlichtes Faktotum.

Fedora: Das war ich auch nicht immer, Herr Janus.

Jonas: Nur Janus, den Herrn lassen Sie weg, ich bin keiner. Was haben Sie früher gemacht, Fedora?

Fedora: Ich war Autorin, Chefautorin im Wunderland. Die meisten Simulationsprogramme hab ich entworfen und ausgearbeitet, jahrelang, bis man keine Autoren mehr brauchte, weil sie überholt waren, weil jetzt Computer ihre Arbeit machen. Nicht besser, aber billiger. Weil sie die alten Programme immer wieder verwenden, meine Programme, Janus, und nur ein paar Variationen einbauen. Mich haben sie damals hier behalten, wegen meiner Verdienste um Wunderland, damit ich nicht nur von der Volkshilfe leben muß. Ich mach, was anfällt. Was man mir sagt.

Jonas: Bärenführer für Holoresearcher, zum Beispiel.

Fedora: Das ist nicht das Schlimmste.

Jonas: Danke. Was trinkt man hier?

Fedora: Wunderland Special natürlich. Waren Sie denn noch nie im Paradies, Janus?

Jonas: Noch nie.

Fedora: Aber doch im Wunderland.

Jonas: Auch nicht.

Fedora: Ach, kommen Sie mit, Janus.

Jonas: Wohin?

Fedora: Zum großen Panaromafenster, ich werde Ihnen Wunderland vorstellen.

Jonas: Ein Park. Schön. Wie gemalt. Hügel, Wiesen, Teiche, Bäume, Büsche, Blumen. Synthetisch. Natürlich. Aber das merkte man nur an der ordentlichen Ausrichtung, und an den zu stark leuchtenden Farben. Dazwischen ein paar Gebäude. Blockhäuser, Burgruinen, afrikanische Strohhütten, ein schräger Miniwolkenkratzer, und das Colloseum, in Kopie.

Fedora: Das ist die Arena, für Roboturniere und Corridas, Autocorridas, sehr beliebt, fast immer ausverkauft. Außerdem haben wir hier Stimgames, Einarmbanditen, 4D-Roulette.

Jonas: Und die Simulationen, die berühmten Wunderlandsimulationen, wo sind die?

Fedora: Unter dem Park, wo sonst, oben liegen nur die Eingänge. Die Palmengruppe da drüben, da geht’s runter in SA 9.

Jonas: Exotische Abenteuer.

Fedora: Richtig. Und ein Stück weiter rechts das Segelschiff auf dem Teich, das ist der Zugang zu SA 5, Blue Deep, Piraten, Taucher, Riesenkraken.

Jonas: Aha, und daneben der schiefe Turm von Babylon.

Fedora: Das ist ein amerikanisches Hochhaus aus dem 20. Jahrhundert, verkleinert, da kommen Sie zu SA 7, Metropolis, unser Citykrimiareal, Gangster, Detektive und so weiter.

Jonas: Ach, Detektive haben Sie auch?

Fedora: Ja, Sherlock Holmes, Professor van Dusen, Kommissar Maigret, und die schwarze Serie, ein nostalgisches Private Eye Programm, streng stilisiert mit allen klassischen Zutaten, vielleicht das beste Programm, das ich je geschrieben habe, leider läuft es nur noch sehr selten.

Jonas: Würde ich mir gern mal ansehen, dachte ich, später vielleicht. Erst die Arbeit. Ich ließ mir von Fedora die Simulationen erklären. Wie die Besucher vorbereitet und ausgerüstet wurden, wie alles in einander griff, Holoprojektionen, elektronisch gesteuerte Modelle, Besucher im Rollenspiel, wie die Simulationsprogramme abschnurrten.

Fedora: Wie ein Uhrwerk. Jedenfalls soll es so sein. Aber wenn mal was schiefgeht...

Jonas: Hier kann doch nichts schiefgehen. Wunderland ist Super-High-Tech.

Fedora: Eben drum, Janus. Wenn Sie in einem Programm nur eine Kleinigkeit, eine winzige Kleinigkeit verstellen, dann ist gleich der Teufel los, dann drehen sie durch, diese tollen Computer, dann spielen sie verrückt, dann brechen sie zusammen. Wissen Sie, was vor ein paar Tagen passiert ist?

Jonas: Sie erzählte mir das, was ich von Milius gehört hatte, die kuriosen Katastrophen in SA 9, 5 und 13, von denen angeblich nur die Führungsspitze im Wunderland etwas wußte. Sie erzählte sehr ausführlich und mit keineswegs klammheimlicher Freude. Das gab mir zu denken. Ich entschuldigte mich. Auf dem Klo holte ich Sam aus der Tasche. Nicht, um ihn reinzuschmeißen. Es war Zeit, Zeit für eine Konferenz unter vier Augen. Nur daß Sam keine Augen hatte. Sehen konnte er trotzdem, und hören und reden und kombinieren.

Sam: Ja, nicht daß ein hochgeistiger Computer in dieser Angelegenheit viel zu kombinieren hätte, der Fall ist klar, mein lieber Watson. Glasklar. Kristallklar. Aschklar. Die gesuchte Saboteuse ist die Dame Fedora.

Jonas: Da bin ich mir nicht ganz sicher, Sammy. OK, sie kennt die Vorfälle, ganz genau sogar, und die hat sie Jonas erzählt, obwohl der Janus ist, Holoresearcher das heißt die Öffentlichkeit.

Sam: Gerade weil, du Flaschenkürbis.

Jonas: Du meinst, sie will die Sachen publik machen und sie amüsiert sich darüber, kann sein. Aber das muß noch lange nicht heißen, daß sie die Dinger selbst gedreht hat. Gibt’s zu, Sammy, du hast was gegen Fedora, weil sie Computer nicht ausstehen kann.

Sam: O Vorurteil, dein Name ist Mensch. Computer sind objektiv. Computer sind emotionslos.

Jonas: Ganz was neues, Sammy.

Sam: Daß besagte Dame unverständlicher weise Computer nicht mag, nimmt Sam zur Kenntnis, ohne sich davon auch nur im geringsten beeindrucken oder gar beeinflussen zu lassen. Mit kühlem Gleichmut, mit überlegenem Lächeln. Soll sie doch die törichte trigepieselige Pute, schwachsinnige Schwalbe, holzköpfiges Huhn.

Jonas: Hör schon auf, Sam. Fakten.

Sam: Fakten, der Herr, bitte sehr. Soeben von einer elektronischen Kurzexkursion durchs Wunderland Zentralsystem zurückgekehrt, beehren wir uns, ihrer geschätzten Aufmerksamkeit folgende Fakten zu unterbr... Korrektur, zu unterbreiten. Erstens. Ach was. Die Angestellten im Wunderland sind, ob an festen oder an variablen Arbeitsplätzen datenmäßig stets erfaßt und kontrolliert. Gemäß Ausweis der gespeicherten Informationen hielt sich keiner von ihnen bei allen drei Sabotageakten in der Nähe der entsprechenden Steuerungsanlagen auf, kann demnach diese auch nicht manipuliert haben. Nun muß aber in Anbetracht der hierorts waltenden strikten Sicherheitsvorkehrungen der Täter zum Personal gehören.

Jonas: Moment, Sammy, das geht nicht.

Sam: Wieso denn nicht.

Jonas: Wenn alle Angestellten ständig kontrolliert werden.

Sam: Ach, wer sagt denn alle, du Bildungslücke. Eine im Wunderland beschäftige Person gilt als so gering, so unbedeutend, daß sie der Pflicht des regelmäßigen Uhrenstechens nicht unterworfen ist. Ein Mädchen für alles, von Kollegen wie Vorgesetzten kaum beachtet, ein Aschenbrödel, eine Cinderella.

Jonas: Fedora.

Sam: Ja. Die Computerhasserin. Ebendiese. Faktum Nr. 2: Die drei sabotierten Programme entsprangen sämtlich der Feder Fedoras. Sie kannte sie also in und auswendig, war informiert über die Codierung, und wußte präzis wo und wie der gewünschte Effekt am besten zu bewirken war. Langer Rede kurzer und gewichtiger Sinn, die Täterin heißt Fedora. Quod erat demonstrationsforum et dimonstrandum. Dixi. How, ich habe gesprochen.

Jonas: Ich sagte es ihr auf den Kopf zu. Sie war verblüfft, beeindruckt, und sie gab es zu. Auf der Stelle, ohne Ausflüchte, und ganz und gar nicht schuldbewußt.

Fedora: Stolz bin ich allerdings auch nicht darauf, Janus, es war kindisch, ein dummer Streich, wenn Sie wollen, aber es mußte sein, der Frust hatte sich in mir aufgestaut über viele Jahre. Ich mußte was tun, und unter uns, es hat Spaß gemacht.

Jonas: Ich kann’s Ihnen nachfühlen.

Fedora: Dann behalten Sie’s für sich, Janus. Wer das bißchen Unfug im Wunderland angestellt hat, wird Ihre Auftraggeber ja auch kaum interessieren.

Jonas: Im Gegenteil, Fedora.

Fedora: Wieso? Was soll Holo-TV...

Jonas: Ich habe nichts zutun mit Holo-TV, Fedora. Ich heiße Jonas, nur Jonas. Ich bin Privatdetektiv, der letzte, und mein Auftraggeber ist sehr an Ihnen interessiert.

Fedora: Milius?

Jonas: Milius. Kommen Sie, Fedora.

Jonas: Ganz wohl war mir nicht, aber wenn Jonas einen Auftrag angenommen hat, dann zieht er ihn durch, auch wenn er ihm nicht gefällt. Fall Wunderland war kein Ruhmesblatt für Jonas. Sehr kurz war er auch, dachte ich. Aber das war ein Irrtum. Der Fall fing erst an. Milius war begeistert, als ich mit Fedora bei ihm aufkreuzte. Er präsentierte uns gleich seiner Chefin, Direktorin Palafox. Die war offenbar nicht ganz so begeistert.

Palafox: Einen Privatdetektiv haben Sie eingeschaltet, Milius, dazu waren Sie nicht autorisiert.

Milius: Ich bin Ihr Sicherheitschef, Frau Palafox, wie ich meine Aufgaben durchführe

Palafox: Sagt Ihnen die Direktion, das heißt ich. Darüber unterhalten wir uns noch, Milius.

Milius: Von mir aus. Das wichtigste ist doch, daß unser Problem jetzt bereinigt ist. Der Saboteur ist gefaßt...

Palafox: Augenblick. Palafox. Ja, die ist hier. Was? Wann? Wo? Ausschalten. Absperren. Sofort. Nein, warten Sie auf meine Anweisungen. Glen Denver ist tot, vermutlich ermordet.

Milius: Im Wunderland?

Palafox: SA 8.

Milius: Gaslighttheater, bei laufendem Programm?

Palafox: In der 11 Uhr Matinee.

Milius: Jack the Rippershow, ich versteh.

Palafox: Sie nehmen die Sache selbst in die Hand, Milius, allererste Priorität.

Milius: Selbstverständlich, Frau Palafox. Und Fedora?

Palafox: Jetzt nicht, Milius, Fedora muß warten. Nehmen Sie sie mit, halten Sie sie fest, in der Zelle neben Ihrem Büro. Ich werd mich später um sie kümmern. Und Sie...

Sam: He, sie meint dich.

Palafox: Ja, Sie meine ich, den Privatdetektiv.

Jonas: Mein Name ist Jonas, nur Jonas.

Palafox: Mir völlig egal, wie Sie heißen. Sie können gehen. Ihr Honorar kriegen Sie überwiesen. Nehmen Sie den Personallift ganz nach unten, ein Minimobil bringt Sie dann durch einen der Servicetunnel zum Heliport.

Jonas: Wunderland hatte es ja mächtig eilig, Jonas loszuwerden. Aber Jonas war noch nicht fertig mit Wunderland. Es waren noch zu viele Fragen offen. Was würde aus Fedora werden? Wer hatte Glen Denver ermordet. Glen Denver, die an die Japaner verkaufen wollte, gegen den Willen ihrer Schwester Glen. Sollte ich mir das Simulationsprogramm Schwarze Serie zu Gemüte führen bei nächster Gelegenheit? Darüber dachte ich nach, als ich Ausschau nach einem Minimobil hielt, im Servicetunnel, tief unter Wunderland. Plötzlich ging das Licht aus, ich blieb stehen, versuchte mich zu orientieren. Da ging es wieder an, noch plötzlicher, in meinem Kopf. Eine Explosion. Feuerwerk. Sonne, Mond und Sterne. Vor allem Sterne. Dann nichts mehr. Zuerst Schmerzen, heftige Kopfschmerzen, dann der Geruch, vertraut, nostalgisch, aus der Jugendzeit, Samstag abend, Vaters Wagen, Benzin. Ich träumte von Benzinautos, ich mußte träumen, Benzinautos gab’s in Babylon schon lange nicht mehr. Aber ich träumte nicht. Ich war wach. Ich saß in einem Benzinauto. Am Fahrersitz festgeschnallt. Das Auto stand in einem dunklen Raum, voller Schatten. Plötzlich Action. Ein Tor klappte auf. Licht, hell, unerträglich, das erwartungsvolle Röhren einer großen Menge. Eine Gestalt sprang aufs Trittbrett, griff durchs Fenster, drückte mein rechtes Knie nach unten aufs Gaspedal, der Wagen machte einen gewaltigen Satz durchs Tor, in das Geschrei, ins Licht.

Sam: Wach auf, Tränendrüse. Nimm das Steuer.

Jonas: Sammy, wenn alle mich verlassen...

Sam: Sam bleibt dir treu. Bis daß der Tod uns scheidet, und das wird er sehr bald tun, du Saftsack. Reiß dich zusammen. Kuppeln, Schalten, Lenken.

Jonas: Wo sind wir?

Sam: Wunderland Arena.

Jonas: Autocorrida?

Sam: Drinnen Senior Torero, und siehe, dort nahen die Toreros. Ole.

Jonas: Zwei riesige Trucks rollten ein, Ballonreifen, Chrom und schwarzer Lack, an den massiven Stoßstangen meterlange Hörner, auf die wollten sie Jonas nehmen, das heißt seinen Wagen, einen Jeep, anno Golfkrieg, klein, wendig, mit einem Fahrer, der tat, was er konnte, und Jonas konnte fahren. Aber das reichte nicht. Zwei Trucks waren auf Dauer zu viel.

Sam: O O Ole. Was tut uns kund des Volkes Mund?

Jonas: Sammy, ich fahr um mein Leben, und du kommst mir mit Sprichworten.

Sam: Eben drum, Blödmann. Steht’s schlecht im Kriege, mach eine Fliege oder auch Fliege.

Jonas: Wie stellst du dir das vor? Soll ich aussteigen und mich eingraben oder über die 10meter Barriere springen?

Sam: Wie gekommen, so entronnen.

Jonas: Schlechter Reim, Sammy.

Sam: Doch guter Rat.

Jonas: Du meinst, zurück durchs Tor.

Sam: Jawohl, und weiter durch den Tunnel.

Jonas: Hoffentlich gibt’s einen.

Sam: Muß. Auf welchem Wege, euer Kurzschlüssigkeit, kämen die Fahrzeuge sonst hier her?

Jonas: Voll überzeugt war ich nicht, aber ich hatte keine Wahl. Ich schlug einen Haken, ansatzlos, und war draußen. Im Bereitstellungsraum. Scheinwerfer an. Sam hatte recht. Sam hat meistens recht. Es gab einen Tunnel. Hoch und dunkel und kurz. Und am Ende...

Sam: Oh, ein Tor.

Jonas: Und das ist zu. Was nun?

Sam: Auch nicht eben ein meisterhafter Reim, du Westentaschen. Augen zu und durch.

Jonas: Bist du sicher, Sammy?

Sam: Sicher bin ich sicher, das ist nur Plastik. Da bretterst du durch, eiskalt. Ole.

Jonas: Ole. Es krachte und knirschte, und der Jeep war durch, unter freiem Himmel, in der Wildnis, ich fuhr weiter, über Stock und Stein, so schnell es ging, bloß weg von Wunderland, da hatten sie was gegen Jonas. Aber auch hier draußen ließen sie ihn nicht in Ruhe. Ich hörte was. Sah mich um. Die beiden Trucks waren hinter mir her. Und sie kamen immer näher.

Sam: Gib, gib Gas, lahme Ente.

Jonas: Tu ich ja, Sammy, mein rechter Fuß schrammt schon fast am Boden. Die Karre ist nun mal nicht schneller. Sie schwärmen aus, die wollen uns in die Zange nehmen, Sammy. Von beiden Seiten und dann...

Sam: Machen sie dich platt.

Jonas: Dich aber auch, Sam.

Sam: Frage: Wollen wir uns das bieten lassen, Freund meiner digitalen Seele.

Jonas: Möglichst nicht, Sammy, jetzt sind sie auf gleicher Höhe, rechts und links, die ziehen nach innen.

Sam: Gas, oh du mein rasender Jonas.

Jonas: Im Gegenteil, Bremse.

Jonas: Die Trucks krachten seitlich aufeinander, in voller Fahrt, direkt vor meinem Jeep, ihre beiden Tanks explodieren in einem einzigen gewaltigen Feuerball. Ende der Jagd. Ich holte tief Luft, startete den Jeep, fuhr los, Richtung Babylon. Ich ging nicht zurück ins Büro, vielleicht warteten sie da schon auf mich. Trucker, geheimnisvolle Unbekannte, die was von Jonas wollten. Ich ging ins Casablanca zwecks Energiezufuhr. Dringend nötig nach den Aufregungen der letzten Stunden. Da saß ich also vor Jacobs Whisky und vor seinem in ganz Babylon gefürchteten Sojasteak, und dachte nach. Es war still. Nur der Holoset brabbelte vor sich hin.

Holo: In der vergangenen Nacht ist es wieder einer Gruppe von Drittweltlern gelungen, die Sperranlagen zu durchbrechen und in den Grenzbezirk Süd der VSE einzudringen. Dort wurden sie von starken Schutzverbänden gestellt und eliminiert. Babylon. Mord im Wunderland aufgeklärt...

Jonas: Jacob, stell den Holo lauter.

Holo: Glen Denver, Besitzerin von Wunderland, wurde heute vormittag kurz nach 11 Uhr im Wunderland ermordet. Wie Wunderlanddirektorin Palafox erklärte, ist die Täterin bereits gefaßt. Es handelt sich um eine ehemalige Autorin der Firma, die in den vergangenen Tagen bereits mehrmals versucht hatte, Vorstellungen im Wunderland durch Sabotageakte zu stören. Zur Zeit befindet sie sich im Gewahrsam der Wunderland Sicherheitskräfte. Wie Direktorin Palafox ferner bekannt gab, ist wegen des tragischen Todesfalls das Wunderland bis auf weiteres für das Publikum geschlossen. Vatikan Stadt. Der greise Papst Johannes Paul der zweite hat seine Absicht erklärt...

Jonas: Stell das Ding ab, Jacob.

Holo: Demnächst die Marsstation der UNO zu besuchen.

Jonas: Abstellen, Jacob.

Jacob: Weiß ich doch.

Jonas: Fedora, hast du gehört, Sammy, den Mord an Glen Denver wollen sie Fedora anhängen.

Sam: So hat es den Anschein, Sir.

Jonas: Das stimmt nicht, das stimmt hinten und vorne nicht. Heute vormittag um 11 war Fedora im Restaurant Paradies, zusammen mit Jonas.

Sam: Selbigen Jonas, welchen man später aufs Haupt geschlagen und in die lebensgefährliche Autocorrida verbracht hat, auf daß er dort versterbe.

Jonas: Du meinst, da besteht ein Zusammenhang?

Sam: Ja was denn sonst, du mein zum Himmel schreiender Bildungsnotstand.

Jonas: Damit ich Fedora kein Alibi geben kann.

Sam: Ach, wie könnte Jonas das. Ist er doch in der Wildnis verschollen, zu Tode gehetzt von tödlichen Truckern.

Jonas: Jedenfalls denken die das, wer immer die sind. Moment, Sammy, da gibt’s noch einen, der weiß, wo Fedora zur Mordzeit war.

Sam: Genosse Milius. Milius, der Ordentliche. Milius mit der umwerfenden Krawatte.

Jonas: Genau, los Sammy, zurück ins Wunderland. Wir greifen uns Milius, wir holen Fedora raus und wir stellen fest, was gespielt wird. Wer Glen Denver wirklich umgebracht hat.

Sam: Orido, Herr Forstadjunkt. Auf auf zum fröhlichen jagen.

Jonas: Problem, Sammy, Problem, wie kommen wir rein. Wunderland ist geschlossen.

Sam: Ja, aber nicht zu. Es gibt doch ein gewisses defektes Plastiktor, mit Zugang zum Servicetunnelsystem.

Jonas: Das Tor war noch nicht repariert. Sie hatten einen Wächter davor gestellt. Einen von der Wunderlandsicherheitstruppe in seiner blaurotgestreiften Uniform. Er sah müde aus. Ich schickte ihn ins Bett. Mit dem Griff meiner Smith & Wesson, dann längerer Schleichmarsch durch den Untergrund, keine besonderen Vorkommnisse. Milius Büro war leer. Auf den ersten Blick. Auf den zweiten war er da. Hinter seinem Schreibtisch auf dem Fußboden. Seine Krawatte war nicht mehr bunt, sie war nur noch rot.

Sam: Auauau. Rot wie Blut. Also vorhin gefiel sie mir besser.

Jonas: Erstochen mit seinem Brieföffner.

Sam: Siehste.

Jonas: Damit ist der zweite Alibizeuge für Fedora ausgeschaltet. Apropos Fedora, wo steckt sie?

Sam: In der Zelle neben diesem Büro. Hat Direktorin Polarfuchs, Korrektur Palafox gesagt. Such, Fido, such.

Jonas: Ein belüftetes Loch hinter dem Waschraum für Randalierer, Taschendiebe, was im Wunderland so anfiel. Diesmal saß Fedora drin. Ich machte auf. Milius hatte die Paßscheibe in der Tasche. Fedora wollte nicht rausgeholt werden. Schon gar nicht von Jonas. Das änderte sich, als ich ihr sagte, was los war.

Fedora: Ich soll Glen Denver ermordet haben?

Jonas: Behauptet Palafox.

Fedora: Die lügt. Ich kann sie gar nicht ermordet haben. Wissen Sie, wie sie umgekommen ist, Jonas?

Jonas: Ich weiß nur wo. SA 8 Gaslightheater, Jack the ripper show.

Fedora: Ja, da ging sie regelmäßig hin, jeden Sonntag zur 11 Uhr Matinee, um sich ermorden zu lassen.

Jonas: Ein ausgefallenes Sonntagsvergnügen.

Fedora: Das war ihre große Leidenschaft. Sie spielte dann die Prostituierte. London 1888. Jack lockt sie in einen dunkeln Hinterhof, schneidet ihr die Kehle durch, schlitzt sie auf, mit einer Messeratrappe.

Jonas: Jeden Sonntag.

Fedora: Nur heute nicht, da hatte Jack ein richtiges Messer mit scharfer Klinge. Jack ist ein Modell, lebensecht, elektronisch programmiert, er zog sein Programm ab wie immer.

Jonas: Und Glen Denver wurde ermordet, diesmal wirklich und endgültig.

Fedora: Ich frage mich, was sie in ihren letzten Sekunden gedacht hat, ob sie Angst hatte, oder ob es das war, was sie im Grunde immer gesucht hat.

Jonas: Ich frage mich, wer die Messer vertauscht hat, und wann.

Fedora: Wann? Das kann ich Ihnen genau sagen, Jonas, zwischen halb 11 und 11. Die Jack-the-Ripper-Show dauert anderthalb Stunden und läuft mehrmals am Tag. In der 9 Uhr Vorstellung, als Glen noch nicht dabei war, war alles in Ordnung.

Jonas: Zwischen halb und 11 waren wir zusammen, Fedora, im Paradies.

Sam: Jaja, machen wir’s kurz. Schlunz, funz, alles klar, Fedora ist unschuldig, obwohl sie keine Computer mag. Jetzt weg, raus hier, Wunderland ist gefährlich, nicht geheuer, wer zu viel weiß, wird abgemurkst, wiedersehen, alles Gute, tschüß, servus, arividertschi. Feierabend, aus die Maus.

Jonas: Also Rückzug durch den Tunnel Richtung Plastiktor, und dabei stellten wir fest, daß wir wirklich viel wußten, wir wußten alles, auch wer Glen Denver umgebracht hat.

Fedora: Palafox. Es kann nur Palafox gewesen sein.

Jonas: Wegen der Japaner.

Fedora: Natürlich, die hätten ihre eigenen Spitzenmanager mitgebracht. Das machen die immer so.

Jonas: Und Direktorin Palafox hätte ihren lukrativen Job verloren.

Fedora: Deshalb hat sie auch Milius ermordet.

Jonas: Und Jonas in die Corrida eingeschmuggelt.

Fedora: Niemand sollte mir ein Alibi geben können.

Jonas: Wissen Sie, Fedora, eigentlich haben Sie Palafox einen großen Gefallen getan mit Ihrer Sabotageserie, damit haben Sie sie auf die Idee gebracht, und Sie haben ihr eine maßgeschneiderte Mörderin geliefert, frei Haus, auf dem Tablett. Sie brauchte es nur so aussehen zu lassen, als gehöre der Mord an Glen Denver dazu als viertes und letztes Glied der Kette.

Fedora: Woher sollte ich denn ahnen...

Jonas: Pst! Sehen Sie, da vorne...

Fedora: Blaurote Uniformen.

Jonas: Sicherheitstypen, jede Menge und bewaffnet. Vor dem Ausgang. Hier kamen wir nicht durch. Wir gingen zurück und überlegten.

Fedora: Es gibt ja noch eine Denverschwester. Gwen. Die sollten Sie kontakten.

Jonas: Wird sie uns glauben? Ist sie überhaupt zu erreichen?

Sam: Sie ist, Magni- und Minifizenz.

Jonas: Woher willst du das wissen, Sam?

Sam: Haben wir etwa die kleinen Schweinchen gehütet, Madam?

Jonas: Sei nicht albern, Sam. Das Wunderland Zentralsystem...

Sam: Hat keine Geheimnisse vor Sam, Sam dem Biegsamen, dem Geschmeidigen, dem Gewieften, dem Gewitzten und Verschmitzen, Sam Dampf in allen Schaltkreisen.

Fedora: Respekt, Herr von und zu Samuel.

Sam: Ein Blick ins System, und Sammy weiß, daß die Dame Glen Fidchich, Korrektur Glen Denver sich in ihrem Penthouse aufhält, zum Bleistift, auf dem Gipfel hoch über Wunderland, und daß ein paar Stockwerke tiefer im Steuerzentrum Direktorin Palafox die Fahndung leitet.

Palafox: Achtung, hier spricht Direktorin Palafox, an alle Sicherheitskräfte im Wunderland. Großfahndung. Unterstützt von einem auswärtigen Kriminellen ist Fedora, die Mörderin unserer verehrten Glen Denver aus dem Gewahrsam ausgebrochen.

Sam: Siehste?

Palafox: Dabei hat sie euren Chef, meinen Freund, Leo Milius ermordet. Fedora und ihr Begleiter sind bewaffnet und äußerst gefährlich. Alle Sicherheitskräfte werden ermächtigt, bei ihrem Anblick sofort und ohne Warnung scharf zu schießen.

Sam: Tschüß.

Jonas: Wir versteckten uns in einem Seitentunnel und überlegten weiter. Es sah nicht gut aus für uns.

Fedora: Raus kommen wir nicht, Jonas, und wenn sie anfangen, alles durchzukämmen, können wir uns nicht lange halten.

Sam: Agieren, nicht reagieren.

Jonas: Sagt Klausewitz. Sehr richtig, Sammy. Hör mal zu, du kennst dich doch im Wunderland Zentralcomputer bestens aus.

Sam: Wie ein Fisch im Wasser. Wie Jonas im Babypsilon.

Jonas: Wenn wir da nur wären.

Fedora: Jonas, ich hab eine Idee, warum verlagern wir die Auseinandersetzung mit Palafox und ihren Leuten nicht auf ein für uns günstigeres Terrain.

Jonas: SA 7 Metropolis. Schwarze Serie.

Fedora: Genau. Ich hab das Programm geschrieben, ich kenne jede Einzelheit, und Sie, Jonas...

Jonas: Jonas ist Nostalgiker, Fedora, Marlowe-Fan, Bogie-Fan.

Sam: Sammy-Fan.

Jonas: In einer nostalgischen Detektivsimulation werde ich mich wie zuhause fühlen. Besser. Bringen Sie uns hin, Fedora. Sammy wird das Programm einschalten.

Fedora: Augenblick, Jonas. Palafox ist in der Steuerzentrale. Wenn in SA 7 ein Programm startet, merkt sie das sofort.

Jonas: Das soll sie auch. Sammy wird ihren Befehlstand abblocken, sie neutralisieren, dann kann sie uns nicht abschalten und ihren Leuten keine Anweisungen geben. Wenn sie uns fassen will, muß sie runterkommen, ins Programm einsteigen, mitspielen.

Fedora: Das wird sie, Palafox ist eine Spielerin.

Jonas: Bestens. Und wenn Gwen Denver auch gern mal spielt.

Fedora: Tut sie. Wie ihre Schwester. Was haben Sie vor, Jonas?

Sam: Das wirste schon sehen.

Jonas: Die Stadt hatte viele Namen. Metropolis, Gotham City, Poisonville, oder einfach die Stadt. Über der Stadt lag Nacht. Es lag immer Nacht über der Stadt. Und es regnete. In der Stadt regnete es immer. Nervös weißes Neonlicht spiegelte sich in dunklen Pfützen und schwarzglänzendem Asphalt. Irgendwo wurde geschossen. In der Stadt wurde immer geschossen... Schritte... Leise vorsichtige Schritte. Zwei Gestalten traten aus einem dunklen Torweg auf die schwarz glänzende Straße. Sie blieben stehen. Zwischen einem Hydranten und einer verbeulten grauen Mülltonne.

Fedora: Das ist sie, Jonas, die schwarze Stadt der schwarzen Serie.

Jonas: Gefällt mir. Dunkel. Gefährlich.

Fedora: Die Aura des Bösen.

Jonas: Sie sagen es, Fedora. Vorsicht!

Holo1: Hände hoch!

Fedora: Jonas, keine Angst, die Figur in der Mülltonne ist nur ein Hologramm.

Jonas: Warum sagen Sie das nicht vorher?

Fedora: Das nächste Mal, versprochen.

Sam: Hoffentlich.

Jonas: Ich tauchte hinter dem Hydranten auf und steckte die Smith & Wesson weg, dann schlug ich den Kragen hoch, zog den Hut ins Gesicht, und führte eine kurze Unterhaltung mit meiner Manteltasche.

Sam: Alles geritzt, Boss.

Jonas: Palafox weiß Bescheid, Sam?

Sam: Na klar, Boss.

Jonas: Hast du ihre Befehlsleitung blockiert?

Sam: Aber immer, Boss.

Jonas: Und die Sache mit Glen Denver.

Sam: Ist angeleiert, Boss. Aktion Schwarze Serie läuft, Boss, bestens.

Jonas: OK, Sammy, aber du bist auf dem falschen Dampfer.

Sam: Wieso?

Jonas: Jonas ist nicht der Gangsterboß in der schwarzen Serie.

Sam: Aha.

Jonas: Jonas ist der Detektiv, Private Eye, lonesome Gun, pausenlos unterwegs im Dienst der Gerechtigkeit, unermüdlich tätig, um die Stadt zu säubern, um die Chefin der Unterwelt, die berüchtigte Polly Fox unschädlich zu machen.

Sam: Hoch klingt das Lied vom braven Mann, hoch auf dem gelben Wangen.

Fedora: Und ich bin die Freundin, die Frau an seiner Seite, Veronica Lake, Lauren Bacall, ein bißchen wild, aber loyal, durch und durch.

Sam: Na, ich weiß nicht.

Fedora: Häh?

Jonas: Wir hatten uns passend eingekleidet, in der Gardarobe von SA 7. Fedora trug ein enges Abendkleid aus Silberlame, darunter nur schwarze Seidenstrümpfe, darüber einen platingrauen Chinchillamantel, erstklassiges Imitat. Jonas hatte sich einen hellen Trenchcoat zum Smoking gegriffen und einen Filzhut aufgesetzt, schwarz, mit breiter Krempe.

Fedora: Hey, steht Ihnen, Jonas, steht Ihnen ausgezeichnet.

Sam: Und auch Gnädigste sehen heute abend hinreißend aus, charmo charmant küß die Hand.

Fedora: Danke, Herr Sam, ich mag zwar keine Computer, aber bei Ihnen könnte ich glatt eine Ausnahme machen.

Sam: Och, sag Sam zu mir, ja, sag du.

Jonas: Setzen Sie Sammy bloß keine Rosinen in den Kopf, Fedora. Schwarze Limousine von links, Holo nehm ich an.

Fedora: Nein, Jonas, das sind Sicherheits...

Jonas: Deckung, zurück in den Torweg!

Sam: Aua!

Jonas: Ein schlechter Schütze, der Beifahrer mit der altmodischen MP. Wir standen auf, klopften uns ab, und zuckten zusammen. Ein Streifenwagen raste an uns vorbei, mit heulender Sirene.

Fedora: Das war nun wieder eine Holoprojektion.

Sam: Achtung, melde gehorsamst, soeben ist Direktorin Palafox in laufendes Programm schwarze Serie eingetreten. Sie hat Rolle von Gangsterchefin Polyphon, Korrektur Polly Fox übernommen.

Jonas: Wie geplant. Wunderbar. Übergang zur Phase zwei. Sie kennen den Weg, Fedora.

Fedora: Zum Nachtklub.

Jonas: Und zur Telefonzelle.

Fedora: Richtig. Kommen Sie.

Jonas: Wir liefen durch die nassen schwarzglänzenden Straßen, ab und zu Autos, manchmal fiel ein Mensch vom Dach und schlug vor uns aufs Pflaster, oder wir traten auf eine Leiche, Eispickel im Genick, Loch in der Schläfe. Wir bogen um eine Ecke und waren da, an der Telefonzelle.

Holo1: Hallo?

Fedora: Hey, die zwei Figuren, die Polly sucht, sind im Blackoutclub, sag ihr das.

Holo1: Wer spricht?

Fedora: Eine Freundin.

Jonas: Der Club lag direkt gegenüber. Zuckende Neonröhren buchstabierten Blackout. Ein zerschlissener Baldachin, darunter eine Tür, keine Klinke. Dafür ein Guckloch. Wir klopften.

Holo1: Privat. Nur für Mitglieder.

Fedora: Wir sind Mitglieder, Schätzchen.

Holo1: Ach ja? Zeigen Sie mal Ihren Ausweis.

Jonas: Er nahm die 10-Dollarnote und machte uns auf. Drinnen war es fast so dunkel wie draußen. Ein niedriger Saal, nur wenige Gäste, halbseidene Typen im Smoking. Nachtschwalben in Arbeitskleidung. Kellnerinnen mit Beinen bis zum Hals. Vorn ein kleines Podium, ein Klavierspieler spielte Klavier, eine Sängerin sang. Wir setzten uns, an einen Tisch, ganz hinten.

Holo2: Pink Lady für die Lady.

Fedora: Danke.

Holo2: Und für Sie, Sir, Scotch on the Rocks. Haben Sie sonst noch Wünsche? Heroin, Kokain, Perversionen?

Jonas: Danke. Nicht viel los bei Ihnen.

Holo2: Die Nacht ist noch jung, Sir.

Sam: Sammy auch.

Jonas: Holo?

Fedora: Alles hier drin ist Holo, Jonas, die Bedienung, die Gäste, die Künstler, alle, mit einer Ausnahme.

Jonas: Hoffentlich. Ich frage mich, wer von den...

Palafox: Ruhe! Alle an die Wand. Kein Laut, keine Bewegung!

Sam: Aua!

Jonas: Direktorin Palafox alias Polly Fox. In einem schwarzen Herrenanzug, mit Weste und Krawatte, und MP, sehr schick, sehr verrucht. Ihre Gangster hatte sie mitgebracht, die sahen allerdings verdächtig nach Wunderlandsicherheit aus, blaurote Uniformen, Laserstrahler, ein schwerer Stilbruch. Aber das störte Palafox nicht. Sie hatte erreicht, was sie wollte.

Palafox: Da ist sie ja, unsere liebe Fedora, mit ihrem Kavalier, diesem Privatdetektiv.

Jonas: Jonas ist der Name, nur Jonas.

Palafox: Nur zu. Sie werden bald keinen Namen mehr brauchen. Fesselt die beiden und dann raus mit euch, wartet vor der Tür, ich hab noch ne Kleinigkeit zu erledigen.

Jonas: Fünf Minuten später waren wir unter uns. Palafox, Fedora, Jonas. Die Holofiguren an den Wänden zählten nicht. Oder doch?

Palafox: So, jetzt müßte ich Ihnen Betonschuhe verpassen und Sie damit auf den Grund des Eastrivers schicken, aber ich glaube nicht, daß wir hier irgendwo Beton haben, und den Eastriver haben wir schon gar nicht. Wir werden uns mit dieser Waffe begnügen müssen, keine Attrappe, kein Hologramm, eine echte Antiquität. Thomygun sagte man damals dazu.

Jonas: Sie wollen uns umbringen.

Palafox: Ja. Offenbar sind Sie ein ganz besonders schlauer Privatdetektiv, ja, ich will sie umbringen.

Fedora: Hören Sie, Frau Palafox.

Palafox: Polly bitte, Polly Fox, Sie fallen aus der Rolle, Fedora.

Fedora: Also, Polly, warum wollen Sie uns töten, Polly?

Palafox: Das wissen Sie doch.

Fedora: Sagen Sie es uns trotzdem, Polly, bitte.

Palafox: Na, Sie haben recht, am Schluß wird reiner Tisch gemacht, so ist es in den alten Büchern und in den Filmen, OK, packen wir aus. Ich habe Glen Denver ermordet, weil sie an die Japaner verkaufen wollte, und die hätten mich rausgesetzt.

Fedora: Das ist ein Grund.

Palafox: Nicht wahr? Es sollte so aussehen, als gehörten Mord und Sabotage zusammen, aber dann hat Milius sich eingemischt, und Sie, Sie Privatdetektiv, Sie haben Fedora als Saboteurin entlarvt und ihr gleichzeitig für den Mord ein Alibi gegeben, zusammen mit Milius. Darum mußte ich auch Milius umbringen. Bei Ihnen hat’s nicht ganz geklappt, leider, aber das holen wir jetzt nach.

Jonas: Na bitte, wir hatten Palafox dazu gebracht, ein Geständnis abzulegen. Wie geplant. Während Sie redete, bewegte sich was hinter ihr, eine Holofigur löste sich von der Wand, kam näher, eine Frau, nicht mehr jung, aufgedonnert, Schlitz im superkurzen Kleid, Ausschnitt bis zum Bauchnabel, hinter Palafox blieb sie stehen, holte einen Laserstrahler aus ihrer Handtasche und bohrte ihn Palafox in den Rücken.

Gwen Denver: Lassen Sie die Maschinenpistole fallen, Palafox.

Palafox: Kusch, zurück an die Wand, übernimm dich nicht, du bist nur eine Holoprojektion.

Gwen Denver: Meinen Sie, Palafox? Erkennen Sie mich nicht? Vielleicht habe ich mir etwas zu viel Make-up aufgekleistert, sehen Sie mich nur richtig an.

Palafox: Mein Gott, Gwen, Gwen Denver, wie kommen Sie hierher?

Jonas: Wir haben sie kontaket, über meinen Computer.

Fedora: Und weil sie uns nicht ohne weiteres glauben wollte, haben wir sie aufgefordert, sich in die schwarze Serie einzuschleusen, als unauffällige Holofigur.

Gwen Denver: Und das hab ich getan, mit großem Vergnügen. Aber wenn ich an meine arme Schwester denke, die Sie auf dem Gewissen haben, Palafox, Waffe weg!

Palafox: Ah!

Jonas: Palafox ließ die MP fallen und hielt sich die rechte Hand. Sie war geschlagen und sie wußte es. Gwen Denver band uns los, dann informierte sie die Sicherheitstypen, gab ihnen neue Befehle, ließ sie abrücken, mit Palafox.

Gwen Denver: Alles erledigt. Wir können das Programm beenden.

Jonas: Sammy?

Sam: Was wünscht mein Herr und Meister?

Jonas: Schalt die Schwarze Serie ab.

Sam: So sei es, Sahib.

Gwen Denver: Schicken Sie mir Ihre Rechnung, Herr Jonas. Fedora, kommen Sie mit.

Fedora: Ja. Auf Wiedersehen, Jonas, und... Danke.

Jonas: Das ist also das Simulationsareal. Die Wirklichkeit. Eine kahle Scheune. Rohre. Ein paar Drähte. Traurig.

Sam: Ach, mach dir nichts draus, Kumpel, sieh mal, Babylon ist doch auch was, ne, auch duster, auch gefährlich, naja vielleicht nicht sehr romantisch, aber mondieu, was willst du mit Romantik? Kannst dir nichts dafür kaufen. Weißt du was, Alter, wenn dir die Wirklichkeit mal zu sehr auf den Wecker fällt, dann, ja dann gehst du ins Wunderland und buchst einmal schwarze Serie, nicht, ja.

Das war Wunderland. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam Peer Augustinski. Außerdem wirkten mit: Ilona Grübel, Ilse Neubauer, Karl Heinz Vietsch und viele andere (Helga Fellerer, Udo Wachtveitl, Julia Fischer). Ton und Technik: Günter Heß und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Assistenz: Wolfgang Ruhdörfer. Regie: Werner Klein. (Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks) (1991). (Redaktion: Erwin Weigel).

Beitrag vom 02.04.2022 - 21:22
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Der letzte Detektiv
Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
Heute: Paranoia

Sam: Zwei Knaben gingen durch das Korn...

Jonas: Nicht schon wieder.

Sam: Der eine bluß das Klappenhorn.

Jonas: Nein!

Sam: Doch. Er konnt's zwar nicht gut blasen, doch blus er’s einigermaßen.

Jonas: Freut euch des Lebens.

Sam: Ja, wahrlich freuet euch und abermals freuet euch, denn siehe, Großmutter wird mit der Sense rasiert. Ole. Hahaha.

Jonas: Sam hatte sich einen Virus eingefangen, den berüchtigten Klapphornvirus, weiß der Teufel, wo er sich rumgetrieben hatte. Sam ist mein Computer. Klein, aber laut, eine Nervensäge schon ohne Virus, und mit Virus gar nicht mehr auszuhalten.

Sam: Und ferner steht geschrieben im Buche des Klapphorns: Zwei Knaben suchten emsiglich am Baum nach einem Apfel. Sie fanden keinen Apfel nicht.

Jonas: Der Baum, das war ne Pappel. Hallo.

Koslowski: Was sagten Sie?

Jonas: Ich sagte Hallo.

Koslowski: Ach. Herr Jonas?

Jonas: Nicht ausgeschlossen.

Koslowski: Der Detektiv?

Jonas: Könnte sein. Und wer oder was sind Sie?

Koslowski: Vielleicht eine Klientin. Falls Sie mich heute noch aufsuchen. Hotel Tivoli, Babylon Ost, Löwengrube 28, Zimmer 42.

Jonas: Heute noch. Wissen Sie, wie spät es ist?

Koslowski: Selbstverständlich weiß ich, wie spät es ist. 22 Uhr 27. Sie sollten sich beeilen, Herr Jonas.

Jonas: Kein Name. Hotel Tivoli, Sammy. Fonnummer. Sam!

Sam: Bitte sehr, bitte gleich der Herr Fonnummer Hotel Tivoli.
772. A zwei Knaben reisten an den Nil.

Jonas: Ich schalt dich ab, Sam.

Sam: Den andern fraß ein Krokodil.

Jonas: Schluß, Sam. Ende. Punkt.

Sam: Punkt Punkt Komma Strich.

Jonas: Strich drunter. Aus. Kein Klapphorn, kein Knabe.

Sam: Zwei Knaben, Sir. So steht's geschrieben.

Jonas: Sendeschluß, Sam. Fonnummer Tivoli. Dalli.

Sam: 772583999.

Jonas: In Zimmer 42 wohnte keine Dame. In Zimmer 42 wohnte ein einzelner Herr. Babitsch mit Namen. Baris Babitsch. Seltsam. Verdächtig. Ganz und gar nicht astrein. Trotzdem machte Jonas sich auf die Socken. Alles war besser als im Büro zu hocken und Sams Klapphornversen zu lauschen. Die Löwengrube war eine kleine schäbige Straße in einem kleinen schäbigen Viertel. Hotel Tivoli war nicht klein, dafür um so schäbiger. Ich sah’s mir an, von der gegenüberliegenden Straßenseite. Ich war allein, dachte ich.

Mann mit Plakat: Das Ende der Welt ist nahe.

Jonas: Sie sagen mir nichts neues.

Mann mit Plakat: Bereuet und tut Buße.

Jonas: Bei Gelegenheit. Gehen Sie weiter, Freund.

Mann mit Plakat: Das Ende der Welt ist nahe.

Jonas: Haben Sie schon mal gesagt, außerdem steht’s auf dem Plakat, das Sie um den Hals hängen haben.

Mann mit Plakat: Dem Untergang geweiht ist unser Raumschiff Erde.

Jonas: Kein Wunder, der Kapitän ist besoffen.

Mann mit Plakat: Schon verlassen die Ratten das sinkende Schiff. Sehen Sie, dort drüben, das helle Fenster im 4. Stock. Hotel Tivoli. Zimmer 42.

Jonas: Da steigt einer aufs Fensterbrett. Der will springen. Halt! Tot. Nichts mehr zu machen. In der Ferne heulten Sirenen. Ich sah mich um. Der Plakatmensch war verschwunden. Gute Idee. Jonas verschwand auch. Es war spät. Und ich hatte keine Lust, mich stundenlang als Zeuge ausquetschen zu lassen. Am nächsten Morgen wollte ich mir Gedanken machen über die anonyme Anruferin, über das Ende der Welt, und über den Selbstmörder in Zimmer 42. Aber ich hatte keine Zeit, weil jemand zu mir kam. Eine Frau, an die 40. Dunkel, wohlgefällig anzuschauen. Sie hieß Lisa Koslowski, sagte sie. Ihre Stimme kam mir bekannt vor. Hatte sie mich gestern abend angerufen?

Koslowski: Das spielt keine Rolle, Herr Jonas.

Jonas: Ach, und was spielt eine Rolle, Frau Koslowski?

Koslowski: Mein Onkel, Herr Jonas.

Jonas: Sieh mal an, der liebe Onkel. Und die übrige Verwandtschaft alles wohlauf.

Koslowski: Ihr Ton...

Jonas: Gefällt Ihnen nicht, ich weiß. Nachdem wir das geklärt haben, sollten wir zur Sache kommen. Warum sind Sie hier, Frau Koslowski?

Koslowski: Weil ich einen Privatdetektiv brauche natürlich. Aber inzwischen bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich an der richtigen Adresse bin.

Jonas: Sie war. Richtiger ging’s gar nicht. Ich bin Privatdetektiv. Der letzte und darum auch der einzige. In Babylon, der großen Stadt, mitten in den Vereinigten Staaten von Europa. Jonas ist mein Name, nur Jonas. Nicht Philip Marlowe, nicht Sam Spade, nicht Nestor Burma. Ein großer Held bin ich nicht. Ich bin ein Nachfolger. Nehmen Sie mich, wie ich bin, dann tu ich für Sie, was ich kann.

Koslowski: Ich kann es nicht glauben. Onkel Baris hätte so etwas nie gemacht.

Jonas: Was?

Koslowski: Selbstmord. Ich versteh das nicht.

Jonas: Ich verstand es auch nicht. Diese Unterhaltung hatte ich schon mal geführt. Wort für Wort vor 4 Jahren. Mit Judith Delgado. Aber an Judith wollte ich jetzt nicht denken. Judith war tot. Am 19. Juli 2012 hatte man sie erschossen. Vor genau 9 Monaten.

Koslowski: Onkel Baris ist aus dem Fenster gesprungen, sagt die Polizei, gestern abend.

Jonas: Kurz vor Mitternacht. Zimmer 42. Hotel Tivoli. Löwengrube 28.

Koslowski: Korrekt, Herr Jonas.

Jonas: Sie haben mich gestern angerufen, Frau Koslowski.

Koslowski: Das ist nicht ihr Problem, Herr Jonas, Ihr Problem ist, was steckt hinter dem angeblichen Selbstmord, wie ist Onkel Baris wirklich umgekommen, das sollten Sie herausfinden, Herr Jonas, das ist ihr Auftrag.

Jonas: 120 Euros pro Tag und Spesen.

Koslowski: Einverstanden.

Jonas: Name?

Koslowski: Babitsch. Baris Babitsch. 60 Jahre, alleinstehend.

Jonas: Volksrentner?

Koslowski: Wo denken Sie hin, Herr Jonas, Onkel Baris ist, war eine Persönlichkeit von Gewicht, der Leitende Direktor von Sanssouci.

Jonas: Sanssouci. Sorgenfrei. Von wegen Entsorgung. So heißt die Müllkippe von Babylon, draußen vor den Toren, mehr als eine Müllkippe, eine Müllandschaft. Müllberge. Müllebenen. Müllschluchten von Horizont zu Horizont, viele Quadratkilometer, vollautomatisch gewartet von riesigen Müllmaschinen, Schaufeln und Bagger auf Ketten.

Koslowski: Und da hat er auch gewohnt, Onkel Baris. In Sanssouci. Im Verwaltungstrakt. Gleich neben seinem Büro.

Jonas: Nicht im Hotel Tivoli?

Koslowski: Im Hotel hat er sich erst gestern eingemietet, ganz plötzlich, ohne Gepäck.

Jonas: Aus welchem Grund?

Koslowski: Das weiß ich nicht.

Jonas: Vielleicht sollte ich da ansetzen.

Koslowski: Im Tivoli können Sie sich später umsehen, Herr Jonas, zuerst fahren Sie raus nach Sanssouci, gleich, so schnell wie möglich. Mieten Sie sich ein E-Mobil.

Jonas: Das kostet was, Frau Koslowski.

Koslowski: Auf Spesen natürlich. Brauchen Sie einen Vorschuß?

