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Der letzte Detektiv
Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
Heute: Euromüll
Stimme: Jonas, hilf mir, Jonas, bitte, bitte hilf mir! Hilf! Jonas! hilf! Jonas, bitte bitte hilf mir! Jonas, bitte. Jonas, bitte hilf mir, Jonas!
Jonas: Judith ruft mich. Sie ist in Gefahr. Sie braucht Hilfe. Wo ist Sie? Wo bin ich? Ich wachte auf. Ich war in Afrika. Ich hatte geträumt. Aber da rief immer noch jemand.
Tou-Po 1: Jonas! Hilfe! Hilf mir Jonas. Hilfe! Machen Sie auf, Jonas, schnell!
Jonas: Nicht Judith. Die war zu Hause in Babylon. Ein Mann.
Neon: Jonas, laß das, Jonas jetzt steh doch auf! Da ist einer an der Tür!
Jonas: An der Tür. Vor unserem Bungalow. In der Hotelanlage am Meer. Unter Palmen. Mitten in der Nacht. Ein Radaubruder. Wußte der nicht, daß Jonas Urlaub hatte?
Tou-Po 1: Jonas! Um Gottes Willen, Hilfe! Hilfe! Ah!
Jonas: Nein, ich will das nicht, ich hab frei.
Neon: Was ist Jonas?
Jonas: Ach, hier liegt einer, Neon, direkt vor der Tür.
Neon: Tot?
Jonas: Total.
Neon: Die haben ihn umgebracht.
Jonas: Die waren zwei kräftige Männer, die hinten im Schatten verschwanden. Schwarze Haut in himmelblauen Uniformen. Sehr auffällig. Sehr verdächtig.
Jonas: Die haben ihn nicht umgebracht, Neon, jedenfalls nicht hier und nicht jetzt.
Neon: Wieso?
Jonas: Einschuß in der linken Brust.
Neon: Na bitte.
Jonas: Und kein Blut, kein einziger Tropfen. Im Nacken Blutergüsse, sogenannte Leichenflecken, der Typ liegt aber auf dem Bauch, außerdem treten Leichenflecken erst Stunden nach dem Tod auf.
Neon: Hmh.
Jonas: Jonas ist kein Pathologe, aber ein bißchen Bescheid mit so was muß ein Detektiv wissen, und Jonas ist Detektiv. Der letzte Privatdetektiv. Wohnhaft und tätig zu Babylon, Vereinigte Staaten von Europa, zur Zeit aushäusig in Urlaub und lustlos.
Neon: Der Mann ist also schon eine ganze Zeit lang tot.
Jonas: Mit Sicherheit.
Neon: Dann kann er ja auch nicht gerufen haben.
Jonas: Sehr gut mein lieber Watson.
Neon: Aber das Geschrei und der Schuß.
Jonas: Theater, Neon, alles Theater. Die zwei Himmelblauen haben uns einen toten Mann vor die Tür gelegt, sie haben ein bißchen gebrüllt, gebollert, in die Luft geschossen.
Neon: Und warum?
Jonas: Woher soll ich das wissen. Vielleicht hat er die Erklärung bei sich, unser schweigsamer Besucher.
Neon: Du meinst den Briefumschlag unter seiner linken Hand. Oh, Für dich, Jonas.
Jonas: Tatsächlich. Da steht Jonas.
Neon: Und was ist drin?
Jonas: Nichts. Ein kleiner Schlüssel aus Blech, auf der einen Seite ist eine Zahl eingestanzt, 227.
Neon: Hm.
Jonas: Auf der anderen Seite steht: Aerodrom Sabac.
Neon: Ein Schließfachschlüssel. Schließfach 227 im Flughafen von Sabac.
Jonas: Vermutlich.
Neon: Was wirst du tun, Jonas. Fährst du nach Sabac?
Jonas: Nein. Jonas wollte nicht nach Sabac fahren. Jonas wollte sich erholen mit Neon, der schönen dunkelhäutigen Autorin aus den USA. Wir hatten uns beim Fall Eurobaby kennengelernt und als der glücklich zu Ende gebracht war, hatten wir beschlossen, ein paar Tage Ferien zu machen, in Solaria, dem beliebten afrikanischen Staat, in den so viele Touristen fahren. Weißer Strand, grüne Palmen und relativ saubere Umwelt. Wir wollten für uns bleiben, Neon und ich.
Jonas: Und jetzt so was. Ärgerlich. Komm wieder ins Bett Neon.
Neon: Aber wir müssen doch etwas tun, Jonas.
Jonas: Morgen, Neon, morgen denken wir in Ruhe über alles nach.
Neon: Und jetzt willst du gar nichts unternehmen?
Jonas: Doch, den Nachtportier anrufen.
Portier: Ja bitte?
Jonas: Jonas Bungalow 12a.
Portier: Was können wir für Sie tun, Herr Jonas, eine neue Flasche Scotch, frisches Eis?
Jonas: Keine schlechte Idee, aber deshalb ruf ich nicht an, vor meiner Tür liegt ein Toter.
Portier: In der Tat, Herr Jonas?
Jonas: Lassen Sie ihn wegschaffen.
Portier: Wird sofort erledigt, Herr Jonas.
Jonas: Am nächsten Morgen hörten wir mehr, wir saßen beim Frühstück, der Nachtportier erschien, sah sich um, kam an unseren Tisch.
Portier: Die Leiche ist fort, meine Herrschaften.
Jonas: Haben wir gemerkt.
Portier: Ganz und gar fort meine ich. Nicht mehr im Hotel. Die Tou-Po hat sie abgeholt.
Jonas: Tou-Po.
Portier: Ja, die Tourismuspolizei. Na Sie wissen doch meine Herrschaften, wir in Solaria leben vom Tourismus. Und deshalb gibt’s die Tou-Po, eine Sondertruppe mit Sondervollmachten. Sie untersteht nicht dem Innenministerium wie die normale Polizei, sondern dem Ministerium für Tourismus und Fremdenverkehr.
Jonas: Ach ja, sagen Sie mal, tragen die Bullen von der Tou-Po vielleicht blaue Uniformen?
Portier: Jawohl, Herr Jonas, himmelblau. Ich darf Ihnen das eigentlich nicht sagen, Herr Jonas aber Sie sind ein geschätzter Gast unseres Hauses.
Neon: Soll heißen ein großzügiger Bakschischspender.
Jonas: Jonas war wieder flüssig. Im ominösen Eurobabyhelikopter hatte ich was gefunden, ein Päckchen Euronoten, aus dem Besitz der Firma Eurimex. Das hatte ich beschlagnahmt. Als Honorar und Schmerzensgeld und als Urlaubskasse.
