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Hallo, mein Name ist Thomas, ich bin eines der Opfer aus dem AWV und war einer der Referenten bei der vergangenen Podiumsdiskussion auf der Ludwigstein.
Ich würde gerne versuchen verschiedene Punkte aufzuklären, damit etwas mehr Klarheit herrscht.
- Zu dem Blog: https://dierevolutionmissbrauchtihrekinder.wordpre...ubergri ff/
Dieser Blog war nicht dazu gedacht, dass er für Vermutungen genutz wird, sondern als eine Anlaufstelle für Betroffene.
Während den Recherchen von Herrn Füller oder der Arbeit von Schlumpf haben wir festgestellt, dass es viele Betroffene in der Bündischen Szene gibt, die bereits wissen, dass sie Betroffene sind, die dieses jedoch noch nicht öffentlich aussprechen wollen oder die es nicht tun, da die an ihnen begangenen Taten längst verjährt sind. Diesen Menschen wollten wir eine Anlaufstelle bieten, die ihnen selbst überlässt wie anonym sie bleiben wollen, denn für den eigenen Heilungsprozess ist es sehr wichtig, dass man über das erlebte redet, oft es ist jedoch ein Wunsch der Betroffenen, dass endlich die Wahrheit gesagt wird.
Eine solche Anlaufstelle hatte ich damals noch nicht gekannt und sollte es mittlerweile andere solcher Möglichkeiten geben, so ist es nicht verkehrt eine weitere zu schaffen, da es einfach die Wahrscheinkeit steigert, irgendwann auf ein solches Angebot entweder durch Zufall oder durch gezielte Suche zu stoßen.
Die rechtliche Lage ist eine schwierige, dass ist mir besonders bewusst, da ich zum Beispiel noch immer nicht alle Namen nennen darf, von denen ich weiß, weil die entsprechenden Verfahren noch laufen. Man muss sich deswegen als Nicht-Betroffener davor hüten, dass man keinen Rufmord durch ausgesprochene Ahnungen begeht.
Für Betroffene sieht der Fall jedoch ganz anders aus: Wenn man den Mut findet zu sagen, wer einen da benutzt hat, der soll uns als Gemienschaft bitte helfen, da die Täter oft, vielleicht nach einem Wechsel des Umfelds, noch immer wie früher agieren. Wenn ein Täter gegen ein solches öffentliches Geständnis vorgehen will, so muss er erst einmal aktiv werden, Klage einreichen, dass dort eine falsch Aussage gemacht wird und dann muss richterlich geprüft werden, ob es denn eine Falschaussage ist, oder nicht.
Sollten sich dann mehrere Opfer finden, die sich dazu bekennen, von dem selben Täter missbraucht worden zu sein (was oft der Fall ist, selten haben Täter nur ein Opfer), so dürfte wahrscheinlich sein, dass das Gericht die Aussagen nicht als Falschaussagen ansieht. Dies funktioniert auch so, wenn die Taten bereits verjährt sind ! Wenn die Taten nicht verjährt sind, würde ein Verfahren eingeleitet werden, indem der Täter endlich für seine Vergehen Strafe erhält.
Noch einmal zu dem Thema einzelne Opfer: Ich hatte nicht viel von anderen Opfern wirklich mitbekommen, sehr wohl jedoch hatte ich eine Ahnung. Erst in Gesprächen mit den Betroffenen aus meiner Gruppe hat sich herausgestellt, wie viel dort eigentlich gelaufen war, wovon wir nichts mitbekamen. Deswegen mein Rat: Sollten Sie Opfer sein oder eine solche Vermutung diesbezüglich einem ihrer Freunde haben, so suchen sie das Gespräch mit ihm. Erst in einem solchen Gespräch kann einem vielleicht bewusst werden, dass man einen Missbrauch erlitten hat, dass man nicht der Einzige ist, dass man vorallem nicht alleine ist (!) und kann man den Mut finden gegen diese horrende Ungerechtigkeit vorzugehen. Ohne das Gespräch mit meinen Freunden wäre ich niemals aus der Beeinflussung herausgekommen.
Dazu auch zu dem letzten Punkt dieses Abschnittes, nämlich Vermutungen und Gespräche. Zwar helfen Vermutungen im öffentlichen Raum nichts, doch in einem persönlichen Gespräch sind sie enorm wichtig. Oft haben wir während der Aufklärung zum Beispiel gehört, dass die Burg einen gewissen Ruf hat oder dass es gegen bestimmte Personen schon früher Verfahren oder Verurteilungen gab, nir jedoch hat uns einer darauf angesprochen. Und das war nicht nur bei uns der Fall, sondern auch bei anderen Tätern in anderen Gruppen, etwas was meiner Auffassung nach eines der größten Probleme innerhalb der bündischen Szene ist: Man weiß oder vermutet etwas, meidet die Person/Ort bzw. schmeißt sie aus dem Bund, wodurch sie ihr Treiben fröhlich fortführen können.