Jonas: Den braucht Jonas immer. Außerdem brauchte er Rat. Dringend. Im Fall Babitsch stimmte hinten und vorne nichts. Gab es überhaupt einen Baris Babitsch? Als Lisa Koslowski gegangen war, ließ ich Sam nachsehen.

Sam: Boris Klapphorn. Piep. Geboren 13.3.1953. Verstorben, Klammer auf, Suizid Klapphorn zu, 22.4.2013, Klapphornnummer 17357

Jonas: Falls du Bürgernummer meinst, Sammy, die brauchen wir nicht. Funktion.

Sam: Leitender Direktor der staatlich babylonischen Klapphorndeponie Sanssouci.

Jonas: Wenn du noch einmal Klapphorn sagst, Sam, nur noch ein einziges Mal, dann fliegst du aus dem Fenster.

Sam: Aus dem 16. Stock, du Sadist? Da könnte ein Klapphorn leicht Schaden nehmen.

Jonas: Ich geb’s auf. Hat er eine Nichte namens Koslowski?

Sam: Der Baris Klapphorn?

Jonas: Babitsch heißt er, Babitsch, hat er oder hat er nicht?

Sam: Hat er nicht, euer Unbeherrschlichkeit, weder Koslowski noch überhaupt eine Nichte. Zwei Nichten gingen durch das Korn, die eine hinten die andere vorn, ahahaha.

Jonas: Sam aus dem Fenster zu werfen, brachte ich nicht übers Herz, ich stellte ihn ab, dann steckte ich ihn ein und ging. Eine Stunde später saß ich im E-Mobil unterwegs nach Sanssouci, durch die Wildnis, immer gerade aus, auf den hohen Verteilerturm zu, der mitten in der Deponie steht, und auch die höchsten Müllberge weit überragt. Kurz vor 3 war ich da, nach Dienstschluß. Das Verwaltungsgebäude war so gut wie leer. Aber als ich die Tür zum Büro des Direktors aufmachte...

Frank: Nur herein, Jonas, wir warten schon auf Sie.

Jonas: Oberst Frank!

Frank: In Lebensgröße. Machen Sie den Mund zu, Jonas, die Tür auch, und nehmen Sie bitte die Hände hoch. Durchsuchen, Rosencrantz.

Rosencrantz: Zu Befehl, Herr Oberst.

Jonas: Oberst Frank, Chef des babylonischen Geheimdienstes GD. Früher Terrorpolizei. Ein unangenehmer Zeitgenosse. Zweimal hatte Jonas bisher mit ihm zutun gehabt, Fall Todestour und Fall Inselklau.

Frank: Auf ein neues, Jonas, in alter Freundschaft.

Jonas: Passe. Jonas steigt aus.

Frank: Das können wir nicht zulassen, was meine Herrn. Halten Sie ihn fest.

Rosencrantz: Zu Befehl, Herr Oberst.

Jonas: Was wollen Sie von mir?

Frank: Wir haben einen Hinweis bekommen, einen anonymen Hinweis, daß Sie hier aufkreuzen würden. Aber das war uns sowieso klar, immerhin stecken Sie drin bis über die Halskrause.

Jonas: Wo stecke ich drin?

Frank: Aber Jonas, im Fall der sogenannten Selbstmorde natürlich.

Jonas: Wieso sogenannte, und wieso Selbstmorde? Ich kenne nur einen.

Frank: Babitsch meinen Sie? Da sollten Sie sich wohl auskennen, Jonas, schließlich haben Sie den Mann um die Ecke gebracht.

Jonas: Was, ich?

Frank: Sie waren da, Jonas, Hotel Tivoli, gestern nacht.

Jonas: Sie sind gut informiert, Frank.

Frank: Das ist unser Job, Jonas. Jetzt müssen wir nur noch feststellen, für wen Sie arbeiten, obwohl wir das eigentlich auch schon wissen.

Jonas: Würden Sie es mir verraten?

Frank: Spielen Sie nur den Idioten, Jonas, Sie machen das nicht schlecht.

Jonas: Naturtalent, Frank.

Frank: Aber das hilft Ihnen nicht raus. Ich weiß, daß Sie für die Drittwelt arbeiten, für afrikanische und asiatische Terrorgruppen. Sie erinnern sich doch noch an die Kusbekische Befreiungsfront. Ich weiß, daß die hinter allem steckt, was bei uns passiert, auch hinter den Selbstmorden, und das heißt, hinten Ihnen Jonas.

Jonas: Sie spinnen, Frank, Sie sind nicht dicht, paranoid, Berufskrankheit nehm ich an.

Frank: Wir werden uns in Babylon weiter unterhalten, in der Zentrale, da haben wir Experten, die jeden zum Reden bringen, auch Sie, Jonas. Kommen Sie. Rosencrantz, Güldenstern, Sie behalten den Mann im Auge.

Rosencrantz: Zu Befehl, Herr Oberst.

Jonas: Jonas kam mit, ruhig, in sein Schicksal ergeben. So sah es aus, aber vor dem Haus riß ich mich los, rannte um die Ecke, nach hinten, wo mein E-Mobil stand, Start, los, nicht zur Straße nach Babylon, weil Frank das erwartete, in die andere Richtung, zur Deponie, in den Müll, das heißt bis zum Rand, da ließ ich den Wagen stehen, weiter ging’s nur zu Fuß, über Müllberg und Mülltal, eine aufreibende Kletterei, ganz abgesehen vom Geruch, aber es gab schlimmeres, Franks Experten zum Beispiel. Also weiter, immer tiefer in den Müll, wo ich sicher war, dachte ich. Ich dachte falsch. Wie so oft. Ein Geräusch hinter mir, ich drehte mich um und fühlte mich auf einmal sehr klein.

Jonas: Eine Müllmaschine! Sie haben mir eins von diesen Superbaggern nachgeschickt. In 5 Minuten hat er mich, und dann macht er Matsch aus Jonas. Sam, Sammy, ich brauch dich.

Sam: Jaja, abgestellt, angestellt, hüh und hott, ne, erst beschimpfen und dann bitte bitte, ja, das kennen wir. So ist das Leben, eure dialektische Weltweisheit, ein ewiges auf und ab. Wie spricht das Klapphorn.

Jonas: Ich laß dich hier, Sammy, ich schmeiß dich auf den Müll.

Sam: Nicht doch, Freund. Es spricht vergeben und vergessen, das ist Computers Zier. Was steht zu Diensten?

Jonas: Tu was, Sammy, steig ins Kontrollsystem der Deponie, halt ihn an den Leviatan. Kennst du das Codewort.

Sam: Das Sesam öffne dich des Sanssouci-Systems, o du mein Ali Baba, aber gewiß doch, es lautet Klapphorn.

Jonas: So, das reicht, du hast es so gewollt.

Jonas: Plötzlich sackte der Bagger weg, in ein Loch, eine durch Müll verdeckte Fallgrube, und da kam er nicht mehr raus, draußen im Müll Bewegung, Menschen tauchten auf, graue Gestalten, vom Rand der Grube hakten sie auf die gefangene Maschine ein, mit Stangen und Steinen, wie Neandertaler auf der Mammutjagd. Das mußten Trolle sein. Ich hatte davon gehört. Trolle lebten mitten im Müll, von dem was sich bot, auch von Menschen, wenn sie welche kriegten, sagt man. Jonas blieb in Deckung, vorsichtshalber, bis sie den Bagger kurz und klein geschlagen hatte und mit den Stücken abgezogen waren. Dann zog auch Jonas ab. Es wurde dunkel.

Sam: Hallo, Augenblick mal, Chef, Sie haben was vergessen.

Jonas: Nicht das ich wüßte.

Sam: Sam heißt er. Ein Computer ist er.

Jonas: Das Klapphorn meinst du, das bleibt hier, auf dem Müll, ich hab keine Verwendung dafür. Du kannst mir viel erzählen. In dieser Nacht wurde geschlichen. Erst durch den Müll, dann durch die Wildnis. Am frühen Morgen war Jonas wieder in Babylon, mit Sam natürlich, unbeschadet, müde, guter Dinge, vor allem wenn ich an Oberst Frank dachte, der stocherte sicher noch im Müll rum, aber als ich die Tür zum Büroapartment aufstieß, verging mir die gute Laune schlagartig. Ich hatte Besuch gehabt.

Sam: Barbaren, Goten, Skyten, Hunnen, Vandalen.

Jonas: Alles durchgewühlt, alles auf den Kopf gestellt, den Bürowhisky haben sie ausgetrunken, meine letzte Flasche Old Forrester.

Sam: Sie ruhe in Frieden. Mein tief empfundnes Beinkleid den durstgeplagten Hinterbliebenen aus ganzem Herzen.

Jonas: Hast keines, Sammy, trotzdem danke.

Sam: Bitte.

Jonas: Deinem Speicher ist zum Glück nichts passiert.

Sam: Was?

Jonas: Ja, sie haben’s versucht, aber sie konnten ihn nicht knacken, Sam 1 ist eine Festung.

Sam: Nichts passiert? Und diese tiefe Wunde, du gefühlslose Tomate?

Jonas: Ach, das ist nur ein Kratzer, Sam, da schmieren wir bei Gelegenheit ein bißchen Lack drauf. So, fahr mal das Bett aus, Jonas ist müde, aufgeräumt wird später.

Sam: Geschlafen auch. Tatatata. Der Sammy stößt ins Klappenhorn...

Jonas: Geht das schon wieder los.

Sam: Mein Jonas hat hier nicht verloren, er eile flott von dannen, sonst schnappen ihn die Mannen, er eile fix von innen, sonst kriegen ihn die Finnen.

Jonas: Finnen, was für Finnen?

Sam: Naja Rinnen, Zinnen, Spinnen, nur des Reimes wegen.

Jonas: Und wen meinst du in schlichter Prosa, Sam?

Frank: Uns meint er, Jonas. Wissen Sie, wir hatten keine Lust, stundenlang im Müll zu buddeln, statt dessen haben wir es uns bei ihnen bequem gemacht, wir haben ihr Büro ein bißchen umdekoriert, und wir haben gewartet, für alle Fälle, und Sie haben es tatsächlich geschafft, Jonas, trotz Müllmenschen und Müllmaschinen, Respekt Jonas, guter Mann. Ihr Whisky ist übrigens auch nicht schlecht. Rosencrantz?

Rosencrantz: Herr Oberst?

Frank: Verpassen Sie ihm was mit ihrem Neurofreezer, damit er uns nicht noch mal auskneift.

Rosencrantz: Befehl, Herr Oberst.

Jonas: Sie hatten nicht nur Neurofreezer, sie hatten auch weiße Mäntel und eine Bahre, auf die legten sie Jonas. Kein Problem, ich war hilflos, steif wie ein Brett. Sie schleppten mich raus, auf die Straße, da parkte eine Ambulanz, aber sie kamen nicht mehr dazu, mich einzuladen, plötzlich war eine große schwarze E-Limousine da, Aufschrift Bestattungsinstitut Moroni, ein Leichenwagen, ein paar Typen in schwarz sprangen raus, fingen sofort an zu schießen, mit Laserstrahlern. Frank und Co hatten keine Chance. Die schwarzen ließen sie liegen. Jonas klaubten sie auf und stopften ihn in den Leichenwagen. Während sie mich in einen Sarg bugsierten, sah ich durch die offene Klappe einen Mann am Straßenrand, einen Mann mit einem Plakat, auf dem stand: Das Ende der Welt ist nahe. Ich war ganz seiner Meinung. Der Wagen hielt, der Sarg wurde rausgehoben, ein Stück getragen, abgesetzt, geöffnet, und geleert, der Neurofrezereffekt ließ allmählich nach, ich konnte den Kopf drehen. Ich sah mich um. Ein hoher Raum. Feierlich. Schwarz ausgeschlagen. Kirchengestühl, eine automatische Orgel, die vor sich hindudelte, es roch irgendwie fromm nach Weihwasser und Weihrauch. Eine Tür ging auf. Eine Frau trat ein. Lisa Koslowski. So hatte sie sich gestern genannt.

Koslowski: Bleiben wir dabei, Herr Jonas, das ist einfacher. Was ist ein Name.

Jonas: Wo bin ich?

Koslowski: Die konventionelle Frage, wie nett, Sie befinden sich im Bestattungsinstitut Moroni, in der babylonischen Zentrale des GGD, des geheimen Geheimdienstes.

Jonas: Was hab ich mit dem GGD zu tun.

Koslowski: Der GGD hat sich Ihrer bedient, Jonas, Sie benutzt als Lockvogel. Gewissermaßen.

Jonas: Heißen Dank.

Koslowski: Wir haben zu danken, Jonas, durch Sie sind wir ein ganzes Stück weitergekommen. Sehen Sie, seit Monaten macht uns ein Problem zu schaffen: eine Reihe hoher babylonischer Funktionsträger begeht Selbstmord, so scheint es jedenfalls. Zuerst Samson vom Amt für Luftüberwachung und Luftreinhaltung, dann Marschall Medina, der Kommandeur unserer Grenzschutztruppe. Dr. Klaas, Direktor des Rechnungshof, und jetzt Babitsch von der Deponie, eine richtige Epidemie. Es ist uns natürlich klar, daß es sich in Wirklichkeit um Morde handelt und daß der GD dahinter steckt, Frank und seine Leute.

Jonas: Der babylonische Geheimdienst bringt babylonische Würdenträger rum. Völlig klar wie Kloßbrühe.

Koslowski: Der GD ist natürlich unterwandert.

Jonas: Von der Drittwelt.

Koslowski: Unsinn, vom CIA. Von den Amerikanern.

Jonas: Von unseren Verbündeten?

Koslowski: Was heißt das schon? Die USA wollen Europa kleinhalten, verunsichern, destabilisieren.

Jonas: Und welche Rolle spielt Jonas in diesem Szenario?

Koslowski: Wir haben alle möglichen Selbstmordkandidaten beobachtet. Als wir den Eindruck hatten, Babitsch sei der nächste, haben wir Sie ins Spiel gebracht, Jonas, als unbekannte Größe, um den GD aufzuspüren, aus dem Rhythmus bringen, mit durchschlagendem Erfolg, das können Sie nicht bestreiten.

Jonas: Mir schwirrte der Kopf. Das lag nicht am Neurofreezer. Babitsch war nicht ermordet worden, er war aus dem Fenster gesprungen, allein, aus eigenem Antrieb, das hatte ich gesehen, und ich kannte noch einen Selbstmörder aus der Liste. Dr. Klaas, Stammgast im Casablanca. Ich hatte beobachtet, wie er immer verschlossener, immer verstörter wurde, bis er sich erschoß. Zuviel Schlamperei und Korruption in Babylon, zu viel Streß für den obersten Rechnungsprüfer, das stand im Abschiedsbrief, den er dem Casablanca hinterließ, und beim Rest war es sicher ähnlich, alle hatten Jobs mit maximaler Verantwortung und minimalen Erfolgserlebnissen. Die Selbstmorde waren echt, das sagte ich Lisa Koslowski. Aber auf dem Ohr war sie taub.

Koslowski: Sie haben keine Ahnung, Jonas, Sie sind naiv.

Jonas: Lieber naiv als paranoid.

Koslowski: Oder Sie sind ein Provokateur. Sie stecken mit dem GD unter einer Decke. Sie sind ein CIA-Agent.

Jonas: Klar, deshalb hat Frank mich durch den Müll gescheucht und mich mit dem Neurofreezer kaltgestellt.

Koslowski: Alles Theater, Jonas, Ablenkungsmanöver, fast wäre ich drauf reingefallen. Sie sind durchschaut, Jonas, packen Sie aus.

Jonas: Herzlich gerne, wenn ich nur wüßte was.

Koslowski: Auch der GGD hat Neurofreezer, Jonas. Wenn Sie störrisch bleiben, stecken wir Sie wieder in den Sarg, wir richten ihnen eine ergreifende Trauerfeier aus, und dann ab ins Krematorium, das oder Sie reden. Ich gebe Ihnen Bedenkzeit, eine halbe Stunde. Schafft ihn nach nebenan.

Jonas: Nebenan war ein langer schmaler Raum ohne Fenster, eine Birne baumelte von der Decke und warf trübes Licht auf 6 Särge, alle belegt.

Sam: Ein Ambiente wie weiland im Unternehmen Immer und Ewig, erinnert sich mein Herr und Meister.

Jonas: Fall Requiem. Ich weiß, Sammy. Wann war das? 2009. Interessant.

Sam: Fall Requiem meinen Herr Oberarchivar?

Jonas: Ich meine nicht Requiem, ich meine den Toten hier im Sarg, gleich neben der Tür, sieht ein bißchen aus wie Jonas.

Sam: Laß kucken, Kumpel, hmh, männlich, groß, kräftig, gereift, bildschön, naja von letzterem abgesehen das präzise Ebenbild eines nicht unbekannten babylonischen Privatdetektivs.

Jonas: Das eröffnet uns gewisse Perspektiven, Sammy?

Sam: Rollentausch und Kleiderwechsel bzw. Kleidertausch und Rollenwechsel?

Jonas: Genau das, Sammy. Schwerer Fall. Der Doppelgänger.

Sam: Armer Yorrik. Und wie der Mensch angezogen ist. Igitt, ein Frack anno 1950 oder noch früher. Pfui Spinne und Spargel, so was willst du deinem edlen Körper zumuten?

Jonas: Ich wollte nicht, ich mußte, das war die einzige Möglichkeit, heil aus diesem Irrenhaus rauszukommen. Ich zog dem Toten meine Sachen an und setzte ihn ganz hinten in die Ecke. Jonas stiegt in den Frack und dann in den Sarg, zog den Deckel zu bis auf einen Spalt und wartete.

Bedenkzeit ist um, raus mit ihnen, Jonas, los doch, lassen Sie die Chefin nicht warten, seien Sie vernünftig, machen Sie keine Zicken. OK, dann muß ich Sie eben holen. Sturer Bock.

Jonas: Er stapfte nach hinten. Jonas machte den Sargdeckel auf, ganz leise und stieg aus, noch leiser, schlich zur Tür, unhörbar, machte sie von außen zu, drehte den Schlüssel um, schlich weiter durch einen Gang, und dann war ich draußen, so einfach ging das. Aber es blieb nicht so einfach. In meinem Frack war ich so unauffällig wie Schimanski in der Damensauna. Jonas mußte in Deckung und Jonas wußte auch wo. An der nächsten Ecke war ein öffentliches Klo. Ich sauste die Treppe runter, durch die Tür mit der Aufschrift Herren, Sicherheit. Für etwa 5 Sekunden. Bis die Tür der hintersten Zelle aufging und ein alter Bekannter rauskam. Das Ende der Welt. Mit Plakat und mit schußbereitem Laserstrahler.

Mann mit Plakat: Sehr aufmerksam von ihnen, Jonas, Sie kommen freiwillig. Wir brauchen kein Greifkommando auszuschicken. Heben Sie freundlicherweise die Hände. Ja, so danke. Von der Bestattung zum Bedürfnis, ein sozialer Abstieg, könnte man meinen, in Wahrheit ist es genau das Gegenteil. Treten Sie näher, Jonas, durch diese Tür, wenn ich bitten darf, hinter ihr befindet sich keine Toilettenzelle, wie Sie und die Welt vermuten, und vermuten sollen, hinter ihr verbirgt sich die Zentrale des GGGD, des ganz geheimen Geheimdienstes. Kommen Sie, Jonas, nach Ihnen.

Jonas: Was es nicht alles gab in unserer großen Stadt Babylon, untendrunter bessergesagt. Ein weiter Saal, weißgekachelt, klinisch sauber, desinfiziert, rechts und links Schreibtische, darauf Konsolen, davor fleißige Amtsschimmel, mitten im Saal stand ein Kasten aus glänzendem Chrom, 2 Meter im Geviert. Knöpfe, Skalen, Hebel, ein Kabel lief zu einem summenden Aggregat an der hinteren Wand, obenauf ein Fußball ohne Luft, kahl, schrumpelig, Brillengläser aus Panzerglas, ein Hörrohr und ein horizontaler Schlitz, der sich bewegte. Der Schrumpfkopf konnte sprechen.

O: Näher, noch näher. Damit ich Sie besser sehen kann. Damit ich Sie besser hören kann.

Jonas: Damit er mich besser fressen kann.

Mann: Unser Chef, O, nur O.

Jonas: Wie Oweh?

Mann: Sehr witzig.

Jonas: Der Kasten, in dem er steckt, ist das eine Herzlungenmaschine?

O: Ein totaler Körperfunktionsautomat, er hält mich am Leben, er ist mein Leben, ich pflege zu sagen, die Kabelschnur ist meine Nabelschnur.

Mann/O: Hahaha.

O: Ich muß am Leben bleiben, nicht meinetwegen, für den Dienst, den GGGD.

Mann: Für Babylon, Chef, für Europa, für die Welt.

O: So ist es. Ich bin der einzige, der die Welt retten kann. Die beiden anderen sogenannten Dienste, der GD und der GGD sind durch und durch verseucht, unterwühlt, untergraben, unterwandert.

Jonas: Aha, lassen Sie mich raten. Von der Drittwelt. Vom CIA.

O: Ganz falsch. Wer so etwas behauptet, ist schwachsinnig, oder böswillig. Es gibt nur einen Feind, die Verkörperung allen Übels, die Ausgeburt Satans.

Jonas: Und wie heißt er, ihr böser Feind?

O: Wie können Sie fragen, es ist der rote, wer sonst.

Mann: Der Russe, der Iwan, der Bolschewik.

Jonas: Ach was, ich dachte, der kalte Krieg ist vorbei, seit fast einem Viertel Jahrhundert.

O: Das will man uns einreden, aber es ist nicht wahr. Das sogenannte Ende des sogenannten Ostblocks ist ein gigantisches Täuschungsmanöver.

Mann: Ein hinterhältiger Trick, um uns ins Sicherheit zu wiegen.

O: Sie sind zu allem fähig, diese Teufel.

Mann: Hinter den Selbstmorden stecken sie ja auch.

O: Den sogenannten Selbstmorden.

Mann: Selbstverständlich, Chef, verzeihen Sie.

Jonas: So was hab ich mir gedacht. Dann wäre ja wohl alles geklärt.

O: Bis auf eines, wer sind Sie?

Jonas: Ich? Jonas, nur Jonas. Privatdetektiv, der letzte.

O: Ihre Legende interessiert mich nicht. Wer sind Sie wirklich?

Jonas: Und wenn ich Ihnen sage, daß ich wirklich Jonas bin, nur Jonas.

O: Zwecklos, absolut zwecklos.

Mann: So dumm sind wir nicht, was Chef?

Jonas: Dann muß ich Ihnen wohl reinen Wein einschenken. Jawohl, ich bin Russe, Jonas Jonasowitz Jonasenko, Oberst im KGB.

Mann: Ein ganz dicker Fisch.

Jonas: Ich bin aber noch mehr. Ein Wechselbalg gezeugt von Gorbatschow mit einer Baba Jaga, ein schwarzer Magier, im Dienst der roten Revolution.

O: Ja, weiter!

Jonas: Es lebe die Diktatur des Proletariats, es lebe der 1. Parteitag der KPdSU, Bolschewiki, es lebe der 2. Parteitag, es lebe der 3., der 4., es lebe mein Taschenmesser.

O: Ihr Taschenmesser?

Jonas: Das habe ich an Ihrer Kabelnabelschnur. Ein kurzer Schnitt.

O: Nein, bitte nicht, ich tu alles, was Sie wollen.

Jonas: Das hörte Jonas gern. Als erster wollte er einen Laserstrahler, dann wollte er raus. Das war schwierig. Vorne ging’s nicht, auf der Straße lauerten die Leichenbitter vom GGD.

Sam: Preisfrage, was tut Meister Lampe, wenn Meister Reinike vor seinem Bau umherstreicht.

Jonas: Weiß nicht, Sammy, Klapphornblasen?

Sam: Er geht hinten raus, Karnickel, verschwiegene Establishments pflegen geheime Ausgänge aufzuweisen.

Jonas: Gute Idee, Sam. Wo ist hier die Hintertür? Na?

O: Nicht schneiden, bitte nicht! In der Rückwand neben dem Aggregat.

Jonas: Ich seh nichts.

O: Das können Sie auch nicht. Wir haben den Ausgang mit einer Holoprojektion der Wand zugedeckt.

Jonas: Abschalten. Wird’s bald.

O: Schalten Sie das Holo ab, Agent 07, schnell.

Sam: Aber hurtig.

Jonas: Rechts vom Aggregat verschwand ein Stück Kachelwand, dafür erschien eine kleine Tür. Agent O7 alias Ende der Welt schloß sie auf. Jonas ging rückwärts, Laserstrahler in der rechten Hand, die linke am Kabel. Ein kurzer Blick durch die Tür. Ein paar Stufen, unten ein breiter Abwasserkanal, der dritte Mann ließ grüßen, vor der untersten Stufe lag ein Schnellboot.

O: Das Boot ist aufgeladen und startbereit, falls die Russen uns überrollen.

Jonas: Seit Jahren haben die nichts anderes im Sinn. Die Schlüssel.

O: Geben Sie ihm die Bootsschlüssel, O7.

Jonas: Danke. Den Schlüssel zur Hintertür auch. So, und jetzt bleiben alle ganz brav da, wo sie sind. Keiner rührt sich, sonst stehen morgen in Holotext zwei interessante Anzeigen: Durch Laserstrahl beschädigter Funktionsautomat billig abzugeben wegen Todesfall. Und

Sam: Beim ganz geheimen Geheimdienst ist die Stelle des Chefs neu zu besetzen. Paranoia Bedingung. Sinilität angenehm.

Jonas: Ins Schnellboot und weg, mit aufgeblendetem Scheinwerfer und schäumender Bugwelle durch die zähe dunkle Brühe. Sam war Navigator. Sam kannte sich aus in der Unterwelt von Babylon. Sam kennt sich überall aus. Kein Wunder, wenn man sich in praktisch jedes System einklinken kann. Wir fuhren ab von Hauptkanal durch ein Labyrinth kleiner Seitenkanäle, einer davon weitete sich aus, zu einem Teich, da machten wir halt. Zeit für a) Bestandsaufnahme b) Zukunftsplanung.

Sam: Ein idyllisches Plätzchen, Herr Oberförster.

Jonas: Für einen Koprophilen Kongreß.

Sam: Haha, kuck mal, der kann Fremdwörter, der Kakopluile.

Jonas: Nur kein Neid, Sam, du denkst wohl, du bist der einzige, der große Töne spucken darf.

Sam: Ruhe im Saal, bitte Ruhe. Die Sitzung ist eröffnet. Thema wie so oft. Was nun. Punkt 1 der Tagesordnung: Wohin oder präziser, welcher Aufenthaltsort verspricht Zuflucht und Sicherheit.

Jonas: Wenn ich das wüßte.

Sam: Siehste.

Jonas: Drei Geheimdienste sind hinter Jonas her. Der GGGD hält mich für einen russischen Spion, der GGD denkt, ich bin vom CIA, und der GD...

Sam: Ist erledigt, fini, Strich drunter.

Jonas: Glaub ich nicht, Sammy, sicher, Oberst Frank ist tot.

Sam: Desgleichen Rosencrantz und Güldenstern.

Jonas: Na und? Im GD gibt’s noch viel mehr Leute, die haben Jonas auf der Abschußliste als Drittweltagenten.

Sam: Kurz und knapp. Bis auf weiteres können Exzellenz sich in Babypsilon nicht sehen lassen.

Jonas: Büro ist out, Casablanca is out.

Sam: Straßen, Häuser alles out, megaout, outer geht's nicht.

Jonas: Und hier unten können wir auch nicht ewig bleiben.

Sam: Warum denn nicht, mein subterraner Robinson, ist doch ganz gemütlich.

Jonas: Ach, und der Gestank.

Sam: Hach, stört Sammy überhaupt nicht.

Jonas: Weil du keine Nase hast, aber vom Duft mal ganz abgesehen, hier unten fehlt einfach alles, was der Mensch so braucht, kein Sauerstoff.

Sam: Ja gibt's oben auch nicht.

Jonas: Nichts zu essen, kein Whisky.

Sam: Keine Geheimdienste mit Verfolgungswahn.

Jonas: Die werden noch früh genug kommen, apropos, die Typen vom GD, GGD, GGGD sind wirklich paranoid.

Sam: Jaja total beknackt, absolut bescheuert, echt bekloppt.

Jonas: Die glauben, was sie sagen, mit Vernunft und gutem Zureden ist da nichts zu machen.

Sam: Andererseits, werter Kollege und Vorredner, erscheint es als ebenso unmöglich, sich den Verfolgern auf Dauer durch die Flucht zu entziehen.

Jonas: Jonas will auch nicht mehr weglaufen, Jonas hat die Nase voll.

Sam: Gut, Debatte beendet, wir schreiten zur Beschlußfassung.

Jonas: Wir drehen den Spieß um, Sammy, wir kämpfen, wir greifen an.

Sam: Attacke, jawohl, einstimmig angenommen. Es tönt das Klapphorn laut und froh.

Jonas: Klapphorn äh Klappe zu, Sam. Fang nicht wieder damit an.

Sam: Und wie ist es mit halili und hollido?

Jonas: Alle wollen Jonas in die Pfanne hauen, also

Sam: Hauen wir sie in die Pfanne. Alle. Ne?

Jonas: Und ich weiß auch schon, wie wir das hinkriegen, Sammy, du wirst mächtig ackern müssen.

Sam: Ja, von der Stirn heiß rinnen muß der Schweiß, was wünschen guter Massa, was sollen tun Onkel Tom. Tom? Tom?

Jonas: Sam erschuf einen Jonas, einen Pseudojonas, ein Phantom, das überall präsent war, in Infobänken, Listen, Dateien, in allen relevanten elektronischen Systemen, nur nicht in der Realität. Dieser falsche Jonas entstieg der Kanalisation, brach auf der Straße zusammen, wurde mit akuter Cholera ins Zentralkrankenhaus eingeliefert, in die Isolierstation, da kam keiner an ihn ran, und er kam nicht raus. Damit waren die Verfolger vorläufig abgelenkt, auf die falsche Spur gesetzt, ruhig gestellt. Soweit Punkt 1. Dann ließ ich Sammy die Zentralen der drei Geheimdienste kontakten. Bestattungsinstitut Moroni, Bedürfnisanstalt in der 71. Straße, und der GD.

Sam: Steht im Fonbuch, du Tütensuppe.

Jonas: Dann mal los, Sammy, du kennst deinen Text.

Sam: Ich kennen Massa. Piep. Hallo? Geheimdienst Europa? Gut, du zuhören, Kollege, ich dir sagen große Geheimnis. Heute zu mittag, wenn Uhr sein Zwölf, dann sich treffen alle geheime Agenten Dritte Welt in Babylon, alle Terroriste, Befreiungsfront Kusbekistan. Wo treffen? No, in Dreck Kollege, in Müll, in Deponie, was heißt Sanssouci, du verstanden Kollege?

Jonas: Gut so Sammy, jetzt der GGD.

Sam: OK, Boss.

Sam: Hi, folks, listen, if you want erwischen all the top agents from the CIA in Europe, the mulls, doubelagents, tripleagents and so on, you must come today to you know what i mean how do you call it, Sanssouci, the groß rubbish dump, big meeting, mitten in the müll, top secret, high noon,12 Uhr mittags, you know, so long folks, good hunting.

Jonas: Sehr schön, Sammy, absolut echt. Und nun noch der GGGD.

Sam: Dara dawisch. Hallo? Kommen mit Mann und Maus heute mittag zwölf Uhr Deponie Sanssouci. Mitten in Müll große geheime Versammlung. KGB nebst revolutionäre Zellen. Neue Anweisungen aus Moskau, Kreml. Karaschnovetsnedemil.

Sam: Werden sie uns den Quatsch wirklich glauben, du hinterfotziges Fliegenmaul?

Jonas: Sie werden, Sammy, verlaß dich drauf, das paßt genau in ihr Weltbild. Wie spät?

Sam: Piep. 5 Uhr 39 in der Früh. Morgenstund.

Jonas: Ist ungesund. 12 Uhr mittags geht sie los, die große Show, die wir nicht verpassen dürfen. Wann müssen wir los?

Sam: Per Müllförderband nach Sanssouci, euer Gemächlichkeit? Na, sagen wir um 10.

Jonas: Pause, Sammy, Jonas schläft ein paar Stunden.

Sam: Ist gut. Von linden Lüften lau umlabert, schlaf mein Prinzchen schlaf ein.

Jonas: Kein kurzer Weg, aber auch kein schwieriger, unter Sam Leitung, vom Abwassersystem zur zentralen Müllerf... vollautomatisch natürlich. Und von der Müllerfassung läuft ein unterirdisches Förderband nach Sanssouci, mit allem nicht verwertbaren Müll der großen Stadt Babylon, Jonas fuhr mit, als blinder Passagier, oder als Abfall ehrenhalber. Eine ereignislose Reise. Gleichmäßiges Rattern, Dunkelheit, Gestank, und ein leicht flaues Gefühl im Magen, nicht wegen Gestank und Müll, wegen der Dinge, die da kommen sollten. Nach einer guten Stunde stoppte das Band, weiter ging’s vertikal. Im Müllpaternoster. Viele viele Meter in die Höhe.

Sam: Zwei Knaben stiegen auf den Turm.

Jonas: Das paßt, Sammy.

Sam: Der eine hat nen Band im Wurm.

Jonas: Wie die Faust aufs Auge.

Sam: Ja, und der andere frisch und munter ließ sich dran herunter, hehe.

Jonas: Da oben wird’s hell.

Sam: Achtung, fertig machen zum Absprung. Ansonsten würde jemand in die Verteilerdüse eingespeist werden, wie all dieser Müll, der uns Gesellschaft leistet, und dann wird er über die Deponie verstreut, der Jemand, in handlichen formschönen Teilchen.

Jonas: Muß nicht sein, Sammy.

Sam: Countdown läuft. 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1.

Jonas: Bei Null sprang Jonas ab, ein paar Schritte, und ich stand auf der Plattform an der Spitze des Verteilerturms, mitten in der Deponie Sanssouci und ganz hoch drüber. Die Aussicht war einmalig, ein bißchen monoton vielleicht. Im Osten Müll, im Westen Müll, im Norden Müll, und im Süden, Sie haben es erraten, Müll. Müll, soweit das Auge reichte, und im Müll krabbelte es wie in einem Ameisenhaufen.

Sam: Siehe, sie höreten das Wort des Herrn und sie folgeten ihm nach.

Jonas: Sie sind da, Sammy, sie sind alle da. GD, GGD, GGGD und der Kasten da drüben, das ist O, O vom GGGD, seine Leute haben ihn auf Rollen gesetzt, und ziehen ihn hinter sich her, mit samt Aggregat.

Sam: Ach, hätten wir doch nur ein Bömbchen, Herr Luftmarschall, oder einen Kessel voll des heißen Öles.

Jonas: Nicht nötig, Sam, das erledigen die da unten selber, mit ihren Laserstrahlern, Sturmgewehren, Neurofreezern, mit ihren Flammenwerfern und Super-MGs. Was sagt die Uhr, Sam.

Sam: 5 Minuten vor 12, hohes Gericht. Dies Ire. Dies Illa, Solve seklum, com fanila oder so ähnlich.

Jonas: Vielleicht eine Nummer zu groß, das dies irae, aber irgendwie angemessen. Die versammelten Geheimdienstler jagten ihren jeweiligen Feindbildern nach und massakrierten sich gegenseitig.

Sam: Amagedon. Herr Großinquisitor. Apokalypse. Verwüstung.

Jonas: Das wird mir zu laut, Sammy. Phase 2.

Sam: Zu Befehl, Phase 2. Zack zack.

Jonas: Schalt dich ins System der Deponie ein.

Sam: Auftrag ausgeführt. Zack zack.

Jonas: Laß die Müllmaschinen los.

Sam: Müllmaschinen los, marsch. Konzentrischer Angriff. Zack Zack.

Jonas: Riesenbagger und Superschaufeln rückten vor, unaufhaltsam, unwiderstehlich, sie überrollten das Schlachtfeld, deckten ab, gruben um, planierten, schütteten das ganz Gewusel zu, und falls sich doch einer herausarbeiten konnte, am Rand lauerten die Trolle, mit Messer und Kochgeschirr. Nachmittag. Jonas kam zurück ins Büro und schmiß als erstes den Trauerfrack von sich.

Sam: In den Müll, hoher Herr.

Jonas: In den Müll, Sammy. So, und jetzt wollen wir uns mal ans Aufräumen machen. Nein, es ist niemand zu Hause.

Sam: Na, geh ran, du Knallhorn.

Jonas: Warum sollte ich.

Sam: Weil es ein Kunde sein könnte, mit einem ganz normalen Auftrag.

Jonas: Glaubst du an den Weihnachtsmann, Sammy?

Sam: Oder eine unverhoffte Erbschaft, oder der Hauptgewinn in der babylonischen Klassenlotterie, oder...

Jonas: Damit du endlich Ruhe gibst. Hallo.

Stimme am Fon: Guten Tag. Bin ich verbunden mit Herrn Jonas, nur Jonas, seines Zeichens Privatdetektiv.

Jonas: Sie sind.

Stimme am Fon: Sehr gut. Gestatten Sie mir, Herr Jonas, Ihnen im Namen meiner Organisation Dank und Anerkennung auszusprechen. Sie, Herr Jonas, haben sich um Babylon, um Europa verdient gemacht, in einer brillanten Aktion haben Sie GD, GGD, und GGGD eliminiert, gründlich und nachhaltig, es war höchste Zeit, Herr Jonas, sonst hätten sie die Erde unterworfen, Herr Jonas, besetzt, Herr Jonas, kolonisiert.

Jonas: Wer? Die Geheimdienste?

Stimme am Fon: Und ihre geheimen Lenker und Leiter, die Drahtzieher im Dunkel, Herr Jonas, die Marsmenschen mit ihren Ufos und ihren Todesstrahlen.

Jonas: Ach ja, und wer sind Sie?

Stimme am Fon: Hier spricht der GGGGD, Herr Jonas, der ganz und gar geheime Geheimdienst. Leben Sie wohl, Herr Jonas.

Jonas: Paranoia, Sammy, totale Paranoia.

Sam: Zwei Knaben schlichten durch die Nacht, der eine still, der andre sacht. Ja, und man konnt sie weder sehen noch hören, wenn sie’s nun gar nicht gewesen wären.

Jonas und Sam: Freut euch des Leben, Großmutter wird mit der Sense rasiert, alles vergebens, sie war nicht eingeschmiert.

Sam: Ja wieso denn nicht?

Das war Paranoia. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam Peer Augustinski. Außerdem wirkten mit: Johanna Liebeneiner, Hans Jürgen Silbermann, Bernd Stephan, Jochen Striebeck und viele andere (Alois Maria Giani, Detlef Kügow). Ton und Technik: Günter Heß und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Assistenz: Wolfgang Ruhdörfer. Regie: Werner Klein. (Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks) (1991). (Redaktion: Erwin Weigel).

Beitrag vom 02.04.2022 - 21:23
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Der letzte Detektiv
Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
Heute: Pharao

Jonas: Das Ministerium für Kultur war noch das selbe schäbige Gebäude. Nicht weit vom Van-Dusen-Platz. Aber hinter dem schäbigen Schreibtisch im schäbigen Büro saß nicht mehr Dr. Gödel Escherbach, Gott hab ihn selig. Jetzt saß da eine Frau wie eine Stahlfeder: grau, hart, dünn, gespannt.

Schrödinger: Cornelia Schrödinger, M.A., Dezernentin für Museen und kulturellen Austausch. Setzen Sie sich, Herr Jonas.

Jonas: MA?

Schrödinger: Magister Artium. Ein akademischer Titel. Medienwissenschaft Universität Babylon. Und wo haben Sie studiert, Herr Jonas?

Jonas: Uni Feuerland. Nahkampf und Guerillatechnik.

Schrödinger: Der antarktische Krieg. Ich verstehe. Zur Sache, Herr Jonas. Im November 2010, vor rund zweieinhalb Jahren haben Sie für uns einen Auftrag ausgeführt. Sie haben damals ordentliche Arbeit geleistet, Herr Jonas, und vor allem waren Sie recht preiswert. Die Kultur...

Jonas: Die Kultur hat nie Geld, das ist bekannt. Wenn ich Sie wieder mal besuche, Frau Cornelia Schrödinger MA, Dezernentin für Museen und so weiter, dann bringe ich mein Poesiealbum mit, und Sie können mir ihre gute Meinung schriftlich geben. War das alles?

Schrödinger: Nehmen Sie wieder Platz, Herr Jonas, das Dezernat hat einen neuen Auftrag für Sie.

Jonas: So? Aber das sag ich Ihnen gleich, ins wilde Kusbekistan fahr ich nicht noch mal. Eine Todestour ist genug für Jonas.

Schrödinger: Keine Sorge, Herr Jonas. Sie bleiben in Babylon.

Jonas: Und?

Schrödinger: Und was?

Jonas: Ich bleibe in Babylon und tue was?

Schrödinger: Eine Kleinigkeit, Herr Jonas. Sie bringen uns Ramses zurück.

Jonas: Ramses? Welchen Ramses?

Schrödinger: Den zweiten, Herr Jonas. Ramses den zweiten. Sie wissen doch, wer das ist.

Sam: Häh, weiß er nicht, wetten, nie was von gehört, keinen blassen Schimmer, hmhm, also dann, alle mal herhören. Kurze Nachhilfe aus Mayers Brockhaus, für historische Nieten und geistig unterbelichtete. Jawohl, genau Sie sind gemeint, Herr von und zu Jonas. Ramses zwo, Ägyptischer Pharao, geb. um 1300 v.Ch. als Sohn des Pharaos Hegit des ersten, kam an die Regierung 1279 v.Ch., starb 1213 v.Ch., bedeutendster Pharao der 19. Dynastie, immense Bautätigkeit, aggressive Außenpolitik, intensives Familienleben, 100 Frauen, weit über 200 Kinder, huiuit nicht schlecht Herr Specht.

Schrödinger: Was ist das?

Jonas: Mein Taschencomputer, Samuel heißt er kurz Sam oder auch kurz Sammy.

Sam: Ich bin der Geist der stets was weiß.

Jonas: Verbal, wie Sie hören, überverbal möglicherweise, manche meinen, er leidet an verbalem Durchfall.

Sam: Bitte bitte, Diaröh, wenn schon, ja.

Jonas: Und diese Dame, Sammy ist Frau Schrödinger.

Sam: Ma. Alles klar. MA, MB, MC, MC Quadrat, e gleich MC Quadrat. Quod erat demonstrandum.

Schrödinger: Nett, so klein und so laut. Kann man es abstellen.

Sam: Wehe, wehe, sage ich euch, und abermals wehe, so ihr euch solches unterfanget wird über euch kommen heulen und zähneschnattern, äh äh zähneflattern, zähneknattern, zähneplattern.

Jonas: Man kann. So. Wir waren bei Ramses. Hab ich Sie richtig verstanden, Frau Schrödinger MA, ich soll Ihnen einen ägyptischen Pharao zurückbringen, der seit gut 3000 Jahren tot und begraben ist.

Schrödinger: Nicht begraben, Herr Jonas, darum geht es ja gerade. Um die Mumie von Ramses den zweiten.

Jonas: Ja und, sagte Jonas. Und die Dame mit dem akademischen Titel erklärte es ihm. Kurz, in einfachen Worten. Readers Digest für Bildungsbanausen. Im Museum für internationale Kulturgeschichte, gleich neben dem Ministerium, war eine Ausstellung gelaufen. Macht und Magie des Pharaonenreiches. Einmalige Stücke, sagte Frau Schrödinger MA, Leihgaben aus Kairo, Glanznummer war die Originalmumie des alten Ramses II. Des größten aller Pharaonen. Zu 100.000en waren sie geströmt die Babylonier, bis vorgestern.

Schrödinger: Da wurde die Ausstellung geschlossen. Am 6. Juni 2013. Und am nächsten Morgen war die Mumie verschwunden. Zusammen mit ein paar weniger bedeutenden Ausstellungsstücken, Möbel, Schmuck und dergleichen, und zusammen mit dem leitenden Ägyptologen des Museums, Dr. Juniper.

Jonas: Na so ein Zufall. Was sagst du dazu, Sammy?

Sam: A-h-a. Aha.

Jonas: Das denk ich auch. Warum haben Sie sich nicht an die Polizei gewand, Frau Schrödinger MA?

Schrödinger: Unmöglich Herr Jonas die Affäre darf nicht an die Öffentlichkeit dringen, können Sie sich vorstellen, wie die Ägypter reagieren, wenn sie davon erfahren? Es käme zu außenpolitischen Komplikationen, zu innerpolitischen Konsequenzen.

Jonas: Stühle wackeln, Köpfe rollen, z.B. der von Cornelia Schrödinger MA Dezernentin.

Schrödinger: Wir müssen die Sache intern regeln. Aber im Ministerium gibt es natürlich keinen, wie soll ich mich ausdrücken, keinen kriminologischen Experten. Wir brauchen Hilfe von außen. Einen Privatdetektiv.

Sam: O Babylon, du große Stadt, wo's keine Detektive hat, bloß einen, den meinen.

Jonas: Den einzigen, den letzten. Jonas heißt er. Nur Jonas. Haben Sie Probleme, rufen Sie Jonas, den letzten Detektiv. Jonas macht alles, im Rahmen. Jonas kennt sich aus im großen Dschungel Babylon. Jonas schlägt sich durch, Jonas gibt sich Mühe.

Schrödinger: Wir haben uns an Sie erinnert, Herr Jonas. Leidlich effizient, diskret, billig. 90 Euros pro Tag nicht wahr?

Jonas: 120 plus Spesen. Alles wird teurer, auch ein Privatdetektiv.

Schrödinger: Nun, Herr Jonas, auch das wird sich unter Umständen erschwingen lassen.

Jonas: Wie schön. Es scheint, daß ihr Ägyptologe, dieser Dr. Dr. Dr. wie heißt er?

Sam: Juniper, Juliper, Augustper.

Jonas: Ruhe. Es scheint, daß dieser Juniper Ihren Ramses geklaut hat. Oder wie sehen Sie das, Frau Schrödinger MA?

Sam: Ja, wie sehen Sie das?

Schrödinger: Zwiespältig, Herr Jonas. Einerseits bin ich gezwungen, Ihnen zuzustimmen. Die Sicherungen wurden außer Kraft gesetzt, die Sperren umgangen, die speziell gesicherten Mumienboxen aus Plastiplex problemlos geöffnet, keine Schrammen, keine Einbruchspuren, und Dr. Juniper besaß alle Schlüssel, kannte alle Sicherheitscodes.

Jonas: Verschwunden ist er auch. Klarer Fall sollte man meinen. Einerseits. Und andererseits, Frau Schrödinger MA?

Schrödinger: Andererseits, Herr Jonas, kann ich mir beim besten Willen Dr. Juniper nicht als Erpresser vorstellen. Er ist Ägyptologe, lebt nur für die Wissenschaft.

Jonas: Erpresser, wer sagt was von Erpressung?

Schrödinger: Das hier, Herr Jonas.

Jonas: Ein Fax. Kein Absender.

Schrödinger: Also nicht zurückzuverfolgen. Lesen Sie.

Jonas: Betrifft Austausch Pharao gegen 100.000 Euros in bar, wann, 8. (Juli)Juni(?) 2013, 23 Uhr. Heute abend. Wo? Babylon Planquadrat OX 13 BQ.

Schrödinger: Das ist an der Grenze zum Reservat, wo das Giganthotel steht. Was haben Sie, Herr Jonas?

Jonas: Judith. Vor einem Jahr war sie umgebracht worden, im Planquadrat OX 13 BQ, und ein paar Tage später hatte Jonas sie gerächt, im Planquadrat OX 13 BQ. Das hatte ich, aber das sagte ich nicht.

Jonas: Entführung einer Mumie zwecks Lösegelderpressung. Sie wollen darauf eingehen, Frau Schrödinger MA?

Schrödinger: Ich muß wohl.

Jonas: Und ich soll den Austausch durchführen.

Schrödinger: Deshalb hab ich Sie kommen lassen, Herr Jonas.

Jonas: Versteh ich nicht. Bei einer so einfachen Kiste. Warum nicht einer ihrer Museumswächter, warum ein wie war das, kriminologischer Experte.

Schrödinger: Es gibt da ein Problem, Herr Jonas, das Geld, die Kultur hat keins, jedenfalls keine 100.000.

Jonas: Wieviel können Sie locker machen?

Schrödinger: 10.000 maximal.

Jonas: Tja, und der Rest.

Schrödinger: Ihre Sache, Herr Jonas, lassen Sie sich was einfallen.

Sam: Papier.

Schrödinger: Papier, was heißt Papier?

Sam: Na was wohl, hochgeschätzter akademisch titulierter Amtsschimmel, Klopapier, Löschpapier, Briefpapier, Buntpapier, mit Nichten und Neffen.

Jonas: Sondern, Sammy?

Sam: Altpapier du Pappkopf. Das Ministerium für Kultur ist eine altmodische Institution, das gibt's sowas in Mengen. Nicht wahr, gnädige Frau.

Jonas: So machen wir es, Frau Schrödinger MA, setzen Sie einen Hilfsknecht an, lassen Sie Altpapier zuschneiden, Euroformat, dann besorgen Sie einen Koffer. Das Papier nach unten, und oben drauf gut sichtbar die echten 10.000.

Schrödinger: Das schöne Geld. Halten Sie das wirklich für nötig, Herr Jonas?

Jonas: Ein bißchen müssen Sie schon opfern, Frau Schrödinger MA, für Ihren Ramses und für Ihren Stuhl. Ein Fahrzeug brauch ich auch.

Schrödinger: Es wird bereitstehen, mit Koffer und Inhalt, im Hof des Ministeriums, heute abend 9 Uhr 30. Seien Sie pünktlich, Herr Jonas.