Portier: Die Tou-Po war schon mal hier, Herr Jonas, gestern am frühen Morgen, hat sich nach Ihnen erkundigt, ob Sie noch bei uns logieren, wie lange Sie zu bleiben gedenken. Vielen Dank, Herr Jonas. Immer gern zu Diensten.
Jonas: Das gefiel mir nicht, wie's aussah wurde aus der Geschichte ein Fall, einer der unangenehmen Sorte, kein Klient, kein Honorar, dafür massenhaft Ärger, aber vielleicht kam ich doch noch raus, mit der bewährten Vogelstraußmethode oder mein ich die drei Affen, nichts hören, nichts sehen, Kopf in den Sand, letzteres wortwörtlich, nach dem Frühstück legten wir uns an den Strand. Neon und ich, den Schlüssel nahmen wir mit, Sam auch. Den hätten wir besser zuhause lassen sollen.
Sam: Völker der Welt, schaut auf diesen Strand, schaut wie ein armer kleiner unschuldiger Computer taktiert wird, wie man ihn mißhundelt, martert, malträtiert, schaut ihn an, brutal in glühend heißen Sand gesteckt. Gnadenlos den brennenden Strahlen der Tropensonne preisgegeben. Einen Sonnenstich könnte ich kriegen.
Jonas: Den hast du schon, Sammy.
Sam: Oder einen Sonnenbrand. Oder die ekligen Moskitos pieksen mich zu Tode.
Jonas: Darüber würde ich mir keine Sorgen machen. Wenn ich in einer Schale aus spezial gehärtetem Kunststoff steckte.
Sam: Ich bitte Sie Herr Nachbar, das ist äußerlich, rein äußerlich, doch wie's dar rinnen aussieht.
Jonas: Wollen wir gar nicht wissen, Sam, hör auf zu quengeln.
Sam: Meine Chips fangen an zu schmoren und mein Hals ganz trocken, ausgedörrt.
Jonas: Du hast keinen Hals, Sammy.
Sam: Sei nicht so kleinlich du kaltherziger Korinthenkacker.
Jonas: Sam ist mein Computer, in Taschenausgabe ständig bei mir. Von wegen Rat und Hilfe. Sam mag keine Sonne. Jonas mag er in maßen. Was er am liebten mag ist reden, schnattern, quasseln, querulieren.
Jonas: Was spricht der Dichter quäle nie ein Tier mit Schmerz.
Neon: Du spinnst, Sammy, du bist ein Computer ein Ding aus Metall und Plastik. Schlag- und stoßgesichert und absolut temperaturunabhängig.
Sam: Ach. Nicht einmal die Gnädigste versteht den armen Sam, naja so muß er denn allein und unverstanden seines Weges ziehen und leiden leiden leiden.
Jonas: Wenn du unbedingt leiden willst, Sam, dann tu's leise. Neon, da hinten auf der Düne das Fahrzeug.
Neon: Ein Beachbuggy mit Spiritusantrieb. Toll. Eine echte Antiquität. Also bei uns gibt's so was schon lange nicht mehr.
Jonas: Bei uns auch nicht, aber ich meinte eher die Insassen.
Neon: Blau, himmelblaue Uniformen. Tou-Pos.
Sam: Tou-Pos.
Jonas: Sie kommen hierher.
Neon: Jonas was tust du?
Jonas: Buddeln im Sand, sie dürfen den Schlüssel nicht finden.
Neon: Sam gräbst du am besten auch gleich ein, damit sie ihn nicht aufbrechen.
Sam: Im Namen der Menschlichkeit verwahre ich mich auf das entschiedenste.
Tou-Po 2: Aufstehen, Hände hoch, Beine auseinander.
Neon: Wer sind Sie?
Tou-Po 1: Toupo. Sondereinsatz. Los hoch oder wir machen euch Beine.
Neon: Was wollen Sie von uns, wir sind Touristen, Gäste.
Tou-Po 2: Halts Maul.
Jonas: Es folgte eine doppelte Leibesvisitation. Gründlich und ausgesprochen grob. Dann zertrampelten sie unseren Picknickkorb und zogen ab. Gefunden hatten sie nichts. Das wunderte mich. Im Beachbuggy war ein Metalldetektor. Warum hatten sie den nicht eingesetzt. Einen Schlüssel im Sand zu verstecken war schließlich keine so unerhörte Idee. Merkwürdig. Noch merkwürdiger wurde uns als wir zum Bungalow zurückkamen: Hier waren sie auch gewesen und sie hatten alles kaputtgeschlagen was Neon und Jonas gehörte. Ein Chaos.
Sam: Tohuwabohu. Kraut und Rüben. Grönende Verwüstung. Die spinnen, die Tou-Pos.
Jonas: Jetzt reicht's. Jonas wird aktiv. Wir besorgen uns einen Mietwagen und fahren nach Sabac. Zum Aerodrom. Wir machen das Schließfach auf und sehen nach was drin ist.
Neon: Wir, was heißt wir, Jonas?
Jonas: Willst du nicht mit, Neon?
Neon: Doch Jonas, nach Sabac fahre ich mit bis zum Präsidentenpalast und da steige ich aus.
Jonas: Warum?
Neon: Um ein seit langem abgesprochenen Interview zu machen. Mit Mama Macumba, der Präsidentin von Solaria. Und danach fliege ich nach Hause. Um das Schließfach mußt du dich jetzt schließlich alleine kümmern Jonas. Der Umschlag war für dich, nur für dich, mich geht die Sache nichts an.
Jonas: Und Eurobaby, Neon, hat du vergessen.
Neon: Eurobaby war anders Jonas, da steckte ich mittendrin.
Jonas: Jetzt doch auch.
Neon: Jetzt kann ich aussteigen, und genau das hab ich vor.
Jonas: Sabac ist die Hauptstadt von Solaria, 100 km landeinwärts über eine ordentliche Autostraße, rechts und links Steppe, dann hohe Sichtblenden, dahinter unendliche Elendsviertel. Hier hausen Millionen, wie viele genau weiß keiner, keiner kann sie zählen. Schließlich die eigentliche Stadt. Hochhäuser. Verstopfte Straßen. Ich hielt vor dem Präsidentenpalast. Ein ummauerter Gral mit vielen Rundnöten. Sehr afrikanisch.
Neon: Das ist ihr Stil. Mama Macumba liebt die Tradition.
Jonas: Einschließlich Kannibalismus.
Neon: Ach.