Wir müssen als bündische Gemeinschaft dort unsere Haltung ändern und versuchen mit den betroffenen Gruppen zu sprechen. Zwar muss ich gestehen, dass einer aus unserem Bekanntenkreis mit mir darüber sprechen wollte, einige Zeit nachdem ich ihm von einem Vorfall berichtet hatte, doch ich hatte ihn abgewiesen, da ich noch zu tief in dem System aud Manipulation und ideologischer Prägung drinsteckte und auch nicht wusste, dass das erlebte etwas strafbares war. Doch selbst wenn mit Ablehnung reagiert wird, so können solche Sachen ein Anstoß zum Nachdenken sein, welcher zum Beispiel bei einem anderen Opfer aus meinem Freundeskreis erst ganze Zeit später gefruchtet hat. Und selbst wenn die Pimpfe, mit denen durchaus ein Gespräch geführt werden sollte (denn nicht in jeder Gruppe wird ja darüber gesprochen), abweisen, so sollte man mit den Älteren in der Gruppe ein Gespräch probieren, wobei man da nicht bei einem Erwachsenen aufhören sollte (ich würde nämlich davon ausgehen, dass jeder meinen Gruppenführer angesprochen hätte, der ja selbst Täter war und einen dann sehr überzeugend beschwichtigt hätte).
Ich weiß, so etwas ist anstrengend und man hat das Gefühl dadurch etwas zu wagen, aber bitte fasst euch dort ein Herz und findet Mut.
-zu dem Artikel/ dem Buch:
Als ich den taz Artikel das erste Mal gelesen fand ich ihn auch total überzogen und schlecht geschrieben (Christian hat mir auch erklärt, dass er damals gar nicht selbst die Überschrift ausgesucht hat, sondern seine Redaktion, vllt. kamen die durch Otto Walkes "Die einen gehen wandern, die anderen vögeln." darauf). Auch in den Gesprächen damals nach den Prozessen fand ich Christians Redes- und Argumentationsweise zu polemisch, etwas was ich ihm damals schon persönlich gesagt hatte. Ich weiß nicht, ob er sich dies zu Herzen genommen hat oder ob es durch den Einfluss seines Lektors geschehen ist, doch ich muss sagen, dass ich von dem Buch positiv überrascht war, da es sehr ausgeglichen geschrieben ist. Auch wenn er selbst kein Freund dergleichen ist, so finde ich zum Beispiel auch gut, dass hintem im Buch die Belege verschiedener Aussagen stehen.
Zwar haben mich die direkten Übergänge zwischen den verschiedenen Epochen verwirrt und auch ich hatte vorher noch nichts von Weynecken und Blüher gehört, doch einem der Täter aus unserem Kreis war Blüher durchaus ein Begriff. Auch wenn jetzt nicht aus den Werken dieser Herren nicht uns in der Gruppe zitiert wurde und ich den Begriff pädagogischer Eros erst nach der Anzeige gehört habe, so hat doch Ideologie eine Entscheidende Rolle für den Missbrauch in unserer Gruppe gespielt und ich konnte viele Parallelen wie die griechischen Schönheitsideal oder das Schwärmen für reine Männergesellschaften in dem Buch wiedererkennen. Auch glaube ich, dass die Theorien der Herren durchaus für die interne Rechtsfertigung von Tätern eine Rolle spielen, was auf die eine andere Weise auch in ihrem Verhalten durchsickern wird. Und nur der, der über solche Dinge Bescheid weiß, wird dann die Anzeichen erkennen können, damit die Alarmglocken läuten.
Insgesamt bin ich Christian sehr dankbar dafür, dass er das Buch geschrieben hat, da dadurch wieder Dinge aufgedeckt wurden, die vorher nicht bekannt waren und die vielleicht durch ernüchternden Reaktionen bei uns vielleicht ein Umdenken und offenerer Umgang mit den Problemen bewirken. Es hat sich seit der Anzeige viel getan, doch ich sehe das Ziel noch nicht errreicht.
Deswegen muss ich auch dem Moderator zum Teil Recht geben. Zwar finde ich, dass Texte sehr wohl Einfluss in der Jugendbewegung finden, doch es ist wichtig nicht nur das historische Aufdecken zu betreiben, sondern auch dem Problem offen zu begegnen. Deswegen werde ich mich mit dem Ak Schatten der Jugendbewegung und den Menschen von Tabubruch zusammensetzen, ob man nicht vielleicht gemeinsam eine Veranstaltung organisiert, in der man über das Thema erneut aufklärt und sich austauscht und wo ich Interessierten erzählen werde, was aus meiner Sicht als Betroffener hilfreich war und wodurch in unseren Fällen der Missbrauch möglich war.
Es können sich auch gerne alle Betroffenen, die mit jemandem reden wollen, der ähnliches erlebt hat, an mich wenden.
Bis dahin Horridoh
Thomas
Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zuletzt von Der Harfenspieler am 23.03.2015 - 12:28.
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