Jonas: Ich hätte es mir denken können, das Dienstfahrzeug des Ministeriums war ein altersschwaches E-Motorrad mit Beiwagen, der Koffer war aus Pappe, aber die echten Euros waren drin, und die falschen fielen nicht auf, wenigstens etwas. Nachts, kurz vor 11, Planquadrat OX 13 BQ. Rechts am Horizont der Gipfel des Giganthotels im warmen Schein der Holoprojektionen, links das Reservat, ein unendliches schwarzes Loch, scharfkantige Ruinen, rotierende Nebelspiralen, dunkle Geräusche in der Ferne. Freaks, Nachtmenschen. Ich hatte den Motor abgestellt und wartete unter einer flackernden Straßenlaterne. Sammy sang leise Lili Marlene. Punkt 11 kamen sie. Aus dem Reservat. In einem Panzerwagen. Ein bleicher Riese mit Laserstrahler und eine bucklige Frau. Der Riese sah aus wie ein Klonkiller, er blieb neben dem Wagen stehen, stumm, aufmerksam. Die Frau zog ein längliches Bündel aus der Ladeklappe.

Jonas: Ramses?

Igora: Was denken Sie denn, wer da drin ist, die Bürgermeisterin von Babylon? Typisch Kulturministerium, einen echten Vollidioten haben sie uns geschickt, hoffentlich haben Sie das Geld nicht vergessen, Pinke Pinke, verstehen Sie, Euros, 100.000 Euros.

Jonas: Hier.

Igora: Aufmachen.

Jonas: Wollen Sie nachzählen?

Igora: Wozu? Um uns reinzulegen sind Sie viel zu dämlich. Nehmen Sie sich die Mumie, und grüßen Sie Ihre Chefin schön von meinem Chef, Dr. Frankenstein, und von mir, Igora heiße ich, nicht vergessen.

Jonas: Sie fuhren, zurück ins Reservat, ich fuhr zurück ins Ministerium, mit Ramses im Beiwagen. Ich hatte ein ungutes Gefühl. Sicher, die Sache war glattgegangen, zu glatt, das machte mir Sorgen. Ich wuchtete die Mumie in Frau Schrödingers Büro, sie war schwer, viel schwerer als ich mir so einen vertrockneten Pharao vorgestellt hatte. Frau Dezernentin wickelte höchstpersönlich die Verpackung ab, und da gab es eine Überraschung. Unter den Bandagen steckte kein toter alter Ägypter, sondern ein toter neuer Ägyptologe.

Schrödinger: Dr. Juniper. Das ist Dr. Juniper.

Jonas: Mit durchgeschnittenem Hals. Deshalb war das Paket so schwer.

Schrödinger: Mehr haben Sie dazu nicht zu sagen, Herr Jonas? Sie lassen sich 10.000 Euros aus meinem Etat abnehmen, bringen mir dafür die Leiche von Dr. Juniper, und jetzt stehen Sie da und zuckeln die Achseln. Haben Sie die Güte sich zu äußern.

Jonas: Sieht so aus, als ob sie uns reingelegt haben, Frau Schrödinger MA.

Schrödinger: Uns, Herr Jonas? Sie sind reingelegt worden, Herr Jonas, Sie ganz allein, Herr Jonas, Sie haben versagt, Herr Jonas.

Jonas: Immer mit der Ruhe, Frau Schrödinger MA, das war nur die erste Runde, die nächste gewinnen wir. Wir wissen jetzt mehr. Dr. Juniper kann nicht der Drahtzieher gewesen sein, diese Igora mit ihrem Klon...

Schrödinger: Interessiert mich nicht, Herr Jonas, Sie sind gefeuert, Sie Sie Sie kriminologischer Experte für 120 Euros plus Spesen. Wegen krasser Unfähigkeit.

Sam: Nananana.

Jonas: Apropos 120 Euros, die hab ich noch zu kriegen.

Schrödinger: So? Bringen Sie mir Ramses, dann können wir darüber reden, unter Umständen. Die Tür ist gleich hinter Ihnen, Herr Jonas.

Jonas: Na bitte. Mein ungutes Gefühl. Frau Schrödinger MA hatte Recht, Jonas war aufs Kreuz gelegt worden, die Gegenseite auch, aber das tröstete mich nicht. Ich war sauer. Wenn Jonas sauer wird, dann wird er stur. Ich würde am Ball bleiben, das nahm ich mir fest vor, als ich über den nächtlichen van-Dusen-Platz ging. Nicht wegen den paar Euros, jedenfalls nicht nur. Es galt die professionelle Ehre des Privatdetektivs wiederherzustellen.

Sam: Wunderschön gesagt Meister aus dem Munde des Poesiealbum. Vor dem großen Tore steht ein Weihnachtsmann, singt von seiner Lore so schön und laut er kann.

Jonas: Du gehst mir auf die Nerven, Sam, spiel was anders.

Sam: The Time the goes nun by, das ist was auch mein Ei.

Jonas: Gefällt mir auch nicht, Schluß mit dem Gedudel, an die Arbeit, Sam, wo steigen wir ein.

Sam: Ja, a ja, Dr. Juniper, euer Fragwürden, Dr. Juniper selig, blutige Leiche im Postpaket, oder vom Ägyptologen zur Mumie in nur zwei Tagen, Gebrauchsanweisung liegt bei.

Jonas: Schön wär's. Was wissen wir über Juniper.

Sam: Melde gehorsamst, wenig, Herr Stabsarzt.

Jonas: Hab ich dir nicht gesagt du sollst dich im System des Museums mal umsehen.

Sam: No gewiß doch Sir, hat Sammy auch getan. Brav beflissen und beharrlich.

Jonas: Und?

Sam: Besagter Juniper war ein solcher, welcher niemals nicht auffiel und insofern sich datenmäßig wenig niederschlug. Ein Nobody, wie wir Fremdsprachler zu sagen pflegen.

Jonas: Ein bißchen was wirst du doch gefunden haben.

Sam: Ein babylonisch Sprichwort kündet: Ein kleiner Hund scheißt kleine Haufen.

Jonas: Und was das mit Dr. Juniper zu tun.

Sam: Ganz und gar nichts, Chef, nur so, fiel Sam gerade ein.

Jonas: Dr. Juniper, Sam, schieß los.

Sam: Zu Befehl, losschießen. Juniper, Adalbert, Dr. phil., Ägyptologe am Museum für Internationale

Jonas: Bekannt, Sammy, längst bekannt.

Sam: Es wird gebeten, den Fluß der Gedanken tunlichst nicht zu unterbrechen.

Jonas: Gedanken, hab ich Gedanken gehört?

Sam: Es geht weiter, Damen und Herren, Piep, geb. 22. 2.1963, wohnhaft Museum für internationale Kulturgeschichte.

Jonas: Irrtum, Sammy, da hat er gearbeitet.

Sam: Und gewohnt, euer Vorschnelligkeit, in einem Verschlag neben seinem Arbeitszimmer. Ja, Feldbett, Waschzelle, Kleiderständer. Hobbies: keine. Freund-, Lieb- und Partnerschaften: keine. Privatleben: keines. In Worten: keines. Ende der Durchsaga.

Jonas: Das ist wirklich nicht viel, Sammy.

Sam: Hab ich's nicht gesagt, Monsignore. Total tote Hose.

Jonas: Wo soll man da anfangen?

Nofretete: Zum Beispiel damit. Jeden Freitag verließ Dr. Juniper das Museum kurz vor 10, und kurz vor 11 kam er zurück.

Jonas: Plötzlich war sie aufgetaucht, aus dem Schatten, geräuschlos, eine junge Frau, apart, irgendwie exotisch, orientalisch, ägyptisch genauer gesagt. Ich beschloß sie Nofretete zu nennen. Irgendwo hatte ich sie schon gesehen, im Planquadrat OX 13 BQ. Vor dem Ministerium? Vielleicht.

Nofretete: Seit etwa einem Jahr tut er das, Freitag vormittag, 10 bis 11.

Jonas: Jeden Freitag.

Nofretete: So gut wie.

Jonas: Woher wissen Sie das?

Nofretete: Wir wissen viel, Jonas.

Jonas: Wissen Sie auch, wohin Juniper gegangen ist? Jeden Freitag 10-11.

Nofretete: Warum nicht hierher?

Jonas: Sie zeigte auf ein Türschild an einem der alten Häuser, die rund um den Platz stehen, ein Messingschild, mit altmodischen eckigen Buchstaben: Sammy knipste seine Lampe an, und Jonas las:

Jonas: Dr. phil. Dr. med. Gloria Zapp, Psychotherapie, Psychologie, Psychogymnastik, alle orthodoxen Schulen, Freud, Jung, Reich, Strunk, bei attestierter Gemeingefährlichkeit staatliche Kostenübernahme möglich.

Sam: Sowas, ist es nicht zu und zu komisch, Frau Nachbarin...

Jonas: Was Sammy?

Sam: Was Sammy. Daß die berühmtesten Psychologen nur eine einzige klitzekleine Silbe ihr eigen nennen, namensmäßig betrachtet.

Jonas: Und?

Sam: Könnte dies furiose Kaktum Korrektur könnte dies kuriose Faktum nicht gewisse Rückschlüsse auf die von ihnen gewählte Wissenschaft nahelegen.

Jonas: Halt uns nicht auf. Sie meinen, Juniper ist jeden Freitag zu dieser Psycho... Nofretete? Wo steckt sie denn?

Sam: Verschwunden. So still und klammheimlich wie sie kam. Mysteriös.

Jonas: Du sagt es, Sammy. Glauben wir ihr.

Sam: Da eine erfolgversprechende Möglichkeit uns vorerst mangelt, Exzellenz, folgen wir kühn dem Winke des Schicksals. Duridu didi...

Jonas: Sammy, Wink mit dem Zaunpfahl meinst du. Ja. Also gut, gleich morgen früh.

Jonas: Frau Dr. Dr. Zapp hatte ein handfestes Wesen und einen kräftigen Händedruck, außerdem hatte sie viel zu tun. Aber nicht nur deshalb wollte sie Jonas nichts sagen.

Zapp: Professionelle Diskretion, Herr Jonas. Ärztliche Schweigepflicht. Für Sie Fremdworte, nehm ich an.

Jonas: Kommen Sie mal wieder runter, Frau Doppeldoktor. Ich will ja gar nicht wissen, was Juniper für Meisen oder Macken hatte, ob er Zwangsneurotiker war, oder Bettnässer, ob er nicht mehr Selbstwertgefühl hatte als äh als...

Sam: Als eine durchgesessene Klobrille.

Jonas: Dank dir, Sammy.

Sam: Bitte.

Jonas: Ich brauch nichts als einen ganz kleinen Hinweis, damit ich den erwischen kann, der ihn umgebracht hat.

Zapp: Umgebracht? Dr. Juniper?

Jonas: Dr. Juniper ist tot, Frau Doppeldoktor Zapp.

Sam: Zapp Zapp.

Jonas: Ermordet.

Zapp: Einen Augenblick, Herr Jonas, ich muß meinem Vorzimmerrobot was sagen. Achtung, Freitag 10-11, Termin kann neu vergeben werden. Was Sie mir da erzählen, Herr Jonas, ändert die Situation.

Jonas: Na also.

Zapp: Ein wenig. Lediglich graduell, wenn Sie verstehen was ich meine.

Jonas: Ist Ihnen in letzter Zeit an Dr. Juniper irgendwas aufgefallen, was besonderes.

Zapp: Auf Einzelheiten kann ich natürlich nicht eingehen, er hat zwei, dreimal seinen Termin abgesagt.

Jonas: Warum?

Zapp: Weil er wichtige Besprechungen hatte, mit einer wichtigen Person, hat er behauptet.

Jonas: Sonst noch was?

Zapp: Dr. Juniper war in ausgesprochen guter Stimmung, sehr ungewöhnlich, richtig euphorisch war er.

Jonas: Weshalb?

Zapp: Wegen der Schlacht von Kadesh.

Jonas: Weshalb?

Sam: Schlacht von Kadesh. Ungebildeter Knochen, im Jahre 1274 v.Ch. Ägypter unter Ramses den zwoten.

Jonas: Aha.

Sam: Wider Hetiter unter König Tsatuse, nein falsch, Nuwatali, jawohl der war's, König Nuwatali, mein Gott die hetetischen Namen.

Jonas: Und wer hat gewonnen? Ramses oder dieser Nuwatali, dieser Hetiter?

Sam: Dies, o mein wißbegieriger Freund, ist bis zum heutigen Tage unbekannt geblieben. Der genaue Ausgang der Schlacht von Kadesh gilt als eines der größten ungelösten Rätsel der Ägyptologie.

Zapp: Genau das hat Dr. Juniper auch gesagt. Und dann hat er erklärt, ganz stolz, das Rätsel der Schlacht von Kadesh und ein paar andere würden in nächster Zeit ein für alle mal gelöst werden, und zwar durch ihn, Juniper und seinen persönlichen Einsatz. Der erste Patient. Ihre Zeit ist um, Herr Jonas. Äh, letzten Freitag hat Juniper mir übrigens eine interessante Frage gestellt. Ob zur Förderung der Wissenschaft auch Dinge getan werden dürfen, die ethisch und juristisch womöglich nicht völlig einwandfrei sind.

Jonas: Und was haben Sie geantwortet, Frau Doppeldoktor?

Zapp: Nichts, die Frage war zu allgemein, und Dr. Juniper lehnte es ab, sie zu konkretisieren.

Jonas: Viel war das auch nicht, aber besser als nichts. Stoff zum Nachdenken, zurück zur Basis, sprich 1Zimmer-Büroaparmtent, klein aber mein. Ich stieg aus dem Lift, ging über den Korridor, dunkel wie immer, ein intensiver Duft nach Schimmel und kaltem Sojakaff. Wie immer. Soweit nichts besonders. Aber dann ging's los, kurz vor meiner Tür, Sammy fing an durchzudrehen, plötzlich heulte er los wie ein meschuggenes Nebelhorn.

Sam: Verzeih mir Meister, verzeih deinem armen kleinen Sammy.

Jonas: Was ist los, Sammy?

Sam: Windet sich vor dir im Staub, o Sultan des Weltalls, in Sackleinwand schleicht er einher, Asche häufelt er auf sein mißratenes Haupt, o bitte Beherrscher der Gläubigen nicht aus dem Fenster schmeißen. Nicht in die Schrottmühle.

Jonas: Was ist denn, was hast du?

Sam: Sammy hat, kaum vermag es über die bleichen Lippen zu bringen.

Jonas: Du hast keine Lippen, Sammy, und kein Haupt, und erst recht kein Grund so Theater zu machen.

Sam: Großmächtiger. Sammy was vergessen.

Jonas: Nein.

Sam: Doch, ein signifikantes Faktum im Fall Juniper, Chef, zur Kenntnis genommen, abgelegt und vergessen.

Jonas: Hör auf zu heulen und spuck's endlich aus dein Faktum.

Sam: Hören ist gehorchen, allgewaltiger Schah. So vernimm denn. Es war zu finsterer Mitternacht im Ministerium, da geschäftige Hände jene Mumie enthüllten, welche keine Mumie war, vielmehr die ermordete Leiche des Dr. Juniper.

Jonas: Sam ist nicht nur eine Heulboje Sam ist auch unter anderem ein Geigerzähler, und der hatte beim Auswickeln was registriert, eine relativ hohe Bequerell-Strahlung aus Bandagen und Leichen. Radioaktivität dieser Größenordnung gibt es in und um Babylon nur an einer Stelle: dem sogenannten Grausektor mitten im Reservat.

Sam: Wo damals die Taschenatombombe hochging. Bumm.

Jonas: Im Grausektor war sie die Leiche, und das hast du mir unterschlagen, Sam. Einfach vergessen. Was mach ich mit dir.

Sam: Wenn Lord Sammy vielleicht ein leckeres Lecithinprogramm erstehen würde.

Jonas: Was war das?

Sam: Was war das? Ah, da fiel ein Stuhl in dero Hoheit Residenz.

Jonas: Da ist jemand, ganz ruhig Sammy... Hände hoch.

Nofretete: Salemaleikum, Jonas. Stecken Sie Ihren Laserstrahler weg.

Sam: Das ist meiner.

Nofretete: Ich tu ihnen nichts.

Jonas: Nofretete in meinem Sessel, entspannt, die schönen Beine übereinanderschlagen, inmitten einer sehr viel weniger schönen Unordnung. Alles war geöffnet, umgestürzt, durchwühlt. Was hatte sie gesucht?

Nofretete: Ramses den zweiten.

Jonas: Bei Jonas?

Nofretete: Warum nicht. Jonas hätte sich die Mumie beim Austausch übergeben lassen und dann für sich behalten können, um dann das Ministerium ein zweites Mal zu erpressen.

Jonas: Hätte Jonas, hat er aber nicht.

Nofretete: Davon habe ich mich überzeugt, Jonas. Sie sind sauber.

Jonas: Zu gütig.

Nofretete: Und darum habe ich mich entschlossen, Ihnen, wie sagt man hier, sauberen Wein einzugießen.

Jonas: Gießen Sie los.

Nofretete: Ich bin Ägypterin.

Jonas: Hab ich mir gedacht. Wissen Sie, wie ich Sie getauft habe, vorhin auf dem van-Dusen-Platz? Nofretete.

Nofretete: Danke. Nennen Sie mich ruhig weiter so. Was ist schon ein Name.

Sam: Schall und Rauch. Knall und Rauch.

Jonas: Es reicht Sammy.

Sam: Nein, Schall und Rauch. Shakespeare.

Nofretete: Ich arbeite für unsere Altertümerverwaltung im verdeckten Außendienst.

Jonas: Das heißt, Sie sind ägyptische Geheimagentin.

Nofretete: Wenn Sie es so romantisch ausdrücken wollen, Jonas. Man hat mich nach Babylon geschickt, um auf die Leihgaben für Ihre Ausstellung zu achten, vor allem natürlich auf die Mumie unseres großen König Ramses.

Jonas: Das hat wohl nicht so recht geklappt.

Nofretete: Ich habe meinen Auftrag nicht erfüllt. Ich habe versagt. Wie Sie, Jonas. Jetzt haben wir beide das gleiche Ziel, Ramses den zweiten zu finden, ich schlage vor wir tun uns zusammen, wir teilen unsere Informationen und gehen gemeinsam vor.

Jonas: Einverstanden, teilen wir unsere Informationen.

Nofretete: Sie fangen an Jonas.

Jonas: Nicht doch. Jonas ist Kavalier. Nach Ihnen Nofretete.

Nofretete: Gut. Passen Sie auf. Vor etwa einem viertel Jahr haben Unbekannte versucht, Napoleons Grab im Pariser Invalidendom aufzubrechen, ohne Erfolg.

Jonas: Was hat das mit unserem Fall zu tun.

Nofretete: Warten Sie ab. Etwas später hörten wir von mysteriösen nächtlichen Grabungen in Berlin, auf dem Gelände der alten Reichskanzlei, wo heute das gigantische Denkmal der Vereinigung steht.

Jonas: Sieht aus, als ob jemand tote Herrscher sammelt. Napoleon, Hitler.

Nofretete: Und jetzt Ramses den zweiten. Interessant nicht wahr. Sie sind dran, Jonas, was haben Sie bei der Psychotherapeutin erfahren.

Jonas: Ich sagte es ihr, und ich sage ihr auch, was Sammy mir gerade gebeichtet hatte.

Nofretete: Also in diesen wie hieß das, in diesen Grausektor führt die Spur.

Sam: Im Grausektor aber ist's fürchterlich, nicht geheuer ist es dort, Geister gibt an jenem Ort.

Jonas: Wirklich Sam.

Sam: Ja, radioaktive Geister. Und über ihnen ragt in den verhangenen Himmel dräuend und grausend der Schecken aller Schrecken, Frankensteins Burg. Ua...

Jonas: Ugarte. Keine schlechte Idee.

Sam: Keine schlechte Idee. Ha. Bravo Sammy, heißt das, gut gemacht Sammy, Danke, Sammy, was würde ich ohne dich tun, Sammy.

Jonas: Ugarte. Dr. Victor Ugarte. Vor Jahren eine leuchtende Hoffnung der Wissenschaft, genialer Genetiker und Mikrobiologe, umworben, hofiert, Lehrstuhl an der Uni Babylon mit 20, Aussicht auf den Nobelpreis, und dann war alles vorbei, ganz plötzlich. Ugarte hatte heimlich für die Korporation gearbeitet, das organisierte Verbrechen, organlose Kuriere hatte er geklont und absolut furchtlose Wegwerfkiller. Das kam raus. Ugarte setzte sich ab in den Grausektor, wo sich kein Polizist hintraut, und da saß er immer noch und forschte und klonte in seinem illegalen Labor.

Sam: Frankensteins Burg heißt sie im Volksmäulchen.

Jonas: Igora kam aus dem Reservat, mit der Mumie und mit einem Klonkiller, ihr Chef heißt Frankenstein. Hat sie gesagt. Alles paßt zusammen.

Nofretete: Ugarte hat die Königsmumie gestohlen mit Junipers Hilfe.

Jonas: Und er hat sie noch. Wozu. Warum.

Nofretete: Vielleicht ist er Sammler.

Jonas: Könnte die Sache was mit Gentechnik zutun haben.

Nofretete: Das wird sich zeigen. Wir werden Frankenstein besuchen, auf seiner Burg.

Jonas: Einfach so, ein gemütlicher Sparziergang in den Grausektor durchs Reservat.

Nofretete: Sie kennen sich da doch aus, Jonas. Oder?

Sam: Und ob er sich auskennt, mein Meister, ein und aus, rein und raus, ja, ein Pfadfinder im Reservat, ein Führer durch die Wildnis, siehe Fall Reservat, siehe Fall Störfalle, siehe Fall Eurodschungel, und so weiter und so fort etc.

Nofretete: Ja, dann ist ja alles in Ordnung. Zeigen Sie mir den Weg auf der Karte, Jonas, wo liegt der Grausektor.

Sam: Da drüben an der Ecke wo die Rosentulpen stehen...

Jonas: Im Südosten von Babylon, mitten in dem großen dunklen Fleck, vor 15 Jahren im Bürgerkrieg ist das ganze Viertel draufgegangen, seitdem existiert es nicht mehr. Offiziell. Inoffiziell ist es das Reservat, eine Wüste aus Stein und Metall, ein Dschungel mit eigenen Gesetzen, wild und gefährlich, am wildesten und gefährlichsten im Grausektor. Ich zeigte Nofretete den Weg durchs Reservat zum Grausektor.

Nofretete: Wir sollten sofort aufbrechen Jonas.

Jonas: Augenblick, nicht so schnell, erst helfen Sie mir beim Aufräumen.

Nofretete: Wenn Sie darauf bestehen, aber vorher sollten wir anstoßen auf das Team Nofretete/Jonas.

Sam: Und Sammy.

Nofretete: Gibt's hier was du trinken.

Jonas: Bürowhisky, wenn Sie die Flasche nicht ausgekippt haben, o haben Sie nicht, die Gläser sind auch noch ganz, also dann cherio. Auf gute Zusammenarbeit, Nofretete.

Nofretete: Auf gute Zusammenarbeit, Jonas.

Jonas: Sie trinken ja gar nicht, Nofretete, warum trinken Sie nicht?

Jonas: Ich fiel, vom Schreibtisch auf den Fußboden, durch den Boden, tiefer, immer tiefer, bis nichts mehr da war, kein Boden, kein Jonas. Im meinem Kopf tobte die Schlacht von Kadesh. Mal gewannen die Ägypter, mal die Hethiter. Jonas verlor immer, das war nicht fair. Ich machte die Augen auf. Ich lag auf dem Fußboden in meinem Büroapartment. Die Schlacht tobte immer noch. Nur daß es nicht die Schlacht war, es war Sammy.

Sam: Tatatatä. Erhebet euch ihr Gläubigen, strömet zu Hauf, na los, komm schon endlich hoch du nasser Sack, kikeriki, erwachet, erwachet, er krähte der Hahn, die Sonne betritt ihre güldene Bahn. Kikeriki.

Jonas: Der Hahn heißt Sam. Und das mit der Sonne stimmt schon gar nicht.

Sam: Theo gratias, Halleluja. Halleluja.

Jonas: Wie spät haben wir's?

Sam: Er ist wieder da, er ist wieder bei sich, er ist wieder bei Sammy, mein Jonasle, Jonas der große, der einzige, der unnachahmliche.

Jonas: Jajaja wie spät.

Sam: Höre Jonas laß dir sagen, unsere Uhr hat 6 geschlagen, und äh ja und 7 Minuten und 23 Sekunden.

Jonas: Abends?

Sam: Na, Mitternachts wird's sein.

Jonas: Das heißt ich war fast 8 Stunden abgetreten. O... O Gott. Da hat mir die liebe Nofretete ein Teufelszeug in meinen Whisky gekippt.

Sam: Gelinkt hat sie meinen Meister, lahmgelegt, kaltgestellt, pfui spinne wat fies, damit sie ihren Ramses ganz allein holen kann.

Jonas: Viel Glück, das braucht sie.

Sam: Wie dürfte ich das verstehen, Sir?

Jonas: Oh, ich hatte so ne Ahnung, und darum hab ihr einen ganz besonders interessanten Weg durchs Reservat gezeigt, über Turkistan, vorbei am Hauptquartier der Straßensamurai und an den Höhlen der Nachtmenschen.

Sam: Ja, das schafft sie nie, die linke Lola. Clever, und da bist du ganz alleine draufgekommen, du Dünnbrettbohrer.

Jonas: Wer sich auskennt, kommt problemlos ins Reservat, weil er weiß, wo die Lücken im Dom sind, und die vergessenen Unterführungen, und im Reservat kennt er die versteckten Wege durch die Trümmer. Und wenn er dann noch Glück hat, kommt er durch. Gegen Mitternacht war ich im Grausektor, Radioaktivität bedenklich, aber nicht lebensgefährlich. Sagt Sam. Passendes Wetter, heftiger Regen, Blitz und Donner, die Klimaregulierung spielte verrückt, das tut sie hier immer. Um Jonas graue Hügel, eintönig und unheimlich, und darüber, blitzumzuckt, ein hohes finsteres Gebäude.

Sam: Frankensteins Burg.

Jonas: Ugartes Labor, wir sind da.

Sam: Früher war das mal ein Bezirksgericht, gelle, ja, gebaut im 19. Jahrhundert, daher das gotische Brimborium, Zacken, Zinnen, Türmchen. Ja, so was fanden die geil damals. Beachten Sie vor allem die stilechten Spitzbögen Ladys und Gentlemen.

Jonas: Ich denke nicht dran.

Sam: Und woran sofern die Frage erlaubt wäre, denken Eminenz falls überhaupt.

Jonas: Wie kommen wir rein, daran denke ich.

Sam: Ja, gute Frage, Kumpel, laß uns mal überlegen.

Jonas: Türen und Fenster sind out, Sammy.

Sam: Ja, da scharf bewacht und streng gesichert. Dacor Monsieur.

Jonas: Übers Dach.

Sam: Hubschrauber weniger zu empfehlen.

Jonas: Also von unten, durchs Abwasser, wie seinerzeit in Nirwana.

Sam: Fall Spielwiese. In dem daß die Abwasserleitung hiesigenorts zu ebener Erde verläuft und sich in einem bewachten Zustand befindet. Jedoch.

Jonas: Sam hatte in eine Idee. Ab und an ist er wirklich zu brauchen. In alter Zeit stand gegenüber vom Gericht das Untersuchungsgefängnis, und dazwischen lief ein unterirdischer Gang, damit die Angeklagten sicher vor den Richter gebracht werden konnten. Sam wußte das. Sam weiß viel. Er wußte auch, welcher Trümmerhaufen das ehemalige Gefängnis war, und wo Jonas im Schutt wühlen mußte, um den Gang zu finden. Eine Stunde später waren wir unter der Erde, es war eng, etwas muffig, aber sauber und hell. Sammy ließ sein Licht leuchten auf glatte Wände, die nur einmal unterbrochen waren, durch eine Metalltür mit einem wohlbekannten Zeichen:

Jonas: Drei schwarze Speichen im gelben Kreis, hierdurch geht’s ins alte Atomschutzsystem, Sammy. Fall Schneewittchen, weißt du noch.

Sam: Ah Herr Hofrat, ich bitt Sie, wird Sammy auch nur einen einzigen Fall seines Jonas vergessen.

Jonas: Vorsicht, Sam, ich sag nur Lecithin.

Sam: Ja, nur zu, brutaler Folterknecht, dreh an der Schraube, reibs ein, schmier's dem armen Sam aufs Butterbrot, immer und immer wieder, ich werd es ertragen sieben Jahr, ich werd es ertragen.

Jonas: Tu das Sam. Weißt du, was die Tür bedeutet. Wir haben einen Fluchtweg, schnell und gefahrlos unter dem Reservat direkt nach Babylon. Falls du den Öffnungscode kennst.

Sam: Ha. Kennt Sammy sein Einmalseins? Sein Alphabet.

Jonas: OK. Merken für nachher, wir werden's dann vermutlich eilig haben. Weiter.

Sam: Drei vier. Das Wandern ist das Jonas Lust, das Wandern...

Jonas: Der Gang endete an einer schmalen Treppe, 30 Stufen steil nach oben, dann ein kleiner Absatz, rechts und links Wände, darin je eine hölzerne Schiebetür. Undeutliche Geräusche hinter der linken Tür. Ich schob sie vorsichtig zurück, kroch durch die Lücke und war in einer Art Kanzel, zwei mal zwei Meter. Unter einer hohen Gewölbedecke. Was war das?

Ugarte: Gut so. Macht sich, macht sich. Sehr schön.

Sam: Großer Verhandlungssaal, Herr Vorsitzender.

Jonas: Und diese Kanzel.

Sam: Angeklagten.

Jonas: Ach so. Ob ich mal über den Rand kucke?

Sam: Vorsicht, euer Ehren, Klavier, piano, pianissimo.

Jonas: Der Saal war voll. Voll mit Geräten, Maschinen, Apparaten, Instrumenten, Konsolen, Röhren, Gläsern. Retorten. Alles brummte und summte, dampfte und stampfte, tickte, brodelte und kochte, Elektroöfen zischten, bunte Lichter zuckten. Frankensteins Labor. Wie im Kino. Mittendrin zwei Figuren in weißen Kitteln, eine klein und bucklig, Igora. Neben ihr ein Mann, groß, etwas gebückt, fahrige Bewegungen, stechende Augen hinter dicken Brillengläsern, wirre lange Haare, die um seinen Kopf standen wie ein pervertierter Heiligenschein. Das mußte er sein. Frankenstein persönlich, Dr. Victor Ugarte.

Ugarte: Gut machen sie sich, unsere kleinen Adolfs, Igora.

Igora: Wundervoll, Herr Doktor, ganz wundervoll.

Ugarte: Sie blühen, sie gedeihen. Die neuen Nährlösung scheint ihnen besser zu bekommen.

Igora: Viel besser, Herr Doktor. Viel viel besser.

Ugarte: Der kleine, dicke hier, ist das nicht ein Prachtexemplar. Kann man nicht schon fast seinen Schnurrbart erkennen?

Igora: Vollbart, Herr Doktor, Rauschebart.

Ugarte: Red keinen Unsinn, Igora. Was macht unser Sonderfall, unser Sorgenkind.

Igora: Herr Doktor meinen den Pharao?

Ugarte: Wen denn sonst. Ißt er?

Igora: Jawohl, Herr Doktor, aber sprechen tut er immer noch nicht.

Ugarte: Ich seh ihn mir mal an.

Jonas: Beide gingen durch eine Tür, direkt unter meiner Kanzel. Jonas ging auch, das heißt er kroch, zurück durch die Schiebetür, über den Absatz, durch die rechte Schiebetür: Und da war ich wieder auf einer Kanzel, über einem Saal, der kleiner war als der erste. Und in dem es ganz anders aussah.

Sam: Ägyptisch.

Jonas: Wenn du das sagt, Sammy.

Sam: Ja, Thronsaal eines Pharao. Neues Reich, 19. Dynastie.

Jonas: Glaub ich dir unbesehen. Hier sind sie also gelandet die Stücke aus der Ausstellung. Aber wo ist die Mumie?

Sam: Ja, wo ist die Mumie? Auf dem Thron.

Jonas: Nein, Sammy, das ist ein Mensch, eben hat er den Arm bewegt.

Sam: Ja und?

Jonas: Ein Mann, groß, mager, dunkelhäutig, mit ausgeprägter Hakennase und einem langen schmalen Kinnbart. Er trug einen Lendeschurz und auf dem Kopf einen hohen runden Aufbau, ein bißchen wie eine Bischofmütze. Und nach Bischof sah auch der kurze Krummstab aus, den er in der Hand hielt. Er saß da, steif und fast regungslos und sah vor sich hin. Auf Ugarte, der vor ihm herumfuchtelte, reagierte er überhaupt nicht.

Ugarte: Sag mal, Ramses, was soll das, was denkst du dir? Gerade mit dir habe ich mir ganz besondere Mühe gegeben.

Igora: Und auch hohe Kosten haben Herr Doktor nicht gescheut.

Ugarte: Sehr richtig, Igora. Kosten Mühen und Zeit. Ich mußte diesen Idioten Juniper kultivieren, sein Vertrauen gewinnen, ihm anvertrauen, daß ich aus der Mumie von Ramses II. eine genuine Kopie des alten Pharao klonen kann.

Igora: Und wie Herr Doktor das können, phänomenal.

Ugarte: Ich habe ihm erzählt, daß so eine Kopie ihm alle Fragen über den echten Ramses beantworten kann, wer die Schlacht von Kades gewonnen hat, und was weiß ich noch alles.

Igora: Und das hat er Herr Doktor wirklich geglaubt?

Ugarte: Als ob ein Klon die Erinnerungen des Originals behält, ein Trottel, der Mann, keine Ahnung von Genetik. Als er mir die Mumie brachte und merkte, was ich wirklich vorhatte, da machte er mir eine Szene.

Igora: Eine Frechheit Herr Doktor, eine bodenlose Frechheit.

Ugarte: Dafür ist er ja auch bestraft worden, Igora, und ich, ich habe die Mumie präpariert und zerlegt, das Genmaterial isoliert, nach der PCR-Methode kopiert und da mir mehr als ausreichend DNA-Substanz zur Verfügung stand, habe ich dich produziert, Ramses. Du bist ein Pharao, ein Autokrat, ein Tyrann, ein blutdürstiger Krieger. Benimm dich gefälligst auch so.

Igora: Alarm, Herr Doktor.

Ugarte: Geh ans Fon, Igora, frag die Sicherheitszentrale was es gibt.

Igora: Ja, was ist los? Aha? Jemand hat versucht, ins Institut einzudringen Herr Dr.

Ugarte: Wer hat es gewagt. Man bringe ihn zu mir.

Igora: Sie. Herr Doktor, es ist eine Frau.

Jonas: Auftritt zwei riesige Klonkiller mit Lasern, zwischen ihnen, Sie haben es erraten, Nofretete, sie hatte es tatsächlich geschafft. Respekt trotz allem. Sie sah sich um, verwirrt zuerst, dann immer stärker beeindruckt. Fast verzückt, riß sich los, lief zum Thron, fiel auf die Knie.

Nofretete: Majestät, o großer Pharao, sieh gnädig herab auf deine Dienerin.

Ugarte: Machen Sie sich nicht lächerlich. Das ist nur ein Klon: Ein Produkt. Vor mir sollten Sie knien. Ich hab ihn geschaffen, einen lebendigen Pharao aus einer toten Mumie, und das ist erst der Anfang, wenn erst die vielen kleinen Adolfs reif geworden sind, und bald, sehr bald werde ich in den Osten aufbrechen, ins Eldorado der Tyrannen, Lenin, Stalin, Iwan der Schreckliche, Dschingis Khan. Tamalan. Durch mein Genie werdet ihr zu neuem Leben, neuen Untaten erwachen.

Igora: Bravo, Herr Doktor, bravissimo.

Ugarte: Man hat mich verfolgt, man hat mich gedemütigt, meine Karriere hat man vernichtet, mein Leben zerstört, ich werde mich dafür rächen. Babylon, Europa, die ganze Welt wird erfahren, wozu Dr. Victor Ugarte fähig ist. Ich klone Welteroberer, Diktatoren, Tyrannen, Massenmörder, Blutsäufer, es werden mehr werden, immer mehr, viele, und wenn die Zeit gekommen ist, werde ich, Dr. Victor Ugarte, meine schwarzen Heerscharen, meine apokalyptischen Horden auf die Menschheit loslassen. Ein Chaos wird ausbrechen, eine globale Katastrophe, die Greuel der Verwüstung. Heulen und Zähneklappern, Berge von Leichen, Ströme von Blut. Armageddon, Götterdämmerung, Weltuntergang.

Sam: Total beknackt dieser Klon...

Ramses: Amun steh mir bei, was für ein melodramatischen Monolog, ein richtiges, verzeihen Sie Dr. Ugarte, ein richtiges Schmierentheater.

Igora: Ramses, der kann sprechen, Und wie, Herr Doktor, wie ein Buch.

Sam: Ne, wie ein Computer.

Ugarte: Wie redest du mit mir, Ramses, du bist mein Geschöpf, was ich befehle führst du aus.

Ramses: O nein, Dr. Ugarte, rechnen Sie bitte nicht mit mir, ich finde ihr Weltuntergangsszenario abgeschmackt. Makaber, richtig krank. Außerdem kann ich kein Blut sehen.

Ugarte: Wir müssen den Tatsachen ins Auge blicken, Igora. Ramses ist ein Fehlschlag. Viel zu brav, kein Tyrann, wie wir ihn brauchen. Was über Ramses II. in den Geschichtsbüchern steht, ist offenbar stark übertrieben. Wir werden ohne ihn auskommen müssen. Programm Adolf wird intensiviert. Viel zu tun, viel zu tun.

Igora: Und die Frau, Herr Doktor, die Einbrecherin?

Ugarte: Bringen sie um, Igora.

Igora: Mit meinem kleinen scharfen Messer, Herr Doktor, wie Juniper.

Ugarte: Genau so, Igora, zeig diesem entarteten Pharao wie Menschenblut aussieht.

Igora: Komm, komm mein Täubchen, komm zu Igora. Igora wird dir deinen schönen Hals abschneiden von einem Ohr zum andern mit ihrem kleinen scharfen Messer.

Ramses: Zurück. Ich bin der Pharao, ich werde nicht dulden, daß meiner Dienerin Leid geschieht.

Igora: Misch du dich nicht ein Ramses, sonst bist du der nächste. Haltet sie fest.

Sam: Sollten wir einschreiten, mein über den Dingen schwebender Jonas.

Jonas: Du hast Recht, Sam, es wird Zeit. Laserstrahler. Igora und zwei Klonkiller.

Jonas: Tot. Alle drei. Meisterschütze Jonas hopste über die Kanzel. Nofretete war keine Amateurin. Sie lief sofort zur Tür, drehte den Schlüssel um. Keine Sekunde zu früh.

Ugarte: Igora, was ist passiert...

Nofretete: Nun tun wie uns also doch noch zusammen, Jonas. Teilen wir unsere Ressourcen. Was haben Sie beizusteuern?

Jonas: Meinen Laser und einen Hinterausgang plus Fluchtweg. Und Sie Nofretete?

Ugarte: Aufmachen.

Nofretete: Ich, das hier.

Jonas: Eine Superminibombe mit einstellbarem Zeitzünder. Sehr gut.

Nofretete: Zum Glück haben sie mich nicht durchsucht.

Sam: Die Zeit drängt, verehrte Anwesende. Stell den Knaller ein, eine viertel Stunde sollte reichen, na los versteck ihn und dann ab und durch die Middle.

Jonas: Und Ramses, nehmen wir ihn mit.

Nofretete: Mein Pharao. Komm zurück.

Sam: Ja wo ist er denn...

Jonas: Ramses schritt zur Tür. Kopf hoch, Arme über der Brust gekreuzt, feierlich, jeder Zoll ein Pharao. Ugarte und seine Klonkiller hatten ein mächtiges Loch in die Füllung geschlagen. Ramses blieb davor stehen, majestätisch hob er den Krummstab.

Ramses: Im Namen Amuns, in meinem eigenen Namen, ein Gott bin wie er, im Namen aller Götter Ägyptens, fort mit den Waffen, in den Staub, das befiehlt euch Ramses, der Sohn des Rah, der da geliebt wird von Amun, Ramses der große Pharao.

Jonas: Nofetete, was ist mit der Bombe.

Nofretete: Eingestellt und versteckt.

Jonas: Dann los, hier auf die Kanzel, beeilen Sie sich. Auf die Kanzel.

Nofretete: Armer Ramses. Armer Pharao.

Jonas: Eine Viertel Stunde später, in einem Gang des unterirdischen Atomschutzsystems Richtung Babylon. Jonas ging voran, dahinter Nofretete, Sammy in meiner Hand leuchtete. Wir hatten es eilig. Aus gutem Grund.

Sam: Adio Frankensteins Burg. Adios Frankenstein. Alias Dr. Victor Ugarte.

Jonas: Adios Ramses. Ein Jammer, daß wir ihn nicht retten konnten, Nofretete, und seine Mumie schon gar nicht, aber die hat Ugarte schon vor Tagen zerschnipsle und zu Genmaterial verarbeitet. Nofretete? Nofretete?

Sam: Noferetetete? na, verschwunden, die flüchtige, wieder einmal.

Jonas: Und diesmal für immer. Mir sollte es recht sein. Als ich zuhause war, rief ich Frau Schrödinger M.A. an, wollte ihr erzählen, wie der Fall ausgegangen war, wer dahinter gesteckt hatte und warum. Aber sie wollte es nicht hören.

Schrödinger: Interessiert mich nicht, Herr Jonas, absolut nicht, das hab ich Ihnen schon mal gesagt. Mich interessiert nur eins. Was ist mit Ramses?

Jonas: Erschossen, Frau Schrödinger, MA.

Schrödinger: Was?

Jonas: Was ist mit meinem Geld?

Schrödinger: Reichen Sie Ihre Rechnung ein.

Jonas: Was?

Schrödinger: Ich habe einen großen Papierkorb.

Jonas: Natürlich kriegte Jonas keinen Euro. Frau Schrödinger MA kriegte was, einen neuen Posten. Sie wurde nach Albanien versetzt zur Regionalverwaltung historisch wertvoller Zwergkirchen.

Sam: Und da soll sie bleiben, bis sie schwarz wird, das walte Hugo, Amen Bmen, Batman.

Das war Pharao. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam Peer Augustinski. Außerdem wirkten mit: Christiane Bachschmidt, Ulrike Kriener, Elisabeth Volkmann, Hans Stetter und viele andere (Elisabeth Endriss, Karl Friedrich). Ton und Technik: Günter Heß und Christine Koller. Regieassistenz: Holger Buck. Regie: Werner Klein. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks (1994). Redaktion: Erwin Weigel.

Beitrag vom 02.04.2022 - 21:23
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Der letzte Detektiv
Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
Heute: Nachtcafe

Jonas: Sie wimmelten um uns herum, kratzten an der Plexikuppel, drückten sich die verschorften Nasen platt, stierten auf unseren Tisch, unsere Teller. Steaks. Echtes Rindfleisch. Unbezahlbar. Sie zeigten uns ihre dürren Rippen, ihre aufgetriebenen Bäuche, ihre offenen Wunden, ihre Eiterbeulen. Und sie schrieen. Sie schrieen vor Hunger. Sie schrieen nach unseren Abfällen. Der bullige Typ neben mir warf ihnen was zu. Einen abgenagten Knochen. Durch die elektronisch gesicherte Klappe. Sie stürzen sich drauf, fielen übereinander her, schlugen sich blutig.

Lumbago: Hahahaha! Das macht Laune und Appetit. Hunger ist der beste Koch. Sagten schon Opa und Oma im guten alten 20. Jahrhundert. Na, ihr Klappergestelle, noch ein Stück? Kusch, später, vielleicht, wenn ihr uns bei Laune haltet. Na, bietet uns mal was. Allehopp!

Jonas: Das Lokal hieß Drittwelt. Ein Schuppen für Superreiche. Man tafelte in Plastikkuppeln. Dahinter Horden halbverhungerter Drittweltler. Der Besitzer ließ sie an der Grenze einsammeln. Da gab's mehr als genug. Frischer Nachschub. Jede Nacht.

Lumbago: Super Idee. Der letzte Schrei. Erlebnisgastronomie mit Pfiff. Sie essen ja gar nicht Jonas. Hauen Sie doch rein. Die Chefin zahlt.

Jonas: Sie haben mich hierher bestellt, sagen Sie, worum es geht. Ich höre zu. Aber vorher drücken Sie auf den Knopf.

Lumbago: Sie meinen Ton weg, Kuppel undurchsichtig? Aber wieso denn, die Hungerleider sind doch gerade der Witz hier.

Krug: Tun Sie uns den Gefallen, Lumbago, stellen Sie das da draußen ab.

Jonas: Sie war Kassandra Krug: Albin Krugs einzige Tochter, die reichste Erbin in Babylon, vielleicht in ganz Europa, trotzdem tat sie mir leid, sie war so klein, einsdreißig - höchstens. Und ihre Augen hatten den gleichen traurigen Blick wie die Augen der armen Schweine hinter dem Plexiglas. Ihretwegen blieb ich, der Mann bei ihr war weniger mein Fall.

Jonas: Lumbago.

Lumbago: Ja, so heiße ich. Tayfun Lumbago, Dr. Lumbago, Dr. der äh...

Krug: Kunstgeschichte.

Jonas: Doktor.

Lumbago: Was dagegen?

Jonas: Genau so hab ich mir einen Doktor der Kunstgeschichte vorgestellt, zwei Meter im Quadrat, Nasenknick, Blumenkohlohren.

Lumbago: Nur kein Neid, Freundchen.

Krug: Dr. Lumbago betreut die Kunstsammlung meines Vaters. Deshalb ist er mitgekommen. Verstehen Sie?

Jonas: Kein Wort. Vielleicht fangen Sie mal an mir zu erklären was Sie von mir wollen.

Lumbago: Van Gogh. Schon mal gehört den Namen?

Jonas: Maler vor 100 Jahren. Nicht ganz dicht, hat sich was abgeschnitten, Ohr, richtig, krieg ich jetzt den Preis.

Krug: Mehr wissen Sie nicht?

Jonas: Wozu?

Krug: Nachtcafe, Jonas, sagt Ihnen das was?

Jonas: Ist das ne Kneipe? Kenn ich nicht.

Lumbago: Na wissen Sie Freundchen, mit ihrer Bildung sieht's eher mickrig aus.

Jonas: Im Gegenteil, Freundchen, meine Bildung ist gewaltig, und ich habe sie immer bei mir, in der Tasche. Bitte, mein Computer, spricht viel, weiß alles. Hast du zugehört, Sam.

Sam: Ja natür... haben wir Chef. Doch doch doch mit einem Öhrchen, na ja warum. Nicht gerade anregend das Gesülze.

Jonas: Van Gogh, Sammy, Nachtcafe, leg los, mach Eindruck, zeig den Herrschaften, was Bildung ist.

Sam: Aber immer, Meister, auf die Plätze fertig los, Piep. Vincent van Gogh, 1853 bis 1890, zu Lebzeiten ein bettelarmer, völlig erfolgloser, gänzlich unbekannter Maler, wurde nach seinem allzufrühen Tod anerkannt und gefeiert als einer der genialsten Künstler, welche je auf Erden wandelten. Bereits im 20. Jahrhundert erzielten seine Gemälde Rekorderlöse –heute sind sie so gut wie unerschwinglich.

Jonas: Das wußte sogar Jonas, und er wußte auch warum. Weil es kaum noch echte van Goghs gab, die meisten waren in den letzten Jahren draufgegangen, als Holland und Belgien überflutet wurden, als beim Erdbeben von Tokio die Großbanken mitsamt ihren Tresoren ins Meer rutschten, als im 2. amerikanischen Bürgerkrieg die Museen in Flammen aufgingen.

Sam: Nachtcafe ist der Titel eines Gemäldes, welches van Gogh im September 1888 zu Arles in Südfrankreich schuf.

Jonas: Ach so. Ein Bild ist das.

Sam: Was denn sonst du hirnamputierte Beutelmaus. Nachtcafe, vordem im Besitz der Yale University, wurde im Dezember 2012 von Albin Krug, dem bekannten babylonischen Multimillionär und Multimilliardär für seine Sammlung erworben, Kostenpunkt 500 Millionen Euros.

Jonas: Eine halbe Milliarde.

Sam: Ja.

Jonas: Für ein Bild.

Sam: Ja.

Krug: So ist es Jonas. Und jetzt hat mein Vater erklärt, daß er Nachtcafe mitnehmen will.

Jonas: Mitnehmen, wohin.

Lumbago: In die Hölle vermutlich. Verzeihung, Kassandra.

Krug: Schon gut, Lumbago. In den Sarg, ins Krematorium. Wenn er tot ist.

Lumbago: Und das wird nicht mehr lange dauern. Immerhin ist Albin Krug an die 120.

Krug: 121 Jahre und 4 Monate.

Jonas: Moment, ihr Vater will ein Bild für eine halbe Milliarde verbrennen. Warum?

Krug: So ist er, Jonas, wenn es ihn nicht mehr gibt, soll es auch Nachtcafe von van Gogh nicht mehr geben.

Lumbago: Ja, und darum haben wir Sie kommen lassen, Jonas.

Krug: Sie sollen verhindern, daß mein Vater seinen Plan ausführt.

Lumbago: Sie sollen Kassandras wichtigstes und wertvollstes Erbstück sichern und der Welt ein einmaliges Kunstwerk erhalten.

Jonas: Ich verstehe, Sie brauchen keinen Detektiv, Sie brauchen einen Dieb.

Lumbago: Jacke wie Hose Jonas.

Krug: Bitte, Jonas, retten Sie Nachtcafe, für mich.

Sam: Gut wir retten Nachtcafe.

Jonas: Sie sah mich an, schräg von unten, mit großen traurigen Augen. Deshalb blieb ich. Jonas war nicht in Form. Jonas hatte keinen Bock. Jonas wollte kein Detektiv mehr sein. Letzter, vorletzter, allerletzter. Egal. Jonas wollte was ganz anderes tun, was kreatives. Töpfern, Klavierspielen, Midlifecrisis nennt man so was. Und ein Bild klauen, das hat ja auch was kreatives. Irgendwie. Was künstlerisches.

Lumbago: Auf jeden Fall ist es eine ganz einfache Kiste Jonas. Sie gehen zu Krugs Haus, gleich nebenan, durch den bewachten Park, 10 Minuten zu Fuß. Sie gehen ins Haus, durchs Foyer und dann rechts in den Bildersaal, immer gerade aus, Nachtcafe hängt an der hinteren Wand, nicht zu verfehlen. Sie nehmen das Bild ab, klemmen es unter den Arm, kommen zurück.