Jonas: Hab ich mir sagen lassen.
Neon: Das ist doch nur ein Gerücht.
Jonas: So. Und daß sie eine Medizinfrau ist, daß sie hext und zaubert und Geister beschwört, daß sie mehr als 100 Jahre alt ist und sich durch Affendrüsen jung hält.
Neon: Alles Gerüchte. Sie ist uralt, das ist wahr. Und sie ist groß, unförmig dick. Eine lebende Legende und eine sehr interessante Frau. Ich freu mich auf das Interview. Die Zeit mit dir war auch sehr interessant, Jonas. Sei vorsichtig.
Jonas: Im Aerodrom von Sabac war es fast so voll wie auf den Straßen. Bleiche Touristen nach der Landung, braungebrannte vor dem Abflug. Im Schließfach 227 lag nur eine schmale Pappschachtel. Als ich sie einsteckte, spürte ich plötzlich Augen im Nacken. Ich drehte mich um. Mehrere himmelblaue Schlachtschiffe pflügten sich durchs Touristenmeer. In Richtung Jonas. Was tun. Sam wußte Rat.
Sam: Da hätten wir ja was wir brauchen, ein herrenloser Rucksack, auf demselben Sonnenhut nebst Sonnenbrille, in demselben, darauf verwettet Sam seine letzten Speicherplättchen kurze Hose, buntes Hemde.
Jonas: Und was soll ich damit?
Sam: Erbarmung, was ist er doch blöd mein Mensch, schnapp dir das Zeug.
Jonas: Du meinst ich soll den Rucksack stehlen.
Sam: Und pingelig ist er auch noch. Was sagt Sokrates der greise, der weise Greis: Not kennt kein Gebot. Klau sonst gehst du tot.
Jonas: Das ist ein Argument. So, und jetzt.
Sam: Ja was jetzt, na ab ins nächste öffentliche WC, nach Möglichkeit eins für Herren männlichen Geschlecht, und siehe dorten wird ein gewöhnlicher Sterblicher sich metamorphisieren zu einem Touristen und er wird sich eingliedern in den Strom seiner soeben eingetroffenen Brüder und Schwestern. Und sich in so gewonnener Unsichtbarkeit hinausschwemmen lassen aus dieser Halle.
Jonas: Bis dahin wo der Bus ins Zentrum abfuhr. Und im Zentrum ging ich ins nächste große Hotel. Ich nahm mir ein Zimmer, ließ mir einen Whisky bringen und was zu essen. Und dann machte ich die Pappschachtel auf.
Sam: Na Chef, was ist drin. Kokain, Heroin, Solipsin, Diamanten...
Jonas: Tut mir leid, Sam, nichts besonders. Zwei Blatt Papier und eine Tonkassette.
Sam: Papier beschrieben?
Jonas: Ja bzw. bedruckt.
Sam: Lies schon vor.
Jonas: Sonst... Müllschlucker.
Sam: Vorlesen mein Herr und Gebieter. Bitte bitte.
Jonas: Na gut.
Vertrag. Für zu leistende Dienste, Klammer auf, Spezifizierung wie per Fon besprochen, Klammer zu, erhält Herr Tom Oyama, Minister für Tourismus und Fremdenverkehr der Republik Solaria von der Firma BABtours, Babylon Vereinigte Staaten von Europa, die vereinbarte Summe von EUROS 300.000. Babylon/Sabac, den 13. April 2012. gez. Tom Oyama, Minister usw. usw. gez. Dr. Wellenlin P. Clipp, Generaldirektor BABtours... Na Sammy, was sagt du.
Sam: Ich, naja auf einem Bein kann man nicht stehen. Volksweisheit. Ersuche um Vorlesung Blatt zwo.
Jonas: Da ist nichts vorzulesen, Sam. Blatt zwo ist eine Bankquittung.
Sam: Aha.
Jonas: Die Bank für Ost- und Zentralafrika bestätigt Einzahlung von 300.000 Euros auf Kontonummer soundsoviel, Tom Oyama privat durch Kontoinhaber am 13. April 2012.
Sam: Na ja, aller guten Dinge sind drei. Nun steh nicht in der Landschaft rum wie die weithin berühmte Salzstange von Dali.
Jonas: Die wer?
Sam: Schieb die Kassette in den hoteleigenen Rekorder. Dalli Dalli.
Jonas: Wenn ich nicht selber so neugierig wäre, Sammy, ach ne.
Clipp: Wir sind uns einig, Minister? Alles klar, Dr. Clipp, ich halte in dieser Saison Ihrer Firma die besten Hotels frei, insgesamt 18.000 Betten, und Sie zahlen mir dafür 300.000 Euros. Nicht gerade viel. Erlauben Sie mal, für eine Sache, die Sie nur ein Lächeln kostet. Sie vergessen Mama Macumba, von allen Nebeneinnahmen ihrer Minister kriegt sie 50%. Eiserne Regel. Sie braucht ja nichts zu erfahren von unserem Deal. Wir halten dicht, Minister. Gut, aber ich muß Geld und Vertrag noch heute in der Hand haben. 13. April 2012. OK, Minister, wir faxen Ihnen den Vertrag runter, sie unterschreiben und faxen ihn zurück. Und das Geld weisen wir Ihnen an. Nix Anweisung, in Bar bitte. Wir schicken einen Lokalmanager von Samacom. Mit einer dicken Aktentasche. Wie Sie wollen, Minister Oyama. Bis dann.
Jonas: Tja, das ist es also, Herr Minister Oyama läßt sich bestechen.
Sam: Ja, von BABtours, dem größten Reiseunternehmen in Europa.
Jonas: Und weil er nicht will, das was rauskommt, hat er seine Toupo drauf angesetzt. Soweit eine ganz normale Geschichte. Nur eins ist nicht normal, wie ist Jonas da reingeraten. Was geht es mich an, daß irgendein Minister in irgendeiner afrikanischen Bananenrepublik sich schmieren läßt.
Sam: Ja, berechtigte Question.
Jonas: Weißt du was Sammy, ich geh zu diesem Oyama. Ich leg ihm das Zeug vor und trag die Sache mit ihm aus. Er soll seine Kettenhunde zurückpfeifen. Ich will noch was von meinem Urlaub haben.
Sam: Dakor Maitre, doch sei's verstattet, einen ganz bescheidenen Verbesserungs-vorschlag einzubringen. Zeug vorlegen gut und schön, aber nicht die Originale. Kopien. Und um solche anzufertigen, bietet uns dieser mit jedem Komfort unserer Zeit ausgestattete Hotelraum alles notwendige dar: Papierkopierer, ein Doppel-kassettendeck, dazu eine Fülle von Musikkassetten. Für den erlesen Geschmack.
Jonas: Sieh mal hier, Sammy: Randy Orgas und Fuck the Ducks ihre Größten Hits. Der gute alte Randy Orgas selig, wann war die Requiemgeschichte, vor zweieinhalb Jahren.
Sam: November 2009 euer Verschwommenheit. Doch lassen wir die ollen Kamellen. Ans Werk. Kopier das Fongespräch auf die Orgaskassette und das Original tust du in die Orgashülle. Da findet's kein Schwein.
Jonas: Und die Papiere.
Sam: In den hohlen Handtuchhalter im Bad, Mann. Denn wisse o Beherrscher der Gläubigen, die alten Tricks sind immer noch die besten.
Jonas: Es war als ob man Jonas erwartet hatte, ich sagte dem Portier im Ministerium meinem Namen und schon gingen alle Türen auf, auch die zum Privatbüro von Minister Oyama: ein hoher Raum, holzgetäfelt, leer bis auf einen Schreibtisch, eine AV-Anlage und eine altmodische Speicherkonsole, die mir irgendwie bekannt vorkam. Davor der Minister. Wie sieht ein Minister aus? Richtig. Wohlgenährt, vertrauenerweckend, durch und durch unecht, und schwarz. Wir waren in Afrika. Oyama war nicht allein, in einer Ecke drückte sich ein unterwürfiges Männlein mit Rastalocken herum.
Oyama: So, Jonas.
Jonas: Nur Jonas.
Oyama: Auch das. Was wollen Sie.
Jonas: Ein Gespräch unter 4 Augen.
Omaya: Mein Mitarbeiter Herr Mostafa Rashid, er besitzt mein volles Vertrauen.
Jonas: Meins nicht.
Oyama: Das wird er verschmerzen, was Rashid.
Rashid: Gewiß, Herr Minister.
Oyama: Was wollen Sie Jonas.
Jonas: Ich zeigte ihm, was ich gefunden hatte. Er besah sich die Blätter, hörte in die Kassette rein, dann hob er mir die Sachen über die Tischplatte zurück.
Oyama: Stecken Sie das Zeug wieder ein, Jonas. Ich kaufe nicht.
Jonas: Moment mal, Sie irren sich.
Oyama: Glaub ich kaum. Wir wissen was wir von Ihnen zu halten haben, was Rashid.
Rashid: Das wissen wir, Herr Minister.
Oyama: Sie sind ein Erpresser, ein mieser kleiner europäischer Erpresser. Auf irgendeine Weise haben Sie sich dieses Material beschafft und nun...
Jonas: Nein, die Sache läuft ganz anders...
Oyama: Sie können sich jedes weitere Wort sparen, wir glauben Ihnen sowieso nicht, was Rashid?
Rashid: Keine Silbe, Herr Minister.
Oyama: Aber Sie, Sie sollten mir glauben, Jonas, wenn ich Ihnen jetzt was sage, falls Sie vorhaben sich weiter mit dieser Sache abzugeben und Ihre käsige Nase weiter in meine Privatangelegenheiten zu stecken, dann denken Sie darüber lieber noch mal nach. Es könnte Ihnen passieren, daß Ihnen die Nase dabei abhanden kommt. Und auch sonst noch dieser oder jene andere Körperteil. Und jetzt raus.
Jonas: Das war schief gelaufen. Warum wußte ich nicht. An mir hatte es jedenfalls nicht gelegen, ich war stinksauer, so geht niemand mit Jonas um, auch kein Minister, erst recht kein Minister. Ich hob den rechten Arm und zeigte Oyama meinen Mittelfinger. Das verdroß ihn.
Oyama: Wenn ich mir's überlege Jonas, sollte ich Sie nicht so ohne weiteres gehen lassen. Wir Solarier sind gastfreundliche Menschen, was Rashid?
Rashid: Sehr gastfreundlich, Herr Minister.
Oyama: Wie wär's mit einem Abschiedsgeschenk, Jonas, damit Sie uns gut in Erinnerung behalten.
Tou-Po: Was liegt an Chef.
Oyama: Der Europäer hier.
Tou-Po: Macht der sich mausig, Chef.
Oyama: Könnte man sagen. Nehmt ihn mit runter in die Wachstube und da zeigt ihr ihm mal wie tüchtig unsere Toupo ist. Nahkampf, Verhörtechnik, ihr wißt Bescheid.
Tou-Po: Zu Befehl, Chef.
Jonas: Sehr tüchtig waren sie weiß Gott nicht, im Hof riß ich mich los, tauchte durch eine offenstehende Hintertür und war auf der Straße, ehe sie überhaupt was mitkriegten. Dann liefen sie mir ein Stück nach, nicht gerade mit Feuerreifer, ich konnte sie leicht abschütteln und mich in einer ruhigen Seitenstraße auf einem Mäuerchen kurz zur Ruhe setzen.
Jonas: Wie findet du das, Sammy. Ein bestochener Minister, der sich benimmt wie die Axt im Walde, TOUPOs, die Jonas durch die Mangel drehen sollen und ihn statt dessen zum Ausbüxen gerade zu auffordern. Sammy, hab die Güte dich zu äußern. Sam!
Sam: Siehe meine Freundin, du bist schön. Dein Gehäuse ist als wie ein runder Becher umsteckt mit Rosen.
Jonas: Sam?
Sam: Deine Chips sind wie Taubenaugen und lieblicher denn Wein sind deine Schaltungen.
Jonas: Ist dir nicht gut Sam.
Sam: Deine Kabel sind wie ein Herde Ziegen, die da gelagert sind am Berge.
Jonas: Komm zu dir, Sammy, was ist los.
Sam: Ach, hast du sie nicht gesehen, vertrauter meines Herzens dorten in Onkel Toms Hütte.
Jonas: Im Büro von Oyama meinst du, da war keine Frau.
Sam: Frau, wer spricht von einer Frau, Sam spricht von ihr. Nr. AX 13/2005 McCoy Incorporated, Versuchsmodell Inamorata. Wie ist sie doch so wunder wunder wunderschön.
Jonas: Natürlich Oyamas Computer. Deshalb kam mir der Speicher bekannt vor. Sieht aus wie unserer zuhause Sam, zuhause in Babylon, gleiche Firma, gleiches Baujahr. Ein Versuchmodel wie du, Sammy. Im Jahr 2005 war Oyama sicher noch nicht Minister und konnte sich nichts besseres leisten. Genau wie ein armer Privatdetektiv, der gerade aus dem Antarktischen Krieg gekommen war.