Jonas: Nicht so schnell, Lumbago.

Lumbago: Dr. Lumbago.

Jonas: Wollen Sie mir erzählen, daß Haus und Bild überhaupt nicht gesichert sind?

Lumbago: Natürlich sind sie gesichert, und wie, aber das ist nicht Ihr Problem. Kassandra?

Krug: Hier, Jonas, eine Generalsupersicherheitsscheibe.

Lumbago: Damit legen Sie das komplette Schutzsystem im Hause Krug lahm.

Jonas: Kein Personal.

Lumbago: Die Menschen haben Ausgang, die Automaten schaltet ihre Schreibe ab.

Jonas: Und Albin Krug selbst.

Krug: Wird Sie nicht stören, Papi hält sich in seinem Spezialambiente auf, tief unter dem Haus.

Lumbago: Ja, Sie sehen Jonas, ein Kinderspiel. Mit dem Bild kommen Sie hier her zurück, dafür kriegen Sie 500 Euros.

Jonas: 500. Für ein Bild, das 1.000.000 mal soviel wert ist.

Lumbago: Na, sagen wir 1000, aber mehr ist nicht drin.

Krug: Pappi hält mich kurz.

Lumbago: Alles klar Jonas.

Jonas: Noch nicht ganz, wenn die Sache so leicht ist, wozu brauchen Sie mich. Warum klauen Sie Nachtcafe nicht einfach selbst.

Lumbago: Schwer von Begriff ist er auch noch. Albin Krug wird natürlich Kassandra verdächtigen.

Krug: Sie auch Lumbago.

Lumbago: Und darum brauchen wir ein Alibi. Wir sitzen hier in der Drittwelt, ganz gemütlich. Und derweil reißt sich ein Außenstehender das Bild unter den Nagel, einer den Krug nicht kennt. Der mit Kunst nichts am Hut hat und der sich dabei nicht allzu dämlich anstellt hoffentlich. Uhrenvergleich. Es ist jetzt

Sam: 22 Uhr 17 Minuten und 9 Sekunden. Piep.

Lumbago: Spätestens um 11 sind Sie wieder hier, Jonas. Mit Nachtcafe, eingewickelt natürlich, Decken und Packpapier finden Sie im Bildersaal auf dem Tisch rechts von der Tür.

Krug: Viel Glück Jonas. Wir sehen uns.

Sam: Tschüß.

Jonas: Jonas war schon oft danebengewesen, aber noch nie so daneben wie an diesem 2. Juli 2013. Midlifecrisis wie gesagt und große Zwergenaugen. Wie auch immer, Jonas ging klauen. Krugs Haus war kein Haus, eine Residenz, eine Palast, eine gigantische Schatzkammer, gesichert und bewacht von allem was gut und teuer war. Schleusen und Scanner jeder Art, Robodogs und Robokiller, Monitore, Fallen, Alarmanlagen, aber damit hatte Jonas keine Probleme. Jonas war unsichtbar, seine Superscheibe bahnte ihm den Weg durch die Dornenhecke ins Dornröschenschloß. In den Bildersaal, was heißt Bildersaal, ins Museum. Überall gerahmte Kunst, groß, klein, bunt, einfarbig. Soweit so gut. Wo war Nachtcafe?

Sam: Sperr die Schweinslitzen auf Genosse, hier, direkt vor dero hochwürdigstem Riechorgan.

Jonas: Das Bild da, das kleine Ding?

Sam: Ja, 70 mal 90 cm. Klein, aber oho. Wie Miß Kassandra die Krügin.

Jonas: Na, weißt du, Sammy. Giftgrün, Blutrot, Eitergelb, und mittendrin ein schiefer Billardtisch. Also mir gefällt's nicht.

Sam: Och, wer fragt dich denn, du Banause, merke 500 Milliarden Euros können nicht irren.

Jonas: Bißchen Ästhetik hätte ich dir einprogrammieren sollen.

Sam: Nachtcafe ist eines der häßlichsten Bilder, die ich geschaffen habe, sagte Vincent van Gogh, der Meister höchstpersönlich.

Jonas: Ja, der sollte es wissen.

Sam: Und ferner sprach er: Ich habe versucht, die finsteren Nächte in einer gemeinen Kneipe darzustellen, und das in einer Atmosphäre fahl und schweflig wie ein Höllenofen.

Jonas: Interessanter Aspekt, Sammy.

Sam: Also so geht’s nicht, Chef, sind wir hier, um das Bild zu betrachten, zu interpretieren, kritisch zu werten? Hä? Mitnichten, geklaut soll es werden das Bild, also dann mal los, du Schnarchsack, bißchen plötzlich.

Jonas: 10 Minuten später war ich draußen. Auf der Straße. Unter dem Arm ein flaches Paket, rechteckig, 70 mal 90, in einer Decke, im Bauch ein ungutes Gefühl. Und in der Tasche ein Computer, dem die Geschichte auch nicht gefiel. Und der das sagte, laut und deutlich.

Sam: Da kommt eine Zwergin mit einem merkwürdigen Doktor der Kunstgeschichte und einer noch merkwürdigeren Story, und was tut mein Meister, er geht hin und klaut einen van Gogh. Wahnsinn!

Jonas: Für einen guten Zweck, Sammy.

Sam: Ach ja, also wenn du das glaubst, du Knallfrosch, dann muß dir einer ins Hirn genotdurftet haben. Was, genotdurftet, ach was geschissen.

Jonas: Vorsicht Sam, du weißt, man kann dich abschalten.

Sam: Apropos abschalten. Die Sicherheitssysteme im Hause Krug

Jonas: Waren abgeschaltet durch meine Superscheibe. Oder nicht.

Sam: Doch doch doch doch, irgendwie schon. Einerseits.

Jonas: Was heißt das?

Sam: Naja, schwer zu erklären, euer Unempfänglichkeit, da war noch mehr hinter dem Sicherheitssystemen, verdeckt, verborgen, Elektronik zu Hauf.

Jonas: Bist du sicher Sam.

Sam: Mein Gott Jupiter Merkur, was was ich, was heißt sicher, ist eher eine Art schleichende Ahnung, ungewiß oder unabweisbar, ein Gefühl.

Jonas: Du hast keine Gefühle, Sammy.

Sam: Was kein Gefühl.

Jonas: OK. Was schlägst du vor.

Sam: Folgendes Herr Kollege, Bevor uns nicht gewisse Aufklärung über Grund, Sinn und Zweck der Affäre Nachtcafe zu teil wird, liefern wir das Gemälde nicht ab. Wir halten es zurück, verstecken es, als Pfand, na ja non capito, als Sicherheit.

Jonas: Keine schlechte Idee, und Jonas wußte auch wo er das Bild unterstellen konnte: Bei Joana, einer alten Freundin, Besitzerin der kleinen Kunstgalerie Picassos Pinsel in der Palmettostraße, nicht weit, nur um die Ecke. Joana ist eine tüchtige Geschäftsfrau, die Galerie war noch auf. Abends kurz vor 11. Tja, wir Freiberufler, immer im Dienst.

Joana: Sieh mal wer da kommt, Jonas, Jonas der letzte Detektiv. Welch seltene Ehre, Tusch Herr Kapellmeister.

Sam: Tätätätä, Jonas und Sam. Der Treueste der Treuen, wie sprichwortet doch das Volk. Je später der Abend.

Joana: Halt den Rand Sammy. Gerade wollt ich abschließen und ins Bett gehen, allein, aber jetzt.

Jonas: Laß dich nicht aufhalten Joana, ich muß gleich weiter. Kannst du das hier für mich aufheben.

Joana: Ein Bild? Seit wann interessierst du dich für Kunst, Jonas?

Jonas: Laß es eingewickelt, tu es in deinen Tresor, morgen hol ich es wieder ab.

Joana: Was ist los Jonas, worum geht's? Ein Fall.

Jonas: Keine Zeit, Joana, morgen, und was ich noch sagen wollte, danke.

Jonas: Punkt 11 kam ich in der Drittwelt an. Wie besprochen, aber Kassandra Krug und Lumbago waren nicht da.

Kellner: Die Herrschaften lassen sich entschuldigen, eine unvorhergesehene Abhaltung. Sie werden sich in wenigen Minuten einfinden. Sie, Herr...

Jonas: Jonas.

Kellner: Ach ja, ganz recht, Sie werden ersucht zu warten, Herr Jonas, hier an der Bar, wenn’s beliebt.

Jonas: Es beliebte. Auch wenn Jonas leicht säuerlich war. Wozu hatte ich mich so beeilt. Egal. Ich saß an der Bar, weit ab von den heulenden Drittweltlern, trank mit Andacht einen echten Single Malt Whisky und wartete. Ein paar Minuten vergingen, dann machte es puff, in meiner Jackentasche, ich faßte rein, nichts drin, auch nicht Kassandra Krugs Superscheibe, die eben noch dringewesen war. Anscheinend ein Autodestruktions- und Evapourationsmechanismus, schweres Wort, hab ich von Sam. Als ich gerade anfing, mich zu wundern, piekte mich plötzlich ein Zeigefinger ins Kreuz, ein amtlicher Zeigefinger. Und eine amtliche Stimme flüstere mir was ins Ohr.

Brock: Sie sind festgenommen Jonas.

Jonas: Chefinspektor Brock, warum flüstern Sie, haben Sie ihre Dienstmarke verschluckt?

Brock: Rücksicht ist das, weil wir in der Drittwelt sind, und weil hier der Polizeipräsident verkehrt, die Bürgermeisterin, Milliardäre, Industriekapitäne und -innen, bessere Leute, die wollen das exotische Ambiente in Ruhe genießen und sich beim Speisen nicht durch polizeiliche Maßnahmen stören lassen.

Jonas: Was für polizeiliche Maßnahmen, Bröckchen?

Brock: Sie sind festgenommen, Jonas.

Jonas: Ach was. Warum.

Brock: Das erfahren Sie auf dem Revier. Kommen Sie jetzt mit.

Jonas: Ich denke nicht daran. Den Grund der Festnahme müssen Sie mir sofort sagen und dann müssen Sie Ihren Spruch ableiern. Alles was Sie aussagen kann vor Gericht usw. Ist Gesetz.

Brock: Können Sie haben, Jonas, ich pfeife, meine Leute kommen rein, wir nehmen Sie fest, mit allen Schikanen, wie es im Gesetzbuch steht.

Jonas: Das wird dem Herrn Polizeipräsidenten gar nicht gefallen.

Brock: Ihren aber auch nicht, Jonas. Es könne nämlich passieren, daß Sie dabei unter Umständen ein kleines bißchen beschädigt werden. Aber ganz wie Sie wollen. Soll ich pfeifen?

Jonas: Säuseln Sie lieber weiter, Bröckchen, das ist zwar auch nicht schön, aber ausgesprochen selten.

Brock: Gut so. Stehen Sie auf, langsam, unauffällig. Gehen Sie voraus.

Jonas: Auf dem Revier gab's keine besseren Leute, wir waren unter uns. Unter uns normalen, sofern man Bullen und private Schnüffler aus Normal bezeichnen kann. Chefinspektor Brock war wieder der alte, laut ruppig, harte Schale, und nicht ganz so harter Kern, womöglich, jedenfalls spendierte er mir einen Sojakaff. Und dann sagte er mir, warum ich festgenommen war.

Brock: Diebstahl in Verbindung mit Einbruch. Sie haben ein Gemälde aus Albin Krugs Sammlung gestohlen, Wert eine halbe Milliarde. Die Beweislage ist eindeutig. Beim Begehen der Straftat wurden Sie holografisch erfaßt und aufgenommen.

Jonas: Das also waren Sammy elektronische Ahnungen.

Brock: Bestreiten Sie das Ihnen zur Last gelegte Verbrechen, Jonas.

Jonas: Ja, das heißt nein, sagen wir nicht direkt. Ich kann alles erklären, das heißt Kassandra Krug kann, Albins Tochter, fragen Sie sie Brock.

Brock: Nicht nötig, Kassandra Krug hat Sie angezeigt Jonas und uns das Holoband vorgelegt.

Jonas: Das ist doch nicht wahr.

Brock: Rufen Sie sie an. Sie wissen ja: einen Anruf haben Sie. Das ist Gesetz.

Jonas: Das Bild, das ich, ich meine um das es geht, ist das versichert.

Brock: Klar.

Jonas: Bei wem?

Brock: Moment, steht alles im Protokoll. Hier. Vereinigte Kosmos.

Jonas: Kenn ich. Fall Supernova. OK Brock, machen Sie mir eine Fonverbindung.

Brock: Mit Kassandra Krug?

Jonas: Nein, mit der Versicherung. Jonas war dabei wieder Dampf aufzunehmen. Agieren, nicht reagieren hieß die Parole. Der Vereinigten Kosmos schlug ich ein Geschäft vor, ich bot an, Nachtcafe zurückzugeben, morgen, wenn ich sofort aus der Haft entlassen würde, vorläufig, gegen Kaution. Jonas mußte raus. So schnell wie möglich, um festzustellen, was gespielt wurde, von wem und warum. Gegen zwei Uhr nachts war ich draußen und machte mich sofort auf den Weg zur Palmettostraße. Da wartete die nächste Überraschung auf Jonas, ungewöhnliche Aktivität. Feuerwehrsirenen, Leitern, Schläuche, rote Glut, schwarze Trümmer. Die Galerie Picassos Pinsel war ausgebrannt, Joana stand vor den Resten. Sie schrie nicht, sie raufte sich nicht die Haare. Sie war sauer. Auf Jonas.

Joana: Willkommen großer Detektiv, willkommen zum festlichen Feuerzauber. Sieh es dir an, Jonas, siehs dir ganz genau an. Das wirst du mir alles ersetzen. Meine Galerie, meine Wohnung, meine Objekte, meine Bilder. Alles.

Jonas: Ich. Wieso ich.

Joana: Weil du mir vorhin dieses Bild gebracht hast, Jonas, deshalb.

Jonas: Versteh ich nicht.

Joana: Das Bild ist explodiert mit einer Stichflamme, die hat die Wandbehänge in Brand gesetzt, usw. s' ging ganz schnell.

Jonas: Explodiert. Wann.

Joana: Genau um 11. Hatte es abgestellt, wollte gerade den Tresor aufschließen.

Jonas: Punkt elf. Ein Autodistrukt mit Zeitschaltung. Wie der bei Scheibe. Mein Gott das Bild, Joana, was ist mit Nachtcafe.

Joana: Was soll sein. Explodiert. Verbrannt. Hinüber.

Jonas: Verbrannt. Ein echter van Gogh. 500 Millionen Euros.

Joana: Unsinn. Eine Kopie, gutgemacht, aber doch nur eine Kopie. Nicht mehr wert als 100 Euros.

Jonas: Bist du sicher.

Joana: Ich hab's mir angekuckt dein Bild. Ausgewickelt und angekuckt. Wollt doch wissen, was Jonas bei mir abstellt. Van Goghs Nachtcafe. Kopie in Originalgröße.

Jonas: Eine billige Kopie. Ich hab ne Kopie geklaut. Joana ich brauch dich. Komm mit.

Joana: Darauf kannst du dich verlassen Jonas, daß ich mitkomme und dich nicht aus den Augen lasse. Nicht weil ich dich brauche. Ich brauch ein Bett und Schadensersatz. Rat und Hilfe sowieso.

Jonas: Auch Jonas brauchte Rat und Hilfe. Es war höchste Zeit für eine Konferenz. Eine Stunde saßen wir in meinem Büroapartment zusammen. Joana, Jonas und Sam natürlich. Nur daß der nicht saß sondern lag. Auf dem Schreibtisch, was seinen Redefluß keineswegs einschränkte. Im Gegenteil.

Sam: Im Namen der Logik, des Intellekts und des heiligen Geistes, lasset uns rekapitulieren liebwerte Gemeinde.

Joana: Von mir aus.

Jonas: Nur zu, Sammy. Erstens.

Sam: Niemals. Punktum Römisch I. Fraktur.

Jonas: Ist uns auch recht, was Joana.

Sam: Römisch I. Alldieweil Sintimalen und was maßen unserem hochwertgeschätzten Anbefohlen namens Jonas nur Jonas zubenamset der letzte Detektiv von Seiten einer gewissen Kassandra Krug die Aufgabe zu teil wart, ein ölfarbbedecktes Stück Leinewand vulgo Nachtcafe aus ihres Herrn Vaters hochkünstlerischer Sammlung heimlichst zu entfernen, äh entfernen, sintinmalen zu entfernen, sinti... wo war

Jonas: Na Sammy, verhaspelt, weißt du nicht weiter.

Sam: Piep. Zwo. Jonas klaut Bild, wird dabei ohne sein Wissen elektronisch beobachtet, und aufgezeichnet. Drei Kassandra Krug zeigt Jonas wegen Diebstahls an. Vier. Supersicherheitsscheibe wird durch Selbstzerstörungsmechanismus vernichtet.

Jonas: Und damit verliere ich meinen einzigen Beweis, daß ich für Kassandra Krug gearbeitet habe.

Sam: Bitte den Vortragenden nicht zu unterbrechen. Fünf. Vernichtet wird gleichermaßen das gestohlene Bild, welches sich zu allem Überfluß Punkt sechs als Kopie erweist.

Jonas: Erwies, Sammy, erwies.

Sam: Bzw. bewies. In dem das

Jonas: Alldieweil und sintimalen.

Sam: In dem das Alldieweil und sintimalen Punkt sieben besagtes Bild nicht mehr existiert ebenfalls dank eines Autodistruktmechanismus, durch welches Faktum dem Paktum des p.p. Jonas der Versicherungsgesellschaft zur Gänze die Basis entzogen wurde. Fuu äh Korrektur Uff.

Jonas: Das heißt Jonas muß in den Knast. Punkt 8.

Sam: Fazit Jonas nur Jonas der letzte Detektiv belieben sich in einer keinesfalls als beneidenswert zu bezeichnenden Situation zu befinden.

Jonas: Vulgo in der Scheiße. Bis zum Hals.

Joana: Und ich. Geht's mir etwa gut?

Sam: Irrelefant meine Gnädigste. Denn merke: Sam ist ein persönlicher Computer. Sams Person ist Jonas. Zufällig zugelaufene Wesen weiblichen Geschlechts gehören nicht in Sams Aufgabeparameter.

Joana: Blas dich nicht so auf du eifersüchtige Blechbüchse.

Sam: Unsachliche Unterstellungen großmütig ignorierend, kommen wir nunmehr zum Schluß, liebwerte Gemeinde, wieder einmal ist Jonas, nur Jonas der letzte Detektiv Objekt und Opfer in einem üblen Spiels, welches mit ihm getrieben wird.

Jonas: Scheiß spiel.

Sam: Ja.

Jonas: Getrieben von wem. Wer steckt dahinter.

Sam: Ach armer Jonas, die alte alte Frage und ist doch ewig neu.

Jonas: Is ja gut Sammy, und deine Antwort.

Sam: Unzureichende Daten, o Wiederstein der Weltaltswonnen.

Jonas: Die alte alte Antwort also.

Joana: Kassandra Krug, wer denn sonst.

Jonas: Vielleicht auch dieser Dr. Lumbago, der Leiter von Albin Krugs Sammlung.

Joana: Augenblick, Jonas, was soll dieser Dr. Dingsbums sein.

Jonas: Lumbago, Leiter von Krugs Kunstsammlung.

Joana: Nie im Leben. Der Leiter ist Professor Asmus, ich kenn ihn persönlich.

Jonas: Wie sieht er aus.

Joana: Ein alter Herr, klein, zierlich, trägt nur schwarz, drückt sich sehr gewählt aus.

Sam: Hm, hört sich ganz und gar nicht an wie unser Freund Tayfun Lumbago. Was Chef.

Joana: Ein interessanter Mann, Asmus mein ich, früher mal vor 30, 40 Jahren recht bekannter Maler, Pseudoexpressionist, Neoabstracter, Fotorealist.

Jonas: Hast du seine Fonnummer, Joana.

Joana: Moment.

Joana: In meinem Computer.

Sam: Was, anderer Computer? Nein, Sammy eifersüchtig, nicht anderer Computer.

Jonas: Prof. Asmus ging nicht ans Fon, aber Joana hatte seine Adresse. Racivilweg, Südbabylon, das alte Künstlerviertel, eine Dachwohnung, fast ein Penthouse, unproblematisches Türschloß, dahinter ein riesengroßer Raum, Schlaf- und Wohnzimmer plus Atelier, ein überdimensionales Fenster, Nordlicht, zwischen Bett und Staffelei ein hochkünstlerisches Chaos. Zeichencomputer, Pinsel und Farben, auf einem echten alten Holztisch vollgekritzelte Blätter, über- und durcheinander.

Joana: Skizzen, Entwürfe, Studien, und alle zu einem Thema, zu einem Bild.

Jonas: Sag's nicht, Joana, laß mich raten, blutrot eitergelb giftgrün, Billardtisch, Nachtcafe. Van Gogh.

Joana: Kopie von Prof. Asmus.

Jonas: Das heißt, die Kopie, die Jonas im Hause Krug gestohlen und dann dir übergeben hat Joana.

Joana: Und die bei mir in die Luft geflogen ist, mitsamt der ganzen Galerie.

Jonas: Diese Kopie hat Asmus produziert, Professor Asmus, Maler und Leiter von Krugs Kunstsammlung.

Joana: Das gibt doch keinen Sinn, Jonas, außer, Moment, außer Asmus ist der große Unbekannte, der Drahtzieher im Hintergrund.

Jonas: Nein, Joana, das ist er nicht.

Joana: Wieso nicht?

Jonas: Asmus trägt immer schwarz, hast du gesagt.

Joana: Ja, warum?

Jonas: Darum. Unter dem Bett sah ein Fuß hervor, in schwarzem Schuh und schwarzer Socke. Ich faßte zu und zog. Zum Vorschein kam ein kleiner alter Mann in schwarz. Ein toter Mann. Mit verdrehtem Kopf und gebrochenem Genick. Noch warm.

Joana: Professor Asmus, das ist er.

Jonas: Das war er. Jemand hat ihn umgebracht.

Joana: Der Unbekannte, der Drahtzieher.

Jonas: Sieht so aus.

Joana: Drahtzieherin Kassandra Krug.

Jonas: Ich weiß nicht, Joana. Irgendwie traue ich ihr sowas nicht zu.

Sam: Jaja, strenger Vater, kleine Tochter, große Augen. Armes Kind. Ein Sentimentalinski ist mein Jonas. Hört das Fon ihr läuten, was hat's denn zu bedeuten?

Jonas: Blöde Frage, Sammy, irgendwer ruft bei Asmus an.

Joana: Wer kann das sein, Jonas?

Jonas: Werden wir gleich hören. Hallo?

Krug: Das wurde auch Zeit. Meine Tochter, schnell.

Jonas: Hier ist das Atelier von Professor Asmus.

Krug: Weiß ich. Ich bin Albin Krug. Persönlich. Ich warte nicht gern. Geben Sie mir meine Tochter. Wer immer Sie sind, ich weiß daß sie da ist.

Jonas: Ich zittere Herr Krug vor Angst und Ehrerbietung, aber Kassandra ist momentan unanwesend, leider, ich hätte sie auch gern gesprochen.

Krug: Das können Sie haben, Jonas, hier bin ich. Legen Sie das Fon hin, heben Sie die Arme und drehen Sie sich zum Fenster, langsam. Ein Laserstrahler schießt auch durch Glas, und wir haben drei.

Jonas: Sie waren auf dem Dach hinter dem Atelierfenster. Kassandra die bedauernswerte Kleine, immer noch klein, aber nicht mehr bedauernswert. Neben ihr Lumbago, und neben Lumbago sein Ebenbild, genauso groß, genauso breit, genauso häßlich. Der Fall wurde immer undurchsichtiger. Eins war allerdings klar. Die drei am Fenster hatten schußbereite Laser, und damit hatten sie uns. Im Sack. Um ihn zuzumachen, stiegen sie durch den offenen Flügel, das heißt Kassandra und Lumbago stiegen, das Ebenbild krachte voll durch die Scheibe.

Lumbago: Doch nicht so, Atlas.

Atlas: Hu, Fenster putt.

Lumbago: Da siehst du. Und deine Hand.

Atlas: Blut. Aua.

Lumbago: Lecks ab. Mein Bruder Atlas ist ein bißchen impulsiv, Jonas.

Jonas: So ihr Bruder, Lumbago, auch Doktor? Der Philosophie oder der Metaphysik?

Lumbago: Unter uns, Jonas, mein Bruder Atlas ist möglicherweise nicht ganz so intelligent wie ich, aber er hat seine Qualitäten. Was Atlas?

Atlas: Die da, totmachen?

Jonas: Tayfun und Atlas, die zwei Lumbagos, eine echte Clownnummer, ausgefuchst, eingespielt, und richtig komisch, schade daß Jonas so gar nicht darüber lachen konnte, die arme Joana auch nicht.

Atlas: Totmachen, ja, bitte, bitte, totmachen.

Krug: Halten Sie ihn noch einen Augenblick an der Leine Lumbago. Hallo Papi, Kassi hier, Asmus? Erledigt, Papilein, abgehackt. Wie besprochen. Auf deine Kassi kannst du doch verlassen, das weißt du doch. Eben am Fon? Das war Jonas, der Detektiv, genau, der Trottel, der die Kopie gestohlen hat, Atlas wird sich gleich um ihn kümmern. Was? Aber Papischatz wozu denn das hält doch nur auf, ja, na gut, Papilein, ganz wie du willst, wir sind gleich bei dir. Küßchen Papi.

Lumbago: Alles klar Kassandra.

Atlas: Jetzt totmachen ja?

Krug: Tut mir leid, Atlas.

Atlas: Nix totmachen?

Krug: Nix totmachen Atlas, Pappi will das nicht.

Lumbago: Er hat sich doch so darauf gefreut, ich versteh das nicht, Kassandra, es war doch abgemacht, daß Jonas über die Wupper geht.

Krug: Und dabei bleibt's auch, Lumbago, nur daß Papi die Sache selbst in die Hand nehmen wird. Sie kennen ihn doch, er ist Romantiker, Genußmensch. Mit Jonas will er sich ein Fest machen. Zuhause. In aller Ruhe.

Lumbago: Also ex und hopp auf die schnelle wär mir lieber Kassandra.

Krug: Mir auch, Lumbago, mir auch, aber Papis Wille geschehe. Kommen Sie Jonas, und Sie auch Herzchen. Ich weiß nicht wer Sie sind.

Joana: Joana ist mein Name.

Krug: Ich will's auch gar nicht wissen, mitgefangen, mitgehangen. Los.

Jonas: Auf dem Dach, hinter einem dicken Schornstein, wartete ein Minihelikopter. Mit Platz für zwei. Tayfun Lumbago steuerte, Atlas nahm Kassandra auf den Schoß. Joana und Jonas banden sie außen an. Ein dröhnender atemberaubender Luftsprung zum Dach des Hauses Krug. Da stiegen wir um in einen Lift, abwärts in den Keller und weiter abwärts, noch ein gutes Stück, schließlich Endstation. Alles aussteigen. Es war kalt. Sehr kalt. Arktisch kalt. Und arktisch sah er auch aus, der große Raum tief unter dem Haus. Boden und Wände klinisch weiß gefliest und kahl, in der Mitte ein Bett, darauf eine zerknüllte weiße Decke, davor eine große Konsole, halbrund, voll mit Schaltern, Tasten, Bildschirmen, Signalleuchten. An der rechten Wand, in einem abgedichtetem Plexikasten, ein buntes Bild.

Joana: Nachtcafe, das Original!

Krug: Selbstverständlich das Original. Ein echter van Gogh, meine Herrschaften. 500 Millionen Euros.

Jonas: Ein Ofen wäre mir lieber, ich... ich glaube ich habe noch nie in meinem Leben so gefroren wie jetzt.

Sam: Irrtum, Meister, denke zurücke, November 2011 vor anderthalb Jahren, Fall Schneewittchen, der Kühlraum im Hafenspeicher, ja, da ist's auch kalt gwen.

Jonas: Weißt du, Sammy, der alte Philip Marlowe hatte es besser, er mußte nie in die Kälte.

Sam: Aber ins Treibhaus, du Frostbeule.

Jonas: Kein Vergleich, Sam, kein Vergleich.

Krug: Sie frieren, Herr Jonas, das tut mir leid. Ich bin Ihnen entgegengekommen, auf Minus 30 Grad, die normale Temperatur hier beträgt Minus 70 Grad.

Sam: Ei höllisch.

Jonas: Was da sprach, war die Decke auf dem Bett. Keine Decke, ein Mensch, ein Mann, klein, uralt, faltig, verschrumpelt und schneeweiß. Haar, Bart, Haut, Kleidung, alles weiß. Albin Krug, am Leben gehalten durch das Wunder der Kryonik, extreme Kälte verlangsamte und schonte die Funktionen seines verbrauchten Körpers.

Krug: Ein guter Rat, Herr Jonas, halten Sie sich kühl, dann werden Sie alt, 120 Jahre und älter.

Jonas: Sie erinnern mich an die gleichnamige Champagnermarke, Herr Krug, vor Gebrauch gut kühlen.

Krug: Witzig. Fesseln, ihn und die Frau.

Auch knebeln, Boß?

Krug: Nicht doch, sie sollen sich ausdrücken können. Bitten, betteln, schreien, um Hilfe, vor Angst, vor Schmerzen. O, nur fesseln.

Jonas: Das klang nicht gut. Joana und Jonas wurden verschnürt, mit Biofesseln, die speziell auf große Kälte eingestellt waren. Das verriet uns Albin Krug, und dann verriet er uns die Hintergründe im Fall Nachtcafe.

Krug: Wissen Sie, etwas großes zu tun, reicht nicht, man muß es auch kund tun. Sie Herr Jonas und ihre Freundin sind ein ideales Publikum.

Jonas: Klar, wir können nicht gehen wenn es langweilig wird.

Krug: Aus zwei Gründen. Sie haben in der Affäre mitgewirkt, in nicht unwichtigen Funktionen, und Sie werden das, was Sie erfahren, nicht weitergeben können.

Krug: Papiliebling, beeil dich ein bißchen, du weißt, die hohe Temperatur tut dir nicht gut.

Krug: Sorg um deinen Papi, wie immer Kassi mein Herz, damit es schneller geht, du mir ab und zu helfen.

Krug: O wie gern Papilein.

Krug: Gut. Ich beginne. Als ich vor nicht allzulanger Zeit bekannt gab, ich wolle meinen kostbaren van Gogh ins Grab mitnehmen, in einem vorübergehenden Anfall von

Krug: Von Morbidität, da gab's in der sogenannten Kulturszene ein großes Gezeter.

Krug: Da war schön, das hat Spaß gemacht.

Krug: Aber das war nicht genug. Papi Liebling fiel was besseres ein. Nachtcafe stehlen lassen und doch behalten, die Versicherung übers Ohr hauen.

Jonas: OK, Herr Krug, aber wozu, bei Ihrem Vermögen kann doch eine halbe Milliarde keine große Rolle spielen.

Krug: Das Geld interessiert mich nicht, Herr Jonas.

Jonas: Sondern?

Krug: Noch niemals Herr Jonas hatte ich ein Verbrechen begangen.

Jonas: Ach wirklich, Sie Albin Krug, Multimilliardär und Wirtschaftskapitän.

Krug: Mein Gott, Wirtschaftsvergehen, Geschäftsusancen, am Rande der Legalität, das...

Krug: Das zählt nicht. Papilein meint richtige Verbrechen, Kapitalverbrechen.

Krug: Betrug, Diebstahl, Mord, eine neue Herausforderung, Herr Jonas, neue Erfahrungen, ganz neuer Spaß. Natürlich brauchte ich Unterstützung durch Kassi, die späte Frucht meiner Lenden und von einem gekauften Ei, nicht groß aber effektiv.

Krug: Ich tu alles für dich Papilein.

Krug: Und die beiden Lumbagos fürs Grobe. Ich machte einen Plan, und wir suchten einen...

Krug: Einen Dummen. Jonas, einen Dieb und Sündenbock, einigermaßen brauchbar mußte er sein, ehrlich, ein bißchen sentimental, nicht sehr klug, und wir fanden...

Jonas: Jonas. Jonas, den letzten Detektiv.

Krug: Eine geradezu ideale Besetzung. Asmus wurde beauftragt, eine Kopie von Nachtcafe anzufertigen, und diese Kopie haben Sie brav gestohlen, Herr Jonas.

Krug: In ihr befand sich ein Autodestrukt, eingestellt auf 11 Uhr. Die gestohlene Kopie verschwand für immer, der überführte Dieb wurde verhaftet, die Versicherung muß zahlen.

Jonas: Und damit Asmus keine Schwierigkeiten macht, hat Kassi ihn kurzerhand umgebracht.

Krug: Also genaugenommen war's Atlas.

Atlas: Totgemacht. Hals umgedreht.

Krug: Brav, Altlas, Guter Mann.

Jonas: Mord, Versicherungsbetrug in 3stelliger Millionenhöhe, Anstiftung zu Einbruch und Diebstahl. Eine runde Sache, Herr Krug, wie fühlt man sich so als Schwerverbrecher? Zufrieden?

Krug: Noch nicht, Herr Jonas, noch fehlt der Höhepunkt in Albin Krugs krimineller Karriere. Albin Krug wird einen Mord begehen, persönlich.

Krug: Zwei Morde, Papischatz.

Einen Doppelmord. Eigenhändig. Langsam. Mit Genuß. Mit Hingabe und Raffinesse.

Atlas: Ja, Boß, totmachen.

Krug: Kann ich solange rausgehen Papilein?

Jonas: Zart besaitet, Kassandra.

Krug: Unsinn, mir ist kalt.

Lumbago: Mir auch.

Krug: Atlas solltest du hierbehalten, Papi, als Leibwächter und Handlanger falls du einen brauchst.

Jonas: Kassandra und Lumbago gingen sich aufwärmen, Atlas blieb bei Krug. Der mußte offenbar eine kurze Pause einlegen. Jedenfalls war es ein paar Minuten still im Raum, zu hören war nur das leise Summen der Kühlaggregate hinter den Wänden. Das brachte Jonas auf einen Gedanken. Sam, in meiner Brusttasche, ich ließ den Kopf sinken und nahm Kontakt auf. So leise wie möglich.

Sam: Alles vernommen, Meister. Leb wohl, leb wohl auf ewig, Sammy wird um dich trauern und dir Blumen ans Grab bringen.

Jonas: Blumen gibt's schon lange nicht mehr, Sam.

Sam: Ne?

Jonas: Und mit der Trauer wartest du besser, bis Jonas wirklich im...

Sam: Ist gut.

Joana: Das wirst du bald Jonas und ich dazu wenn dir nicht schnellstens was einfällt.

Jonas: Mir, ich bin nur ein kleiner Privatdetektiv, Joana, ein nützlicher Idiot, nicht sehr klug, hast du ja gehört, für Einfälle ist Sam zuständig. Sam ist der Computer, der Rechner, der Denker, na los, Sammy, denk uns hier raus.

Sam: Ist viel zu kalt, Meister, viel zu kalt. Viel zu kalt. Ist aus Kiß me Kalt, kennst du.

Jonas: Dann muß ich dir wohl ein bißchen auf die Sprünge helfen, Sammy, das Summen, hör doch mal.

Sam: Na und? Kälteaggregate. Um Albin Krug schön kühl zu halten, damit er nicht verdirbt, gleich hinter der Wand.

Jonas: Elektronisch gesteuert?

Sam: Na ja was denn sonst? Aha, Ach so. Ja so.

Jonas: Sam hatte kapiert und machte sich an die Arbeit. Als Maulwurf im Steuersystem von Krugs Kühlanlage. Es dauerte ein bißchen, ein paar Sicherungen gibt es, die kann nicht mal Sam auf die Schnelle knacken. Aber dann war er durch. Langsam, ganz langsam stieg die Temperatur, wurden die Aggregate lauter. Albin Krug merkte nichts. Er suhlte sich voller Wonne in Killerphantasien.

Krug: Wie soll ich sie töten, welche Todesart verspricht höchsten Genuß?

Jonas: Das ist die Frage, wie ein gewisser Hamlet mal gesagt hat.

Krug: Soll ich die Raumtemperatur allmählich zurückdrehen, und beobachten, wie sie ganz langsam erfrieren, nein, das ist zu einfach, zu wenig raffiniert.

Jonas: Phantasielos.

Krug: Unser guter Atlas könnte ihnen die Haut in Streifen vom Leib schneiden.

Atlas: O ja Boss, totmachen, Haut abziehen.

Krug: Ich weiß nicht. Ach, meine lieben kleinen Autodistruktbömbchen, immer zur Hand auf meiner Konsole. Wie wär's denn damit. Atlas drückt ihnen die Nase zu uns zwingt sie so einen niedlichen Knallfrosch herunterzuschlucken. Oder wir führen ihnen ein paar Ladungen in andere sehr viel empfindlichere Körperöffnungen ein.

Joana: Nein.

Krug: Auf welchen Zeitpunkt ich die Bomben eingestellt habe, das wird nicht verraten, das bleibt mein kleines Geheimnis, schwitzen werden sie vor Angst, sich bemachen, winseln, heulen, zähneklappern, und plötzlich werde ich sagen, in einer Minute explodiert ihr Magen, ihr Darm, was immer, aber vielleicht ist es gar nicht wahr, ein wunderbares Spiel, tausend Tode werden sie sterben, zehntausend, hunderttausend.

Atlas: Oh, heiß Boß, Atlas muß schwitzen.

Jonas: Recht hatte er. Die Temperatur war in tropische Höhen geklettert. Genau das richtige Ambiente für einen Gorilla, aber nicht für einen überalterten eiskalten Greis.

Krug: Was, was ist das? Hilfe! Ich sterbe. Ich schmelze. Ich löse mich auf. Oh...

Atlas: Boss? Boss tot, Boß tot.

Jonas: Die Hitze schmolz unsere Biofesseln, und auch Albin Krug war dahingeschmolzen. Vor unseren Augen hatte er sich aufgelöst. In Zeitraffer, bei lebendigem Leibes verwest. Jetzt war von ihm nichts mehr übrig als eine schmutzig-graue Pfütze auf dem Bett, eine dicke Blase stieg an die Oberfläche und zerplatzte. Es roch nicht gut. Atlas glotzte, er zitterte und war so verstört, daß Jonas ihm problemlos den Laser aus der Hand nehmen und über den Scheitel ziehen konnte.

Sam: Das wär's Leute, hochverpupptes Ehrlichkeit, liebe Kinder, ja, ist das nicht ganz exquisit gelaufen? Hm? O welche Wonne wie Eis an der Sonne schmolz er dahin. Jetzt ist er ne Pfütze, zu nichts mehr nütze, das war der Sinn.

Jonas: Der Krug geht so lange zu Wasser bis er schmilzt.

Joana: Schrecklich. Ich will raus.

Jonas: Zu. Abgeschlossen. Von außen. Elektronisch, Sammy?

Sam: Ach was. Mechanisch, Uraltmodisches Türschloß. Mit sowas gibt sich unser eins gar nicht erst ab.

Joana: Du hast doch den Laserstrahler, Jonas.

Jonas: Mit dem Laser krieg ich die Tür nicht auf.

Joana: Und mit einem Autodistrukt.

Jonas: Das ginge. Und was machen wir, wenn die Tür auf ist.

Sam: Shot out, Partner. Raus mit dem Laser.

Jonas: Ein einzelner Jonas gegen Kassi und Lumbago, riskant.

Joana: Vielleicht sollten wir verhandeln.

Jonas: Vielleicht. Kassandra Krug macht einen ganz vernünftigen Eindruck. Na bitte. Hallo?

Krug: Bist du das Atlas?

Jonas: Unser gemeinsamer Freund Atlas ist leider verhindert.

Krug: Jonas? Was ist passiert?

Jonas: Tja, wie soll ich mich ausdrücken, vielleicht so: Seit ein paar Minuten sind Sie Kassandra Krug, die reichste Person in Babylon.

Krug: Papilein?

Jonas: Exakt.

Jonas: Wissen Sie, es war so kalt, daher haben wir die Temperatur erhöht, das ist Papi gar nicht gut bekommen. So sieht's aus, Kassandra. Papi tot, wir drinnen, Sie draußen. Patt.

Krug: Matt, Jonas, Sie, wir brauchen nur zu warten, bis Sie anfangen sich vor Hunger aufzufressen.

Jonas: Sie vergessen was, Kassandra. Wir haben Nachtcafe und ein paar Autodistruktladungen, vom Laser ganz zu schweigen. Es wäre doch schade um ein einmaliges Kunstwerk, ihr wertvollstes Erbstück, Kassandra.

Krug: Was verlangen Sie?

Jonas: Freien Abzug, Schmerzensgeld.

Joana: Für mich auch.

Jonas: Schadensersatz für Joana.

Joana: 100.00 Euros. Mindestens.

Jonas: Und Nachtcafe.

Krug: Was? Kommt nicht in Frage.

Jonas: Sie kriegen das gute Stück ja wieder Kassandra von der Vereinigten Kosmos. Da muß ich es abliefern. Damit die Anklage gegen mich zurückgezogen wird.

Krug: Und was kriege ich?

Jonas: Einen Ärger, mit der Versicherung, mit der Polizei wegen Asmus, und Papis Milliarden natürlich.

Krug: Einverstanden, kommen Sie raus.

Jonas: Ich hatte es ja gesagt, Kassandra Krug war ein kluges Kind, unser Abmarsch ging glatt, vielleicht weil Jonas den Finger am Abzug des Lasers hatte, und die Mündung an Nachtcafe. Sicher ist sicher.

Sam: Happy End und Sonnenschein. Es ist so schön so klein zu sein.

Jonas: Darauf sollten wir was trinken, Joana, im Casablanca. Oder bei mir.

Sam: Oder bei mir.

Joana: Kein Zeit Jonas, ein andermal, ich muß mich ums Geschäft kümmern. Wir sehen uns.

Sam: Tschüß.

Jonas: Wir sahen uns. Wochen später bei der Eröffnung von Joanas neuer Galerie: Nicht mehr Picassos Pinsel. Ars nova, protzig und teuer, in bester Lage am Markgrafenboulevard. Adeba Asmus, ein unbekannter Klassiker, so hieß die große Verkaufsausstellung. Gleich nach unserem Nachtcafeabenteuer hatte Joana angefangen, Bilder von Asmus aufzukaufen, bevor sein Tod bekannt wurde, für ein paar Euros, jetzt kosteten sie das Vielfache. Nicht van Gogh Klasse aber immerhin. So ist das. Ein toter Maler lebt nicht schlecht. Vielleicht sollte ich mich umschulen lassen.

Sam: Hast wohl zu viel Nachtcafe gesoffen du Hirnsklerotiker, merke, immer noch besser ein lebendiger Jonas als ein toter Van Gogh gelle oder wie oder was?

Das war Nachtcafe. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus. Seinen Supercomputer Sam Peer Augustinski. Außerdem wirkten mit: Diana Körner, Simone Rethel, Ulrich Beiger, Dirk Galuba, Martin Semmelrogge und viele andere (Claudius Zimmermann, Klaus Neumann, Pascale Schulze, Marc Schulze, Urs Schaudinn, Andreas Wohlrab, Eva Windisch). Ton und Technik: Günter Heß und Christine Koller. Regieassistenz: Holger Buck. Regie: Werner Klein. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks (1994). Redaktion: Erwin Weigel.

Beitrag vom 02.04.2022 - 21:24
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Der letzte Detektiv
Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
Heute: Strafkolonie

Jonas: Mir ging's gar nicht gut. Jacobs neuer Whisky. Beste Schmuggelware aus Singapur, sagte er. Gestern abend hatte ich das Zeug im Casablanca getestet. Ich fühlte mich wie die uralte Mumie eines uralten Pharao, und ich sah auch so aus. Aber den kahlköpfigen Mann, der mir in meinem Büroapartment gegenüber saß, störte das nicht. Im Gegenteil.

Stammheim: Sehr schön. Zerknittert. Unrasiert. Augen blutunterlaufen: Ringe drum herum. Bleiben Sie so, Herr Jonas, so sind Sie genau richtig für den Job.

Jonas: Welchen Job?

Stammheim: Den Sie für mich erledigen werden, Herr Jonas.

Jonas: Werd ich das. Worum geht’s denn?

Stammheim: Sie werden meine Außenstände eintreiben, so was machen Sie doch, oder?

Jonas: Klar, mach ich. Wenn sich nichts besseres bietet. Ich bin Detektiv. Privatdetektiv. Der letzte in Babylon, der riesengroßen Stadt, glaub ich wenigstens. Jonas ist der Name, nur Jonas, und wie hieß der Glatzkopf.

Stammheim: Stammheim, Alonso Stammheim.

Jonas: Macht ja nichts. Was für Außenstände, Herr Stammheim?

Stammheim: Geld, das mir zusteht, weil ich’s beim Pokern gewonnen habe

Jonas: Wieviel.

Stammheim: An sich kleine Fische, 400 Euros, ich hab einen Schuldschein, alles ist in Ordnung nur

Jonas: Der Kerl zahlt nicht.

Stammheim: Ja.

Jonas: Warum geben Sie Ihren Schein nicht dem staatlichen Exekutor, Herr Stammheim?

Stammheim: Weil ich im öffentlichen Dienst arbeite verehrtester, im Justizministerium und weil sich Poker und Spielschulden nicht gut in der Personalakte macht.

Jonas: Lassen Sie es doch einfach sausen.

Stammheim: Kommt nicht in Frage. Nicht mit mir. Sie werden mein Geld eintreiben, Herr Jonas, für 10 %.

Jonas: 25. Und nur wenn die Sache im Rahmen bleibt.

Stammheim: Im Rahmen?

Jonas: Der Gesetze, Herr Stammheim, nichts illegales.

Stammheim: Natürlich nicht, Herr Jonas. Sie werden dem Mann lediglich ein bißchen zureden, mit gewissem Nachdruck.

Jonas: Wie heißt er, wo wohnt er.

Jonas: Die Adresse war im Nordosten, ein mittlerer Wohnbezirk, nicht so fein wie die Gegend um den Markgrafenboulevard, nicht so vergammelt wie die Südstadt, relativ ungefährlich. Ein kurzer schmerzloser Job, dachte ich, deshalb verzichtete ich darauf, Alonso Stammheim abzuchecken, und ich ging ausnahmsweise allein, ohne meinen Computer. Ich fand das Haus, machte die Tür auf, betrat einen dunklen Flur, und da schlugen sie zu, Auto-Cops, ein Greiferkommando, sie hielten mich fest, zogen mir einen Bodybag über, machten ihn zu, alles ging sehr schnell.

Jonas, nur Jonas, Sie sind festgenommen. Sie stehen im Verdacht, schwerste Verbrechen gemäß Corpus Juris Babylonici begangen zu haben.

Jonas: Ihr Blechbullen tickt wohl nicht richtig, laßt mich raus, ich bin der falsche.

Verhalten Sie sich ruhig, unterlassen Sie jeden Wiederstand, sollten Sie in Ihrer Renitenz beharren, würden Sie sich der akuten Gefahr polizeilicher Zwangsmaßnahmen aussetzen. Sie sind hiermit gewarnt.

Jonas: Immer mit der Ruhe, hört doch mal zu. Ganz langsam zum mitschreiben. Verhaftung Irrtum. Falsches Programm. Kommando zurück. Alles klar. Ihr sollt mich rauslassen verdammt. Ah.

Jonas: Die Zwangsmaßnahmen sahen so aus, daß einer der Auto-Cops eine Spritze ausfuhr und mir einen Schuß in den Hals verpaßte. Schlagartig gingen in meinem Kopf die Lichter aus. Jonas trat ab. Als ich wieder auftrat, steckte ich immer noch bis zum Hals im Sack, der hing jetzt am Haken an der Wand einer engen Zelle, eine Tür, kein Fenster, kahl und leer, bis auf den schwarzen Plastikwürfel vor mir ca. 1 mal 1m, unten Rollen, oben Skalen und Knöpfe, und eine Lampe, die plötzlich aufleuchtete, der Würfel quietschte, knarrte, kam ins Zittern und dann fing er an zu reden:

Auto-Judex: Achtung, Achtung, Ruhe im Saal, die Verhandlung ist eröffnet, vor dem ordentlich bestallten, unter Nr. 202-9771-17 amtlich zugelassenen Auto-Judex des Gerichtsbezirks 17 im Justizministerium von Babylon erscheint heute am 29. Juli 2013 als Beklagter der babylonische Bürger Jonas, nur Jonas, geboren am 1. Mai 1967, der Beklagte wird beschuldigt diverser schwerer Vergehen wider Leib, Leben und Eigentum, als da sind Diebstahl eines Gemäldes im Wert von 500 Millionen Euros in Tateinheit mit Einbruch, Mord am babylonischen Bürger Albin Krug, schwere Körperverletzung sowie Beihilfe zum Mord. Beklagter, bekennen Sie sich schuldig?

Jonas: Augenblick mal, das ist ein Mißverständnis, offenbar geht es um den Nachtcafefall vor 3 Wochen, aber der war ganz anders, wenn ich das mal

Auto-Judex: Das Gericht nimmt zu Protokoll, der Beklagte bekennt sich in allen Punkten schuldig.

Jonas: Was? Ich denke nicht daran, kein Wort davon ist wahr.

Auto-Judex: Eine Beweisaufnahme kann somit entfallen. Angesichts der schwere der vom Beklagten eingestandenen Taten fordert die Anklage die schnellstmögliche Verbringung des Beklagten in die Strafkolonie zum dortigen Verbleib ohne zeitliche Limitierung.

Jonas: Ich protestiere.

Auto-Judex: Da die Verteidigung auf ihr Plädoyer verzichtet, schreiten wir nunmehr zur Verkündigung des Urteils. Entsprechend dem Antrag der Anklage wird Jonas, nur Jonas, verurteilt, sein weiteres Leben in der Strafkolonie zu verbringen, der Beklagte nimmt das Urteil an, das Urteil ist rechtskräftig.

Jonas: Nein, nein, das könnt ihr doch nicht machen, Zeugen, ich hab Zeugen, Chefinspektor Brock von der Kripo.

Auto-Judex: Die Verhandlung ist geschlossen.