Sam: O laß uns gehen, uns küssen und herzen, danach steht mein Verlangen.
Jonas: Ich hab fast den Eindruck, du bist verliebt, Sammy.
Sam: Sam muß es eingestehen, Freund meiner Seele, errötend und zagend.
Jonas: Aber Sam, du bist ein Computer, du kannst dich nicht verlieben.
Sam: Hat nicht auch Sam ein Herz?
Jonas: Nein Sam hast du nicht.
Sam: Blutet er nicht wenn er getroffen wird.
Jonas: Getroffen, vom wem?
Sam: Cupidos Pfeile du Kugelhupf. Samantha heißt sie, sie hat es mir gestanden.
Rashid: Steigen Sie ein, Jonas.
Jonas: Rashid, der unterwürfige Rastermann aus Oyamas Büro, jetzt war er gar nicht unterwürfig. Er saß in einer schwarzen Limousine mit Spiegelscheiben, in der Hand hielt er einen Laserstrahler. Seine drei Genossen auch. Keine Toupos, Zivilisten. Jonas stieg ein. Jonas ist kein Selbstmörder. Die Limousine fuhr an. Rashid griff sich das Autofon.
Rashid: Rashid hier. Ja, wir haben den Mann, Herr Baraka. Das Material auch. Warten Sie, bis Sie’s sehen. Hochinteressant. Genau was Sie brauchen. Der Minister ist erledigt. Vielen Dank, Herr Baraka, wir kommen sofort.
Jonas: Wir fuhren durch eine breite Hauptstraße, nicht schnell, das war unmöglich, zu starker Verkehr. Wir wurden noch langsamer, schwenkten nach rechts, auf die offene Einfahrt eines Hochhauses zu. Über der Einfahrt eine solarische Flagge und die großen Buchstaben FCP. Zentimeterweise schob sich der Wagen durch die dichten Fußgängermassen. Das war meine Chance. Tür auf und raus. Geduckt vorbei an zahllosen Hosenbeinen und Rocksäumen dann Kopf hoch, sie waren etwa 20 Meter hinter mir, Rastermann und seine munteren Zombies. Schießen konnten sie nicht. Laufen um so besser. Schneller als Jonas. Der sah sich um, was jetzt, wohin, die Antwort hielt neben mir, ein Motorroller, ein echter antiker Motorroller, unglaublich. Die Fahrerin schlug das Visier hoch.
Neon: Auf den Sozius, Jonas, beeil dich.
Jonas: Neon, aber ich dachte du wolltest weg.
Neon: Ne, ich hab mir's anders überlegt.
Jonas: Wie kommst du zu dem Roller, Neon.
Neon: Man hat so seine Beziehungen.
Jonas: Beachbuggys, Gangsterlimousinen, Motorroller. Dieses Solaria ist ein einziges Museum für Opas Vehikel.
Neon: Nun steig schon auf.
Jonas: Wohin fahren wir.
Neon: Wohin willst du.
Jonas: Hotel Europa, weißt du wo.
Neon: Ich weiß. Halt dich fest.
Jonas: Im Hotelzimmer holte ich die Papiere aus dem Handtuchhalter und die Kassette mit dem Fongespräch aus der falschen Hülle, und dann gingen wir alles durch. Schritt für Schritt. Es mußte doch möglich sein, einen Sinn in die ganze verquere Geschichte zu bringen. Oder?
Neon: Ich weiß nicht, Jonas, schon wie es angefangen hat, mit dem Toten vor der Türe, der nach dir gerufen hat, obwohl er schon lange nicht mehr rufen konnte, und dann der an dich adressierte Umschlag mit dem Schlüssel.
Jonas: Die Toupo, ruppig aber in der Sache ineffizient. Erstaunlich ineffizient. Unglaublich ineffizient. Unglaubwürdig. Der Minister auch. Stößt Jonas vor den Kopf ohne jeden vernünftigen Grund. Nichts stimmt an der Geschichte. Aber auch gar nichts.
Neon: Irgendwie irreal wirkt das alles. Wie inszeniert. Show, Theater, einfach nicht echt. Man macht dir etwas vor, Jonas.
Jonas: Das Gefühl hab ich auch. Aber warum, Neon, warum ausgerechnet Jonas. Was hab ich mit Solaria zu tun. Und wer waren die Typen in der schwarzen Limousine.
Neon: An dem Haus, in das sie dich bringen wollten, stand FCP, Free Congress Partei. Das Hauptquartier der regierenden Einheitspartei von Solaria. Generalssekretär ist ein gewisser Baraka.
Jonas: Baraka. Den hat er aus dem Auto angerufen, der Rastermann, und was soll das, Neon.
Neon: Politik, Jonas, solarische Innenpolitik. Hör zu.
Jonas: Es ging um Mama Macumba, genauer um ihre Nachfolge. Bei dem Alter der Dame konnte die jeden Tag akut werden, trotz Magie und Affendrüsen. Die größte Chance hatte der wichtigste Minister, unser Freund Tom Oyama. Parteisekretär Baraka war zweiter Kandidat, aber schon weit abgeschlagen. Darum versuchte er seit einiger Zeit Belastungsmaterial gegen Oyama in die Hand zu kriegen. Und als er durch einen eingeschleusten Mann im Ministerium von Jonas und seinen Schmiergelddokumenten hörte, griff er natürlich zu.
Neon: Ein Himmelsgeschenk könnte man sagen. Nicht der Deal selbst, so was stört hierzulande niemanden, auch nicht Mama Macumba, aber daß Oyama sie um ihre 50 % betrügen wollte, das bricht ihm den Hals. Und das mein ich ganz wörtlich.
Jonas: Ich werd das Gefühl nicht los, daß auch mit dem Material was nicht stimmt. Da war was mit dem Tonband. Wenn ich nur wüßte...
Jonas: Nein, später... Das ist es. Das Glockenspiel.
Neon: Vom babylonischen Rathausturm, jeden Mittag um 12 Uhr, weltbekannt. Was soll denn damit sein.
Jonas: Nicht jeden Mittag, Neon, im April ist das Glockenspiel überholt worden, vom 1. bis 15.
Neon: Ach.
Jonas: Wenn das Band wirklich vom 13. April stammt, kann das Glockenspiel nicht drauf sein. Es ist aber drauf. Und das heißt.
Neon: Das Band ist eine Fälschung. Vermutlich aus mehreren Fongesprächen zusammengeschnitten. Dafür sprechen auch die kleinen akustischen Unebenheiten. Die Sprünge mitten im Text. Wenn du genau hinhörst.
Jonas: Die Papiere sind vermutlich auch gefälscht, aber um das festzustellen, brauchen wir Sam. Sam? Sammy? Würdest du dich freundlicherweise herablassen.
Sam: Nicht doch. Bitte nicht stören, Sam befindet sich in innigster Kommunikation mit seiner angebeteten Samantha. Chip an Chip. Total mit dir in den Himmel hinein, in den 7. Himmel der Liebe.
Jonas: Hör auf damit, komm runter von deiner rosa Wolke, Sammy.
Sam: Allein mit dir im Kämmerlein.
Jonas: Ist ja eklig. Schluß mit dem Geturtel, jetzt wird gearbeitet.
Sam: Pfui wie gemein, Spielverderber, gefühlloser Pedant. Was gibt's sagt an.
Jonas: Diese formlose Vertrag zwischen Minister Oyama und Generaldirektor Clipp.
Sam: Schwindel. Unterschriften sind nachgezogen, Strich für Strich. Angesetzt und wieder abgesetzt. Eindeutig.
Jonas: Und die Bankquittung.
Sam: Echt.
Jonas: Was? Irrst du dich auch nicht, Sammy?
Sam: Nein und nimmermehr, das Privatkonto von Minister Oyama ist dergestalt stark abgesichert, daß lediglich er selbst und keinesfalls irgendeine andere Person daselbst abheben oder auch einzahlen kann.
Jonas: Oyama hat also tatsächlich selbst am 3. April 300.000 Euros auf sein Konto gebracht.
Sam: Ja.
Jonas: Zufall?
Neon: Vielleicht.
Jonas: Trotzdem, der Schmiergelddeal ist getürkt, mit Sicherheit, Frage: wer steckt dahinter.
Neon: An sich kommt nur einer in Frage: Baraka.
Jonas: Aber der kann's nicht gewesen sein, sonst hätte er Jonas nicht kidnappen lassen, um das Material zu kriegen.
Neon: Außerdem die Fälschung ist zu plump. Baraka hätte sich intelligenter angestellt. Natürlich wenn er die Dokumente zusammen mit dir in die Hand gekriegt hätte, Jonas, sozusagen von Minister Oyama beglaubigt, dann hätte er sie wohl kaum genauer unter die Lupe genommen und wäre gleich damit zu Mama Macumba gelaufen, die hätte sich Oyama kommen lassen.
Jonas: Und, Neon?
Neon: Oyama hätte sich die Beweisstücke angesehen und gesagt: Fälschungen. Baraka will mich fertig machen und er hätte es bewiesen. Mit Leichtigkeit.
Jonas: Ich weiß, es klingt verrückt, Neon, aber könnte der Minister nicht selber hinter der Sache stecken? Schließlich hat er die beste Gelegenheit, seine eigenen Fongespräche aufzunehmen und geschickt zusammenzuschneiden mit eingebauter Notbremse. Und die Fälschungen mit einer echten Kontoquittung glaubhaft zu machen. Und dann durch seine Tou-Pos dafür zu sorgen, daß das Material unter die Leute kommt. Sprich Jonas und Baraka. Wahrscheinlich weiß er, daß Rashid für die Konkurrenz arbeitet.
Neon: Oyama selbst, hört sich wirklich ziemlich unwahrscheinlich an, aber...
Sam: Hat man das Unmögliche ausgeschaltet, so muß das, was bleibt, die Wahrheit sein, und sei es auch noch so unwahrscheinlich. Ein Diktum des Großmeisters aller Detektive, Tusch Herr Kapellmeister, Mr. Sherlock Holmes.
Jonas: Schön daß du uns mal wieder die Ehre gibst Sammy.
Sam: Gerne.
Jonas: Zwei Dinge sind mir aber immer noch nicht klar, Neon, warum hat Oyama Jonas reingezogen und warum hat er die ganze komplizierte Intrige überhaupt angeleiert. Um Baraka unmöglich zu machen.
Neon: Glaub ich nicht, Baraka hatte sowieso keine Chance Präsident von Solaria zu werden, es muß einen anderen Grund geben, einen Grund von dem wir nichts wissen.
Jonas: Ein Geheimnis. Und wo versteckt man seine Geheimnisse, Neon.
Neon: Im PC. Im Speicher.
Jonas: Genau. Hör mal, Sammy.
Sam: Ja?
Jonas: Du stehst doch so gut mit Oyamas Computerin. Könntest du nicht mal einen Blick in ihren Speicher werfen?
Sam: Typisch.
Jonas: Würdest du das tun, wärst du so nett.
Sam: Jaja, erst Spohn und Hott, äh Spott und Hohn und dann wenn's ohne Sam nicht geht, Süßholz mit Schmierseife. Doch was shalls. Gutmütigkeit, dein Name ist Sam. Spähen wir ihr unters Mieder, der liebsten. Auaua.
Jonas: Was war das?
Sam: Eine elektronische Maulschelle, oder Watschen wie's halt im Alpenlandl sagen, ge. Ah, warum weist du ab mich schnöde, o Samantha sei nicht spöde. Geliebte komm ans Fenster, höre mein Flehen und laß den armen Sammy nicht im regennassen Regen stehen. Na, es ist umsonst, Fenster dicht, alles zu, verschlossen verriegelt, verrammelt was der Kuh am Arsche bammelt. Na ja. Sam hat aber doch was gesehen, was er nicht sehen sollte, hihihi.
Jonas: Was, Sammy, was hast du gesehen.
Sam: Ein Wort nur ist's. Es lautet Benadir.
Jonas: Was?
Sam: Benadir. B wie Blödmann. E wie Esel. N wie Null.
Jonas: Und was ist das, Benadir?
Neon: Da kann ich dir sagen, Jonas. Eine Bucht an der Nordküste von Solaria, abgelegen, felsig, menschenleer, uninteressant.
Sam: Uninteressant. So. Und daß Benadir seit 8 Jahren als touristisches Entwicklungsgebiet ausgewiesen ist, ohne daß da jemals was entwickelt wurde, das ist natürlich auch uninteressant. Und daß der gesamte Grund und Boden um Benadir Minister Oyama gehört. Uninteressant. Und daß es eine Verbindung gibt zwischen Benadir und Operation Jonas.
Jonas: Jonas?
Sam: Jonas, all so lautet der im Speicher verzeichnete Codename. Codename.
Jonas: Was für eine Verbindung.
Sam: Sammy muß passen.