Jonas: Weg war er, und ich hing weiter am Haken und wußte nicht, wie mir geschah. Auto-Cops, Auto-Judex, eine auf Stromlinie programmierte Verhandlung, die ein Witz war. Aber ein schlechter auf meine Kosten. Zum Teufel mit allen Justizautomaten, dachte ich. Jonas braucht dringend einen Menschen. Und wie ich so dachte, kam er auch schon durch die Tür, der Mensch, ein nicht unbekannter solcher, namens Alonso Stammheim.

Stammheim: So sieht man sich wieder, Herr Jonas. Was machen Sie denn für schlimme Sachen.

Jonas: Sie arbeiten doch im Justizministerium, Herr Stammheim, tun Sie was, ich bin unschuldig, und ihr Auto-Judex schickt mich in die Strafkolonie.

Stammheim: Glatter Justizmord, ganz Ihrer Meinung.

Jonas: Die Verhandlung war absolut unfair.

Stammheim: Eine Farce, Herr Jonas, eine Schande, empörend.

Jonas: Irgendein Mäusebein in der automatischen Justizelektronik, nehm ich an.

Stammheim: Das kann schon mal vorkommen, unsere Automaten sind leider nicht unfehlbar. Tja, Ihr Pech.

Jonas: So ist das also. Sie waren das, Stammheim. Sie haben mich reingeritten. Die Auto-Cops, der Auto-Judex.

Stammheim: Von mir programmiert. So ist es, Herr Jonas.

Jonas: Warum Stammheim. Sie müssen doch einen Grund haben.

Stammheim: Natürlich hab ich einen Grund, zwei sogar. Ich wollte Sie in eine positive aufnahmebereite Stimmung bringen für mein Anliegen und auch gleich in die richtige Ausgangsposition. Ich brauch Sie nämlich drinnen, Herr Jonas. In der Strafkolonie.

Jonas: Danke, da gehe ich nicht hin.

Stammheim: Sie müssen Herr Jonas, Sie sind rechtskräftig verurteilt, Sie haben keine Wahl: Aber was rede ich da. Sie haben eine Wahl, Herr Jonas, Sie bleiben in der Kolonie, bis Sie schwarz werden, oder Sie kommen in ein paar Tagen raus, wenn Sie getan haben, was ich von Ihnen verlange.

Jonas: Unmöglich. Aus der Strafkolonie ist noch keiner lebend rausgekommen.

Stammheim: Bisher, Herr Jonas, bisher, Aber wenn ich Ihnen helfe. Wissen Sie, was ich im Justizministerium mache, Herr Jonas, ich bin Chiefcontroller, ganz oben, direkt unter dem Minister, verantwortlich für die Automatenprogramme und für die Aufsicht über den Strafvollzug. Wenn wir kooperieren, Herr Jonas, Sie drinnen, ich draußen.

Jonas: Was soll ich tun.

Stammheim: Jemanden rausholen. Aus der Strafkolonie.

Jonas: Eine Frau, Megan Alcatraz, 35 Jahre, Controller Second class im Justizministerium, in Stammheims Vorzimmer, vor zwei Monaten festgenommen und vor den Auto-Judex gebracht, als der gute Alonso Stammheim gerade ahnungslos im Urlaub war. Schneebretteln in der Antarktis, und weil ihr niemand half wurde Alcatraz zur Strafkolonie verurteilt. Wegen schwerer Korruption und Bestechlichkeit im Amt.

Stammheim: Eine absurde Beschuldigung, Herr Jonas. Ich kenne Megan, wir stehen uns recht nahe, nicht nur dienstlich. Und als ich kürzlich aus dem Urlaub kam und was geschehen war...

Jonas: Da faßte Ritter Alonso von Stammheim, den romantischen Entschluß die Dame seines Herzens zu retten.

Stammheim: Wenn Sie es so ausdrücken wollen, Herr Jonas.

Jonas: Beziehungsweise retten zu lassen.

Stammheim: Ich bin Beamter, Herr Jonas, ich plane, ich ziehe die Fäden. Sie sind ein Macher, Sie gehen rein, Sie holen Megan raus.

Jonas: Mir bleibt wohl nichts anderes übrig. Wie sieht Ihr Plan aus, Stammheim.

Stammheim: Was wissen Sie von der Strafkolonie, Herr Jonas?

Jonas: Nicht sehr viel. Ein riesiges Gefängnis, supergesichert, irgendwo in der Wildnis um Babylon. Seit der Privatisierung des Strafvollzugs vor 12 Jahren wird die Strafkolonie von der Firma Privollzug AG betrieben. Für jeden Gefangenen, den er einliefert, zahlt der Staat pauschal, alles weitere übernimmt Privollzug: Haltung, Wartung, Bewachung, vor allem übernimmt Privollzug die Garantie für absolute totale Sicherheit, wenn es auch nur einem Gefangenen gelingt, auszubrechen, verliert die Firma sofort die Betreiberlizenz und damit ein gutes Geschäft. Der Staat kontrolliert, locker, von weitem, die Gefangenen sind sich weitgehend selbst überlassen, deshalb geht’s drinnen wild zu, sagt man. Nichts genaues weiß man nicht. Zwischen der Strafkolonie und der Außenwelt gibt's keine Verbindung.

Stammheim: Jedenfalls nicht direkt. Was es gibt ist die sogenannte Schleuse. Sie müssen sich das vorstellen, Herr Jonas, die Strafkolonie ist ein kreisförmiges Gelände unter freiem Himmel, Durchmesser etwa 10 Kilometer, ringsherum und obendrüber eine undurchdringliche elektronische Schutzhaube, eine Art Schirm oder Kuppel, und die geht auch tief in den Boden hinein.

Jonas: Damit keiner auf die Idee kommt sich a la Maulwurf rauszubuddeln.

Stammheim: Und direkt am Schutzschirm liegt die Schleuse. Ein Bunker mit einem hochkomplizierten System automatischer Türen und Sicherungen, hier kommen die neuen Gefangenen an und die Warenlieferungen, Lebensmittel, Drogen, was die Kolonie so braucht.

Jonas: Wie läuft das? Helikopter, E-Mobil?

Stammheim: Kapseln, Herr Jonas, durch eine pneumatische Untergrundröhre zwischen Strafkolonie und Babylon. Endpunkte hier sind Justizministerium und Privollzug. Ja, und da kann ich ein bißchen dran drehen, Herr Jonas, an den Sicherheitsprogrammen der Schleuse.

Jonas: Die Sie kontrollieren.

Stammheim: Das ist mein Job, Herr Jonas, und ich werde dafür sorgen, daß sich das innere Schleusentor zu bestimmter Zeit außerplanmäßig kurz öffnet.

Jonas: Wann?

Stammheim: Später, Herr Jonas, später. Morgen werden Sie mit Ihren Leidensgenossen per Pneumatik in die Strafkolonie überstellt. Bis dahin bleibt mir genug Zeit, Sie über alle wichtigen Details zu informieren.

Jonas: Nicht mich, Stammheim, Sam werden Sie informieren.

Stammheim: Sam?

Jonas: Sam ist mein Computer, überschlau, geschwätzig, Sam denkt nicht nur, Sam redet, ohne Punkt und Komma, ohne Unterlaß, ohne Erbarmen, weil er mit Verbalprogrammen vollgestopft ist bis zur nicht existenten Halskrause. Schon als ich ihn mir vor Jahren zulegte, war er ein Sondermodel, ein Versuchsmodell, heute ist er ein absolutes Einzelstück. Einsame Klasse, meint er, ich seh das anders. Trotzdem gehe ich ohne Sam nirgendwo hin, schon gar nicht in die Strafkolonie.

Stammheim: Völlig unmöglich. Keine Computer, keine Waffen, vor dem Transport werden Sie gründlichst durchsucht.

Jonas: Dann sehen Sie selbst zu, wie Sie die Lady rauskriegen, Stammheim. Sam muß mit. Irgendwie. Sonst streikt Jonas. Mein letztes Wort.

Stammheim: Sie haben Zahnschmerzen, Herr Jonas, wie finden Sie das?

Jonas: Großartig.

Stammheim: Sie müssen sofort zum Autodentisten. Hier im Justizministerium. Da wird Ihnen ein Zahn gezogen.

Jonas: Ach ja.

Stammheim: Und in die Lücke wird Ihnen ein Mikromodul eingesetzt aus Plastik, als quasi Außenstelle Ihres Computers, Sender und Empfänger, auf seine Frequenz festgelegt. Ich programmiere Ihrem Sam alles ein was Sie brauchen, Herr Jonas, Infos über Megan Alcatraz, über die Kolonie, über die Schleuse, Sicherheitssystem, nicht vorgesehene Öffnungen usw. usw. Wenn Sie drinnen sind, Herr Jonas, können sie sich mit ihm beraten, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, in ihrem Kopf, direkt, über ihr Sprach und Hörzentrum: Sehr gut. Geben Sie mir den Zugangscode, Herr Jonas.

Jonas: Ich hatte einen seltsamen Traum: Auto-Cops nahmen mich fest, ein Auto-Judex verurteilte mich zur Strafkolonie. Ein Autodentist zog mir einen Backenzahn und setzte mir Mikro-Sam ein, klein, weiß, und laut. Im meinem Mund schien er sich sehr wohl zu fühlen.

Sam: So nah waren wir uns noch nie, Meister. Ich bin der klitzekleine Zahn in deinem Kiefer, der Zahn ist faul und putt und deshalb bißchen mieft er...

Jonas: Ich war richtig froh, als man mir wieder eine Schlafspritze verpaßte. Ich wachte auf. Ich hatte das Gefühl, daß der Alptraum jetzt erst richtig losgeht. Ich war in einem großen grauen schwach beleuchteten Raum, an den Wänden Automaten, Würger, Scanner, und ein paar die wie Killer aussahen. Auf dem Boden Berge von Kisten und Haufen von Menschen in grauen Kitteln, die Haufen bewegten sich, erst schwach, dann stärker, man kam zu sich, ich arbeitete mich raus, stand auf, sah an mir runter, grauer Kittel, um den Hals an einer Schnur eine Plastikscheibe mit Namen, Vergehen, Urteil. Plötzlich ein entsetzliches Geräusch, immer und immer wieder, Alarm, eine Sirene. War das Sam?

Sam: Wo denken Herr Graf hin bzw. her. Niemals würde Sam sich ein obszönes Gelärm erlauben, den geliebten Meister zu erwecken würde Sammy zärtlich säuseln oder melodisch singen wie folgt: Die güldene Sonne

Jonas: Ruhe. Wo sind wir. Machs kurz.

Sam: Schleuse. Strafkolonie. Dahinten Pneumakapsel, automatisch ausgeladen.

Jonas: Was ist das für ein Krach.

Sam: Warnsignal, die Türe dorten stehet offen, und herein schneien diverse Strafkolonisten, um ihre neuen Gefährten zu empfangen, wenn nun besagte Tür sich wiederum schließt, in etwa 2 kurzen Minuten, bringen Autokiller an den Wänden jedes Wesen so hier noch kreucht und fleucht gnadenlos vom Leben zum jähen Tod.

Jonas: Schluß damit, du sollst mich nicht nerven, du sollst mich informieren.

Sam: Na los hopp, Tempo.

Jonas: Draußen vor dem Schleusenbunker im kalten hellen Tageslicht mußten wir neuen uns in einer langen Reihe aufstellen, um uns drängten sich Hunderte von Strafkolonisten, Frauen und Männer, manche im schlichten Kittel wie wir, die meisten hatten sich fantastisch rausgeputzt, mit Plastikhelmen und Plastikpanzer, mit bunten Bändern in Haaren und Bärten, mit Broschen aus Blech und Kunststoff, viele trugen Waffen, Knüppel, Messer, eiserne Keulen und Spieße, alles selbstgemacht, Abfallprodukte aus Verpackungsmaterial, die wilde Horde starrte uns an, abschätzend, gierig, hungrig, dann trat jemand vor, eine hagere Frau mit einem gelben Halbmond im grauen Haar: Sie hob ihre Eisenstange, wartete einen Augenblick, wandte sich uns zu.

Alte: Ruhe. Ruhe. Hört mal her ihr neuen Säcke, ihr seid jetzt in der Strafkolonie, was ihr Pißnecken draußen ward, das juckt uns hier drinnen kein Stück, ihr seid der letzte Scheiß, und je eher ihr schnallt was bei uns läuft um so besser für euch, also was wir jetzt mit euch machen, das ist die Fleischbeschau, die Leute aus den Clans kucken sich den neuen Schrott aus Babylon an und suchen sich raus, was sie brauchen: Sklaven, Maultiere, Eunuchen, und Sonntagsbraten für den Clan der Kannibalen werden gleich in die Clanhäuser gebracht. Wer Schwein hat und nen besseren Job abkriegt, Krieger oder Hexe, der muß sich erst bewähren, als Sandfloh, und was das ist, das kriegt ihr noch früh genug mit, so das war's, seht zu, wie ihr durchkommt, und merkt euch ihr Kotzeimer, jeder für sich, hilf dir selbst, denn sonst tut's keiner. klar?

Jonas: Sam, diese Clams, was weißt du darüber.

Sam: Sogleich euer Fraglichkeit. Flugs soll euch Aufklärung zu teil werden. Clans nennen die Strafkolonisten ihre primitiven Organisationsformen, archaische stammesähnliche Gebilde, hierarchisch gegliedert, ursprünglich 40, ein Clan pro Megabarak, inzwischen schrumpf die Zahl, starke Clans sind dabei, sich die schwächeren einzuverleiben, alle Clans führen ständig Krieg miteinander, überall in der Kolonie, nur hier nicht, das Schleusengebiet gilt als neutral und so es interessiert, wären an Einzelclans zu nennen: Die Samurai, die Barbaren, die Furien, die Arier, die Teufelsweiber, die Eisenärsche, die Kopfjäger, die Amazonen...

Jonas: Usw. Eine merkwürdige Mischung. Antiquiert, komisch und gefährlich. Eine muskulöse Amazone im roten Minirock hob meinen Kittel mit ihrer Peitsche, dann las sie, was auf meiner Scheibe stand, und winkte ab.

Amazone: Zu alt für die Zucht, unsere Königin will junge Männchen.

Jonas: Na ja, nicht an...

Gonzo: Platz da Platz für Megan die Magische, die zaubermächtige Großhexe des hochedlen Clans der Barbaren, aus dem Weg. Platz für Megan die Magische, Weichet, widrige Wichte, weichet.

Sam: Kuck mal wie der spricht, so matiniert, mariniert.

Jonas: Das mußt du gerade sagen Sam.

Sam: Hey Boss, da ist sie, die da.

Jonas: Wer ist was, Sam, deutlicher bitte.

Sam: Die da, die mit dem blauen Zottelpelz und dem Lametta an den Ohren.

Jonas: Megan die magische.

Sam: Alias Megans Alcatraz. Diejenige welche. Stammheims Begehren.

Jonas: Das war prompter Service. Kaum tauchte Jonas in der Strafkolonie auf, da lief ihm die gesuchte schon über den Weg, d.h. sie schritt, und zwar gemessen, durch die Menge, die respektvoll Distanz hielt, zu ihr und zum Knüppel ihres Begleiters. Sie war nicht sehr groß, schlank, gutaussehend, trotz ihrer barbarischen Aufmachung und tüchtig, nach nur 2 Monaten in der Kolonie hatte sie es bis zur Großhexe gebracht. Eine Blitzkarriere.

Sam: Na los Blödmann quatsch sie an.

Jonas: Bist du verrückt, hier vor all den Leuten.

Sam: Sag ihr, sie soll dich für ihren Clan aussuchen, und wenn sie dann näherkommt

Jonas: Megan, hierher.

Gonzo: Was erlaubst du dir, du Abschaum. Wie spricht du zur zaubermächtigen Großhexe des hochedlen Barbarenclans.

Jonas: Wer will denn was von dir, du Angeber. Also wenn s denn sein muß, zaubermächtige Großhexe. Braucht dein Clan

Sam: Hochedler Clan.

Jonas: Dein hochedler Clan nicht einen guten Krieger, erfahren in allen martialischen Künsten.

Megan: Du bist sehr vorlaut, Neuer, wollen doch mal sehen. So, Jonas, Privatdetektiv, daß es so was noch gibt, vorher Söldneroffizier im Antarktischen Krieg, Mord, Raub, Einbruch, nicht schlecht, du bist zwar nicht mehr der Jüngste.

Jonas: Stammheim.

Megan: Augenblick. Treib das Volk zurück, Gonzo.

Gonzo: Wie du befiehlst zaubermächtige Großhexe. Zurück, weg Gesindel, ihr seid der zaubermächtigen Großhexe lästig.

Jonas: Alonso Stammheim schickt mich, Frau Alcatraz, ich soll Sie rausbringen.

Megan: Aja, ich beanspruche diesen Mann für den hochedlen Clan der Barbaren. Melde dich im Clanhaus, so bald wie möglich.

Jonas: Leicht gesagt, erstmal wurde Jonas als Sandfloh eingesetzt. Am Rand der Strafkolonie erhob sich ein gewaltiger Sandhaufen, der mußte jeden Tag rüber auf die andere Seite geschafft werden, und tags darauf zurück, in langer Kette mit Eimern. Das hatte sich Privollzug ausgedacht, damit die Gefangenen zu tun hatten und nicht auf gefährliche Gedanken kamen. Eine stupide Arbeit, voller Eimer von links, voller Eimer nach rechts, usw. Eine Woche lang mußte man sich als Sandfloh abschuften. Das dauerte Jonas zu lange.

Jonas: Hau hupp. Sammy, wann gehen die Schleusentüren für uns auf? Was hat Stammheim gesagt. Hau ruck.

Sam: Total vergessen, siebhirniger Alzheimer. Am 1. August 2013 fünf Minuten vor der Mitternacht für genau 20 Sekunden, und falls euer Trottelhaftigkeit diese Chance nicht wahrzunehmen vermag, bietet sich 24 Stunden später eine zweite solche.

Jonas: Und wenn ich, hau Ruck, das auch nicht schaffe.

Sam: Dann mußt du halt hierbleiben in der wunderschönen Strafkolonie.

Jonas: Lieber nicht. Heute haben wir den

Sam: 31. Juli 2013, 15 Uhr 27. Höre mein Jonas laß dir sagen.

Jonas: Halt die Backen. Hau Ruck, Also heute abend, spätestens übermorgen. Nicht mehr viel Zeit. Hau ruck. OK, Sammy, wir gehen. Macht's gut, Genossen.

Was ist da los?

Aufseher: Hey, du da, was fällt dir ein, zurück in die Kette, aber plötzlich. Buly zu mir.

Jonas: Unser Aufseher: ein mürrischer Eisenarsch im rituellen Outfit seines Clans, oben schwarze Weste aus Pseudoleder mit Nieten, unten ohne, abgesehen von einem knappen Futteral, bisher hatte er abseits gehockt und seine Nieten poliert, jetzt schwang er sich auf sein Maultier, das heißt auf einen kräftigen Sklaven, der ihm als Reittier zustand, er ritt auf mich zu und wollte mich mit seiner Lanze zurück in die Kette stochern. Das mißfiel mir. Ich nahm den Eimer hoch und holte aus. Das Muli kriegte eine volle Ladung Sand ins Gesicht, stolperte, schlug hin, der Aufseher flog aus dem Sattel, und krachte mit dem Nacken auf den Eimerrand.

Sam: Ist er tot der nacktgesäßige Grobian.

Jonas: Sieht so aus, Sammy. Maustod. Hals gebrochen.

Sam: O jemine. Weiß mein leichtsinniger Eimerschmeißer was das bedeutet.

Jonas: Klar Sammy, wir können jetzt ungehindert zum Clanhaus der Barbaren wandern, zu Megan Alcatraz.

Sam: Und.

Jonas: Und was.

Sam: Es bedeutet auch und vor allem Blutrache. Der wilde Clan der Eisenärsche wird sich an die Fersen meines Meisters heften, seinen Kopf fordern und was sonst noch alles. So ist's hierzulande Sitte. Schako.

Jonas: Weißt du, Sammy, darüber mache ich mir später Sorgen, wenn ich nichts besseres vorhabe. Auf geht's. Haus der Barbaren. Gibt den Kurs vor.

Sam: Aye aye. Ost Süd Ost. Mehr nach links, backbord wollte ich sagen. Gut so, und jetzt immer gerade aus.

Jonas: Die 40 Megabaracken der Strafkolonie stehen an der Peripherie, rundherum wie Striche auf einem Zifferblatt. Eine gute Stunde Fußmarsch durch die tote Steinwüste, dann tauchte am Horizont ein enormer grauer Quader auf, wurde größer, deutlicher, noch eine halbe Stunde und ich konnte vor dem Tor aufgespießte Köpfe erkennen, und nicht mehr frische Leichen, die im Wind schaukelten. So etwa hatte ich mir die Burg der Barbaren vorgestellt.

Wächter: Zurück, clanloser Niemand, verschwinde oder wir hängen dich an den Füßen auf als Zielscheibe für unsere jungen Bogenschützen.

Jonas: Mach das Maul zu mach das Tor auf, ich in einer von euch, ein Barbar.

Wächter: Ach ja, wo hast du denn das Totem, und dein Rangstreifen.

Jonas: Megan die Magische hat mich herbestellt, eure zaubermächtige Großhexe, sagt ihr Bescheid, sag ihr Jonas ist da.

Wächter: Warte.

Jonas: Ein zotteliger Barbar führte Jonas durch dunkle, schmutzige, stinkende Gänge, voll von zotteligen Barbaren, dann Treppen rauf, viele Treppen, die Oberbarbaren lebten oben, unterm Dach. Großhexe Megan hatte einen ganzen Raum für sich, über einer Feuerstelle hing ein Eisenkessel, in dem eine übelriechende schwarze Brühe brodelte, an den Wänden standen seltsam geformte Glasgefäße, gefüllt mit gelben und grünen Elixieren, zerstochene Wachspuppen lagen herum, Hexenbesen, mumifizierte Finger, Ohren und andere Körperteile. Dieser ganze magische Kram störte mich wenig. Was mich störte war der finstere Typ mit dem Knüppel: Mein alter Freund Gonzo, Leibwächter der Großhexe Megan Alcatraz. So ging das nicht. Der Kerl mußte weg.

Jonas: Gonzo alter Junge, du störst, warum geht du nicht ein bißchen vor die Tür und kuckst wie's Wetter wird.

Gonzo: Gonzo bleibt.

Megan: Er muß bleiben, Jonas, er ist mein Leibwächter. Wenn er mich verläßt, verliert er seine Ehre.

Gonzo: Gonzos Ehre heißt Treue.

Jonas: Ja was machen wir denn da.

Sam: Zum Bleistift dieses. Madam wechselt ihren Wächter.

Jonas: Nicht schlecht, Sammy, gar nicht schlecht.

Megan: Was meinen Sie Jonas.

Jonas: O, ich habe gerade mit meiner inneren Stimme gesprochen.

Megan: Aha, und was sagt sie.

Jonas: Daß ich von jetzt ab Ihr Leibwächter bin. Gonzo kriegt Urlaub und kann sich anderweitig vergnügen. Alte Frauen erschrecken, Kleinkinder beißen, Schnuller wegnehmen, Nasebohren, na Gonzo ist das ein Angebot.

Gonzo: Du forderst Gonzo heraus, Fremder?

Jonas: Tu ich das.

Megan: Das müssen Sie, Jonas. Wer den Rang eines anderen will, muß ihn zum Zweikampf fordern, und töten.

Gonzo: So will es die geheiligte Sitte der Väter.

Jonas: Na dann komm Gonzo, bringen wir's hinter uns.

Gonzo: Nicht so Fremder, wir kämpfen wie das Gesetz es befielt. Nach dreimaliger Herausforderung binnen Wochenfrist in der Halle der Zweikämpfe. Vor seiner brutalen Erhabenheit Häuptling Conan und dem ganze Clan.

Jonas: Tja, weißt du Gonzo mein Freund, so viel Zeit hab ich leider nicht, und darum, und jetzt abwärts.

Jonas: Ich steckte ihm kurz den Kopf in den Hexenkessel, das lenkte ihn ab und ich konnte ihn aus dem Fenster schieben. Nicht gerade fair, das gebe ich zu, aber wer oder was war in diesem Fall schon fair zu Jonas.

Megan: Wie’s scheint, habe ich einen neuen Leibwächter. Ich bin beeindruckt, Jonas.

Jonas: Jeder für sich, hilf dir selbst, ich hab mich nur nach dem gerichtet, was hier üblich ist.

Megan: Gut. Stammheim, was hat er vor, erzählen Sie.

Jonas: Als ich fertig, war, fing Megan Alcatraz an im Zimmer herumzuwandern. Sie wirkte nachdenklich. Irgendwie unentschlossen.

Megan: Seit gestern bin ich am Überlegen, Jonas, seit unserer Begegnung vor der Schleuse. Ob ich mit Ihnen die Kolonie verlassen oder bleiben soll.

Jonas: Ist das Ihr Ernst?

Megan: Sicher, es geht mir gut. Ich bin Großhexe. Der Clan respektiert mich, Häuptling Conan tut was ich sage. Das Leben ist primitiv, zugegeben, aber dafür ist es aufregend, dunkler, einfach lebendiger als in Babylon. Wissen Sie, Jonas, schon als Kind wollte ich Hexe werden, nach der Schule bin ich auf die Akademie für Esoterik gegangen, ich habe einen Abschluß in fortgeschrittener Hexerei, und in weißer und schwarzer Magie mit Auszeichnung.

Jonas: Und warum sind Sie nicht dabei geblieben.

Megan: Die Berufsaussichten waren schlecht, viel zu viel Hexen in meinem Lager, ich war vernünftig und ließ mich umschulen für den höheren Staatsdienst. Auch gut. Aber was eine Justizangestellte kann, ist hier in der Strafkolonie nicht gefragt. Also fing ich wieder an zu hexen. Zora, die Zauberin war da Großhexe bei den Barbaren, ich hab sie herausgefordert, ihr einen Herzinfarkt angehext, ihre Stellung übernommen. Und all das soll ich aufgeben, für einen Schreibtisch in Babylon?

Jonas: Dann eben für Alonso Stammheim, der gibt sich mächtig Mühe, Sie zurückzuholen, haben Sie denn keine Sehnsucht nach ihm?

Megan: Sehnsucht nach Stammheim? Ich? Tot will ich ihn sehen, diesen Drecksack, er hat mich aufs Kreuz gelegt, er hat mich in die Strafkolonie geschickt.

Jonas: Langsam, jetzt versteh ich überhaupt nichts mehr.

Megan: Aber Sie haben ja recht, Jonas, ich komm mit Ihnen, seinetwegen, ich will Stammheim fertig machen. Ich will seinen Posten. Chiefcontroller Megan Alctraz. Das hört sich noch besser an als Großhexe.

Jonas: Megan Alcatraz war ehrgeizig. Stammheim, ihr Chef, blockierte seit Jahren ihre Beförderung. Sie versuchte Material gegen ihn in die Hand zu kriegen, sie hatte Glück, sie knackte den Geheimcode für Stammheims private Datei, sie wurde fündig. Alonso Stammheim ließ sich bestechen in großem Stil, von der US-Firma Highsec, die war sehr daran interessiert, im europäischen Strafvollzug Fuß zu fassen. Highsec machte einen Deal mit Stammheim. Privollzug sollte die Lizenz zum Betrieb der Strafkolonie verlieren, dafür wollte Stammheim sorgen, und dafür, daß die Lizenz dann an Highsec ging, für eine halbe Million Euros. Bar unterm Tisch. Alcatraz kopierte den Deal und versteckte die Kopie. Im Archivsystem des Justizministeriums. Dann konfrontierte sie ihren Chef: Beförderung sofort, oder die Sache wird veröffentlicht.

Megan: Stammheim versprach alles, was ich wollte. Und als ich abends nach Hause kam, wurde ich verhaftet. Von Auto-Cops. Einen Tag später war die Verhandlung, falls man das so kennen kann. Ich wurde zur Strafkolonie verurteilt.

Jonas: Also eins ist mir nicht klar, Megan. Sie sind in der Strafkolonie. Stammheim ist Sie los. Sie können ihm nichts mehr tun, weshalb schickt er mich, um Sie rauszuholen, das ist doch widersinnig.

Megan: Und wie ich ihm was tun kann, das glaubt er jedenfalls. Ich hab's ihm geschrieben.

Jonas: Geschrieben, von hier aus?

Megan: Ja.

Jonas: Das ist doch nicht drin. Es gibt keine Verbindung zwischen der Strafkolonie und der Außenwelt.

Megan: Sagt man. Aber mir ist was eingefallen. Einmal die Woche fliegt ein Satellit des Justizministeriums über die Kolonie und schießt Holographie, zur Kontrolle, die Bilder landen auf Stammheims Schreibtisch. Genau zum Satellitentermin habe ich einen großen Zauber veranstaltet, oben auf dem Dach, ein paar hundert Barbaren mußten sich so aufstellen, daß sie magische Zeichen und Figuren bildeten.

Jonas: Buchstaben.

Megan: Und Zahlen, deutlich von oben zu lesen.

Jonas: Gute Idee. Und was stand da?

Megan: Rausholen, sonst Deal automatisch publik 15.8. Megan. So was.

Jonas: Stimmt das?

Megan: Daß das Material am 15. automatisch freigeben wird und an die Medien geht, nö, das war ein Bluff. Aber Stammheim weiß das nicht, darum hat er reagiert.

Jonas: Und Jonas geschickt.

Megan: Sie sehen Jonas, wir haben beide wenig Grund, Stammheim zu lieben.

Jonas: Was wird er tun, wenn wir rauskommen, was meinen Sie, Megan.

Megan: Nichts gutes. Er wird versuchen, mir das versteckte Material abzunehmen, mit allen Mitteln, und Sie, Jonas, Sie wird er wohl gleich, weil er Sie nicht mehr braucht.

Sam: Sie irrt, die barbarisch blau bezottelte Hexe.

Jonas: Sammy, schön, daß du mal wieder was von dir hören läßt.

Sam: Und wie Superfiesling Stammheim meinen Meister noch braucht. Denn siehe des güldenen Geldes die Menge ist es ihm wert.

Jonas: Moment, Sammy, wer ist wem was wert.

Sam: Hirnsklerotiker. Dem p. p. Stammheim. Eine halbe Million Euros.

Jonas: Du redest Blech, Sam.

Sam: Jedoch nur als tote Leiche.

Megan: Haben Sie was, Jonas, ist Ihnen nicht gut?

Jonas: Seien Sie mal einen Moment still, meine innere Stimme hat mir was zu sagen. Also Sam, was ist los.

Sam: Schwere chronische Verstopfung, Herr Medizinalrat, in dero Dumpfheit sogenannten Gehirn.

Jonas: Paß auf, Sam, wenn mir erst mal draußen sind und ich dich abschalten kann.

Sam: Und Humor hat er auch kein Stück, der Sauerkopf. Doch was soll's. Er ist mein Jonas, ich muß ihn nehmen wir er kommt.

Jonas: Komm du endlich und zwar zu Potte.

Sam: Subito Signore. Oder auch pronto. Piep. Stammheim kriegt eine halbe Million Euros, wenn Privollzug die Lizenz für die Strafkolonie loswird. Klar? Wann verliert eine Firma die Lizenz zum Betreiben der Strafvollzugsanstalt. Häh? Wenn die Anstalt nicht mehr sicher ist, wenn z.B. ein Insasse auskneift, klar, ein möglichst gefährlicher. Klar. Ein Gewaltverbrecher, Räuber, Mörder, ist das klar.

Jonas: Klar, Sammy, Stammheim bring Jonas um, die Leiche wird entdeckt.

Sam: Allgemeiner Aufschrei, Verurteilter aus Strafkolonie getürmt, Privollzug wird Lizenz entzogen. Auf der Stelle.

Jonas: High Sec übernimmt. Stammheim wird's schon richten.

Sam: Ja, und wenn ein toter Jonas nicht reicht, hat der listenreiche Stammheim noch eine tote Alcatraz anzubieten, etwas später wenn er ihr die Würmer aus der Nase geleiert hat, das mein ich damit, sprich das versteckte Belastungsmaterial.

Jonas: Das heißt Stammheim schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe. Megan Alcatraz ist er los.

Sam: Und er kriegt ne halbe Million. Friede Freude Eierkuchen im Hause Stammheim.

Jonas: Das mußte verhindert werden. Ich informierte Megan. Sie kannte Stammheim und sah die Gefahr, aber bevor wir die Situation abschätzen und einplanen konnten, wurden wir gestört. Ein junge Lehrhexe kam ins Zimmer, mit einem tiefen Knicks und einem Auftrag.

Botin: O zaubermächtige Großhexe Megan, die magische, seine brutale Erhabenheit Häuptling Conan sendet dir durch meinen Mund eine Botschaft.

Megan: Sprich Griselda.

Botin: Unsere Kundschafter melden, daß sich Arier, Amazonen und Knochenbrecher wider den hochedlen Clan der Barbaren verbündet haben.

Megan: Unsere Nachbarn. Weiter Griselda.

Botin: Sie haben eine große Wurfmaschine gebaut. Damit werden sie in drei Tagen unser Haus bestürmen.

Megan: Und ich soll was dagegen unternehmen.

Botin: So ist es, zaubermächtige Großhexe. Seine brutale Erhabenheit läßt dieses sagen: mache einen Zauber, einen großen Zauber, verwirre den Geister unserer Feinde, zerstöre ihre Maschine, mache zunichte ihren Plan.

Jonas: Na das paßt doch wie die Faust aufs Kinn, Megan. Sie machen wieder mal einen großen Zauber. Aber nicht auf dem Dach sondern

Megan: Draußen an der Schleuse, morgen um Mitternacht. Ich allein, nur mein neuer Leibwächter wird mich begleiten. Morgen mittag brechen wir auf.

Jonas: Einen Tag später, 1. August 2013, kurz vor Mitternacht an der Schleuse: In der Zwischenzeit waren wir, Megan und ich uns nähergekommen: Sie hatte mich in die vielfältigen Pflichten eines Leibwächters eingeführt. Und ich hatte ihr mein großes Geheimnis verraten: Sam. Sam, den geschwätzeigen Backenzahn, zu dritt hatten wir überlegt und geplant, bis wir zu dritt durch die Kolonie zur Schleuse zogen. Jetzt waren wir da. Vom grauen Klotz des Schleusenbunkers sahen wir nur eine Hälfte, die andere lag draußen, hinter dem Schutzschirm, unsichtbar. In wenigen Sekunden würde sich die massive Tür in der Front zu öffnen. Hoffentlich. Alles schien ruhig. Zu ruhig, meinte Megan, sie war mißtrauisch. Da ein Geräusch, die Tür, sie fing an sich zu bewegen.

Sam: Na, was ist, noch nie ne offene Tür gesehen, steht nicht rum wie Ochs und Kuh vorm Scheunentor. In 20 Sekunden ist das Loch wieder zu. Countdown läuft. Piep.

Jonas: Komm Megan.

Megan: Adios Strafkolonie.

Bluträcher: Halt. Das Blut unseres Clanbruders scheit nach Rache.

Jonas: Plötzlich waren sie da, schwarzes Leder, Nieten, Eisenstangen, Blut in den Augen, Rache im Herzen, Eisenärsche, an die zwanzig, zu viel für Jonas, aber Jonas war nicht allein, Megan war bei ihm, und Megan konnte hexen, sie fixiert die Bluträcher, hob feierlich die Hände, rote Blitze zuckten aus ihren Fingerspitzen.

Megan: Asrael und aller Dämonen... Steht still und starr und stumm, laßt die Waffen fallen, rührt euch nicht.

Jonas: Es wirkt, Megan, wie machst du das, Hypnose.

Megan: Hahaha, Hexerei, Jonas. Komm Jonas, schnell.

Sam: Alehopp.

Megan: Komm Jonas, schnell.

Jonas: Die Tür war zu und wir waren drinnen im Schleusenbunker, nichts und niemand nahm uns zur Kenntnis, die automatischen Scanner blieben inaktiv, die Killer auch. Stammheim hatte an ihren Programmen gefummelt, wie versprochen. An der offenen Hintertür wartete die Pneumakapsel.

Sam: Zum pneumatischen Express nach Babylon bitte einsteigen und die Türen schließen. Der Zug fährt sofort ab.

Jonas: Augenblick noch, Sammy, hast du die Programm so umgestellt wie wir es besprochen haben.

Sam: Na klar Chef, alles im Griff.

Jonas: Was sieht Stammheim?

Sam: Nichts, Chef, null Komma nichts, total leere Schleuse.

Jonas: Und die Kapsel.

Sam: Flutscht nicht zum Justizministerium, sondern an der Gabelung rechts Zielbahnhof Privollzug. Abfahrt.

Jonas: Die kleine Station unter dem Privollzughochhaus war vollautomatisch, kein Mensch weit und breit. Gut, einerseits, Jonas und Megan waren praktisch nicht vorhanden, die Sicherheitssensoren hatte Sam außer Gefecht gesetzt. Andererseits schlecht. Wir brauchten Menschen, zwei vorzugsweise.

Sam: Blaue Zottel, Graue Kittel, Plastik, so kommt ihr beiden Süßen nie in die Chefetage, bestenfalls in den Abfallcontainer.

Jonas: Wir müssen uns was zum Anziehen besorgen, Megan, was unauffälliges. Manager-Outfit oder so was.

Megan: Uniformen vom Privollzugwerkschutz.

Jonas: Das ist gut. Wir warten bis zum Morgen, Sammy schlägt Alarm.

Sam: O ja, großer Meister, Alarm, und wie, das die Wände wackeln.

Jonas: Das möchtest du wohl. Kleiner Alarm. Wasserschaden, Ratte im Kabelschacht, diese Preisklasse.

Sam: Oh, Spielverderber.

Jonas: Zwei Typen vom Werkschutz kommen nachkucken, die treten immer zu zweit auf. Wir machen kurzen Prozeß.

Megan: Und wir ziehen uns um.

Jonas: Null Problemo. Gegen halb 10 standen wir im Chefzimmer von Vizepräsident Pierre Cayenne, den kannte Megan aus ihrer Zeit im Justizministerium. Jonas stellte sich an die Wand, die rechte Hand am Neurofreezer, Sam spazierte durchs Sicherheitssystem und blockierte ein paar Verbindungen. Megan ging zum Schreibtisch, nahm die Mütze ab, schüttelte ihr Haar aus. Cayenne war irritiert.

Cayenne: Was soll das, was erlauben Sie sich. Gehen Sie zurück auf Ihren Posten.

Megan: Erkennen Sie mich nicht, Pierre?

Cayenne: Megan, Megan Alcatraz? Aber... aber Sie sind doch in der Strafkolonie.

Megan: Ich bin hier Pierre, in ihrem Zimmer, das sehen Sie doch. Drücken Sie ruhig auf den Alarmknopf, das bringt nichts. Aber kommen Sie nicht auf die Idee aufzustehen und zur Tür zu gehen. Mein Partner würde Sie neurofreezen.

Jonas: Würd ich. Sofort.

Cayenne: Was wollen Sie Megan?

Megan: Sie warnen, Pierre, ihren einen Tip geben, falls Privollzug Wert darauf legt, die Lizenz für die Strafkolonie zu behalten.

Jonas: Pierre Cayenne war ein vernünftiger Mann, und Megan Alcatraz war eine vernünftige Frau, das wußte er, darum glaubte er unsere Geschichte. Aber es fiel ihm nicht leicht.

Cayenne: Beweise. Ohne Beweise kann ich nichts gegen Stammheim unternehmen. Geben Sie mir Beweise, Megan, rufen Sie Ihr verstecktes Material ab.

Megan: O nein, Pierre. Das Material bleibt vorerst da, wo es ist, ich will Sie nicht in Versuchung führen, wenn Sie mein Material haben, können Sie Stammheim problemlos allein erledigen. Und dann kämen Sie womöglich auf den unschönen Einfall mich und meinen Partner Jonas zu eliminieren. Sie würden an das Wohl von Privollzug denken, immerhin sind wir aus der Strafkolonie ausgebrochen, aus Ihrer Obhut.

Cayenne: Trauen Sie mir nicht, Megan.

Megan: Ich wäre dumm, wenn ich's täte, Pierre. Hören Sie zu. Sie kriegen ihre Beweise, aber anders.

Jonas: Stammheim wird sich selbst überführen, er wird sich stellen, er wird alles zugeben.

Cayenne: Ich verstehe. Soll ich Sie mit einem versteckten Sender ausrüsten.

Jonas: Nicht nötig. Den haben wir schon. Ich geb Ihnen die Frequenz. Sie werden mithören.

Megan: Sie und die Medien. Die Sache muß an die Öffentlichkeit. Wir wollen voll rehabilitiert werden. Von einem Deal unter der Hand zwischen Stammheim und Ihnen haben wir beide gar nichts.

Cayenne: Aber sowas würde ich doch nie

Megan: Natürlich nicht, Pierre.

Jonas: Wenn's brenzlig wird, greifen Sie ein, Cayenne.

Cayenne: In Ordnung, Werkschutz. Kripo auch wenn Sie wollen.

Jonas: Aber keine Auto-Cops.

Jonas: Rund 14 Stunden später, 3. August 2013, 0 Uhr 20, tief unter dem Justizministerium. Eine Pneumakapsel kam zum Stehen, die Klappe ging auf, Megan Alcatraz und Jonas, wieder in ihrer Koloniekluft, stiegen aus und wurden sofort in Bodybags gestopft, von Auto-Cops. Alonso Stammheim sah gutgelaunt zu.

Stammheim: So läßt es sich doch viel angenehmer plaudern, nicht wahr. Sie haben es also geschafft, Jonas, wenn auch erst im zweiten Anlauf. Eigentlich hatte ich Sie schon gestern erwartet. Na Ende gut alles gut. Megan, meine Teure, glänzend sehen Sie aus. Ein wenig extravagant aber glänzend. Verraten Sie mir, wo Sie die Daten über meinen Deal mit Highsec haben. Und den Abrufcode natürlich auch.

Megan: Sie glauben doch nicht ernsthaft, daß ich Ihnen das sage, Stammheim, Sie Ratte.

Stammheim: Nun ja, vielleicht nicht sofort, liebste Megan, aber wenn Sie erst in der Autotortur.

Megan: Oh

Stammheim: Damit haben Sie nicht gerechtet, was, ha, die automatische Folterkammer ist fertig, mein Lieblingsprojekt, Sie wissen ja, Sie geschätzte Kollegin werden die Ehre haben als Versuchskaninchen zu agieren. Sie sind eine starke Frau, wie lange werden Sie wohl durchhalten, 10 Minuten, eine halbe Stunde oder gar länger. Wir werden sehen, hören, erleben, genießen.

Jonas: Kommen Sie mal wieder runter, Stammheim. Sie ja schon am durchdrehen bevor es losgeht.

Sam: Ejakulatio presskopf sagt der Experte.

Stammheim: Herr Jonas, entschuldigen Sie, Sie sind ja auch noch da. Die Autotortur, wissen Sie, ein Thema bei dem ich immer alles andere vergesse. Ja, was mach ich mit Ihnen, es war vorgesehen, Sie schnell zu töten, aber wenn ich es mir recht überlege, sind zwei Kaninchen besser als eins. Wie Ihre Leiche aussieht, ist schließlich egal, Hauptsache man kann Sie identifizieren als ausgebrochenen Strafkolonisten. Ha, zwei mal Autotortur, eine halbe Million Euros. O happy day! Schafft die beiden in die Autotortur.

Jonas: Es wurde Zeit. Zeit daß Sammy was tat. Der hatte es sich im Autojustiz-Systems bequem gemacht. Megan hatte ihn mit den Geheimcodes versorgt, noch aus ihrer Zeit im Justizministerium. Aber jetzt trat Sam in Aktion. Zuerst knackte er die Schlösser an unseren Bodybags. Dann gab er den Auto-Cops neue Befehle. Priorität eins a. Sie hörten nicht mehr auf Stammheim. Sie hören überhaupt nicht, sie zogen ihre Knüppel und fingen an, aufeinander einzudreschen. Mit lobenswertem Eifer.

Stammheim: Aufhören, Schluß damit. Ihr sollt aufhören, hab ich gesagt.

Megan: Warst du das Jonas, hast du Stammheim in Starrkrampf versetzt. Haha. Sag bloß, du kannst auch hexen.

Jonas: Iwo, Neurofreezer, den hatte ich mir bei Privollzug unters Hemd gesteckt. So. Die Auto-Cops sind im Eimer. Was machen wir mit unserem Freund Stammheim.

Megan: Autotortur schlage ich vor. Soll er sein Lieblingsprojekt selbst testen. Bin gespannt, wie lang er durchhält. Ah er schwitzt Jonas, sieh mal.

Jonas: Die Hosen hat er auch voll.

Cayenne: Halten Sie aus, gleich sind wir bei Ihnen.

Jonas: Die Kavallerie. Zu spät, wie immer.

Megan: Zu früh, keine Autotortur für dich Stammheim, schade.

Jonas: Statt dessen kam er vor den Auto-Judex. Megan und ich sahen zu. Durch einen Einwegspiegel in der Wand.

Auto-Judex: Stammheim Alonso, wird verurteilt, sein weiteres Leben in der Straf-kolonie zu verbringen, der Beklagte nimmt das Urteil an, das Urteil ist rechtskräftig.

Stammheim: Nein, nein, nicht in die Strafkolonie, bitte, bitte, ich tu's auch nie wieder. Gnade.

Megan: Wie's ihm da wohl gehen wird.

Jonas: Gutes Eunuchenmaterial.

Megan: Ja? Also ich hoffe, die Kannibalen kriegen das Schwein.

Jonas: Schalt ab, Megan, er ist so laut.

Megan: Was ich dir noch sagen wollte, Jonas. Ich hab seinen Job.

Jonas: Chiefcontroller.

Megan: Hm.

Jonas: Gratuliere Megan.

Megan: Wollen wir das nicht feiern, wir zwei, vielleicht gleich hier im Kasino. Das Essen ist allerdings nicht berühmt.

Jonas: Gehen wir lieber ins Casablanca. Da ist das Essen auch mies, aber dafür der Whisky noch mieser, und die Atmosphäre unbeschreiblich. Wüah.

Megan: Einverstanden. Wann?

Jonas: Sagen wir in zwei Stunden. Ich hab vorher noch was zu erledigen. Beim Autodentisten.

Sam: Nein, Sammy will in seinem Meister bleiben, ganz eng, ganz nah, ganz innig, von nun an bis in Ewigkeit.

Jonas: Das könnte dir so passen. Du kommst raus.

Sam: Liebt mein Jonas denn seinen Sam gar nicht mehr.

Jonas: Merk dir Sammy. Die wahre Liebe blüht in der Distanz.

Sam: Ach? Hat das Goethe gesagt?

Jonas: Zu mir nicht.

Sam: Zu mir auch nicht.

Das war Strafkolonie. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam Peer Augustinski. Außerdem wirkten mit: Kerstin de Ahna, Karl Friedrich, Achim Höppner und viele andere (Werner Klein, Michael Schneider, Ilse Neubauer, Michael Vogtmann, Detlef Kügow, Ernst Wilhelm Lenik, Dorothee Hartinger, Pascale Schulze, Marc Schulze, Urs Schaudinn, Andreas Wohlrab, Eva Windisch). Ton und Technik: Günter Heß, Christine Koller und Monika Graul. Regieassistenz: Holger Buck, Regie: Werner Klein. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks (1994). Redaktion Erwin Weigel.

Beitrag vom 02.04.2022 - 21:24
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Der letzte Detektiv
Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
Heute: Ufo

Sam: Er stand auf seines Daches Zinnen und schaute mit trübem Sinnen auf Babypsilon, die große Stadt.

Jonas: Die Sicht aus meinem Fenster im 16. Stock war gut. Ausnahmsweise. Klar und scharf lag das nächtliche Babylon unter mir. Ein riesiger Flickenteppich. Im Westen die Ghettos der Reichen, in gedämpftes Goldgelb. Ruhig. Gediegen. Grell und aufdringlich das Zentrum, das Amüsierviertel, knallbunt flackernd. Strahlend weiß die geballten Hochhäuser der Wirtschaft. Steif und steril. Dazwischen in unregelmäßigem Hell-dunkel die normalen Wohnbezirke. Im Südosten ein großes schwarzes Loch: Das Reservat. Rundum, am Horizont die Wildnis, eine dauernde dunkle Drohung. Darüber, als heller Kontrapunkt: ein Ufo, ein rotierender Diskus mit zahllosen Fenstern. Langsam zog es dahin. Unbeirrbar. Unerschütterlich. Unergründlich.

Sam: Unerträglich.

Jonas: Das Ufo?

Sam: Ach Quatsch, deine melancholische Fensterschau, dein poetisches Geplapperlaber, du Hemingway für Arme.

Jonas: Wer ist Hemingway, Sammy?

Sam: Was juckt uns Hemingway, was juckt uns das Ufo, das gondelt doch schon seit Wochen jeden Abend über Babylon herum. Laß grübeln und glotzen, hinweg mit dem Trübsinn, mach dir ein paar schöne Stunden, Kumpel, geh ins Casablanca.

Jonas: OK. Aber das half auch nichts. Die Stimmung blieb mies. Und das Ufo, die Drohung, die Dunkelheit, alles das wartete schon auf Jonas. Im Casablanca. Ich kriegte es nur nicht gleich mit. Zuerst war da nur die Frau, an meinem Tisch, auf meinem Platz.

Jacob: Sie wartet auf dich, Jonas.

Jonas: Soll sie, ich bin nicht da, ihr Pech.

Jacob: Hier ist er, Frau Delamotte.

Jonas: Halts Maul, Jacob, ich bin nicht in Stimmung.

Delamotte: Jonas?

Jacob: Jonas, in Lebensgröße.

Jonas: Schöner Freund bist du.

Jacob: Ich bin kein Freund, ich bin Gastwirt.

Jonas: Sie war Ende vierzig. Gut angezogen, grau und dunkelblau, höheres Management dachte ich, oder öffentlicher Dienst. Ich ging rüber zu ihr. Lust hatte ich nicht.

Delamotte: Setzen Sie sich. Was trinken Sie?

Jonas: Whisky, Jacob, aber nicht den aus Singapur.

Delamotte: Sie sind also der Detektiv.

Jonas: Der letzte. Der absolut total allerletzte. Wenn Sie mir einen Auftrag geben, tun Sie's auf eigene Gefahr.

Delamotte: Sie haben seltsame Art für sich zu werben. Was kosten Sie?