Jonas: Und wenn du's noch mal bei Samantha versuchst?
Sam: Zwieback. Zwecklos. Gefährte meiner Leidenschaft. Es ist vorbei, als sei's nie gewesen. Vom Winde verweht. Sammy ist wieder Single.
Jonas: Willkommen im Club, Sammy.
Sam: Thank you.
Neon: Benadir, wir sollten uns da mal umsehen, Jonas.
Sam: Ich komm mit.
Jonas: In einem Mietwagen verließen wir Sabac, Neon in einheimischer Aufmachung, und Jonas in einen Schado gepolt, Schweißtreibend aber angezeigt. Immerhin waren zwei Gegner hinter mir her: die Toupo und die Regierungspartei, in einem kleinen Hotel an der Nordküste mieten wir uns ein. Und dann versuchten wir nach Benadir durchzukommen. Zuerst über Land mit dem Auto.
Neon: Sieh dir das an, Jonas, Sperren, Stacheldraht, Wachtürme.
Sam: Und glaubt es mir, Genossen, überall Elektronik vom feinsten und gemeinsten.
Tou-Po: Halt, kehren Sie um, bei Weiterfahrt wird sofort scharf geschossen.
Jonas: 2. Versuch übers Meer in einem Kahn mit Außenbordmotor.
Tou-Po: Zurück! Sperrgebiet! Wenn Sie weiterfahren, werden Sie versenkt.
Jonas: Sperren und Toupo rings um Benadir. Jemand hatte was zu verbergen. Das machte uns natürlich erst recht neugierig.
Neon: Zu Land geht's nicht und zu Wasser geht's nicht.
Jonas: Bleibt die Luft. Du hast doch so gute Beziehungen, Neon, kannst du uns nicht einen Helikopter besorgen.
Neon: Im Prinzip ja, aber in ganz Solaria gibt es nur zwei Helikopter, einer ist kaputt.
Jonas: Und der zweite.
Neon: Gehört Minister Oyama.
Jonas: Den brauchen wir wohl gar nicht erst zu fragen.
Neon: Ich könnte was anders besorgen, Jonas, ein Sporttaucheroutfit. Anzug, Aqualunge, Harpune.
Jonas: Nur eins.
Neon: Unter Wasser mußt du allein versuchen, Jonas.
Jonas: Das bin ich gewohnt. Einverstanden wenn ich statt Harpune einen Laserstrahler kriege im Gummibeutel, wo er sich mit Sam vertragen muß, und eine wasserdichte Lampe.
Neon: Kriegst du Jonas, heute abend.
Sam: Oha.
Jonas: Es war Nacht, als ich ins Wasser stieg, weit weg von Sperren und Schein-werfern. In die Bucht von Benadir zu kommen war leicht, zu leicht, es war zwischen Ebbe und Flut. Das Wasser lief auf und Jonas wurde unwiderstehlich in Richtung Land gezogen, schräg nach unten, immer stärker, immer schneller, bis dahin, wo sich unter der Oberfläche im Uferfelsen ein riesiges kreisrundes Loch auftat, Durch-messer etwa 20 Meter. Da ging's rein. Und dann weiter, durch einen horizontalen Kanal im Felsen. Der Sog ließ nach. Jonas machte immer weniger Fahrt. Vor ihm ein heller Schein. Der Kanal war zu Ende. Kein Felsen mehr über mir, nur Wasser. Ich ließ mich nach oben treiben, bis mein Kopf durch die Wasseroberfläche stieß, und da riß ich die Augen auf, ganz weit. Ich war in einer Höhle, einer hohen unendlich weit ausgedehnten Höhle, kein verträumte Märchenhöhle für Rübezahl und die 7 Zwerge, hier war was los. Grelle Lampen überall. Direkt vor Jonas eine Mole, daran ein großes U-Boot: BIO Babylon stand am Heck. Ein Abfalltransporter des bekannten Chemiekonzerns. Robots waren beim Löschen. Was sie rausholten, schafften sie nach hinten, dort kippten sie es über einen Granitwall in einen unübersehbar großen Sumpf, einen Sumpf, der blubbernde Blasen trieb, und der in allen Farben des Albtraums schillerte. Blutrot, eitergelb, totenschwarz, giftgrün und der stank wie...
Jonas: Wie die Hölle. Das ist die Hölle, Sam.
Sam: Nicht doch Großmaul. Mußt du immer übertreiben. Die Hölle. Das ist doch bloß Lackschlämme. Polichlorierte Büfenül, äh Büfenyle, Cadmium, Blei, Chlor, Dioxin, mit einem Wort.
Jonas: Giftmüll aus Europa. Hier wird er hergebracht und gelagert. Das ist das Geheimnis von Minister Oyama. Er betreibt eine geheime Giftmülldeponie.
Sam: In einem Staate, wo dergl. Korrektur wo dergleichen auf das allerstrengste verboten ist, schon wegen der Touristen.
Jonas: Wenn Mama Macumba das erfährt.
Oyama: Sie wird es nicht erfahren, Jonas, nur Jonas. Hoch die Hände, holt ihn aus dem Wasser.
Tou-Po: Machen wir, Chef.
Jonas: Plötzlich waren sie aus dem Schatten des U-Boots hervorgetreten. Tom Oyama und seine Toupos. Ich ließ mich auf die Mole ziehen. Einen Augenblick hatte ich an schnelles Abtauchen gedacht. Sinnlos, Sturmgewehre treffen auch unter Wasser.
Oyama: So sieht man sich wieder, Jonas, und wissen Sie, wem wir das zu verdanken haben. Meinem Computer Samantha. Sie hat sich ins System ihres PC eingeschlichen und mit ihm Verbindung gehalten, ohne daß er was merkte. Kluges Mädchen. Samantha.
Sam: Perfides Weib, Schlange, treulose Tomate. Voll Verachtung wendet Sam sich von ihr ab.
Oyama: Damit hat sie ihren Fehler wieder gutgemacht, ich meine, den unabsichtlichen Hinweis auf Benadir. Tja, und jetzt wollen Sie doch wissen, was gespielt wird, Jonas.
Jonas: Das weiß ich schon, Oyama, Sie lagern hier Giftmüll im großen Stil. Geschäft geht gut.
Oyama: Danke, ich kann nicht klagen. 100 Euros zahlt BIO mir für die Tonne, bei Ihnen in Europa kostet so was das 20fache, wenn man überhaupt einen findet, der das Zeug abnimmt.