Jonas: 120 Euros pro Tag und Spesen und eine Zulage, wenn ich raus muß aus Babylon. Muß ich?

Delamotte: Ich glaub schon.

Jonas: Wohin?

Delamotte: In die Wildnis.

Jonas: 200 pro Tag. Sie können sich das leisten, das sehe ich Ihnen an. Was soll ich tun?

Delamotte: Jemanden suchen und finden wenn möglich.

Jonas: Wen?

Sam: Lalü lala. Tatü Tata. Alarm. Es brennt. Lichterloh, feurio. Loriot. Halt stopp, denk weiter.

Delamotte: Sam nehm ich an.

Jonas: Sie kennen Sam?

Delamotte: Wer kennt ihn nicht.

Sam: Ha. Hast du gehört, meitabbelige Gallenblase. Mir san hin und hergerissen, gnädige Frau, charmo charmo Küß eahna die Hand.

Jonas: Mein Computer. Klein aber laut. Gefüttert mit sämtlichen Sprachprogrammen, die es gibt. Die es nicht gibt, hat er sich selbst beigebracht. Sam. Auch Sammy. Selten Samuel. Wegen Casablanca. Den Film meine ich, nicht meine Stammkneipe. As time goes by. Sam ist mein elektronischer Begleiter. Mein Schlappenschamois. Meine nützliche Nervensäge.

Sam: Teuerste sehen mal wieder ganz extraordinär entzückend aus.

Delamotte: Danke.

Sam: Aber dennoch dessen ungeachtet und nichts desto trotz, erstmal wird geklärt, wer Sie sind. In dem daß wir bislang noch nicht das Vergnügen Ihrer geschätzten Bekanntschaft genaßen. äh genießen. Hatschi. Danke. Genossen. Feste Regel im Hause Jonas. Also dann mal los verehrteste. Hosen runter.

Jonas: Wer sind Sie?

Delamotte: Delamotte ist mein Name. Audrey Delamotte, ich arbeite im Amt für Medien und Öffentlichkeitsarbeit als Staatsrätin.

Jonas: Alles klar, also, fangen wir nochmal an, Frau Delamotte. Wen soll ich suchen?

Delamotte: Einen Mann namens Adam Stiller.

Sam: Schiller?

Delamotte: Sagt Ihnen der Name was?

Jonas: Stiller?

Sam: Schiller?

Jonas: Stiller?

Sam: Stiller?

Jonas: Nein.

Sam: Nein.

Delamotte: Schriftsteller. Buchautor genauer gesagt. Das hier hat er geschrieben:

Jonas: Sie kommen aus dem Kosmos – das Geheimnis der Ufos. Kenn ich nicht.

Delamotte: Sie machen sich wohl nichts aus Büchern, Jonas.

Sam: Ich auch nicht.

Delamotte: Wie die meisten in Babylon.

Sam: Jaja.

Jonas: Falsch. Jonas ist Nostalgiker. Jonas kauft und liest Bücher. Krimis aus dem 20. Jahrhundert. Science-Fiction interessiert mich nicht. Und genau sowas hatte Adam Stiller geschrieben. SF-Romane, Sachbücher über Ufos, fliegende Untertassen, Raumschiffe aus fernen Welten, ein Thema, das ihn faszinierte.

Delamotte: Das war vor etwa 20 Jahren in den 90ern, ich war damals Lektorin in einem kleinen Buchverlag Sense of Wonder. Stiller schrieb für uns, kompetent, fleißig, manchmal inspiriert, und immer erfolglos. Wie der ganze Verlag. Bücher waren schon zu dieser Zeit kein Geschäft mehr, und darum ging der Verlag in Konkurs, 1998, vor 15 Jahren, Stiller war da 60, er konnte und wollte nicht noch mal von vorn anfangen.

Jonas: Was hat er gemacht?

Delamotte: Er ist ausgestiegen, aus Babylon verschwunden, untergetaucht.

Jonas: Und Sie, Frau Delamotte.

Delamotte: Ich, ich hab mir was neues gesucht, und bin im Amt für Medien und Öffentlichkeitsarbeit gelandet.

Jonas: Wo Sie's zu was gebracht haben. Schön für Sie. Was wollen Sie jetzt nach 15 Jahren von Stiller, warum suchen Sie ihn.

Delamotte: Warum? Weil seine Zeit gekommen ist, seine Bücher sollten neu aufgelegt werden, heute hätten sie Erfolg.

Jonas: Vermutlich, und was hätten Sie davon.

Delamotte: Ich kenne Stiller, ich würde ihm helfen, ihn managen.

Jonas: 20 %.

Delamotte: Eher 25. Stiller und ich, wir würden ganz groß mitschwimmen auf der Ufowelle.

Jonas: Das klang plausibel. Vor einem Vierteljahr hatte sie angefangen, die UFO-Welle, die UFO-Schwemme, der UFO-Wahn. Seltsame Erscheinungen tauchten am Himmel auf. Rätselhafte Objekte. Mysteriöse Flugkörper. Scheibenförmig, hell und strahlend. Immer mehr. Immer öfter. Waren es außerirdische Raumschiffe? Bald flogen die Ufos nicht nur, sie landeten, ab und zu, weit draußen, unter Ausschluß der Öffentlichkeit, Menschen die mitgenommen und dann freigelassen wurden, erzählten Wunderdinge, und Wunderdinge verhießen auch die Funksprüche, die vom Himmel kamen: Hoffnung, Frieden, Lösung aller Probleme, ganz Babylon war im UFO-Fieber, Ufokulte hatten gewaltigen Zulauf, alles andere war uninteressant geworden, es gab nur ein Thema: die Ufos.

Delamotte: Was halten Sie von den Ufos, Jonas.

Jonas: Ich, ich halt mich raus. Bleiben wir bei Adam Stiller, er ist jetzt wie alt?

Sam: 75, du Schlunzpiepe.

Jonas: Falls er noch lebt.

Delamotte: Das hoffe ich. Sie werden es feststellen, Herr Jonas, Sie werden ihn aufspüren und zu mir bringen.

Jonas: Wenn ich ihn finde und wenn er will. Warum nicht in der Wildnis, warum nicht sagen wir im Reservat.

Delamotte: Fürs Reservat ist er nicht der Typ, ich bin ganz sicher, er steckt in der Wildnis.

Jonas: Sie müssen's wissen, Frau Delamotte, es ist ihr Geld. Apropos.

Delamotte: Sie brauchen eine Anzahlung nehm ich an. 500 Euros in bar, ist das genug.

Sam: Es ist genug. Es ist nie genug. Es ist nie genug.

Jonas: Mein Fon klingelte, als ich aus dem Lift stieg, ich ging durch den Korridor, suchte den Schlüssel, schloß auf, ich hatte es nicht eilig, das Fon hörte auf zu klingeln: Gut so. Eine Minute später fing es wieder an. Laut und beharrlich. Jemand mußte große Sehnsucht nach Jonas haben.

Jonas: Jonas, nur Jonas, was ist.

Maid: Hier spricht der hohe Tempel der druidisch-kosmologischen Kirche, seine Mysteriosität, Erzdruide Fingal, wünscht eine Unterredung mit Ihnen.

Jonas: So, dann soll er doch mal vorbeikommen ihr Erzdruide, vielleicht übermorgen.

Maid: Ich bitte Sie, Herr Jonas, Sie werden kommen zum hohen Tempel, sogleich.

Jonas: Jetzt, 5 Minuten vor Mitternacht.

Maid: Auf der Stelle, Herr Jonas, sofern Ihnen an einem einträglichen Auftrag gelegen ist.

Jonas: Sam?

Sam: Anruf genuin, Chef.

Jonas: Tja, so ist das, wochenlang will kein Schwein was von Jonas, und jetzt rennen sie mir die Bude ein.

Sam: Beziehungsweise zitieren euer Willfährigkeit ins Haus.

Jonas: In den Tempel, Sam. Adresse.

Sam: Yes.

Jonas: Die druidisch-kosmologische Kirche war einer der neuen Ufokulte, der größte und offensichtlich lukrativste. Der hohe Tempel erwies sich als Prachtbau in bester Lage in einer Nebenstraße des Markgrafenboulevard, zwei bewaffnete Türsteher fragten nach meinem Namen, ließen mich durch, ein kahles Foyer, eine zweite Tür, ich stand in einem großen runden Raum unter einer hohen Kuppel, spärliches Licht aus unsichtbarer Quelle, aus unsichtbaren Lautsprechern Sphärenmusik, auf dem nachtblauen Hintergrund von Wänden und Kuppel tanzten helle Kreise in komplizierter Choreographie, plötzlich ein helles Rechteck, ganz hinten war eine Tür aufgegangen, eine Gestalt in einem langen weißen Hemd wandelte mir entgegen.

Maid: Der hohe Tempel entbietet ihnen durch mich seinen Willkommensgruß, Herr Jonas.

Jonas: Gleichfalls. Waren Sie die Maid vorhin am Fon. Sind Sie die Sekretärin des Erzdruiden?

Maid: Ich habe die überaus große Ehre, seiner Mysteriosität als rituelle Opfermaid zu Diensten zu stehen.

Jonas: Is ja drollig. Interessanter Job?

Maid: Bitte, Herr Jonas. Seine Mysteriosität erwartet Sie.

Jonas: Hinter der hellen Tür ein freundlicher kleiner Raum, ein Studio oder Herrenzimmer wie das früher hieß, edel ausgestattet, echt lederne Clubsessel, ein massiver Echtholzschrank, hinter der Echtglastür echte Bücher, und inmitten der teuren Pracht ein Mann, groß, gewichtig, würdevoll, eingewickelt in ein weißes Laken, eine goldene Sichel am Gürtel, im dünnen Haar ein Mistelkranz, in der Hand ein Glas, und im Glas, was roch die Nase des Experten?

Erzdruide: Ganz recht, Herr Jonas, Uskibeha, wie die alten Kelten sagten, Wasser des Lebens, echter schottischer Maltwhisky, wollen Sie auch einen?

Jonas: Hm, ehe ich mich schlagen lasse, Hochwürden.

Erzdruide: Mysteriosissimus ist die mir zustehende Anrede, Herr Jonas.

Jonas: Mysteriovissimus. Auf ihr Wohl.

Erzdruide: Mysteriosissimus.

Jonas: Oder so.

Erzdruide: Auf ihr Wohl. Auf Teutates und Bedisama, auf die alten Götter, die da zurückkehren aus der Tiefe des Raumes, ihre irregegangenen Kinder zu retten, zum Wohl.

Jonas: Warum haben Sie mich kommen lassen.

Erzdruide: Sie sollen ihn ausfindig machen, Herr Jonas, den Vorläufer, den Propheten, der da bereits vor etlichen Jahren uns die Wiederkehr der himmlischen Göttern weissagte, in den erleuchteten Werken, welche Sie hier hinter Glas sehen, Herr Jonas.

Jonas: Sie kommen aus dem Kosmos.

Erzdruide: Unter anderem, Herr Jonas.

Jonas: Adam Stiller.

Erzdruide: Eben diesen, Herr Jonas.

Jonas: Sieh mal an. Ein vielbegehrter Typ, dieser Stiller. Jonas dachte kurz nach. Sollte er dem Erzdruiden erzählen, daß er den selben Auftrag schon angenommen hatte? Von Audrey Delamotte. Ich hielt den Mund. Ein kleines bißchen unethisch, möglicherweise, aber es wurde niemand geschädigt. Und einer hatte den Nutzen, Jonas, der kriegte doppeltes Honorar. Und nicht nur das.

Erzdruide: Nach unseren Erkenntnissen ist Adam Stiller ausgestiegen, wie der volkstümliche Ausdruck lautet, und zwar bereits vor 15 Jahren. Sie werden ihn also womöglich in der Wildnis suchen müssen, Herr Jonas.

Jonas: Womöglich. Macht 200 Euros pro Tag und Spesen und eine Zulage, weil ich in die Wildnis muß.

Erzdruide: Die druidisch-kosmologische Kirche brennt vor Verlangen, den Propheten in ihrem Tempel willkommen zu heißen. Sie werden Eifer zeigen, Herr Jonas, Sie werden eilen.

Jonas: Ich tu, was ich kann, Mysteriovissimus, gleich morgen.

Erzdruide: Heute, Herr Jonas, wir werden zahlen, um ihr Bemühen tunlichst zu beschleunigen, stellt die Kirche ihnen ein E-Mobil zur Verfügung, Sie werden es vor dem Tor finden, hier ist der Schlüssel.

Jonas: 5 Stunden später, früher Morgen, ich fuhr durch die Südstadt, raus aus Babylon Richtung Wildnis, es war Platz auf den Straßen, mehr als sonst, keine Penner, keine Obdachlosen, keine Tütenmenschen, verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt, und noch was fiel mir auf: die großen Seniorenanstalten am Stadtrand standen leer, Türen und Fenster mit Brettern vernagelt, seltsam. Aber was ging das Jonas an. Jonas hatte einen Auftrag. Zwei Aufträge. Eden, ein kleiner Ort in der Wildnis, noch das selbe traurige Nest wie vor 3 Jahren, Fall Spielwiese, egal, Jonas war nur auf der Durchreise, zu drei alten Freunden, Debora, Amos und Obadja. Übrigbleiber, Survivalists, weit draußen in der Wildnis hatten sie sich eine Hütte gebaut, da hausten sie, schlicht und gottesfürchtig, putzten ihre Waffen und warteten auf den großen Knall, nur daß sie jetzt nicht mehr zu dritt waren.

Debora: Bruder Obadja hat uns verlassen, Bruder Jonas.

Jonas: Tot, Debora?

Amos: Schlimmer, er ist zurückgekehrt nach Babylon zu den Fleischtöpfen Ägyptens.

Sam: Volksrente, Computer, elektrisch Licht und Schnaps aus dem Dipsomaten. Chemnitzluja. Korrektur Halleluja.

Amos: Ah Brüderchen Samuel.

Debora: Wie geht's denn kleiner Schreihals.

Sam: Erlauben Sie Madam, nicht dieser Ton.

Debora: Och, ist er beleidigt.

Jonas: Laß ihn, Debora, er wird wieder.

Amos: Bist du gekommen, um für immer bei uns zu bleiben, Bruder Jonas, denn siehe das Ende der Welt steht vor der Tür.

Jonas: Schon wieder oder immer noch?

Debora: Wirklich und wahrhaftig, Bruder Jonas, hebe deine Augen empor zum Himmel und schaue die Vorzeichen der nahenden Schrecknisse.

Jonas: Die Ufos meinst du.

Amos: Und auch auf Erden geschieht fürchterliches.

Jonas: Wem sagst du das Amos.

Debora: 50 km von hier haben sie ein neues Agrocenter hingestellt.

Jonas: In die kahle Wildnis.

Debora: In die Wildnis, wo nichts wächst, jeden Tag und jede Nacht fahren riesige E-Trucks von Babylon ins Center, vollbeladen mit Menschen, und wenn sie zurückfahren sind sie leer.

Amos: Die große Säuberung hat begonnen, Bruder Jonas, und der Herr gießt aus die Schalen seines Zorns über Gerechte und Ungerechte.

Jonas: Wie dem auch sei. Wenn morgen die Welt untergeht, wird Jonas noch heute ein Apfelbäumchen pflanzen.

Sam: Bruder Jonas, also steht es geschrieben in dem heiligen Werk, das da genannt wird, Büchmanns geschniegelte Worte, was, nein, geprügelte Worte, a Moment, ahaha, gebügelte Worte, ja gebügelte Worte.

Jonas: Halt den Rand, Sammy, denn wahrlich ich sage dir, so du nicht zügelst den Fluß deiner Rede, schalt ich dich ab. Verstanden.

Sam: Amen und abermals amen.

Amos: Du hast einen Auftrag auszuführen, Bruder Jonas.

Jonas: Ich suche einen Mann namens Adam Stiller, Aussteiger.

Debora: Adam? Alt?

Jonas: 75. Kennst du ihn Deborah.

Debora: Es gibt hier draußen einen alten Mann, der den Namen Adam, der Geschichtenerzähler trägt.

Amos: Manche nennen ihn auch Adam der Spinner.

Jonas: Das dürfte er sein. Wo lebt er?

Debora: Im Asyl, 20 km weiter nach Westen.

Jonas: Der Ort, der jetzt Asyl hieß, war in der alten Zeit ein Campingplatz gewesen, an einem See, der natürlich längst ausgetrocknet war, die Caravans standen noch da, eine Schrottlaube neben der anderen, fast bis zum Horizont, jeder Wagen bewohnt, Aussteiger, Übrigbleiber, Durchsnetzfaller, ein paar Flüchtlinge aus der Drittwelt, die es durch den Militärkordon geschafft hatten. Jonas fuhr durch die rostigen Reihen, sah sich um, fragte, vorsichtig, eine Hand am Leitsystem des E-Mobils, die andere in der Jacke am Laserstrahler. Abends war ich am Ziel, ein verrotteter Minibus, kein Motor, keine Räder, das Heim von Adam dem Spinner alias Adam Stiller. Ein Greis, verkrümmt, verknittert, verknöttert, er ließ mich nicht rein, aber er blieb vor der Tür und hörte sich an, was Jonas ihm mitzuteilen hatte. Babylon ruft, sagte ich, und das gleich zweimal.

Jonas: Babylon ruft.

Stiller: Ach was, wer denn.

Jonas: Erzdruide Fingal und Audrey Delamotte.

Stiller: Und Lisa, Lisa will nichts von mir wissen.

Jonas: Wer?

Stiller: Lisa. Lisa Polonius.

Jonas: Wer ist das?

Stiller: Na, meine Partnerin damals, junger Mann, meine Muße, hab ich immer gesagt, sie hat mir geholfen beim Denken, beim Schreiben, besonders bei meinem letzten Manuskript, ein Roman, nur ein Gott kann uns noch retten, war der Titel, ein Heideggerzitat, werden Sie nicht kennen, junger Mann.

Jonas: Ein Roman über Ufos.

Stiller: Ja, aber nicht so wie Sie vielleicht denken, junger Mann, mein Meisterwerk, schade daß es nicht veröffentlicht wurde, kurz nachdem ich es eingereicht hatte, ging der Verlag pleite. Hat Audrey nichts davon gesagt, sie muß es noch haben.

Jonas: Das Manuskript? Nein nichts.

Stiller: So, was macht sie denn jetzt. Wieder bei einem Verlag?

Jonas: Audrey Delamotte ist Staatsrätin im Amt für Medien und Öffentlichkeitsarbeit.

Stiller: Oh. Wirklich? Also das finde ich interessant, sehr interessant, wenn ich mir so ansehe, was im Moment läuft, diese Ufokiste und kein Wort von meinem Manuskript, da kommt man ins Grübeln, junger Mann.

Jonas: Also was ist, Herr Stiller, was wollen Sie, Verehrung als Prophet, oder viel Geld als neuaufgelegter Autor, oder beides.

Stiller: Oder weiter meine Ruhe als Aussteiger, nicht so flott, junger Mann, das muß ich mir überlegen, mal drüber schlafen. Kommen Sie morgen früh wieder.

Jonas: Wo kann ich übernachten?

Stiller: Ihre Sache, junger Mann.

Jonas: In ihrem Minibus.

Stiller: Null Chance. Schlafen Sie doch in ihrem E-Mobil.

Jonas: Das werd ich wohl müssen.

Stiller: Ein guter Rat, junger Mann, fahren Sie ein Stück raus, bleiben Sie nicht im Asyl, die klauen ihnen den Sitz unterm Hintern weg.

Jonas: Das wollte ich nicht. Also fuhr ich raus, zwei drei Kilometer bis zu einem Haufen bizarrer Felsen, da stellte ich das E-Mobil ab, klappte die Lehne runter, legte mich hin, halb zwölf. Schlafenszeit. Sam schob Wache, in dieser Gegend war es nicht geheuer, und das war noch eine Untertreibung.

Sam: Düdüdüdüdüdüdüt, Erwache, Meister, o Meister o werde wach, düt, nu hör schon auf zu schnofen, du alte Schlafmütze.

Jonas: Sam, wie spät.

Sam: Piep. 2 Uhr und 22 Minuten. Die Nacht ist noch jung.

Jonas: Warum weckst du mich? Was ist los.

Sam: Siehst du nichts, du blindes Huhn. Hörst du nichts, du taube Nuß? Ha?

Jonas: Ich richtete mich auf. Drüben, wo das sogenannte Asyl lag, war der Himmel rot, Feuer, Schüsse, Krieg. Wer gegen wen? Ich startete das E-Mobil, fuhr zurück, ohne Licht, langsam, bis ich sie im Schein der Flammen erkennen konnte: gepanzerte Kampfmaschinen, haushoch, schwer bestückt, Bordkanonen, MGs, Laserwerfer, sie hatten Asyl umstellt, walzten alles nieder, schossen die Caravans in Brand, machten sie platt mitsamt den Bewohnern, wer sich ins Freie retten konnte, wurde abgeschossen. Was ging hier vor? Was waren das für Maschinen.

Sam: Mähdrescher, Herr Agronom, Ernteautomaten, Agrarmaschinen.

Jonas: Du spinnst Sammy.

Sam: Steht doch groß und deutlich dran.

Jonas: AgroC.

Sam: Ja.

Jonas: Dieses ominöse AgroCenter.

Sam: Welches nicht ist, was es zu sein vorgibt.

Jonas: Was hat Debora gesagt: Trucks voller Menschen rein, leer wieder raus. Und jetzt das. Mord, Sam.

Sam: Massenmord euer Ehren. Mit System und Methode.

Jonas: Und mit modernsten Kampfmaschinen. Wer steckt dahinter Sam.

Sam: Wenn eure Tiefschürfigkeit jene uralte, doch immer wieder neu gestellte Frage für den Augenblick zurückstellen und sich gütigst einem akuten Problem widmen wollte. Denn siehe, wie Debora und Amos sagen würden, eine der mörderischen Maschinen ist ausgeschwenkt und nimmt Kurs auf unseren Standort.

Jonas: Zufall, Sammy, die Leute oben auf der Brücke können uns im Dunkeln nicht sehen, von uns wollen die nichts. Oder? Das Ding kommt direkt auf uns zu, Sammy.

Sam: Und ab durch die Mitte. Mach schon, gib Gas.

Jonas: Jonas gab Gas, änderte die Richtung, schlug Haken, alles umsonst, die Maschine blieb dran, und kam immer näher. Der Lichtkegel ihres Scheinwerfers war nur noch wenige Meter vom E-Mobil entfernt.

Sam: Die wissen genau, wo wir sind und wie weit entfernt.

Jonas: Ein Orter, Sammy.

Sam: Transmitter, very good Sir und wo meine ich?

Jonas: Irgendwo hier im E-Mobil.

Sam: Im E-Mobil, Jonas geliehen und zur Verfügung gestellt vom lieben Erzdruiden.

Jonas: Dieser hinterhältige Armleuchter. Aber warum?

Sam: Achtung, Felsen direkt voruss.

Jonas: Die Rettung. Mit quietschenden Reifen bog ich um die Felsengruppe, dahinter nahm ich sofort Tempo weg, steig aus, bis der Wagen fast kroch, ich stieg aus, stellte am Leitsystem Höchstgeschwindigkeit ein und tauchte dann mit einem Hechtsprung zwischen die Felsen, von da sah ich, wie die Kampfmaschine hinter dem leeren E-Mobil herratterte, bis beide Fahrzeuge in der Dunkelheit verschwanden.

Sam: Das Wandern ist des Sammys Lust, für Jonas singen ist ein Frust, das Wandern. Im Frühtau zu Berge...

Jonas: Am nächsten Morgen wanderte ein Privatdetektiv durch die Wildnis, er war allein, aber nicht einsam, hoch über ihm zogen Ufos ihre Bahn, und in seiner Tasche tönte es. Laut und herzzerreißend. Sam sang zur Aufmunterung Wanderlieder. Die blieben ihm aber im nicht vorhandenen Halse stecken, als wir unserem Ziel näherkamen, die Hütte meiner Übrigbleiberfreunde war ein rauchender Trümmerhaufen, von Amos und Debora war nichts zu sehen, vermutlich lagen sie drunter.

Sam: Erspäht mein Bruder Shatterhand die Raupenspuren im Wüstensand?

Jonas: Kampfmaschinen, hier waren sie also auch, vermutlich haben sie uns ab Babylon verfolgt, weit weg hinter dem Horizont. Ein gewaltiger Aufwand, Sammy, warum.

Sam: Unzureichende Daten euer Fragwürden.

Jonas: Typisch, wenn man dich wirklich mal braucht.

Sam: Auf jeden Fall hat es was mit Herrn A. Stiller selig zu tun. Mein gröJaz.

Jonas: GröJaz?

Sam: Ja, größter Jonas aller Zeiten, sollte ihn aufspüren, um ihn so nichtsahnend ans Messer zu liefern. Präzislicher vor die Kampfmaschine.

Jonas: Für den Erzdruiden. Deshalb hat er mir ein E-Mobil mit Orter gegeben. Aber viel weiter sind wir damit nicht, Sammy. Welche Rolle spielt Audrey Delamotte. Und vor allem warum wurde Stiller umgebracht.

Sam: Nicht nur er, höchsteigentlich du mein Allerwertester, vielmehr auch jeder Mann und jede Frau, die so mit ihm Umgang pflagen. Bis hin zu Amos und Debora. Requiencant in pace.

Jonas: Amen. Was war mit Stiller. Weshalb war er so gefährlich? Für wen? Was passiert im AgroCenter. Und was ist mit den Ufos.

Sam: Herr Lehrer, Herr Lehrer, darf Sam auch mal was fragen.

Jonas: Bitte. Schieß los.

Sam: Wie kommen wir zurück nach Babylon.

Jonas: Die Frage konnte Jonas beantworten. In einer Höhle nicht weit weg hatten die Übrigbleiber ein altes Benzinauto versteckt, vollgetankt, fahrbereit, für die Zeit nach dem großen Knall, das wußte ich von meinem ersten Besuch vor drei Jahren. Ich wartete bis zum Abend, dann fuhr ich los Richtung Babylon. Unterwegs hielt ich Ausschau nach Kampfmaschinen und Helikoptern, aber alles was ich am Himmel sah, waren Ufos. Am Stadtrand ließ ich das Auto stehen, und suchte mir eine Kneipe, in der Jonas garantiert unbekannt war, ich mußte was trinken. Was essen, was mit Sammy bereden.

Sam: Nach Hause, in dero Dussligkeit Büroapartment, dich haben sie wohl mit dem Bups gepiekt, was Knallkopp bzw. oder auch mit Klammerbeutel gepudert, kommt ja gar nicht in die Tür, da ist dicke Luft Mann, da warten sie auf dir, du Hirnsklerotiker.

Jonas: Wer immer sie sind. Also untertauchen. Wo? Audrey Delamotte. Was hältst du davon, Sammy?

Sam: Sammy enthält sich jedweder Meinung.

Jonas: Ganz was neues. Also gut, wir können es ja mal probieren. Es ist jetzt

Sam: 1 Uhr 11, mitten in der dunklen Nacht.

Jonas: Um die Zeit liegt ein braves Mädchen im Bett.

Sam: Allein zuzweit.

Jonas: Mach ne Verbindung Sam. Delamottes Wohnung.

Sam: Bitte sehr der Herr. Piep.

Jonas: Na, was ist.

Sam: Der Anschluß ist außer Betrieb, die Teilnehmerin ist verstorben. Überraschung.

Jonas: Kann man wohl sagen, eine rundum tödliche. Was jetzt.

Sam: Adam Stiller.

Jonas: Ist auch tot. Auch blöder Vorschlag.

Sam: Laß mich doch ausreden, du Napsülze. Adam Stiller hat was von einer früheren Partnerin Lisa Polonius. Da könnte man einhaken.

Jonas: Was soll dabei rauskommen, Sam.

Sam: Infos Dummie. Über Stiller, über Manuskript Nur ein Gott kann uns noch retten.

Jonas: Ich weiß nicht, Sammy, also von mir aus, Lisa Polonius, gibt’s die überhaupt, los Sam, an die Arbeit Besen, du hast es so gewollt.

Sam: Schon gut. Piep. Lisa Agneta Polonius, wohnhaft Babypsilon Südstadt, große Ausfallstraße Nr. 2271, Apartment IX S.

Jonas: Gar nicht weit, praktisch um die Ecke, das traf sich gut, Jonas rief an, holte Lisa Polonius aus dem Bett, stellte sich vor, sagte was von Stiller, das genügte. Eine halbe Stunde später saß ich in ihrem schäbigen Zimmer, 10 Quadratmeter, ich erzählte ihr von meinen Abenteuern in der Wildnis und von Stillers Tod. Sie war erschüttert. Ein bißchen. Nicht lange. Schließlich hatte sie 15 Jahre nichts von ihrem Expartner gehört. Dann war sie dran mit Erzählen.

Lisa: Ich war es, Herr Jonas. Ich habe die Lawine losgetreten, weil ich Audrey Delamotte angerufen habe.

Jonas: Wann war das?

Lisa: Vor... vor 4 Tagen, am 31. Oktober 2013.

Jonas: Weshalb haben Sie angerufen?

Lisa: Wegen Adam und wegen der Ufos, weil mir was aufgefallen war, die ganze Sache mit den Ufos und daß erst ein paar über den Himmel fliegen und dann immer mehr und daß sie landen, daß sie Kontakt aufnehmen, alles das, das steht ganz genau so drin in Adams Manuskript.

Jonas: Nur ein Gott kann uns noch retten.

Lisa: Ja. Hat Audrey ihnen davon erzählt.

Jonas: Nein, kein Wort. Das war Stiller.

Lisa: Ah. Ich hab Audrey nämlich vorgeschlagen, das Buch jetzt rauszubringen, 15 Jahre später.

Jonas: Wie hat sie reagiert.

Lisa: Sie hat gesagt, das geht nur, wenn Adam zustimmt, deshalb wollte sie einen Detektiv beauftragen, Adam zu suchen.

Jonas: Und das hat sie getan, noch am gleichen Tag, nicht nur sie übrigens, kennen Sie den Erzdruiden Fingal, Frau Polonius.

Lisa: Sagen Sie Lisa.

Jonas: Kennen Sie ihn, Lisa? Von der druidisch-kosmologischen Kirche.

Lisa: Nein.

Jonas: Dieses Manuskript von Stiller, wer hat das.

Lisa: Audrey, sie hat es behalten damals, der Verlag brach zusammen, Adam war verschwunden.

Jonas: Haben Sie eine Kopie.

Lisa: Es gibt keine Kopie, aber ich weiß was drin steht, ich habe schließlich mitgearbeitet.

Jonas: Stillers letzter Roman spielte in der nahen Zukunft, einer düsteren Zukunft voller Probleme: Umwelt kaputt, zuviel Menschen, zuwenig Ressourcen, die Weltregierung wußte nicht mehr weiter, und da kam sie auf eine clevere Idee, sie holte die Ufos aus der Mottenkiste, nach genau ausgearbeitetem Plan, mit allen technischen und psychologischen Tricks, Holoprojektionen, Halluzinationsdrogen, neue Sekten, gefälschte Holoreportagen in dramatischer Steigerung, Ufos flogen, Ufos landeten, Ufos enthüllten ihr Geheimnis, Ufos kamen aus dem Weltraum, sie verbreiteten keine Angst, sie machten Hoffnung, ein gigantisches Manöver, eine massive Ablenkung, die Menschen sahen nicht mehr der Regierung auf die Finger, sie sahen zum Himmel, erwartungsvoll, optimistisch.

Lisa: Die Idee zu dem Buch hatte Adam schon früh, um 1990, die Regierung von Peru ließ damals an mehreren Stellen im Land die Madonna erscheinen, die frommen Peruaner gingen auf Wallfahrt und vergaßen ihre Armut, ihre korrupten Minister. Interessant, nicht wahr, Jonas.

Jonas: Interessant, das hat Stiller auch gesagt, als er hörte, Audrey Delamotte sei jetzt beim Amt für Medien und Öffentlichkeitsarbeit.

Lisa: Ah, ist sie das.

Jonas: Sogar als Staatsrätin.

Radio-Sprecher: Wir unterbrechen unser laufendes Programm für eine wichtige Sondermeldung.

Jonas: Stellen Sie lauter Lisa.

Radio-Sprecher: In der Nacht vom 1. zum 2. November 2013 hat ein unbekanntes Flugobjekt versucht, in der Wildnis etwa 150 km südlich von Babylon...

Jonas: Das ist da, wo ich war, in der selben Nacht.

Radio-Sprecher: Asoziale Bewohner eines nahegelegenen illegalen Lagers reagierten hysterisch und aggressiv.

Jonas: Das Asyl ist gemeint.

Radio-Sprecher: Es kam zu einer Panik, die mehrere Opfer forderte, darauf brach das Objekt den Landeversuch vorerst ab. Soweit die Meldungen.

Jonas: Alles falsch.

Radio-Sprecher: Bleiben Sie am Apparat, meine Damen und Herren, noch in dieser Nacht sind weitere sensationelle Entwicklungen zu erwarten.

Jonas: An der ganzen Meldung stimmt nur eins: Es gab Opfer. Ufos waren nicht da. Nur Maschinen, ausgesprochen irdische Kampfmaschinen, gesteuert von Menschen.

Lisa: Vielleicht, vielleicht gibt es überhaupt keine Ufos. Was wir da am Himmel sehen, das sind vielleicht auch nur Fälschungen.

Jonas: Vielleicht ist die ganze Ufowelle nicht wahr, alles gelogen, alles falsch.

Lisa: Wie es Adam in seinem Buch vorgedacht hat. Ich glaube...

Jonas: Machen Sie das Licht aus Lisa.

Jonas: Ich ging ans Fenster, unten auf der Straße hielt ein großer Elektrotruck, Aufschrift AgroC, natürlich, die Truppe, ein rundes Dutzend, sprang von der Ladefläche, alle groß, alle breitschultrig, alle bewaffnet mit Laserstrahlern und Sturmautomaten, wie Landwirte sahen sie nicht aus, ehe wie Cops in Zivil, sie rannten über die Straße in den Hauseingang. Es wurde Zeit zu verschwinden. Wie?

Lisa: Hinten raus durchs Bad, nein, kommen Sie Jonas, aus dem Fenster, über die Feuerleiter aufs Dach.

Jonas: Und dann?

Lisa: Rechts um, vier Häuser weiter ist ein Altenheim, vorn an der Ecke, das Heim steht leer, seit 3 Tagen, seit der Umsiedlung.

Jonas: Was für eine Umsiedlung?

Lisa: Ja wissen Sie denn das nicht. Alle Bewohner von Alten- und Pflegheimen werden umgesiedelt.

Jonas: Wohin.

Lisa: Irgendwo außerhalb, wie hieß das, in ein den spezifischen Lebensführung der Umsiedler angepaßtes alten- und krankengerechtes Ambiente, so ungefähr.

Jonas: Alle Heimbewohner, und so schnell, merkwürdig.

Lisa: Im Heim können wir uns verstecken, ich kenne mich aus, ich war oft da, Freunde besuchen. Achtung, Schornstein.

Jonas: Fast 70 Jahre war sie alt, aber zäh und beweglich wie eine junge. Oder sagen wir wie ein Detektiv in den besten Jahren. Gemeinsam turnten wir über Leitern und Dächer. Bis wir in Sicherheit waren, fürs erste jedenfalls. Im Gemeinschaftsraum des leeren Altenheims. Da verpusteten wir uns und machten weiter, wo wir in Lisas Zimmer aufgehört hatten. Allmählich reimten wir uns die ganze wüste Geschichte zusammen. Zu dritt. Sammy war ja auch noch da.

Sam: Ja was soll denn das, jeder sagt, was ihm einfällt, alle reden durcheinander, so geht das nicht. Wird Zeit, daß ein geistig überlegenes Digitalwesen ein bißchen Fasson in die Sache bringt. Also dann. Die Sitzung ist eröffnet. Den Vorsitz führt Computer Samuel. Vorsitzender Computer Samuel erteilt das Wort an Computer Samuel. Danke Herr Vorsitzender. Bitte bitte.

Jonas: Blas dich nicht so auf, Sammy.

Sam: Ruhe auf den billigen Plätzen. Computer Samuel beginnt. Danke. Erstens. Es steht dringend zu vermuten, daß es sich bei der aktuellen Ufowelle um eine Vortäuschung falscher Tatsachen, um eine Ablenkung geradezu gigantischen Ausmaßes seitens höchster babylonischer Stellen hundelt was äh handelt.

Lisa: Ablenkung wovon.

Sam: Später gute Frau, eins nach dem andern. Alles zu seiner Zeit.

Lisa: Sagen Sie, ist er immer so Ihr Computer, Jonas.

Jonas: Nein, meist ist er schlimmer.

Sam: Der Vorsitzende verbittet sich energisch jedwede beleidigende Anmerkung im Saal. Fahren Sie fort, Computer Samuel. Danke, Herr Vorsitzender. Zweitens. Die offensichtlich verewigte Audrey Delamotte, Staatsrätin im Amt für Medien und Öffentlichkeitsarbeit, hat das in ihrem Besitz befindliche Manuskramramon Korrektur Romanmanuskript des gleichfalls verewigten Autors Adam Stiller mit dem Titel "Nur ein Gott kann uns noch retten", als Grund- oder auch Vorlage für besagte Großtäuschung benutzt, dies glaubte sie allem Anschein nach problemlos tun zu können, hielt sie doch Stiller für verschollen, und

Lisa: Ja, aber dann hab ich Audrey angerufen.

Sam: Dieserhalb und desterwegen.

Jonas: Jetzt ist es gut, Sam. Faß dich kürzer oder du kriegst Ärger.

Sam: Drittens. Delamotte: Auftrag an Jonas, such Stiller, bring zurück Babylon, Ziel Stiller umbringen. Kurz genug, Sir.

Jonas: Kurz genug. Weiter. Weiter.

Sam: Viertens Erzdruide derselbe Auftrag, Stiller lokalisieren, Ziel Stiller durch Kampfmaschinen umbringen lassen. Fazit: Erzdruide auch sehr interessiert Ufoschwindel geheim zu halten. Frage Chef: Erzdruide in Verbindung mit Delamotte?

Jonas: Ich stell die Frage Sam. Du bist Computer Samuel, die geistig überlegene Digitalperson. Du antwortest.

Sam: Unzureichende Daten, euer Ungnaden.

Jonas: Hätt ich mir denken können. Bist du jetzt fertig?

Sam: Viertens. Jonas, Lisa Polonius wissen zu viel, darum verfolgt, gehetzt, in Lebensgefahr.

Jonas: Da wären wir ohne dich nie draufgekommen.

Sam: Siehste.

Lisa: Ich muß nochmal fragen. Weshalb das ganze große Manöver, wovon soll abgelenkt werden.

Sam: Davon.

Jonas: Ich wußte die Antwort, aber ich wollte sie nicht wissen, ich wollte weg aus Babylon, aus einer Welt, in der solche Dinge geschahen, die leeren Straßen, die leeren Heime, die sogenannten Umsiedlungen in ein sogenannten Agrocenter, Straßenmenschen, Obdachlose, Alte, Behinderte, Kranke, es gab zu viel davon, zuviel für eine Regierung, die nicht mehr wußte, wie sie die Volksrente aufbringen sollte, die deshalb die demografische Statistik korrigierte, und um die Aktion eine Nebelwand legte, die Ufos. Nur so konnte es sein. Aber ich mußte mich vergewissern. Megan Alcatraz, Chiefcontroller im Justizministerium, sie war mir was schuldig, Fall Strafkolonie vor einem viertel Jahr. Das Fon im Heim war noch in Betrieb, ich rief sie an.

Megan: Es gibt Gerüchte über eine streng geheime Staatsaktion, Codename Lebensabend, offiziell weiß ich nichts, unser Ministerium ist nicht beteiligt.

Jonas: Wer ist beteiligt, weißt du das, Megan.

Megan: Finanzen, Inneres, Gesundheit, Kultus, das Amt für Medien und Öffentlichkeitsarbeit.

Jonas: Staatsrätin Delamotte.

Megan: Ja, so heißt sie glaub ich. Ja, und dann noch das und das Agrarministerium. Seltsamerweise.

Jonas: Wenn man im Mist wühlt, stinkt es. Wer Wind sät, wird Sturm ernten.

Megan: Hast du etwas mit Lebensabend zu tun, Jonas.

Jonas: Andersrum, Megan, Lebensabend hat mit mir zu tun.

Megan: Halt dich da raus, Jonas, Lebensabend ist gefährlich.

Jonas: Lebensgefährlich. Nicht nur für Jonas.

Megan: Hast du ein Hologerät in Reichweite?

Jonas: Ja, hier steht eins, warum?

Megan: Schalt ein, und mach's gut, Jonas.

Holo-Reporter: Steht unmittelbar bevor, ein einmaliges meine Damen und Herren, ein historisches Ereignis, die größte Sensation seit es Menschen gibt, die erste offizielle angekündigte Landung eines außerirdischen Raumschiffs auf dieser unserer Erde.

Lisa: Die Begegnung der vierten Art, wie in Adams Buch...

Holo-Reporter: Meine Damen und Herren, diesmal wird es keine Explosion geben, die Regierung hat das Landegebiet räumen und absperren lassen, das große Ufo, das seit einigen Minuten über uns schwebt, in einer Höhe von ich würde mal schätzen, 500 Metern, äh, das beginnt jetzt zu sinken, langsam, ganz langsam nimmt es immer mehr Fahrt weg, es beginnt zu sinken, und jetzt ein Lichtkegel von fast unerträglicher Helligkeit, erfaßt die Vertreter der Medien, erfaßt die Abordnung der Regierung, die darauf wartet unsere außerirdischen Besucher willkommen zu heißen.

Jonas: Gut gemacht die Special effects.

Holo-Reporter: Meine Damen und Herren, warten Sie mit uns gespannt auf die Landung, das Ufo senkt sich weiter, tiefer, immer tiefer, gleich, meine Damen und Herren, wird es den irdischen Boden berühren, mein Gott, es kommt, es kommt immer tiefer, jetzt...
Cop: Hände hoch. Hinlegen. Mach die Kiste aus.

Jonas: Die Agronomen in Zivil von vorhin, jetzt hatten sie uns. Flucht war nicht drin, Widerstand auch nicht. Sie nahmen mir den Laser weg. Sam fanden sie nicht, der lag im Schatten und war ganz still.

Cop: Jonas, nur Jonas?

Jonas: Der bin ich.

Cop: Rechts rüber, noch ein Stück, gut so.

Jonas: Lisa. Sie... Sie haben sie erschossen. Einfach so.

Cop: Na sowas. Das ist unser Job, was regen Sie sich auf, seien Sie froh, daß Sie nicht auch da liegen neben dem alten Gemüse, aber wir haben strengen Auftrag, Ihnen nicht zu tun, jemand legt Wert darauf, daß Sie am Leben bleiben.

Jonas: Wer?

Cop: Hohes Tier im Justizministerium, Alcatraz.

Jonas: Megan hat uns verraten.

Cop: Sie hat ihren Anruf zurückverfolgt und den großen Chef informiert, Bedingung: Sie werden nicht getötet, war doch nett von ihr.

Jonas: Kann ich jetzt gehen?

Cop: Klar, können Sie, mit uns, zum Chef. Hopp Hopp. Sie haben uns schon genug Zeit gekostet.

Jonas: Eine längere Fahrt von der Südstadt ins Zentrum zum Markgrafenboulevard, zum hohen Tempel der druidisch-kosmologischen Kirche, zum großen Chef.

Erzdruide: Jawohl, Herr Jonas, der Chef bin ich, Babelenus usw. Erzdruide und Vorsitzender des Führungsgremiums der Aktion Lebensabend sowie der Unteraktion Ufo.

Jonas: Deshalb wußten Sie Bescheid über Stiller und sein Manuskript. Audrey Delamotte hat Sie informiert.

Erzdruide: Das hat sie nicht, Herr Jonas. Die gute Audrey hat uns den Plan für das Ablenkungsmanöver Ufo als ihr eigenes Produkt verkauft, von Stillers Manuskript haben wir erst durch den Anruf von Lisa Polonius erfahren.

Jonas: Sie haben Delamotte überwacht.

Erzdruide: Wir überwachen alle Eingeweihten unterhalb der Führungsebene, Fon, Computer, Kontakte. Als wir dann hören mußten, der Autor des Manuskripts lebe womöglich noch, da, Herr Jonas, beschlossen wir, Frau Delamotte zuvorzukommen und direkt einzugreifen, mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen. Es ging um Glaubwürdigkeit und Akzeptanz zweier hochsensibler Operationen. Wir durften nichts riskieren. Stiller und sein Manuskript mußten verschwinden.

Jonas: Also haben auch Sie mich beauftragt, mir das E-Mobil mit Orter angedreht, und als ich Stiller gefunden hatte, haben Sie die Kampfmaschinen losgelassen, auf das Asyl mit zigtausend Bewohnern. Finden Sie das nicht ein bißchen übertrieben.

Erzdruide: Sicher ist sicher Herr Jonas. Außerdem, was waren denn das für Menschen, Asoziale, Flüchtlinge, kaputte Typen, unnütze Fresser, das ist doch der Sinn der Aktion Lebensabend, so was wollen wir loswerden.

Jonas: Wie Jonas.

Erzdruide: Sie werden nicht ausgeschaltet, Herr Jonas, das habe ich Frau Alcatraz von Justizministerium versprochen, aber einfach laufen lassen kann ich Sie natürlich auch nicht.

Jonas: Natürlich nicht. Wo ich jetzt soviel weiß.

Erzdruide: Sie haben so viel durchgemacht, Herr Jonas, Sie sind verwirrt, Sie sind überlastet mit Informationen, die Sie nicht verstehen, die Sie nicht einordnen können, die viel zu schwer für Sie sind, ihre Sinne sind überfordert, ihr Geist ist überanstrengt, Sie brauchen Ruhe, Entspannung, eine Kur für Körper, Geist, Gemüt, und zum Glück Herr Jonas, haben wir genau das richtige für Sie. Sie werden jetzt ein Medikament einnehmen, Herr Jonas, das Sie vollkommen ruhig stellt, und dann das Bad des Vergessens.

Jonas: Ich war in einem Tank unter dem Tempel, ich schwamm auf Salzwasser, ich war nackt, ich konnte kein Glied rühren, ich sah nichts, unvorstellbar schwarze Nacht, kein noch so schmaler Lichtstrahl fiel in den Tank, ich hörte nichts, unvorstellbare Leere, kein noch so leises Geräusch drang in den Tank, ich war bei Bewußtsein. Mein Bewußtsein wehrte sich, kämpfte, tobte, schrie, bis es müde wurde und sich zurückzog in mich hinein. Tief in mich hinein.

Maid: Du bist Jonas.

Erzdruide: Du hast geschlafen.

Maid: Und schlecht geträumt.

Erzdruide: Vom Ufos.

Maid: Jetzt bist du wach.

Erzdruide: Du bist ganz ruhig.

Maid: Du hast alles vergessen.

Erzdruide: Es geht dir gut.

Maid: Alles ist gut.

Erzdruide: Es gibt keine Probleme.

Jonas: Ich bin ganz ruhig. Alles ist gut. Es gibt keine Probleme.

Jonas: Inzwischen im Gemeinschaftsraum des leeren Altersheim klagt ein alleingelassener Computer um seinen Herrn.

Sam: Mein Mensch, mein Meister, mein einziger Jonas, wo ist er, was tut er, wie geht's ihm, auch wird sein armer kleiner Sammy ihn jemals wieder sehen. Auf Wiedersehen. Auf Wiedersehen. Bleib nicht so lange weg, den Jonas werd ich wiedersehen. Für ihn ist dann sein Pech.

Das war Ufo. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam Peer Augustinski. Außerdem wirkten mit: Kornelia Boje, Ute Mora, Alois Maria Giani, Horst Sachtleben und viele andere (Kerstin de Ahna, Matthias Knappe, Rolf Aicher, Annette Wunsch, Felix Eitner, Detlef Kügow, Sascha Icks, Hans Stetter, Pascale Schulze, Marc Schulze, Urs Schaudinn, Andreas Wohlrab, Eva Windisch). Ton und Technik: Günter Hess, Christine Koller und Monika Graul. Regieassistenz: Holger Buck. Regie: Werner Klein. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks (1994). Redaktion: Erwin Weigel.

Beitrag vom 02.04.2022 - 21:25
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Der letzte Detektiv
Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
Heute: Weihnachtsmärchen

Coco: Sti-hille Nacht. Hei-lige Nacht. Coco hat in die Hose gemacht.

Sam: Altes Ferkel.

Coco: Coco lacht, daß es kracht. Hahahahaha! Spaß muß sein, Kinder. Aber jetzt sind wir mal ein bißchen ernst ausnahmsweise.

Sam: Ich nicht.

Coco: Kinderweihnachten steht vor der Tür. Das Fest der Liebe. Was ist Liebe? Liebe ist nicht nur das, was die Großen nachts im Bett machen, wenn sie glauben, ihr schlaft schon.

Sam: I pfui Teufel.

Coco: Liebe ist Fühlen. Mitfühlen. Mit den vielen armen Kindern, die keine Geschenke kriegen, mit den Kindern in der Drittwelt, die krank sind, die Hunger haben. Liebe ist Geben.

Sam: Ne ne! Nehmen.

Coco: Gebt, Kinder, soviel Euros, wie ihr könnt. Schickt sie an mich, an euren Freund Coco, den Clown mit dem goldenen Herzen, Network Holo-TV Babylon.

Sam: Bab-ypsilon.

Coco: Sti-hille Nacht, heilige Nacht, geben so viel Freude macht. Gebt von eurem Taschengeld für das Elend in der Welt.

Jonas: Zum Kotzen. Warum sehe ich mir das an, warum schalte ich nicht gleich ab?

Sam: Unzureichende Daten, euer Fragwürden. Apropos Weihnachten.

Jonas: Sam wollte ein Geschenk. Einen neuen Namen. Sam gefiel ihm nicht mehr. Zu kurz. Sammy war ihm zu albern. Und Samuel zu umständlich. Die Frage war, wie wollte er ihn Zukunft heißen?

Sam: Behufs dieses Punktes steht eine endgültige Entscheidung noch dahin bzw. aus. In wohlwollender Erwägung befinden sich Prof. Einstein und Superhirn unter anderem.

Jonas: Weltseele. Lieber Gott.

Sam: Ach, seien Sie nicht albern, junger Mann, heiliger Geist, das hat was.

Val: Hallo, jemand zu Hause?

Jonas: Valerie!

Sam: Sieh mal einer kuck, der Wal, in voller Lebensgröße.

Jonas: Valerie. Kurz Val, Sammy sagte: Der Wal. Weil sie so groß und umfangreich war. Das sollte ein Witz sein. Jonas und der Wal. Sehr komisch. Valerie war eine Ex-Freundin, ausgesprochen ex, wir waren nur kurz zusammen, und seit Jahren auseinander, von mir aus hätte es so bleiben können. Was wollte Val von Jonas?

Jonas: Was willst du Val von Jonas.

Val: Dir frohe Weihnachten wünschen, dir erzählen, wir’s mir geht, ich hab mich selbständig gemacht, hier, sieh mal, meine Karte.

Jonas: Valerie, nur Valerie, die letzte Detektivin.

Val: Merkst du was, Jonas, ich hab von dir gelernt.

Sam: hehe, das geht doch gar nicht.

Jonas: Das konnte man wohl sagen. Ich bin Jonas, nur Jonas, der letzte Detektiv. In der großen Stadt Babylon und drum herum. Val hatte mich schamlos kopiert. Ich schlug ihr ne Änderung vor, die allerletzte Detektivin.

Val: Charmant wie eh und je, Jonas, wie sieht's bei dir aus, alles OK?

Jonas: O danke.

Val: Ich hab so was gehört. Daß es dir vor ein paar Wochen gar nicht gut ging.

Jonas: Sie meinte den Ufofall, Anfang November 2013, damals hatte Jonas drei Dinge verloren, Sam seinen sprechenden Computer, sein Gedächtnis und den Glauben an die Menschheit. Computer und Gedächtnis hatte ich wieder, den Glauben an die Menschheit suchte ich immer noch.

Val: Armer Jonas. Da wirst du noch lange suchen müssen.

Jonas: Du bist doch nicht gekommen, weil du dir Sorgen um mich machst, Val. Was willst du?

Val: Ich bring dir 'nen Fall, Jonas.

Jonas: Du mir glaub ich nicht.

Val: Einen richtigen Jonasfall, schwierig aber interessant.

Jonas: Wo ist der Haken?

Val: Naja, die Leute haben kein Geld.

Jonas: War nett dich mal wieder zu sehen, Val, mach's gut.

Val: Ach, nun hör dir die Sache doch wenigstens mal an.

Jonas: Von mir aus.

Val: Also, da ist ein altes Hetero-Paar, Ramona und Kevin Klein, arm aber ehrlich, Nachbarn von mir, sie wohnen im selben Hochhaus, Straße 130 in der Südstadt.

Jonas: Vor gut 50 Jahren haben sie die Südstadt hochgezogen, flott und billig, inzwischen sind die grauen Hochhäuser kräftig am krümeln, soweit sie überhaupt noch stehen. Aber die Südstadt ist kein Slum, sagt die Bürgermeisterin. Die Südstadt ist ein urbaner Sektor mit spezifischen strukturellen Problemen. Oder so. In der Südstadt wohnt, wer sich wo anders keine Wohnung leisten kann.

Val: Gestern ist den Kleins das Kind gestohlen worden, das sie sich gerade erst gekauft hatten, aus dem Bett, von Weihnachtsmännern mit Laserstrahlern.

Jonas: Lösegeld.

Val: Ne, nichts. Keine Kontaktaufnahme. Kein Wort von den Kidnappern. Die Kleins sind zu mir gekommen, aber unter uns, Jonas, für mich ist der Fall eine Nummer zu groß. Naja, ob du nicht ganz unverbindlich aus fachlichem Interesse.

Jonas: Manchmal übernimmt Jonas einen Fall für noth, aus Sport sozusagen, weil er ihn interessiert, weil er sich langweilt. Außerdem hatte ich meinen sozialen Tag. Weihnachten stand vor der Tür, das Fest der Liebe usw. Ich fuhr mit Val in die Südstadt, Straße 130, Haus N, 13. Stock, Ramona und Kevin Klein, ältlich, ärmlich und völlig aufgelöst. Es dauerte ein bißchen bis sie sich bekrabbelt hatten und mir erzählen, was passiert war, der Reihe nach, von Anfang an.

Klein: Wir hatten mal einen Sohn, Herr Jonas, vor langer Zeit als wir jung waren.

Kevin Klein: Einen selbstgemachten.

Klein: Er ging zur UNO als Soldat, und dann ist er gefallen, unser Kevin junior.

Kevin Klein: In Mazedonien, Sommer 1998.

Klein: Wir haben uns so sehr einen neuen Sohn gewünscht, Herr Jonas.

Kevin Klein: Kevin junior Nummer zwei.

Klein: Aber ein Retortenkind oder eine Leihmutter können wir uns nicht leisten, und für eine legale Adoption sind wir zu alt.

Jonas: Also entschlossen sich die Kleins, ihr Wunschkind illegal zu adoptieren, das heißt zu kaufen, das ist offiziell nicht gestattet, wird aber toleriert, es gibt jede Menge Kinderhändler, sie beziehen ihre Ware aus der Drittwelt und verkaufen sie in Babylon. Mehr oder weniger offen.

Klein: Wir haben alles zusammengekratzt was wir hatten.

Kevin Klein: Verschuldet haben wir uns auch.

Klein: Mit dem Geld sind wir zu Olga Omarenko gegangen, die ihren Laden am unteren Ende vom Markgrafenboulevard hat, Omas Kinderstube.

Kevin Klein: Offiziell vermittelt Frau Omarenko Kinder für Werbung und Medien, aber in erster Linie verkauft sie Adoptivkinder.

Klein: Wir sind also zu ihr gegangen.

Kevin Klein: Das war vor drei Wochen, Ende November.

Klein: Und wir haben ihr genau gesagt was wir wollten, einen Jungen etwa zwei Jahre alt, gesund.

Omarenko: Gesund, Omas Kinder sind alle gesund, Mütterchen, kerngesund.

Klein: Und dunkle Haare.

Omarenko: Dunkle Haare, Karacho, keine Sorge Mütterchen Väterchen, Oma wird besorgen.

Kevin Klein: Und äh wieviel wird es kosten.

Omarenko: Nicht teuer, Väterchen, spottbillig, 8000.

Kevin Klein: 8000 Euros?

Omarenko: 5000 jetzt sofort, bar als Anzahlung 3000 später wenn Oma liefert. Recht so, Väterchen, Mütterchen?

Ramona: Gib mir das Geld Kevin. Und wann? Wann Frau Omarenko kriegen wir unseren kleinen Kevin junior?

Omarenko: Schwer zu sagen Mütterchen. Geduld, ja?

Ramona: Wir hätten ihn so gern zu Weihnachten.

Omarenko: Alle wollen Kinder zu Weihnachten Mütterchen, nu Oma wird versuchen, Karacho?

Kevin Klein: Wir kommen vorbei und fragen nach.

Omarenko: Tut das Väterchen, tut das.

Kevin Klein: Ich weiß nicht, wie oft wir in Omas Kinderstube waren.

Ramona: 5 Mal, Kevin. 6 mal mit gestern.

Kevin Klein: Jedes Mal wurde uns gesagt, noch nicht da, tut uns leid, demnächst, fragen Sie wieder nach.

Ramona: Aber gestern, da war es endlich soweit.

Angestellter: Bedaure, Frau Omarenko ist nicht im Hause, kann ich was für Sie tun?

Kevin Klein: Mein Name ist Klein, wir hatten vor drei Wochen

Ramona: Kevin, hier ist er. In der dritten Krippe. Unser Kevin Junior. Genau wie wir ihn haben wollten. Ja nicht wahr, du bist mein kleiner Kevin, so ein süßes Kind.

Angestellter: Sie meinen das ist das Kind, das Sie bestellt haben.

Kevin Klein: Ganz bestimmt.

Angestellter: Sehen wir mal nach. Aha. Klein, Ramona und Kevin, Restpreis 3000 Euros.

Kevin Klein: Hier. 3000.

Angestellter: Na, dann ist ja alles in bester Ordnung. Sollen wir das Kind schicken oder nehmen Sie gleich mit.

Ramona: Ein netter junger Mann.

Kevin Klein: Kevin junior haben wir natürlich mitgenommen.

Ramona: Schon seit Wochen war alles fertig. Bettchen, Kleidung, Spielzeug, Sie sehen ja hier in der Ecke. Gestrahlt hat er unser Kleiner.

Kevin Klein: Eine Stunde später klingelte es, ich machte auf, es war Frau Omarenko, sie sagte kein Wort, schob mich zur Seite, kam rein, sah sich um.

Ramona: Und wollte mir Kevin junior vom Arm reißen.

Ramona: Was fällt ihnen ein?

Omarenko: Ruhig Blut, Mütterchen, Kind ist nicht ihr Kind, Mein wie sagen Sie Ladenhüter hat gemacht Irrtum, Kind ist für einen anderen Kunden, geben Sie zurück, Mütterchen, Väterchen.

Ramona: Nein, unseren Kevin junior geben wir nicht mehr her.

Kevin Klein: Wir haben ihn voll bezahlt, hier ist die Quittung.

Omarenko: Hören Sie Mütterchen, Sie sind Frau, Sie werden verstehen, leibliche Mutter in Drittwelt ist ganz krank vor Sehnsucht, wird sterben wenn nicht bekommt zurück ihr Kind. Seien Sie Engel Mütterchen, geben Sie her.

Ramona Klein: Das glaub ich Ihnen nicht. Kevin junior bleibt hier.

Omarenko: Väterchen Oma sagt Ihnen was, Oma gibt Ihnen zurück ihr Geld, 8000 Euros und dazu 2000, njet, 4000? 6000? Viel Geld Väterchen.

Kevin Klein: Na ich weiß nicht.

Ramona Klein: Nicht für 1 Million Euros. Gehen Sie. Raus. Raus.

Ramona: Frau Omarenko ging. Und wir spielten mit Kevin bis es Zeit war ihn ins Bettchen zu bringen nach dem Abendessen. Er war gerade eingeschlafen, da

Kevin Klein: Da kamen die Weihnachtsmänner, ganz normale Weihnachtsmänner mit Bärten in roten Mänteln und roten Zipfelmützen, die haben nicht geklingelt, die haben gleich die Tür eingetreten.

Weihnachtsmann: Fröhliche Weihachten.

Ramona Klein: Pst. Sie wecken das Kind auf.

Weihnachtsmann: Hände hoch an die Wand.

Kevin Klein: Was soll das bedeuten?

Weihnachtsmann: Kein Wort, keine Bewegung. Nimm das Kind, Nick.

Ramona: Nein, lassen Sie ihn los, geben Sie Kevin her.

Kevin Klein: Einer hat Ramona niedergeschlagen. Mit dem Griff seines Laserstrahles. Zeig Herrn Jonas die Beule, Ramona.

Ramona Klein: Hier, unter den Haaren.

Jonas: Wie viele waren es.

Kevin Klein: Drei. Zwei hielten uns mit Laser in Schach, einer nahm Kevin junior aus dem Bett, es dauerte nur ein paar Sekunden.

Jonas: Sind Sie den Männern nachgegangen Herr Klein.

Kevin: Nein, sie hatten doch Laserstrahler, aber ich hab aus dem Fenster gekuckt.

Jonas: Was haben Sie gesehen.

Kevin Klein: Ein graues E-Mobil, die drei sind eingestiegen. Mit unsrem Kind.

Jonas: Nummer?

Kevin Klein: Konnt ich nicht erkennen. Das E-Mobil Ist losgefahren, Richtung Westen.

Val: Zum Markgrafenboulevard. Omas Kinderstube.

Jonas: Möglich. Wir werden uns da mal umsehen, Val.

Ramona: Bringen Sie mir meinen Kevin Junior zurück, Herr Jonas, bitte.

Jonas: Omas Kinderstube lag am ruhigen Ende des Markgrafenboulevard, keine Hektik, wenig Geschäfte, Büros und Wohnungen, zehnmal so teuer wie in der Südstadt. Auf der Straße war nicht viel los, wenig Passanten, ein einsamer Weihnachtsmann hockte geduldig am Rinnstein, ab und zu bimmelte er mit seiner Glocke, lustlos, pflichtbewußt. Omas Laden war dunkel und bis auf weiteres geschlossen, das stand auf dem Schild an der Tür.

Val: Geschlossen. Was tun wir Jonas.

Jonas: Wir glauben nichts unbesehen. Wir sind skeptisch. Wir checken.

Sam: Jawohl, wir recken, wir drecken die dreckige Klinke.

Val: Die Tür ist auf.

Jonas: Nach Ihnen, meine Dame.

Val: Du meinst wir gehen rein, Jonas, einfach so?

Sam: Ja.

Jonas: Einfach so. Ganz ordentlich eingerichtet der Laden, schwarzer Tisch, schwarze Sessel, fast Echtholz, fast Leder, fast Mailänder Design, an der hinteren Wand ein Arbeitsplatz mit Computer, 6 leere Kinderkrippen und eine Tür.

Val: Ich hör was, Jonas.

Jonas: Hinter der Tür.

Val: Kinder. Kleine Kinder.

Sam: Hach, was haben Gnädigste denn in einem Kinderladen erwartet? Elefantanten

Jonas: Sehen wir mal nach, Val. Und du Sammy beschäftigst dich mit deinem Kollegen auf der Konsole, kriech mal rein, kuck in den Speicher. Das übliche.

Sam: Hach, wenn euer Großkotzigkeit doch nur ein einziges Mal einen Gedanken daran verschwenden würden, wie frustrierend, ja demütigend es für einen Computer von Bildung und Distinktion ist, einem minderbemittelten nicht einmal der Sprache mächtigen Rechner ins Gedärm zu schlüpfen. Ach, doch wenn es denn sein muß.

Jonas: Hinter der Tür ein kurzer Gang, drei Türen. Rechts, links, voraus. Das Kindergeschrei kam von rechts. Val machte die Tür auf. Eine Menge Kinderbetten. Drei davon belegt. Drei Kleinkinder im eigenen Saft und offensichtlich hungrig. Val ging auf die Suche. Hinter der linken Tür fand sie eine kleine Küche, Schrank, Flaschenregal, Kühlbox voller Milchcontainer und ein Herd, davor ein toter Mann, den Kopf in der Bratröhre, er roch nicht gut.

Val: Ih, wer ist das?

Jonas: Omas Ladenhüter vermutlich, der nette junge Mann, der den Kleins das Kind überlassen hat. Jemand hat seinen Kopf in die Röhre gesteckt und den Strom angedreht. Glitschig.

Val: Da ist einer im Laden, Jonas.

Jonas: Der Weihnachtsmann.

Val: Der mit der Bimmel, woher weißt du?

Jonas: Der Weihnachtsmann auf einsamer Straße, der nicht schnorrt und nicht wirbt, kann nicht astrein sein. Geh raus in den Laden, Val.

Val: Wieso ich?

Jonas: Weil Jonas was anders vorhatte. Er ging in den Gang, stellte sich neben die Tür zum Laden, und wartete. Nicht lange. Dann kam Val durch die Tür, rückwärts, beide Hände oben. Gefolgt von einer Pranke mit Laserstrahler, ein roter Ärmel. Das reichte. Jonas holte aus und schlug zu. Mit der schweren Eisenpfanne aus dem Küchenschrank. Die Pranke ließ den Laser fallen, der dazugehörige Weihnachtsmann stolperte durch die Tür, ein Profi, er hatte noch eine zweite Hand und einen zweiten Laserstrahler, den zog er aus dem Gürtel. Was sollte Jonas tun. Er hatte auch einen Laser. Er drückte auf den Abzug. Der Weihnachtsmann fiel um.

Val: Der Mann ist tot Jonas.

Jonas: Dann hat er sicher nichts dagegen, daß wir ihn mal kurz durchsuchen, noch ein Laser, Neurofreezer, Messer und eine Geschäftskarte, aha.

Val: Nick Bazooka, Firma Ex und Hopp.

Jonas: Tatsächlich. Ein Profi. Ex und Hopp war bekannt als effizientes Killerunternehmen, fast so gut wie die Todesschwadron, und in manchen Kreisen beliebter. Die Todesschwadron ist konservativ, ein bißchen langweilig, ihre Leute tragen nur formelles Busineßoutfit, Ex und Hopper sind peppiger, bunter, modischer und passen sich der Saison an.

Val: Unser Fall ist auf dem falschen Gleis, Jonas, wir haben zwei Leichen auf dem Hals, drei vollgekackte halbverhungerte Babys und weiter sind wir immer noch nicht.

Jonas: Abwarten Val. Sam?

Sam: Roter Baron Sam meldet sich zurück vom Feindflug Herr Luftmarschall, äh Heißluftmarschall.

Jonas: Wie sieht's aus in Omas Computer, Sammy.

Sam: Melde gehorsamst kahl.

Jonas: Unterlagen gelöscht.

Sam: Sozusagen Sahib gewissermaßen Genosse.

Jonas: Quatschkopf.

Sam: Majestät nehmen mir das Wort aus dem Munde.

Jonas: Den du nicht hast. Was heißt Quasi.

Sam: Siehe die dahingingen und löscheten waren in großer Eile und agiereten dilettantisch, ja und da Sammy stolzer Besitzer eines recht leistungsfähigen Retrievalprogramms ist, wie mein Meister nur zu gut weiß, hat er es doch seinem geliebten Computer gespendet.

Jonas: Konntest du was retten.

Sam: Der Daten Hülle und Fülle, Herr Programmdirektor.

Jonas: Zum Beispiel?

Sam: Zum Bleistift wo sich Stammsitz und Nachschubdepot der Firma Omarenko, Kinder en gro und en detail befinden: General Bastiani.

Jonas: Bastiani.

Sam: Was du mein wonniger Jonas.

Jonas: Was ist was Sam?

Sam: General Bastiani ist der Name einer Festung unserer tapferer Grenztruppen, die bekanntlich ohn Unterhos Korrektur ohn Unterlaß das Abendland vor dem Untergang bewahren, sprich vor dem Ansturm hungriger Drittweltler.

Jonas: Interessant.

Sam: Es dürfte Herrn Chefinspektor ebenfalls interessieren, daß die Geschäfte der Firma Omarenko weiter ausgreifen als es den Anschein hat, vor allem im Schmuddelbereich.

Jonas: Schmuddel. Das treffende Wort. Oma Omarenko verkaufte nicht nur Adoptivkinder, Oma belieferte auch die Kinderpornoindustrie und den Pädophielenfreundeskreis, mit Mengenrabatt, Außerdem besorgte und verscherbelte sie kindliche Organspender. Aber was hatte das alles mit unserem Fall zu tun.

Sam: Beiläufig dieses, o Vater aller dummer Fragen, Klein Kevin junior, Omarenko-Laufnummer D1270-4 ist gar nicht Klein Kevin Junior, er ist vielmehr der Knochenmarkspender, den ein Auftraggeber für 125.000 Euros bestellt und mit 50.000 Euros angezahlt hat. Das ist Megamäuse Boß.

Jonas: Du sagt es Sammy. Wer ist der Auftraggeber?

Sam: Ein mit Chiffre C. gekennzeichnetes anonymes Individuum mein Gutester.

Jonas: So. Wieso ist der teure Knochenmarkspender als preiswertes Adoptivkind bei Kleins gelandet. Ein Versehen?

Sam: Mal sehen, äh mag sein, Meister, doch könnte nicht auch der Geist der nahen Weihnacht Omarenkos Ladenschwengel zu einem bewußten Akt des Mitleids veranlaßt haben, um das Kind vor einer kurzen aber schmerzhaften Existenz als Transplantationsopfer zu bewahren.

Jonas: Wie auch immer Sam, die Omarenko hat versucht, den Kleins das Kind abzuschwatzen, als das nicht klappte, hat sie sich bei Ex und Hopp ein paar Vollstrecker gemietet, und die haben den Kleins das Kind weggenommen.

Val: Warum Jonas? Ich meine wozu der Aufwand. Warum hat Oma ihrem Auftraggeber nicht irgendein anderes Kind besorgt.

Sam: Null Ahnung von Medizin, was Gnädigste. Irgendein Kind tut es mit Nichten und Neffen. Von wegen Histokompatibilität... Antigeneabstoßung. Comprende.

Val: Kein Wort Sam.

Sam: Aha, qui sporidi ruski.

Val: Tanjaschnor.

Jonas: Von allen Kindern, die Oma zur Verfügung hatte, kam als kompatibler Knochenmarkspender in diesem Fall nur dieses eine in Frage. Richtig so.

Sam: Grünau.

Val: Und wo ist das Kind jetzt.

Jonas: Beim Auftraggeber vermutlich.

Val: OK alles klar.

Jonas: Bis auf ein paar Kleinigkeiten. Wer ist der Auftraggeber, wer hat den Angestellten umgebracht und warum. Weshalb ist Ex und Hopp immer noch aktiv.

Val: Und wo steckt Oma Omarenko.

Jonas: Sie hat ihre Daten gelöscht und ist untergetaucht und ich glaube ich weiß wo.

Val: Wollen wir ihr nach, Jonas.

Jonas: Unbedingt, weil wir nur über sie weiterkommen, aber das macht Jonas besser allein. Du wirst hier gebracht, Val, die kleinen Scheißer müssen versorgt werden, bring sie zur nächsten Sozialstation und dann gehst du zu Kleins und wartest auf mich.

Jonas: Jonas flog von Babylon nach Murnau, nicht weit von der Grenze. Und da mietete er ein E-Mobil. Alles aus eigener Tasche, aus der eisernen Reserve, so ist Jonas nun mal, was er anfängt, zieht er durch.

Sam: Unbeirrbar, unerschütterbar unerbitterlich, in einem Wort, in einer Silbe stur, stur wie ein Panzer.

Jonas: Wie Sam Spade, wie Phil Marlowe.

Sam: Ein Mann geht den Weg, den ein Mann gehen muß. Bis ans Ende. Allien äh Korrektur allein.

Jonas: Chandler.

Sam: Ne, Sam, nicht schlecht was, hätte gut von Chandler sein können. Achtung, Fort General Bastiani voraus.

Jonas: Kilometerweit rechteckige Klötze, Kasernen im beliebten 08/15-Stil, daneben vorfabrizierte Plastikschuppen, weit hinten am Horizont ein dunkler Streifen, die Grenze. Sperranlagen, Stacheldraht und die gewaltige Mauer. Ich fragte mich durch zum Dienstzimmer des Medienoffiziers. Jonas war Medienarbeiter, Researcher, für Supermedia Holo TV. Papiere und Identscheibe hatte Sam fabriziert, eine seiner leichteren Übungen.

Medienoffizier: In Ordnung, Herr Jonathan.

Jonas: Jonas.

Medienoffizier: Sie kommen allein klar. Leider kann ich mich kaum um Sie kümmern, unsere große Weihnachtsfeier, wissen Sie, alle im Fort haben mit den Vorbereitungen zu tun, bis auf die Grenzstreife natürlich.

Jonas: Ich werde mich schon zurechtfinden.

Medienoffizier: Bestens. Sie dürfen sich im Fort frei bewegen, sich umsehen, ihre Recherchen durchführen. Apropos, warum geht's da eigentlich. Was hat Supermedia vor?

Jonas: Unter uns. Wir planen eine große Holodoku über den verantwortungsvollen Dienst der Grenztruppen. Europas Bollwerk auf Wacht, während die anderen schlafen, so etwa.

Medienoffizier: Klingt gut, na dann viel Erfolg, Herr Jonathan. Falls Sie länger bleiben wollen, unser Gästetrakt steht zu Ihrer Verfügung.

Jonas: In den Kasernen war Platz für 30.000 Grenzer. Falls die Drittweltler wieder einen großen Durchbruch versuchen sollten. Außerhalb der Kasernen gab es Läden, ein Bordell und Kneipen. Was der Mensch so braucht. Olga Omarenko fand Jonas nicht, statt dessen fand er Schieber, Nutten, einen geschwätzigen Wirt. Und überteuerten Synthwhisky.

Wirt: 20 Euros.

Jonas: Die Flasche?

Wirt: Haha, das Glas.

Jonas: Fröhliche Weihnachten.

Wirt: Wie gefällt Ihnen der General Bastiani Chor?

Jonas: Umwerfend. Olga Omarenko. Kennen Sie die?

Wirt: Klar kenn ich Oma. Jeder im Fort Bastiani kennt Oma, sehr beliebt, bringt Geld unter die Leute, was wollen Sie von Oma?

Jonas: Ich hab was mit ihr zu besprechen, geschäftlich.

Wirt: Ich frage nur, weil Sie nicht der erste sind, der sich heute nach ihr erkundigt, vor ner Stunde waren ein paar Weihnachtsmänner hier mit nem Laster.

Jonas: Und die haben nach Oma gefragt.

Wirt: Ja. Wollten wissen, wo sie sie finden können.

Jonas: Haben Sie's ihr gesagt.

Wirt: An der Grenze, Kontrollzone 7 mit der Streife, Oma ist oft mit der Streife unterwegs, damit sie die Ware gleich an der Quelle begutachten kann.

Jonas: Was für Ware?

Wirt: Na die Kinder, die sich durchschleichen.

Jonas: Die kauft Oma, von den Grenzern.

Wirt: Fragen Sie sie selbst, ich hab zu tun und ich weiß gar nichts.

Jonas: Ich hatte eine Karte vom Grenzbezirk. Der Medienoffizier war so freundlich gewesen. Damit arbeitete ich mich vor. Die Mauer am Horizont wurde höher, immer höher, ihr gigantischer Schatten legte sich über das Grenzgebiet, über Babylon, über ganz Europa. Die Mauer war neu, sonst sah die Gegend aus wie früher, als sie noch Niemandsland hieß, wüst und leer, Stilleben mit Ruinen. Wann war Jonas zuletzt hier gewesen.

Sam: Präzis im August 2010 euer Vergeßlichkeit.

Jonas: Vor dreieinhalb Jahren Sammy. Inzwischen ist eine Menge passiert.

Sam: Anfall Chef und Überfall.

Jonas: Anfall Überfall, was soll das heißen Sam.

Sam: Fall an Fall, Fall über Fall, ein Witz.

Jonas: Haha, Durchfall, verbaler Durchfall, das ist das, was du hast Sam.

Sam: Nanana. Trouble is waiting, Captian.

Jonas: Hinter dem Hügel, direkt an der Mauer.

Sam: Vorschlag zur Güte: Anhalten, aussteigen und ganz vorsichtig weiterkrauchen.

Jonas: Bis auf den Hügel. Ich hob den Kopf hinter einem großen Stein, langsam, und was sah ich unten: Eine offene Klappe in der Mauer, davor im Halbkreis die Grenzstreife, 12 Mann, am Boden lagen etwa 20 Drittweltler, Frauen und Männer, tot, dazwischen ein paar Kinder, lebendig und laut, und eine stämmige Frau in farbiger Folklore, munter und geschäftig. Das mußte Oma Omarenko sein.

Omarenko: 3,4,5,6. 6 Kinder, Leutnant.

Leutnant: Macht 300 Euros.

Omarenko: Moment, 250, Oma kann nicht gebrauchen den da, zu alt, hat schiefes Bein.

Leutnant: Abschießen. So, macht das Loch in der Mauer wieder zu, heute kommt doch keiner mehr.

Weihnachtsmann: Weihnachtlich glänzet der Wand, freue dich...

Jonas: Ein roter E-Kleinlaster, auf der Ladefläche 6 rote Weihnachtsmänner, der Laster hält, die Weihnachtsmänner springen ab, sie strahlen und winken, und rufen fröhliche Weihnachten, die Grenzer winken zurück und lassen die Hände gleich oben, weil die Weihnachtsmänner plötzlich Laserstrahler aus den Manteltaschen ziehen. Profikiller von Ex und Hopp.

Leutnant: Hey, die Grenztruppen im aktiven Dienst mit der Waffe zu bedrohen ist streng verboten. Stecken Sie Ihre Laser weg.

Weihnachtsmann: Regen Sie sich ab, Leutnant, Ihnen und Ihren Leuten tun wir nicht. Wir wollen bloß Oma. Wir haben Auftrag sie ein bißchen totzuschießen. Gehen Sie aus dem Weg, dann passiert Ihnen nichts.

Leutnant: Sie werden hier niemanden totschießen, schon gar nicht Frau Omarenko, sie steht unter unsrem Schutz.

Weihnachtsmann: Wenn Sie das so sehen, Leutnant, Feuer.

Jonas: Harte Sitten im Grenzgebiet, und lockere Laser. Jetzt lagen auch die Grenzer auf der Erde neben den Drittweltlern, die sie eben erst erschossen haben. Olga Omarenko lebte noch, sie bückte sich, versuchte eine Waffe aufzuheben, aber der Oberweihnachtsmann hatte was dagegen.

Omarenko: Au, meine Hand tut weh.

Weihnachtsmann: Machen Sie sich nichts draus, Oma, in ein paar Sekunden tut ihnen nichts mehr weh. Garantiert.

Omarenko: Was Sie wollen, Oma hat Vertrag mit Ex und Hopp wir Partner Täubchen.

Weihnachtsmann: Keine Partner, Oma. Der Vertrag ist abgelaufen, Ihr werter Geschäftsfreund ist für Sie eingestiegen, und der bezahlt uns eine Menge, wenn wir Sie umlegen.

Omarenko: Väterchen Conrad Coburg, aber warum, Oma hat ihm geliefert Kind mit Knochenmark für sein Söhnchen, war nicht leicht, Täubchen, gar nicht leicht.

Weihnachtsmann: Sie haben versucht, Coburg ein bißchen zu erpressen, um den Preis hochzudrücken, darum Oma. Coburg hat nicht gegen Sie als Mensch, aber Sie sind im Stande, ihn bloßzustellen, das kann er sich nicht leisten als prominente Persönlichkeit und professioneller Kinderfreund. Nehmen Sie's nicht tragisch, Oma, Sie können zufrieden abtreten, ein erfülltes Leben liegt hinter Ihnen, viele tausend tote Drittwelter, viele tausend verhökerte Kinder, ist doch was. Also dann.

Omarenko: Wir machen neue Vertrag, Karatscho, Oma wird bezahlen. Ah.

Jonas: Abgang Olga Omarenko. Genannt Oma. Kinderhändlerin, keine nette Person, die Weihnachtsmänner schnitten ihr den Kopf ab, und packten ihn in eine Kühlbox als Beweis für ihren Auftraggeber, dann bestiegen sie ihren Laster und verschwanden in einer Staubwolke mit weihnachtlichem Gesang. Zurück blieben diverse Leichen, 5 heulende Kinder und Jonas.

Sam: Und Sam.

Jonas: Wie konnte ich dich vergessen, geliebtester Computer meiner Seele.

Sam: Ah, von wannen diese ungewohnten Töne, mein Jonas. Ist dir die Ballerei an dei Nieren gegangen. Kein Wunder, laut, blutig, schlimmer als die Karl May Festspiele.

Jonas: Sei du froh daß du keine hast.

Sam: Was.

Jonas: Keine Nieren meine ich.

Sam: Nobody ist perfekt.

Jonas: So hat die Omarenko sich also ihre Waren besorgt, die Kinder die sie in Babylon verkauft hat. Die Grenze machen ein Loch in der Mauer auf, lassen eine Gruppe Drittweltler durch, bringen die Erwachsenen um.

Sam: Und die Kinder kriegt Oma jaja zum bescheidenen Stückpreis von 50 Euros.

Jonas: Hat sie gekriegt, Sammy, jetzt haben wir sie, die fünf kleinen Heuler da unten. Was machen wir damit. An der Grenze gibts keine Sozialstation.

Sam: Hier lassen, Augen zu und weg, nein nein, ist nicht drin, du Wohltäter der Menschheit. Wir nehmen sie mit, jawohl, aber nur bis zum Fort, sollen die Grenzer sich drum kümmern.

Jonas: Da seh ich schwarz, Sammy.

Sam: Wieso?

Jonas: Weißt du was, wir geben Sie im Bordell ab.

Sam: Bravo Commandore, wie alle Welt weiß haben die dort tätigen Damen Herzen aus purem Gold, ja, da wird's ihnen gut gehen den kleinen Scheißern.

Jonas: Amen. Von der Festung General Bastiani fuhr Jonas schnell weiter nach Murnau und stieg in den nächsten Flieger nach Babylon, bloß weg, bevor es Ärger gab, und den würde es geben, sobald jemand über die Leichen an der Mauer stolperte.

Sam: Piep. Geruhen mein Herr und Meister zu schlafen.

Jonas: Ich denke nach Sammy.

Sam: Er denkt, o Wunder.

Jonas: Und du kannst mir dabei helfen.

Sam: Machen wir doch glatt. Ein Mensch allein, was kann das schon sein. Chaos Herr Oberkirchenrat, Tohu und Bohu, Kraut und Rüben, Omi und Opi.

Jonas: Conrad und Coburg. Wer ist Conrad Coburg Sammy?

Sam: Na schauen wir mal. Erstens Geschäftsfreund von Frau Omarenko selig.

Jonas: Ist bekannt.

Sam: Zwotens: prominente Persönlichkeit und professioneller Kinderfreund.

Jonas: Auch bekannt, Sam, wenn du nichts neues zu bieten hast.

Sam: Drittens: weithin geschätzter und beliebter Holoclown.

Jonas: Aha. Conrad Coburg. Co-Co. Coco!

Sam: Mit dem goldenen Herzen.

Jonas: Der Weihnachtssülzer.

Sam: Eben dieser und kein anderer euer Ehren. In diesem Zusammenhang dürfte wohl eine kürzliche Meldung einschlägiger Medien von gewissem Belang sein, daß nämlich besagter Conrad Coburg alias Coco einen etwa 2-jährigen Sohn, Costa mit Namen sein eigen nennt, welcher ganz plötzlich von der bösen akuten Leukämie daniedergestreckt wurde.

Jonas: Sieh mal an. Jetzt paßte alles zusammen. Das Puzzle war gelöst. Der Fall war klar.

Sam: Klar wie Knödelsuppe. Wie Knochenmarkslösung.

Jonas: Conrad Coburg braucht für seinen Sohn einen histokompatiblen Knochenmarkspender, er geht zu Oma.

Sam: Ja.

Jonas: Oma sucht.

Sam: Ja.

Jonas: Oma findet.

Sam: Und was geschieht? Aus irgendeinem Grunde landet das für Coburg bestimmte Kindlein bei den Kleins.

Jonas: Oma läßt es kidnappen und liefert es bei Coburg ab.

Sam: Ja, und dabei kommt sie auf die Idee, ihren Auftraggeber unter Druck zu setzen, um einen höheren Preis rauszuschinden, hätte sie lieber lassen sollen, die gierige Großmutter, denn Herr Kollege.

Jonas: Coburg wird sauer.

Sam: Ja.

Jonas: Ihm wird klar, wie gefährlich die Sache für ihn werden kann.

Sam: Coco mit dem goldenen Herzen, Holopersonality, geliebt von allen Kindern in und um Babypsilon, kauft heimlich ein Drittweltkind, um es gnadenlos auszuschlachten. Pfui Teufel, so geht's ja wirklich nicht, meine Damen und Herren, liebe Kinder, hochverpupptes Ehrlikum.

Jonas: Coburg muß handeln, und was tut der Herr Kollege?

Sam: Jaja er beauftragt Ex und Hopp, alle Beteiligten zu beseitigen, zu liquidieren, auszuradieren, zum Schweigen bzw. um die Ecke zu bringen zu killen, abzumurksen.

Jonas: Oma. Ihren Angestellten.

Sam: Ja. Und was Herr Kollege ist mit Ramona und Kevin Klein.

Jonas: Ja was war mit den Kleins. Ich machte mir Sorgen. Zu recht. Am frühen Morgen kam Jonas nach Hause, und da stand sie, vor der Tür des Büroapartments und wartete, Valerie. Nur Valerie, die letzte Detektiv. Die allerletzte.

Val: Ich brauch dringend was zu trinken, Jonas.

Jonas: Bürowhisky?

Val: Na wenn du nichts besseres hast.

Jonas: Wollten wir uns nicht bei den Kleins treffen.

Val: Kleins sind tot. Laserstrahler, gestern abend hab ich sie gefunden. Was jetzt Jonas, wir haben keine Klienten mehr. Der Fall hat sich erledigt.

Jonas: Nicht ganz, Val. Wir haben Kevin Junior noch nicht gefunden, das müssen wir tun, das sind wir den Kleins schuldig und uns selbst auch.

Val: Wenn du meinst. Wo willst du anfangen zu suchen.

Jonas: Da wo er steckt Val.

Val: Und das weißt du.

Jonas: Das weiß ich. Sammy?

Sam: Gnädiger Herr wünschen.

Jonas: Coburgs Adresse.

Sam: Piep. Im allgemein zugänglichen Bürgerverzeichnis nicht zu finden Sir.

Jonas: Na und, dann sieh in die nicht zugängliche Liste der Geheimadressen. Oder kannst du das nicht.

Sam: Eine derart dümmliche Unterstellung vermag Sam nicht einmal ein müdes Lächeln zu entlocken. Hehe. Piep. Conrad Coburg ist seß- und wohnhaft am Schwanensee bei Tschaikowski. Wo die feinen Häuser pinkeln, Korrektur wo die feinen Pinkel hausen, die reichen Schweine.

Val: Wer ist Coburg, Jonas.

Jonas: Erzähl ich dir unterwegs Val.

Sam: Erlaube mir den bescheidenen Hinweis, Sir, daß es nicht gänzlich unproblematisch sein dürfte, Sir, zu besagtem Coburg vorzudringen, Sir.

Jonas: Da wird sich schon was finden Sammy.

Sam: Erlaube mir ferner den Hinweis, daß es nicht geraten erscheint, Sir, dies Haus auf dem üblichen oder auch direktem Weg zu verlassen, Sir. Weihnachtsmänner vor dem Tor, Sir, von draußen vom Schwanensee da kommen sie her.

Jonas: Tatsächlich. Die müssen dir gefolgt sein, Val. Von Kleins aus.

Val: Ich hab nichts gemerkt.

Jonas: Das hätte mich auch gewundert. Also durch den Notausgang.

Sam: Kellerzwischentür, Kellernebenhaus, Hintertür.

Val: Und dann?

Jonas: Auf zu Coburg.

Sam: Hallali Safari. Vom Himmel hoch da komm ich her.

Jonas: Zuerst machten wir einen kleinen Abstecher, was besorgen, umziehen, das dauerte ein bißchen. Drei Stunden später standen zwei Weihnachtsmänner vor Coburgs Tür. Korrektur: ein Weihnachtsmann und eine Weihnachtsfrau, rote Mützen ins Gesicht gezogen. Rote Mantelkragen hochgeschlagen. Die Frau drückte auf den Klingelknopf, der Mann hielt eine Visitenkarte vor das Scannerauge. Nick Bazooka stand darauf. Firma Ex und Hopp. Die Tür ging auf. Weihnachtsmann und Weihnachtsfrau traten ein.

Val: Schick die Hütte.

Sam: Alles sauber, Boss. Nur ein Mensch im Haus. Keine Waffen.

Jonas: Personal?

Sam: Elektronisch. Automatisch. Nicht blöd der Coburg. Roboservants tun was man ihnen sagt, ruhen sich nicht aus, nehmen keinen Urlaub, werden nicht krank so wie du Rotzlöffel.

Jonas: Und wenn sie stören, werden sie einfach abgeschaltet, klar Sammy?

Sam: Klar Boss. Nur ein Wort und das System liegt lahm. Kein Problem für Sam, Sam den Hacker, den Knäcker, den Racker, den Kacker, ach ne der Kacker bist du.

Coburg: Was soll das? Keine Hausbesuche, das habe ich ihnen ausdrücklich gesagt. Sie kompromittieren mich.

Jonas: Das tut uns aber schrecklich leid, Herr Coburg.

Coburg: Was wollen Sie denn?

Jonas: Das Kind.

Coburg: Was?

Val: Den kleinen Drittweltler, den sie bei Olga Omarenko gekauft haben.

Coburg: Sie... Sie sind nicht von Ex und Hopp.

Jonas: Sehr richtig, Herr Coburg, wir haben gelogen, damit Sie uns reinlassen. Wir sind überhaupt zwei rücksichtslose und gefährliche Typen. Wo ist das Kind.

Coburg: Ich weiß nicht, wovon Sie reden.

Jonas: Er wußte es dann doch. Als wir ihm zwei entsicherte Laserstrahler unter die Nase hielten, er fing an zu schwitzen, versuchte zu verhandeln. Aber Jonas ließ sich auf nichts ein. Coburg gab auf und ging voran, ins Untergeschoß, in ein Krankenzimmer, hell, sauber, bestens ausgestattet, Robodoc und Robonurse standen in Bereitschaft, Maschinen summten und piepten, dazwischen zwei kleine Betten. In einem ein etwa zweijähriges Kind, blaß, völlig kahl, es schlief und warf sich dabei unruhig hin und her.

Coburg: Mein Sohn, mein Sohn Costa, er hat Leukämie, akute lymphatische Leukämie, die Chemotherapie hat ihm nicht geholfen, nur die Transplantation kann ihn retten, die Knochenmarktransplantation, verstehen Sie, darum.

Jonas: Im zweiten Bett, das ist Kevin Junior, der Junge aus der Drittwelt.

Coburg: Ja, der Knochenmarkspender. Sie haben ja keine Ahnung, wie schwierig es ist, ein histokompatibles Kind zu finden, damit das transplantierte Gewebe nicht gleich wieder abgestoßen wird, das ist sehr sehr schwierig.

Val: Was ist mit ihm los. Warum rührt er sich nicht.

Coburg: Er ist, ich meine, wir haben ihn nun ja in ein Koma versetzt.

Jonas: Was heißt das, ist er tot?

Coburg: Nicht direkt. Sehen Sie, er atmet.

Sam: So, aber sein Hirn arbeitet nimmer, Herr Medizinalrat, und es wird auch nimmer arbeiten. Kein Hirnstrom, kein Lebenszeichen.

Jonas: Der Junge ist also hirntot.

Sam: Hirntot ist tot, Herr Oberstabsarzt, tot wie ein Sargnagel, toter geht das nicht.

Val: Sie haben das Kind umgebracht Coburg.

Coburg: Gott, was heißt umgebracht, so ist es einfach praktischer, das Material bleibt länger frisch, länger transplantationsfähig, und der Spender ist ruhiggestellt. Er wäre sowieso draufgegangen. Mein Sohn braucht sehr viel Knochenmark in kurzer Zeit.

Jonas: Schalt ab, Sam.

Sam: Kevin Junior?

Jonas: Natürlich Kevin Junior. Stop die Maschinen, die ihn künstlich am Leben erhalten, laß ihn sterben.

Sam: Zu Befehl. Piep.

Coburg: Nein, mein Sohn, mein Costa. Wenn die Transplantation nicht weiterläuft, stirbt er. Wo soll ich so schnell einen neuen Spender herkriegen.

Jonas: Wie wär's denn mit ihnen selbst, Coburg, als leiblicher Vater sind Sie automatisch histokompatibel.

Coburg: Das steh ich nicht durch, bei der Menge Knochenmark, die Costa braucht.

Jonas: Ihre Entscheidung Coburg. Vielleicht fällt Sie Ihnen leichter, wenn Sie sich klarmachen, daß Sie sowieso schon tot sind, so gut wie. Sie kommen vor Gericht, die Medien werden Sie in der Luft zerreißen, Ihren Job werden Sie los, kein Kind wird Sie noch sehen wollen. Dafür werden wir sorgen.

Coburg: Das... Sie wollen mich anzeigen.

Jonas: Das ist nicht nötig Coburg. Wir stecken die Geschichte ihrem größten Konkurrenten.

Val: Peter Pelican, Pepe mit der roten Nase, Holoclown bei Supermedia.

Jonas: Und kommen Sie nicht auf den Gedanken, uns Ihre Ex und Hopper auf den Hals zu hetzen.

Val: Mit denen werden wir ganz fertig. Was Jonas?

Jonas: Aber sicher Val. Wenn sie ein bißchen Anstand und Mut haben, Coburg, dann retten Sie ihrem Sohn das Leben, Sie selbst sind nicht mehr zu retten. Komm Val.

Sam: Und noch recht fröhliche Weihnachten allerseits. Es ist ein Roß entsprungen, wo will das Pferd bloß hin...

Das war Weihnachtsmärchen. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam: Peer Augustinski. Außerdem hörten Sie Ilse Neubauer, Ellen Schwiers, Simone Solga, Peter Fricke, Michael Hinz und andere (Hubert Mulzer, Werner Haindl, Timo Dierkes, Klaus Neumann, Friedrich Schloffer). Ton und Technik: Daniela Röder und Günter Heß. Assistenz: Holger Buck. Regie: Werner Klein. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks aus dem Jahr 1995. Redaktion: Erwin Weigel.

Beitrag vom 02.04.2022 - 21:25
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Der letzte Detektiv
Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
Heute: Virtuella

Jonas: Sie kennen das. Aus hundert Romanen und tausend Filmen. Der Privatdetektiv sitzt in seinem Büro. Dreht Däumchen. Bohrt in der Nase. Plötzlich geht die Tür auf - und wer kommt rein? Richtig! Eine tolle Frau! Atemberaubend! Geheimnisvoll! Blond! Angezogen wie das Titelblatt von Lifestyle. Sie sah mich an. Herausfordernd. Abschätzend. Sie setzte sich. Schlug die Glitzerbeine übereinander. Vielleicht ein bißchen klein geraten, und ein bißchen ungelenk, sie war erst dreizehn.

Mona: Dreizehn einhalb. Hallo, wie geht es Ihnen?

Jonas: Gestern ging es noch, und selbst?

Mona: Danke der Nachfrage. Sie sind der Detektiv?

Jonas: Ich bin Jonas, nur Jonas. Der letzte Detektiv. Enkel von Sam Spade und Philip Marlowe. Spezialist für aussichtslose Fälle. Für Fälle, die nichts einbringen. Für Fälle mit übermächtigen Gegnern und undurchsichtigen Klienten. Ein Kind als Klientin, das war neu.

Mona: Langsam. Ich weiß ja noch gar nicht, ob ich Sie nehme.

Jonas: Hast du an mir was auszusetzen?

Mona: Sie sind zu alt.

Sam: Haha!

Mona: Süß!

Jonas: Ich?

Mona: Ihr Taschencomputer hier auf dem Tisch. Ein richtiges kleines Männlein. Süß. Darf ich mit ihm spielen?

Sam: He, Finger weg! Bin weder Männlein weder süß, mein Fräulein ich verbiet mir dies.

Mona: Süß, er spricht!

Sam: Ach Herrje.

Jonas: Er spricht nicht nur, er quasselt und blödelt und singt und sülzt. Ein Spezialversuchsmodell. Seinerzeit billig zu kriegen. Ein Glück, daß es so was wie ihn nur einmal gibt und mein Pech, daß er mir gehört. Aber loswerden will ich ihn auch nicht. Meistens jedenfalls. Wir haben uns aneinander gewöhnt. Mehr oder weniger.

Sam: Ich hab mich so an dich gewöhnt hahaha.

Mona: Süß. Wie heißt er.

Jonas: Sam.

Sam: Samuel bitte. Samuel.

Jonas: Du kannst Sammy zu ihm sagen.

Sam: Kann sie nicht.

Mona: Süß. Sag was, Sammy. Sag ein Gedicht auf.

Sam: Kommt nicht in die Tüte.

Mona: Süß. Sag Mona Liebling Sammy.

Sam: Häh igitt.

Mona: Süß. Los, Sam, sag Mona Liebling.

Mandelbrot: Mona, hab ich dir nicht eingeschärft, du sollst bei Fuß verharren und keinesfalls vorauseilen.

Sam: Ist sie ein Hund.

Jonas: Immer herein. Sind Sie der letzte oder kommen noch wer?

Mandelbrot: Ihr Lift ist außer Betrieb.

Jonas: Das ist er oft. Machen Sie die Tür zu, und setzten Sie sich.

Mandelbrot: Meine Karte.

Jonas: Dr. Fraktal C. Mandelbrot, Prof. h.c.

Sam: Gesundheit.

Jonas: Leitender Direktor des Mandelbrotinstituts für prothetische Andrologie. Schwanzklempner. Vielen Dank. Wir brauchen nichts.

Mandelbrot: Bleiben wir doch seriös Herr Jonas.

Jonas: Aber sicher Dr. Mandelbrot so seriös wie ein Ärztekongreß in Acapulo. Wer ist die junge Dame.

Mandelbrot: Meine Tochter.

Mona: Stieftochter. Meine Karte Herr Jonas.

Jonas: Mona Mox.

Mandelbrot: Ein Mitbringsel meiner geschätzten Gattin aus ihrer ersten Ehe mit Herrn Maximilian Mox, doch mir ans Herz gewachsen als sei's mein eigen Fleisch und Blut.

Jonas: Mox. Max Mox, der Glücksspielnapoleon.

Mandelbrot: Der Eigentümer gewisser spezifischer Institutionen, welche einem großen interessierten Publikum niveauvolle Unterhaltung auf der Basis von Geschicklichkeit und Zufall offerieren insofern.

Mona: Können Sie pokern Jonas.

Jonas: Ein bißchen.

Mona: Blackjack auch?

Mandelbrot: Mona! Wie Ihnen womöglich bekannt ist Herr Jonas, verstarb Herr Mox am 3.3.2013, vor einem Jahr.

Jonas: Bedauerlich, aber warum erzählen Sie mir das.

Mandelbrot: Weil ich erwäge, Sie in Sachen Mox zu engagieren Herr Jonas.

Sam: Ach Herrje.

Jonas: Um den toten Mox ging es nicht, es ging um das, was er hinterlassen hatte, das Moxvermögen: Dutzende von Spielhöllen hier in Babylon und anderswo, Wert insgesamt 120 Millionen Euros, laut Testament kriegte Sohn Moritz dreiviertel, das restliche viertel war für Mona, aber sie kam nicht ran, noch nicht.

Mona: Erst wenn ich volljährig bin.

Mandelbrot: In einem halben Jahr, am 9.8.2014.

Mona: Da werde ich 14. Vergessen Sie nicht mir zu gratulieren Herr Jonas.

Jonas: Tag und Nacht werde ich dran denken Mona.

Mona: 9. August. Merks dir Sammy.