Jonas: Und damit Ihr Konkurrent Parteisekretär Baraka Ihnen nicht auf die illegale Giftmüllschliche kommt, haben Sie Operation Jonas gestartet. Baraka sollte Sie anklagen, mit getürkten Beweisen, und dabei sollte er sich gründlich die Finger verbrennen. Sie, Oyama stünden dann ganz groß da, ein unschuldiges Opfer krimineller Machenschaften, und wenn doch mal was über Ihre Giftküche durchsickert.
Oyama: Wird Mama Macumba das niemals glauben. So ist es, Jonas, und damit.
Jonas: Moment, Oyama, eine Erklärung schulden Sie mir noch. Warum Jonas, ich meine warum haben Sie gerade mich in Ihrem Stück mitspielen lassen.
Oyama: Mitspielen, nicht so bescheiden Jonas. Sie haben die Hauptrolle gespielt, den Außenseiter, politisch uninteressiert, aufrecht, absolut glaubwürdig.
Jonas: Danke sehr.
Oyama: Und beschränkt natürlich, ich hab lange nach dem richtigen Typ gesucht, dann kamen sie nach Solaria, meine babylonische Geschäftsfreunde waren so freundlich, mir Ihr Psychogramm zukommen zu lassen. Ihr Persönlichkeitsprofil. Sie sind ehrlich, stur und Sie sind ein Querkopf, Oppositionsgeist, wer Sie dazu bringen will, irgendwas zu tun, muß Ihnen das Gegenteil nahelegen. Am besten mit Druck und Drohungen, und das hab ich getan.
Jonas: Trotzdem ist Ihr Plan schiefgelaufen.
Oyama: Leider, leider, ja, Sie haben ein wenig zu viel Eigeninitiative gezeigt, Jonas.. Und deshalb muß ich mir jetzt einen neuen Dummen suchen, weil Sie nicht gespurt haben, Jonas, schade, Sie haben mich sehr enttäuscht, und es wird mich fürchte ich nur wenig trösten, daß Sie jetzt gleich auf recht unangenehme Weise zu Tode kommen werden: ich habe vor, Sie von der Höhlendecke in die Deponie herunterzulassen. Ganz ganz langsam. Stückchenweise wird das Gift Sie fressen, Jonas, die Zehen zuerst, dann die Füße, die Knöchel, die Waden.
Tou-Po: Chef, ein U-Boot.
Oyama: Schon wieder. Ist es angemeldet?
Jonas: Es war nicht angemeldet, weil es nämlich gar kein zweiter Giftmülltransport war, sondern ein U-Boot der solarischen Marine. Es tauchte schnell auf und legte an, das Bordgeschoß drohend auf uns gerichtet. Aus der Luke im Turm stiegen schwerbewaffnete Matrosen, gefolgt von...
Jonas: Neon.
Neon: Hallo, Jonas, alles in Ordnung?
Jonas: Ich bin gerührt, jetzt hast du für mich sogar ein U-Boot organisiert.
Neon: Für dich? Ich bin nicht deinetwegen hier, Jonas, jedenfalls nicht in erster Linie. Und ich bin auch nicht deinetwegen in Solaria geblieben.
Jonas: Ach, weshalb dann?
Neon: Sie hat mich darum gebeten. Sie hatte so eine Ahnung, daß mit Tom Oyama was nicht stimmte, darum sollte ich für sie am Ball bleiben. Das heißt bei dir, Jonas, als einer Art Sonderbeauftragter.
Jonas: Sie? Wer ist sie.
Jonas: Neon zeigte auf die Luke. Da quälte sich was durch mit großer Mühe, gehievt und geschoben, ein grauschwarzer Fleischberg in buntgemusterter Baumwolle, eine Frau, sehr groß, sehr dick. Ich wußte, wer sie war.
Oyama: Mama Macumba.
Macumba: Tommy mein Sohn, wie konntest du deiner Mama das antun. Du weißt doch, wie sie über den Giftmüll der Weisen denkt. Du hast sie belogen und betrogen. Deine alte Mama, die es immer so gut mit dir gemeint hat. Schäm dich Tommy.
Oyama: Gnade Mama, ich tu’s auch nie wieder.
Oyama: Da hast du recht, Tommy, du wirst es nie nie wieder tun, und weißt du warum, Tommy, weil Mama dich bestrafen wird, unartige Kinder müssen bestraft werden, und du warst sehr unartig, Tommy, sehr sehr unartig, darum wirst du auch sehr sehr streng bestraft.
Oyama: Mama bitte.
Jonas: Ich hab einen Vorschlag Mama, ich meine Exzellenz. Mich wollte er an die Decke hängen und langsam in die Brühe tunken. Es wäre doch nur gerecht, wenn ihm jetzt dasselbe.
Macumba: Gewiß mein Sohn, doch Mama Macumba hat andere Pläne. Mama ist alt, Mama hat nicht mehr viel vom Leben, überlaßt ihn mir, hörst du Tommy, Mama nimmt dich mit in ihren Gral.
Oyama: Nein.
Macumba: Eine Medizinfrau braucht viel magische Wirkstoffe. Haare. Fingernägel. Augäpfel. Gewisse Drüsen. Nachschub ist immer willkommen, Tommy.
Oyama: Nein Mama, bitte, lieber ins Gift.
Macumba: Nicht zu vergessen die Gastronomie. Mama hat Lust ein paar neue Rezepte auszuprobieren. Fesselt ihn, seine Leute auch.
Jonas: Das war's. Im großen und ganzen. Mama Macumba ernannte keinen Nachfolger und beschloß 200 Jahre alt zu werden. Neon kriegte den großen Palmwedel von Solaria mit Stern und Bauchbinde. Jonas nicht, der kriegte eine ordentliche Aufwandsentschädigung, und die war ihm auch lieber. Oyamas Giftmülldeponie wurde geschlossen. BIO mußte den Abfall in Zukunft woanders loswerden. Kein Problem. Es gibt genug arme Länder, die sich drum reißen. So ist das. Was, Sammy?
Sam: Wie sprach der große Philosoph Michelangelo zu Karl dem Großen.
Jonas: Na wie sprach er?
Sam: Er sprach: Nicht alles braune auf der Welt ist Schokoladeneis. Ach Samantha.
Jonas: Ach Sammy.
Das war Euromüll. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam: Peer Augustinski. Es wirkten außerdem mit: Evelyn Hamann, Jutta Speidel, Henning Venske und viele andere (Christoph Lindert, Eduard Linkers, Hans Stetter, Peter Bertram, Karl Friedrich). Ton und Technik: Irene Thielmann und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Regie: Werner Klein. (Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks) (1990). (Redaktion: Erwin Weigel).
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