Sam: Speicher voll, kein Platz, schon vergessen, merke nur ein Mensch hat Sam was zu sagen, Jonas, mein Jonas, Jonas der einzige, der einmalige, der größte, der vielgeliebte, der...

Jonas: Hör schon auf Sammy.

Sam: Und nicht so eine unausgegorene Göre namens Mona.

Jonas: Ist ja gut. Mir ist noch nicht klar, was Sie von mir wollen, Dr. Mandelbrot.

Mandelbrot: Kurz gesagt, Herr Jonas, es steht zu befürchten, daß Monas Anteil am Moxerbe...

Sam: Dreißigmillionen Euros, muß ein alter Mann ganz schön lange hobeln.

Mandelbrot: Daß diese 30 Millionen nicht mehr vorhanden sind, wenn Mona volljährig wird, bis dahin hat allein ihr Bruder, Moritz Mox, als der geschäftsführende Direktor Verfügungsberechtigung, er kann mit Monas Geld machen, was er will. Wissen Sie, Herr Jonas, man hört so dieses und jenes, daß sich die Firma Mox in finanziellen Schwierigkeiten befindet, daß das Anlagevermögen schrumpft, daß eine Übernahme weit unter Wert durch ein auswärtiges Unternehmen bevorsteht.

Jonas: Und was sagt Moritz Mox dazu.

Mandelbrot: Das weiß ich nicht Herr Jonas.

Jonas: Haben Sie ihn nicht gefragt, Dr. Mandelbrot.

Mandelbrot: Natürlich hab ich das, das heißt ich hab's versucht, ich kann ihn nicht erreichen, man läßt mich nicht vor, stellt mich am Fon nicht durch mich, mich Dr. Franktal C. Mandelbrot.

Jonas: Professor h.c. eine Unverschämtheit.

Mandelbrot: Sie sagen es Herr Jonas.

Jonas: Und verdächtig.

Mandelbrot: Sie nehmen mir das Wort aus dem Munde Herr Jonas, aus diesem Grunde sah ich mich genötigt, gewisse Schritte einzuleiten. Nicht meinethalben, Herr Jonas, glauben Sie mir, ich brauch die Moxmillionen nicht.

Jonas: Natürlich nicht.

Mandelbrot: Nein, ich bin eine in Babylon hochangesehene Persönlichkeit, bei mir verkehren Dezernenten, Manager, namhafte Kulturschaffende, den Schwager der Bürgermeisterin kenn ich persönlich.

Jonas: Den leibhaftigen Schwager, Dr. Mandelbrot ich bin beeindruckt.

Mandelbrot: Ich fühle mich vielmehr moralisch verantwortlich für das Vermögen eines mir anvertrauten jungen Menschen.

Sam: Edel sei der Mandelbrot, hilfreich und gut.

Jonas: Machen wir's kurz Dr. Mandelbrot, 120 € pro Tag und Spesen das koste ich.

Mandelbrot: Nicht eben wenig, Herr Jonas.

Jonas: Was soll ich dafür tun?

Mandelbrot: Sie stellen fest, wo Herr Moritz Mox sich aufhält, Sie nehmen Kontakt zu ihm auf, Sie eruieren, wie es um die finanzielle Situation der Firma Mox bestellt ist...

Jonas: Nicht eben wenig, Dr. Mandelbrot.

Mandelbrot: Und Sie erstatten mir jeden Abend Bericht, persönlich.

Jonas: Ich übernahm den Auftrag, nicht wegen Dr. Mandelbrot, der ging mir gewaltig auf den Senkel, Mona Mox fand ich da schon sympathischer, auch wenn sie sich beim Abschied Sammy ausleihen wollte.

Sam: Dank, Meister, dank, dank daß du dem schnöden dem widerlichen Weibe.

Jonas: Ich brauch dich noch, ob ich will oder nicht, und Mona hätte dich womöglich kaputtgemacht.

Sam: Mit rosa Schleifchen hätte die mich umschlungen, ja, Balladen ohne Zahl hätt ich rezitieren müssen, grausames Schicksal, hm, schlimmer denn der Tod.

Jonas: Übertreib nicht Sammy. An die Arbeit.

Sam: Bitte sehr bitte gleich was befielt mein Herr und Gebieter?

Jonas: Eine Fonverbindung mit Firma Mox, Direktion. Moritz Mox.

Sam: Aha, der große Manitu höchst selbst. Sogleich euer Gnaden. Piep.

Jonas: Moment, Sammy du rufst an aus sagen wir Singapur aus meinem Vorzimmer, und ich bin...

Sam: Ein stinkreicher chinesischer Finanz-Hai, der ein paar Milliönchen anlegen will. Capito Exzellenz, will sagen sehr wohl Sir.

Ella: Ja?

Sam: Die ehrenwerte Firma Mox Babypsilon Europa.

Ella: Ja, hier Mox.

Sam: Ah, Mr. J. O. Nas. Direktor Finanzen Enterprise Singapur wünscht Mr. Moritz Mox zu sprechen. Ich verbinde.

Jonas: Hallo.

Ella: Hallo.

Jonas: Sie sind doch nicht Mister Mox.

Ella: Ich bin die persönliche Chefassistentin von Herrn Moritz Mox, Ella von Rensenbrink. Was kann ich für Sie tun, Herr ähm...

Jonas: Nas. J.O. Nas. Geben Sie mir Mister Mox.

Ella: In welcher Angelegenheit, Herr Nas?

Jonas: Ich möchte Mister Mox ein Angebot machen für seine Firma. Ich höre Sie wollen verkaufen.

Ella: Herr Mox ist nicht zu sprechen, Herr Nas, und die Firma Mox steht nicht zum Verkauf. Sie verschwenden ihre und meine Zeit.

Sam: Aha, abgewimmelt, äh abgewimmelt, kurz und schmerzhaft wie Dr. Mandelbrot.

Jonas: Der ist zwar ein aufgeblasener Heißluftballon, aber in einem hat er recht, es stinkt bei Mox. Sammy ich brauch was.

Sam: Was es auch sei, Sam schafft’s herbei, ganz auf die Schnelle es ist zur Stelle.

Jonas: Vielen Dank, Sammy. Ich brauch einen Menschen.

Sam: Was, einen äh Menschen, einen schwabbeligen fehlkonstruierten Durcheinanderdenker, o wo dir Sam zur Verfügung steht, Sam die vollkommene Denkmaschine, o bitterliche Kränkung, unauslöschliche Schmach.

Jonas: Hast du einen Smoking Sam.

Sam: Smoking, na, eher weniger euer Merkwürden.

Jonas: Na also. Aber Zocker Willy trägt einen Smoking, immer und überall, weil er mal Chefcroupier bei Mox war, bis sie ihn mit einem Magneten in der Socke erwischt und gefeuert haben, seitdem schlägt er sich so durch, Roulette, wenn es sein muß Mensch ärgere dich nicht, meistens Poker, im Full House, gleich um die Ecke, gegenüber vom Casablanca, im Hinterzimmer, wie es sich gehört, bei spärlicher Beleuchtung, es roch nach Synthwhisky und Männerschweiß, auf dem Tisch Stapel zerfledderter Euroscheine, nur nicht vor Willy, der war am verlieren.

Willy: Passe. Tür zu, kiebitzen gibt's nicht, hinsetzen mitspielen oder raus.

Jonas: Spiel nicht, Willy, weißt du doch. Wie findest du meine Jacke?

Willy: Komm ans Licht, naja.

Jonas: Ich brauch nen Smoking, Willy, nur für ein paar Stunden.

Willy: Und ich soll so lang deine karierte Kutte anzeihen. Also weißt du Jonas.

Jonas: Neue Jacke, neues Glück, sagte der große Spieler Manulesco.

Willy: Wirklich, na ja wenn's so ist.

Jonas: Vom Full House hatte ich es nicht weit, 10 Minuten zu Fuß, dann ragte es vor mir auf, das Moxcenter, die unteren 10 Stockwerke hießen Las Vegas, ein Paradies für Spieler, durchgehend geöffnet, laut, schrill, üppig, Stucksäulen, Neonlichter, Spiegel, und Gold, überall Gold, dazwischen Tische, Automaten, Spieler, Croupiers, und Heerscharen wunderschöner Mädchen in Bikinis aus Goldlame. Androidinnen, eine hängte sich gleich an Jonas.

Androidin: Herzlich willkommen, Freund, ich bin ihre Führerin und heiße Fortuna, wo wollen Sie ihr Glück versuchen, Freund, hier im Erdgeschoß in unserer atemberaubenden amerikanischen Automatenalhambra, 30.000 Glücksmaschinen, alle 3 Minuten ein Jackpot.

Jonas: Was haben Sie denn sonst noch zu bieten.

Androidin: Ah, ich verstehe, Sie sind ein Mann. Sie wollen spielen wie ein Mann. Nicht wie ein Kind am Gambelboy. Sie suchen die Herausforderung, den Nervenkitzel, das Risiko. Folgen Sie mir.

Jonas: In einem der zahlreichen Aufzüge fuhren wir nach oben, recht gemächlich. Von Stock zu Stock, von Spiel zu Spiel.

Androidin: 1. Stock Eckhead Empore Schach und Golf.

Jonas: Nichts für mich.

Androidin: Das hatte ich mir gedacht. Sie sind kein Eierkopf. Aber unter uns: Wenn Sie spät abends noch bei uns sind, sollten Sie mal in die Schachecke reinschauen, da spielt die Bürgermeisterin von Babylon mit ihrem Referenten.

Jonas: Und gewinnt jedesmal weil sie die Züge vorhereingeübt haben kein Interesse.

Androidin: Pool Parcour. Wie wär's mit Kühl und Kugel, Freund.

Jonas: Billard. Nein.

Androidin: Die wählerischen Gäste sind uns die liebsten. Crap Corner, lassen Sie die Würfel rollen.

Jonas: Lieber nicht.

Androidin: Also weiter. Bei uns findet jeder sein Spiel. Orientalische Mysterien. Panafuda Majong.

Jonas: Ist mir zu exotisch.

Androidin: Dann vielleicht unser Stammtisch Europa. Skat, Schafkopf, Jass, Tarock, Schnapsen.

Jonas: Zu Hausbacken.

Androidin: Bridgebasar.

Jonas: Was für alte Damen. Danke.

Androidin: Wie Sie wünschen, der Gast ist König. Das ist was für Sie, Poker Parlor, das Spiel für harte Männer.

Jonas: Ein andermal, weiter.

Androidin: Unsere Blackjackbar.

Jonas: Nein, Kopfrechnen schwach.

Androidin: Casino Montecarlo, Roulette, das königliche Spiel.

Jonas: Na also, hier sind wir richtig.

Androidin: Ich hätte es wissen müssen, ihre vornehme Haltung, ihr Smoking Wünschen Sie weitere Begleitung?

Jonas: Nicht nötig. Ich finde mich schon zurecht.

Androidin: Viel Glück Toi Toi Toi Hals und Beinbruch.

Jonas: Glück konnte ich brauchen, auch wenn ich nicht vorhatte zu spielen. Ich wanderte durch die Halle. Roulettetische aus Echtholz, riesige Lüster, goldene Tapeten, weinrote Teppiche. Luxus. Was ich suchte, fand ich ganz hinten, versteckt hinter einer Säule, eine unscheinbare Tür, ein unscheinbares Schild: Personal. Ein unscheinbarer Gang, kein Gold, kein Luxus, ein paar eilige Menschen, keiner achtete auf Jonas. Weil der einen Smoking trug wie ein Croupier. Ein unscheinbarer Lift, ich drückte auf den obersten Knopf, Chefetage, vorbei an 5 Türen, für die es keine Knöpfe gab. 5 geheimnisvolle Stockwerke ohne Zugang, vorbei am Verwaltungstrakt der Firma Mox. 24 Etagen. Geschäftig und zugänglich. Der Lift hielt, Jonas stieg aus direkt in ein Vorzimmer, komplett, mit Vorzimmerdame.

Ella: Sie da, bleiben Sie stehen, was haben Sie hier zu suchen.

Jonas: Zu Herrn Mox. Moritz Mox.

Ella: Zu Herrn Mox. Haha. Einfach so. Kommen Sie mal her.

Jonas: Sie trug Latex, schwarz, mit Silbernieten und taktischen Lücken, Dominalook, nicht mehr der allerletzte Schrei, aber ihr stand es, sie war groß, schlank, dunkel, an die 40, eine kühle Stimme, die ich schon gehört hatte, vorhin am Fon, Ella von Rensenbrink. Moxens persönliche Assistentin.

Ella: Wer sind Sie? Arbeiten Sie bei uns.

Jonas: Noch nicht, ich will mich bei bewerben, ich bin Croupier.

Ella: Croupiers brauchen wir zurzeit nicht, lassen Sie Ihre Daten hier vielleicht später.

Jonas: Vielleicht, vielleicht sollte ich doch besser mit dem Chef selbst sprechen, wo ich schon mal hier bin. Den Stier bei den Hörnern packen oder die Kuh am Schwanz wenn ihnen das lieber ist.

Ella: Jaja. Zwecklos, Herr Moritz Mox ist nicht in Babylon.

Jonas: So, wo steckt er denn?

Ella: In Rom, falls Sie das was angeht. Geben Sie mir ihre Daten, ich stehe in ständiger Verbindung mit Herrn Mox.

Jonas: Jonas machte ein paar schnelle Schritte zur hinteren Wand und riß die Echteichentür auf, das Zimmer des Chefs, aber der war nicht drin, offenbar war er schon lange nicht drin gewesen, die Klimaanlage lief nicht, auf den wertvollen Möbeln lag eine feine Staubschicht. Das sah ich auf den ersten Blick. Zu einem zweiten kam ich nicht, weil ich plötzlich was im Rücken spürte, was rundes, hartes. Die Mündung eines Laserstrahler.

Ella: Sehr richtig, und Sonja kann damit umgehen. Der Herr will uns verlassen, Sonja, bring ihn raus. Wenn er sich anstellt.

Sonja: Tu ich ihm weh.

Ella: Und wenn er nochmal hier oben aufkreuzt.

Sonja: Bring ich ihn um. Alles klar. Los.

Jonas: Ein muskelbepacktes Viereck, anderthalb mal 2 Meter, obendrauf eine Bowlingkugel mit roten Borsten, die rote Sonja, ein Freak oder eine Klonkillerin. Auf jeden Fall gefährlich. Jonas wehrte sich nicht, ließ sich nach unten bringen und durch die Personaltür rausschmeißen, ging zurück zum Full House, wo Zocker Willy mit Sehnsucht auf seinen Smoking wartete. An der Bar erzählte ich ihm, was ich bei Mox erfahren hatte. Willy wunderte sich.

Willy: Was hat sie gesagt, wo soll Moritz Mox sein?

Jonas: In Rom.

Willy: Ach nie im Leben, Er ist nicht in Rom, nicht in der Sahara, nicht in Grönland, er ist hier, in Babylon, weil er nämlich Klaustrophobie hat, Moment, nicht Klaustrophobie, das Gegenteil Aga...

Sam: Angoraphobie, Angst vor weiten Räumen, vor der Außenwelt.

Willy: Genau Sammy, Agoraphobie. Moritz Mox hat Agoraphobie.

Sam: Angoraphobie.

Jonas: Fakt oder nur Gerede.

Willy: Na wer war denn Chefcroupier bei Mox, wer ist denn bei Moxens ein und ausgegangen, ich weiß Bescheid, Jonas, Moritz Mox hat nicht nur Angoraphobie, Moritz Mox ist ein echter Mackenheinrich, ein Schlaffi, ein Jammerlappen, einer der am liebsten im Bett liegt und sich die Decke über den Kopf zieht.

Jonas: Wenn das so ist, hätte Mox senior lieber Tochter Mona zur Haupterbin einsetzen sollen.

Willy: Nicht der alte Max Mox, Jonas, der war ein richtiger Patriarch.

Jonas: Papa Mox hatte versucht, den mißratenen Sohn umzupolen, aufzubauen, ihm Energie und Härte einzubimsen, auf ziemlich ungewöhnliche Weise, durch VR, virtuelle Realität, Pseudorealität durch Computersimulation.

Willy: Nero, Jonas, römischer Kaiser, schon mal was von gehört.

Jonas: Der aus Quo Vadis.

Sam: Jonas, nur Jonas, so lausche denn und lasse dich zur Gänze durchbilden, Nero mit vollem Namen Claudius Cäsar Augustus Germanicus Nero, ward geboren am 15. Dezember anno Domini 37, regierte als Kaiser ab dem 13. Oktober 54, verstarb am 9. Juni 68, entwickelte sich vom unausgegorenen Deppenjüngling zum fetten ausgegorenen Tyrannen und Sadisten.

Willy: Genau das wollte der alte Mox. Durch das Rollenspiel als Nero sollte Moritz Mumm in die Knochen kriegen, ein richtiger Wirtschaftskapitän sollte er werden, einer der über Leichen geht, Max Mox hat eine VR-Expertin engagiert, die was von römischer Geschichte verstand, äh Ella von und zu Dingsbums.

Jonas: Rensenbrink. Ella von Rensenbrink.

Willy: Ja, kann sein, wir haben sie immer nur Virtuella genannt, sie hat das Neroprogramm ausgearbeitet, und Moritz hat begeistert mitgespielt, Rom verbrannt, Christen verfolgt, Senatoren umgebracht usw.

Jonas: Nicht eben wenig.

Sam: Jedem Tierlein sein Pläsierlein. Wie der klassische Römer spricht.

Jonas: Gut und schön, Willy aber wo steckt Moritz Mox, da will ich wissen.

Willy: Irgendwo im Moxcenter.

Jonas: Das ist groß, Willy, wo da, bestimmt nicht im Las Vegas.

Sam: Alldieweil Allgemein zugänglich und stark frequentier, dacor Monsignore, gleiches gilt für den Verwaltungstrakt, cum grano salis, Übersetzung für Hilfsschüler Jonas und dergleichen, mit einem Körnlein Salzes, will sagen.

Jonas: Ruhe. Im Chefzimmer ist er auch nicht. Also wo.

Willy: Bleibt nur die illegale Zone, wetten da steckt er.

Jonas: Moxcenter Stockwerke 11 bis 15, die unzugänglichen, illegal deshalb, weil da verbotene Spiele gespielt werden, sagte Willy. Spiele für ganz besondere Spieler, für Superreiche Spiele ohne Limit, und in denen arme Schweine das einsetzen, was sie haben, Herz, Nieren, Knochenmark, die eigenen Organe. Wer gewinnt, kriegt ein kleines Vermögen, wer verliert muß unters Messer. Die Staatsgewalt weiß, was in der illegalen Zone bei Mox läuft, aber sie drückt beide Augen zu, der Organmarkt braucht Nachschub.

Willy: Wo sollt er denn sonst sein der Moritz Mox, Platz ist genug, die illegalen Spiele laufen nur in 2 Etagen.

Jonas: Warst du mal drin, Willy?

Willy: Ja einmal, vor Jahren aus Neugier. Ich bin kein Krösus, weißt du. Und Organspiele sind nicht mein Ding.

Jonas: Dann weißt du wie man reinkommt.

Willy: Weiß ich.

Jonas: Kommst du mit. Heute abend 10 Uhr.

Willy: Moxcenter Nordseite.

Jonas: Wie spät haben wir jetzt.

Sam: Mit dem melodischen Ton des Zeitzeichens ist es genau 17 Uhr 58 Minuten, ja, Zeit für den ausbedungenen abendlichen Mandelbrotbericht euer Samseligkeit flupp.

Jonas: Richtig, ich rief Dr. Mandelbrot an, am Fon wollte er nicht reden, er bestellte mich zu sich, in seine exklusive Villa im exklusiven Südwesten, wo Dezernenten, Künstler und Bürgermeisterinnenschwäger verkehrten, heute nicht, heute verkehrte bloß Jonas und auch das nur kurz, Dr. Mandelbrot hatte eine Überraschung für mich.

Mandelbrot: Ich habe mich entschlossen, Herr Jonas, unser vertragliches Verhältnis zu beenden, auf weitere Bemühungen ihrerseits lege ich keinerlei Wert.

Jonas: Das ging aber fix, Dr. Mandelbrot, was ist los?

Mandelbrot: Lassen Sie mich offen sprechen, Herr Jonas, zu meinem Bedauern haben Sie sich als wenig effizient erwiesen, fast einen ganzen Tag sind Sie bereits für mich tätig, und was haben Sie erreicht, so gut wie nichts.

Jonas: Sie brauchen keinen Detektiv, Dr. Mandelbrot. Sie brauchen einen Wundertäter.

Mandelbrot: Wie dem auch sei, Herr Jonas, ich storniere den Auftrag.

Jonas: Ihr gutes Recht, Dr. Mandelbrot. Sie schulden mir 120 € und diverse Spesen.

Mandelbrot: Darüber könnte man streiten Herr Jonas, aber ich lege Wert darauf, mich ohne jede Friktion von ihnen zu trennen. Bitte sehr 150 Euros, das dürfte wohl ausreichen. Ein Drink Wodka, Whisky, Cognack, Armanjak?

Jonas: Whisky. Scots.

Mona: Ich finde das nicht gut, Stiefpapa, das ist mein Fall, mein Erbe, mein Geld.

Mandelbrot: Mona, du hast an der Tür gelauscht. Mona wie oft hab ich dich ermahnt.

Mona: Jonas soll weiter machen.

Mandelbrot: Du bist ein Kind Mona, du bist nicht geschäftigfähig, du kannst mit Herrn Jonas keinen Vertrag abschließen.

Mona: Ich brauch keinen Vertrag. Ich will, daß er weitermacht. Für mich, ja Herr Jonas. Bitte.

Jonas: Mal sehen was sich tun läßt. Dein Wohl Mona.

Mona: Wie geht's Sammy, haben Sie ihn mit?

Jonas: Jetzt fing der Fall an richtig interessant zu werden. Jonas beschloß dranzubleiben. Für Monas? Vielleicht, ganz sicher für Jonas. Er hatte einen Ruf zu verlieren und er hatte nichts besseres vor. 10 Uhr abends, Moxcenter Nordseite. Vorn strömten die Massen, hier war alles still, verschalte Häuser, Ruinen, Relikte der letzten Unruhen, darüber die hohe kahle Moxfassade, keine Fenster, nur eine kleine Hintertür, der Eingang zur illegalen Zone, sagte Willy, für Spezialgäste mit Spezialcodescheiben. Wir hatten keine, noch nicht. Wir warteten. Eine E-Limousine in schwarz und Gold fuhr vor, hielt, zwei Typen stiegen aus, helle Burnusse, Kopftücher. Ölscheiche aus Kusbekistan. Der Wagen fuhr weiter. Die Scheiche wanderten zur Tür, aber sie kamen nicht an.

Willy: Augenblick die Herren, mein Freund will ihnen was zeigen.

Jonas: Das ist ein Laserstrahler. Kennen Sie vielleicht. Wenn ich den in ihre Richtung halte, so und auf den roten Knopf drücke.

Scheich: Wir verstehen, Sie Geld wollen.

Jonas: Sie werden sich wundern. Nein. Wir wollen bloß ihre Codescheiben, und ihre Burnusse.

Willy: Und die Kopftücher. Ausziehen.

Jonas: Mit Willy Neurofreezer legten wir die Wüstensöhne für ein paar Stunden schlafen und deponierten sie hinter einer zerfallenen Mauer. In ihren Sachen waren wir nicht gerade elegant, aber unkenntlich, dachten wir. Mit den Scheiben öffneten wir die Tür. Dahinter ein Lift, nur zwei Knöpfe, unten, oben. Unten waren wir, also drückten wir oben.

Sonja: Na, da sind Sie ja, wir warten schon. Steigen Sie aus. Nicht so lahm meine Herren.

Jonas: Ein schlichtes Foyer, hier gab's keine wunderschönen Androidinnen. Unsere Empfangsdame war die rote Sonja, oder ihre Zwillingsschwester, weiter hinten standen noch ein paar von der Sorte, unfreundliche Miene, rechte Hand am Laser, sie stellte uns an die Wand, klopften uns ab, nahmen uns die Waffen weg.

Sonja: Ohohohoh, so was wollen wir aber nicht. OK, was soll's sein. Spiel ohne Limit oder Organspiel?

Willy: Ach, wir wollten uns ein bißchen umsehen, zukucken.

Sonja: Nix, für Sie ist kiebitzen verboten.

Jonas: Wer sagt das?

Sonja: Befehl. Sie spielen. Also was. Unlimitiert.

Willy: Ja, von mir aus. Immer noch besser als um Herz und Nieren.

Sonja: Haben Sie Geld. Bargeld. Vorzeigen los los.

Willy: Ich glaub, ich hab meine Brieftasche vergessen.

Jonas: Ich auch. Zu dumm.

Sonja: Ja, dann eben Organspiel. Also was setzen Sie?

Willy: Vielleicht den linken kleinen Zeh.

Sonja: Sie doch nicht. Sie riskieren was. Sie setzen alles. Ihren ganzen Körper. Ihr Leben.

Jonas: Das heißt wenn wir verlieren.

Sonja: Verlieren Sie Ihr Leben, ist doch klar.

Willy: Was ist, wenn wir gewinnen, was kriegen wir?

Sonja: Sie werden nicht gewinnen.

Jonas: Nu mal langsam Pussy.

Sonja: Im Gegenteil. Schnell wir haben's eilig.

Jonas: Sie scheuchten uns in einen kleinen Raum. Kahl, bis auf einen Tisch. Darauf ein Stoß Spielkarten, Rückseite nach oben, Sonja nahm die Karten, mischte sie kurz durch.

Sonja: So, der Alte zuerst. Ziehen Sie eine Karte. Schneller. Drehen Sie sie um.

Willy: Piek Dame.

Sonja: Jetzt ich. Herz König, sie haben verloren Alter, Pech. Bring ihn raus Natascha.

Willy: Moment, ich bin 64, meine Organe sind nichts wert, total verbraucht, ich habe eine Säuferleber und herzkrank bin ich auch.

Sonja: Ihre Organe können Sie behalten, wir wollen nur Ihr Leben. Sie sind dran.

Jonas: Jonas verlor auch, natürlich, bei diesem Spiel gewinnt nur die Bank. Die Schlachtbank. Jonas wurde in einen Lift gesteckt. Von Tatjana oder Vera oder Maruska, wie immer sie hieß sie ließ mich nicht aus den Augen. Aber vielleicht hörte sie schlecht. Ich mußte es versuchen. Sam steckte im Burnus, in der Kapuze, er war nicht gerade mitfühlend.

Sam: Ja ja Gevatter, so pflegts zu gehen, Polter und polter, Kick and Rush Miniüberlegung Maxiaction, und was passiert, der große Detektiv plumpst in den Nachttopf, jawoll, in den Harn, in die Pisse, in die Kacke, Scheiße and so on.

Jonas: Nicht eben wenig.

Sam: Sag ich doch.

Jonas: Halt keine Vorträge, Sammy hilf mir raus, kannst du was mit dem Lift machen.

Sam: Eine Bagatelle, Chefchen, den siehe so ist Sammy, sieht man kurz hin, schon ist er drin, im System, des Liftes, und da tut er was. Anhalten?

Jonas: Mit Schmackes. Plötzliche Notbremsung. Auf Null. Ich roll mich unten zusammen, Kopf zwischen die Knie, also 3,2,1,0.

Jonas: Was da gegen die Decke knallte, war meine Wächterin. Bzw. ihr Kopf, ihren Laser würde sie nie wieder brauchen. Ich nahm ihn an mich. Und ließ Sam weiterfahren. Bis zum vorgesehenen Halt. Die Tür ging auf.

Jonas: Keiner da. Wo sind wir Sammy?

Sam: Einerseits my dear Watson erinnert dieser Raum in nicht unerheblichem Maße an eine altmodische Betriebskantine anno 2000.

Jonas: Stimmt genau. Plastiktische, dito Stühle, Wandautomaten für Sojakaff und Sojaburger, andererseits die Spinde links.

Sam: Gemahnen an die Gardarobe einer Turnhalle Herr Sportswart.

Jonas: Das müssen ja merkwürdige Turner sein, Sammy, sieh mal, bunte Seidenkleider, kurze Nachthemden, Wickellacken, wer trägt denn so was.

Sam: Alte Römer, euer Unbilden. Was dumpfe Ignoranz als Laken und Nachthemd erschient, nennt der Kenner der klassischen Antike korrekt Toga und Tunika.

Jonas: Und hier Helme, Brustpanzer, Beinschienen, Schwerter. Was ist hier los, Sammy, alte Römer, Klonkiller, du weißt ja, wer Klonkiller einsetzt.

Sam: Si si la Corporation es importante.

Jonas: Die Korporation, früher mal Mafia, vor der großen Umwälzung Ende des Jahrtausends, das organisierte Verbrechen, die Klonkiller werden von gekauften Gentechnikern produziert. Wie Dr. Ugarte selig, siehe Fall Pharao. Aber was hatte die Korporation bei Mox zu suchen. Der alte Mox hatte sie sich immer weit vom Leibe gehalten. Was war passiert?

Sam: Dem sei wie es wolle, trüber Grübulator, lassen wir dies Problem tunlichst dahingestellt, bis daß weitere Daten uns zu teil werden, welche unverzüglich zu sammeln und in die geistige Scheuer zu schaffen unser vordringlichstes Anliegen sein möge.

Jonas: Amen Sammy. Lasset uns sammeln. Und wie und wo.

Sam: So siehe denn dorten jene Tür, hintere Wand Blindgänger.

Jonas: Ah.

Sam: Ja, siehe sie stehet um ein weniges offen und aus dem Spalte dringen Geräusche herfür.

Jonas: Stimmen, leise, undeutlich. Also näher ran. Die Stimmen wurden lauter. Ich blieb stehen, bewegte nur den Kopf, ganz vorsichtig, bis ich durch den Türspalt gucken konnte.

Kasbek: Was befielst du, göttlicher Kaiser, welch Schicksal treffe den Verräter?

Moritz Mox: Na was schon, der Tod natürlich. Tigellinus, Gefährte meiner Erhabenheit, bring ihn um.

Kasbek: Es geschehe nach deinem göttlichen Willen mein Kaiser. Tod dem Verräter.

Willy: Ah!

Kasbek: Heil Kaier Nero.

Jonas: Der Verräter war tot, erstochen vom Typ im goldenen Brustpanzer, mit seinem kurzen Schwert. Nur daß es kein Verräter war. Es war Willy, mein Freund Zocker Willy.

Moritz Mox: Hast du nicht von zwei Verrätern gesprochen, Tigellinus. Wo ist der andere.

Kasbek: Ich weiß nicht, müßte eigentlich schon hier sein.

Moritz Mox: Er ist doch wohl nicht geflohen.

Kasbek: Keine Sorge göttlicher Kaiser, er kann nicht entkommen, bestrafen wir ihn später. So hast du Zeit dir was besonders einfallen zu lassen.

Moritz Mox: O ja, nähen wir ihn an Fell und lassen ihn von den Löwen fressen, ja oder bestreichen wir ihn mit Pech und verbrennen ihn als lebendige Fackeln, oder

Kasbek: Später, göttlicher Kaiser, der Kerl läuft uns nicht weg.

Jonas: Durch den Spalt sah ich Rom, im Hintergrund, weiße Häuser an Hügeln, Pinien, Zypressen, darüber tiefblauer Himmel, holografische Illusionen, vorn ein großer Raum, weite offene Fenster, eine Couch, ein Messingbecken, in dem ein Feuer brannte, an den Wänden ein paar Soldaten in Helm und Rüstung, auf der Couch lümmelte sich Kaiser Nero, dicklich, etwa 30, dünner roter Backenbart, in einem lila Seidenkleid mit Schleppe. Daneben der Typ der Willy abgestochen hatte. Tigelinus oder wie er hieß.

Sam: Tigelinus: Kommandeur der Prätorianer, das heißt der kaiserlichen Garde. Engster Kumpan des Kaisers.

Jonas: Kommt mir sehr bekannt vor dieser Tigellinus, wo und wann hab ich ihn schon gesehen.

Sam: Schweif nicht ab, bleib bei will sagen Kaiser Nero.

Jonas: Alias Moritz Mox. Willy hat er erzählt, daß Moritz mit Begeisterung Nero spielt, genau Sammy du sagst es, Moritz spielt Nero in VR. Hat Willy gesagt. Was wir hier sehen, Rom, Neros Palast, alte Römer, das ist nie und nimmer virtuelle Realität. Das ist Wirklichkeit, Sammy.

Sam: Ganz real. Stinknormal. O Jonas... Vortäuschung falscher Tatsachen durch antiquierte Mittel. Kostüme, Gips, Kulissen.

Jonas: Was soll das Theater?

Sam: Um diese Frage zu beantworten sollten Hochwürden ein wenig mitspielen, sich ins Gesehen mischen, ins alte Rom eindringen.

Jonas: Jonas verwandelte sich in einen Prätorianer, in einem praktischen Helm mit Backennasen und Kinnschutz. Eine richtige Maske, dann wartete ich einen günstigen Moment ab, trat schnell durch die Tür, bezog Posten an einer Säule. Und da stand ich nun, still und steif. Mit offenen Augen und offenen Ohren.

Kasbek: Schon viel zu lange haben wir deine Kunst entbehren müssen, göttlicher Nero, singe. Singe zu den Klang der Lyra.

Moritz Mox: Ich weiß nicht, bespare meiner Bescheidenheit den Auftritt.

Kasbek: Nun, wenn du es denn nicht willst, erhabender Kaiser.

Moritz Mox: Doch, deine inständigen Bitten Tigellinus.

Kasbek: Singe o Nero.

Moritz Mox: Und die meiner getreuen Prätorianer. Meiner getreuen Prätorianer...

Sing, o Nero.

Moritz Mox: Es sei. Ruhe, absolute Ruhe, auf daß mein Genie sich entfalte. Ode an Rom. Rom, o mein Rom, du ewige Stadt, was bist du so häßlich, potthäßlich bist du, Solo, krumm und schief sind deine Straßen, baufällig sind deine Häuser, und an alle deine Ecken pinkeln die Hunde, und deine Kloaken stinken zum Himmel.

Kasbek: Wunderbar, göttlicher Kaiser, so so tief empfunden.

Moritz Mox: Ich bin noch nicht fertig, Tigellinus.

Kasbek: Verzeih Erhabener, es riß mich hin.

Moritz Mox: Rom, o mein Rom, du ewige Stadt, brennen sollst du bis auf den Grund. Bald, bald bald bald Tigellinus bald bald wird es so weit sein, und wir werden eine neue herrliche Stadt erbauen, und ihr Name wird sein Neropolis.

Kasbek: Heil Nero.

Heil Nero.

Jonas: Ich hatte ihn erkannt. Tigellinus, es war Kasbek. Kasbek der Vollstrecker, Kasbek von der Korporation. Vor anderthalb Jahren war ich mit ihm zusammengestoßen. Fall Attentat. Die Korporation steckte mit drin im römischen Theater des Moritz Mox. Wie ich vermutet hatte.

Moritz Mox: Schön böse ich bin gemein.

Ella: Heil Nero.

Kasbek: Es naht die Geliebte deines Herzens, Nero, die schönte Agte.

Ella: Du hast gesungen, mein Nero, ich vernahm die wundersamen Klänge. Ein kühles Getränk wird deiner göttlichen Stimme wohltun. Hier, nimm und trink.

Jonas: Aus einer Seitentür war sie gekommen, mit einem vollen Becher in der Hand, Agte, alias Ella von Rensenbrink, im kurzen Hemdchen, niedlich. Nero trank, dann stöhnte er ein bißchen und legte sich lang auf die Couch, und da blieb er liegen, still, regungslos.

Kasbek: Ist er bewußtlos?

Ella: Ja.

Kasbek: Sehr gut. Cut.

Ella: Pause. Die Kleindarsteller in den Aufenthaltsraum. Nicht umziehen, in etwa einer Stunde machen wir noch eine römische Szene.

Kasbek: Die letzte.

Jonas: Der Raum war leer, bis auf den bewußtlosen Nero, Ella, Kasbek und Jonas. Der hatte sich hinter seiner Säule versteckt, weil er unbedingt mitkriegen wollte, wie die Sache weiterging. Ella schob an der linken Wand ein Panel zur Seite, dahinter Instrumente und ein Hochleistungsprozessor für gehobene VR-Programme. Ella drückte auf einen Knopf, das alte Rom verschwand. Neros kaiserliches Wohnzimmer wurde zum kahlen Innenraum. Ella setzte Nero und sich selbst je einen VR-Helm auf, direkte Hirnstimulation. Der letzte Schrei. Einfacher und effektiver als die Standardkombination Brille Anzug Handschuh. Ein Tastendruck. Das VR-Programm lief an. Kasbek beugte sich über Nero. Eine Spritze in der Hand.

Kasbek: Sie haben den Vertrag, Ella.

Ella: Hier ist er. Alles klar. Wecken Sie ihn auf, Kasbek.

Moritz Mox: Au.

Jonas: Los Sammy, rein ins VR-Programm.

Sam: Ich bin oll da sagte der Swinegel.

Jonas: Gut. Wie sieht's aus in der virtuellen Realität.

Sam: Todschick, teuerste, ein Chefzimmer der Extraklasse, Mahagoni, Teak, echter Jumibo, ja, viel schöner als Moritz Moxens richtiges Büro.

Jonas: Was geht vor.

Sam: Sie tritt ein, o, strenges Kostüm, Brille, die Chefsekretärin par excellenz. Tolles Weib und so wandlungsfähig.

Jonas: Ella.

Sam: Na wer sonst du Plattfisch, Ella Virtuella, Virtuella aus dem Keller.

Jonas: Halt die Backen. Was ist mit Moritz Mox?

Sam: Moxens Moritz sitzt am Schreibtisch. Hat ein bißchen gepoft der Schnarchsack, hebt den Kopf.

Moritz Mox: Was gibt's Ella. Hab gerade ein Nickerchen gemacht.

Ella: Entschuldigen Sie die Störung, Chef, der amerikanische Vertrag.

Moritz Mox: Aja, zeigen Sie her. Die Cosanostra American Gambling Organisation überläßt der Firma Mox alle ihre Kasinos, Salons etc. etc. in Las Vegas, Reno, Atlantic City etc. etc., das ist doch wunderbar... Wir sind doch jetzt die größten, Mox international, imperial, global.

Ella: Sie brauchen nur noch zu unterschreiben, Chef.

Moritz Mox: Ja, wo hab ich denn den Stift.

Jonas: Moritz Mox unterschrieb, in der virtuellen Realität und in der realen. Ein reales Schriftstück, das Ella ihm vorlegte, mit einem realen Stift, den sie ihm in die Hand drückte. Dann lag er wieder auf der Couch. Dafür hatte Kasbek gesorgt mit einer zweiten Spritze.

Ella: Hiermit überträgt Firma Mox Babylon ihr gesamtes Vermögen, fest und beweglich, der Lucky Chance Inc. Nassau Bahamas.

Kasbek: Das heißt der Korporation.

Ella: Für Euros 100.000, Unterschrift Moritz Mox.

Kasbek: Wunderbar. Wir übernehmen Mox.

Ella: Sauber legal und völlig unblutig.

Kasbek: Abgesehen von Moritz Mox natürlich, der muß weg, aber das unter uns bleiben. Ihr Honorar haben Sie sich weiß Gott verdient, Ella. Schon für ihre absolute Superidee, die reale und virtuelle Realität bei Moritz Mox einfach zu vertauschen. Und ihm so seine Unterschrift abzutricksen. Brillant.

Sam: Na ja sagen wir ganz ordentlich für einen Menschen.

Jonas: Moment mal Sammy, was hat Ella gemacht? Genau mein ich.

Sam: Oje, wieder mal nix kapiert, was du Lahmbregen. Also paß mal Obacht. Zuerst war Moritz Mox Kaiser Nero in VR und in Wirklichkeit Moritz Mox, Erbe und nach Papis Dahinscheiden Besitzer der Firma Mox, alles klar.

Jonas: Sicher Sammy und dann?

Sam: Dann hat die böse Virtuella das ganze umgedreht, jetzt ist Moritz in der wirklichen Realität Nero und in der virtuellen Firmenchef. Sie hat das so clever gemacht, daß der liebe Moritz nichts mitbekommen hat, mit Drogen, ein bißchen Illusionstheater und unter gütigen Mithilfe der Korporation.

Jonas: Klonkiller. Statisten, Kasbek als Tigellinus, Und während der ahnungslose Moritz den Chef nur simuliert hat, haben Ella und ihre Auftraggeber von der Korporation die wirkliche Leitung der Firma übernommen.

Sam: Zunächst de facto, nunmehr auch de jure. Na bitte, haben es doch noch geschnallt, nich Nulli. Bravo

Kasbek: Endlich Schluß mit dieser idiotischen Römerspielerei.

Ella: Noch eine Szene Kasbek, das haben Sie mir versprochen. Moritz soll seinen Abgang als Nero kriegen. Wir machen weiter, die Kleindarsteller auf ihre Plätze.

Kasbek: Passen Sie bloß gut auf den Vertrag auf, Ella, wenn der verloren geht, war alles umsonst.

Ella: Keine Sorge, Kasbek, Sie sehen, ich nehme ihn mir zu Herzen, in meinem Ausschnitt ist er sicher.

Kasbek: Da wäre übrigens noch was zu bereinigen. Dieser lästige Typ.

Ella: Jonas, richtig, den sollten wir zusammen mit Moritz abservieren. Bringt Jonas her.

Jonas: Überraschung. Hinter mir klapperte was, ich drehte mich um, Sonja mit zwei Schwestern, verkleidet als Römerinnen, mit Laserstrahlern, ein Stilbruch.

Kasbek: So sieht man sich wieder, Jonas.

Ella: Haben Sie wirklich gedacht, wir merken nicht, daß Sie sich hier herumdrücken?

Kasbek: Wissen Sie was das ist?

Jonas: Empfänger für einen Mikroorter.

Ella: Und wo mag er wohl stecken der kleine Mikroorter? Na?

Kasbek: In ihrem Magen. Jonas.

Jonas: Fraktal Mandelbrot.

Kasbek: Mandelbrots Whisky, ganz recht, den Orter hat er von uns.

Ella: Sehen Sie, Mandelbrot hat was läuten hören von einer bevorstehenden Übernahme der Firma Mox durch die Korporation.

Kasbek: Er hat Sie engagiert, um Druck auf uns zu machen, Sie wurden lästig, und wir haben uns mit Mandelbrot engagiert, er kriegt 2 Millionen.

Jonas: Nicht eben wenig.

Ella: Die arme kleine Mona wird fürchte ich, leer ausgehen.

Kasbek: Neros Tod, Ella, bringen wir's hinter uns.

Jonas: Mit einem Knopfdruck waren wir wieder im alten Rom, aber nicht mehr im Kaiserpalast, der Raum war jetzt kleiner, draußen keine Häuser mehr, nur Landschaft. Kasbek weckte Nero.

Ella: Alles ist verloren, Geliebter.

Kasbek: Die Prätorianer sind zu Geiwa übergelaufen, Häscher sind dir auf den Fersen. Sie werden dich fangen. Dann wirst du im Colloseum zu Tode gemartert.

Moritz Mox: O ihr Götter was soll ich tun?

Ella: Sei ein Mann, Geliebter, gib dir den Tod.

Kasbek: Hier Nero, mein Schwert.

Moritz Mox: Ich kann nicht.

Kasbek: Dann werde ich es für dich tun.

Moritz Mox: Au, das tut weh.

Ella: Nur sensorische Simulation, Chef, ihre letzten Worte.

Moritz Mox: O welch ein Künstler geht mit mir zu Grunde.

Kasbek: Erledigt. Und jetzt Sie, Jonas, wie hätten Sie’s denn gern, römisches Schwert oder Laser 21. Jahrhundert.

Jonas: Wenn Sie mich schon fragen Kasbek. Weder noch.

Ella: Was erlauben Sie sich?

Jonas: Ella war empört. Jonas hatte ihr in den Ausschnitt gefaßt und den Vertrag rausgeholt, jetzt hielt er ihn über die glühenden Kohlen im Messingbecken. Kasbek und seine Killer waren kaltgestellt, sie konnten Jona weder abstechen noch ablasern.

Jonas: Dann fällt ihr kostbarer Vertrag ins Feuer. Und das wär doch schade, wo Sie sich so viel Mühe gegeben haben.

Kasbek: Wie geht's jetzt weiter, Jonas, wollen Sie so stehenbleiben, bis Ihr rechter Arm lahm wird.

Jonas: Hab ich nicht vor, Kasbek. Einen Laserstrahler in meine linke Hand. Na wird's bald. Gut so, Waffen weg, alle an die Wand, auf den Boden, Gesicht nach unten. Ganz ruhig bleiben und immer schön dran denken, Jonas hat den Vertrag.

Jonas: Ich ging rückwärts, durch die Tür, durch den Aufenthaltsraum, in den Lift, runter, Sammy blockierte den oberen Zugang. Jonas hatte ein bißchen Zeit, bis Kasbek und Konsorten einen andern Lift fanden. Nicht daß es mir viel brachte.

Sam: Virtuella hat über Fon alle Ausgänge besetzen lassen, o Dr. Jonas auf der Flucht.

Jonas: Sie wollen den Vertrag, ob sie mich laufen lassen, wenn ich ihn zurückgebe.

Sam: Du glaubst wohl an das Weihnachtsmännchen, du unschuldvoller Engel, du, ja sieh dich an.

Jonas: Was?

Sam: Sieh dich an, Witzfigur.

Jonas: Ja, ich hab noch die römische Rüstung an, meinst du das, Sammy.

Sam: Ein interessantes Ausfit, mein Viles Gloriosus, dürfte erhebliches Aufsehen erregen. Vor allem an einem Orte, welcher der Stille und der intellektuellen Muse geweiht ist und welcher zu dieser Stunde von einer gewissen hochgestellten Persönlichkeit frequentiert wird. Äh, wir verstehen uns auf dieser Welle, gelle.

Jonas: Fünf Minuten später, ein römischer Prätorianer stürmt die friedliche Schachecke im ersten Stock des Moxcenters. Er klirrt und klappert und brüllt laut was Sam ihm leise souffliert.

Jonas: Hannibal ante portas. Panem et cercensis. Per aspera ad astra.

Bürgermeisterin von Babylon: Was ist da los? Ruhe bitte!

Jonas: Cogito ergo sum. Errare humanum est.

Bürgermeisterin von Babylon: Ich bin Bürgermeisterin Paretzky.

Jonas: Nomina sunt udiosa. Leges inter arma.

Bürgermeisterin von Babylon: Silentium. Verdammt noch mal.

Kasbek: Wir kümmern uns um diesen Irren, Frau Bürgermeisterin, die internen Sicherheitskräfte sind alarmiert, gleich sind sie hier.

Bürgermeisterin von Babylon: Lassen Sie nur, guter Mann, das übernimmt meine Leibwache. Festnehmen den Kerl, abführen. Wartet draußen mit ihm bis ich komme.

Jonas: 4 Stunden später, früher Morgen, Jonas kam nach Hause.

Sam: Jaja, drei Dinge braucht der Jonas, ein Bildfon, den ominösen Vertrag, und ein Streichholz.

Jonas: Alles da, Sammy, dann mach mal ein Bildfonverbindung mit der Firma Mox, Direktion, Ella von Rensenbrink.

Sam: Leitung steht. Hallo, Hallo Virtuella, mein Schatz ja hier will wer was von dir.

Ella: Jonas? Sie haben Nerven.

Jonas: Schauen Sie her, Ella, das ist der Vertrag, das ist ein Streichholz, das war der Vertrag.

Ella: Das wird die Korporation ihnen heimzahlen Jonas.

Jonas: Glaub ich nicht, sehen Sie, ich hab die ganze Geschichte der Bürgermeisterin erzählt. Wenn die Korporation mir was tut, kriegt sie mehr Ärger als ich wert bin. Schreiben Sie doch den Verlust einfach ab. Und Kopf hoch. Neuer Tag, neues Glück. Grüßen Sie unseren Freund Kasbek.

Sam: Ja, und Kopf hoch.

Jonas: Gegen Mittag machte ich einen Besuch in der Villa Mandelbrot. Moritz ist tot, Mona erbt. Sagte ich dem Hausherrn. Und der hörte interessiert zu.

Mandelbrot: Als Monas Stiefvater werde ich die Treuhänderschaft des Moxvermögens übernehmen müssen, eine schwere Last, Herr Jonas, eine große Verantwortung.

Jonas: Dazu werden Sie keine Zeit haben, Dr. Mandelbrot.

Mandelbrot: Wie meinen.

Jonas: Die Korporation ist stinksauer, auf Sie, Dr. Mandelbrot, weil Sie Jonas ins Spiel gebracht haben und weil die Korporation deshalb das Spiel verloren hat. An mich kommt man nicht ran, also wird man sich an Sie halten.

Mandelbrot: O Gott, o Gott, was soll ich tun? Helfen Sie mir, Herr Jonas, raten Sie mir bitte.

Jonas: Packen Sie Ihre Koffer, verreisen Sie.

Mandelbrot: Ja, ja verreisen. Wohin?

Jonas: Weit weg, zum Südpol.

Mandelbrot: In Ordnung.

Jonas: Nach Bora bora, und kommen Sie nicht wieder.

Mona: Gute Reise Stiefpapa.

Jonas: Hallo Mona, wieder mal an der Tür gelauscht.

Mona: Na und? Ich bin jetzt reich, eine reiche Frau darf alles.

Jonas: Machs gut. Ich schick dir meine Rechnung.

Mona: Bezahlen kann ich aber erst in einem halben Jahr, wenn ich volljährig bin.

Jonas: Sammy, ob sie wohl im August noch dran denkt?

Sam: Häh die nie.

Mona: Herr Jonas, verkaufen Sie mir Sammy?

Jonas: Vielleicht, Mona, ich überlegs mir.

Das war Virtuella. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam Peer Augustinski. Außerdem hörten Sie: Adelheid Arndt, Nadja Rüpprecht, Rainer Basedow, Wolf Euba, Reinhard Glemnitz, Torsten Nindel und andere (Anne Marie Bubke, Stefanie Burkart, Christiane Blumhoff, Werner Klein). Ton und Technik: Daniela Röder und Günter Heß. Assistenz: Holger Buck. Regie: Werner Klein. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks aus dem Jahr 1995. Redaktion Erwin Weigel.

Beitrag vom 02.04.2022 - 21:26
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