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Der letzte Detektiv
Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
Heute: Todestour
Judith: Jonas?
Jonas: Was ist? Zeit zum Aufstehen?
Ruhe. Kein Wort, keine Bewegung. Sie befinden sich im Bereich akuter polizeilicher Notstandsmaßnahmen.
Verhalten Sie sich ruhig, dann passiert Ihnen nichts.
Jonas: Ich verhielt mich ruhig. Das fällt mir nicht schwer, wenn sechs Typen mit Laserstrahlern auf mich zielen. Sechs Typen in schwarzen Kampfanzügen und schwarzen Schutzhelmen. Bei solchen Weckern kann ein sensibler Mensch schon das Flattern kriegen. Zum Glück bin ich nicht sensibel. Und außerdem Kummer gewohnt. Normalerweise weckt mich Sam. Aber ich war sauer. Judith war bei mir. Ausnahmsweise. Und Judith war von meinem Weckdienst gar nicht begeistert. Das sah ich ihr an. Und ich sah noch was. Durch meinen leeren Türrahmen spazierte eine prachtvolle Uniform. Rot und Gold. Lametta und Sterne, wo es sich nur machen ließ. Bei Jonas war heute Tag der offenen Tür.
Melde gehorsamt, Herr Oberst, Befehl ausgeführt. Objekt Jonas wach und gesprächsbereit. Nebst einer weiteren noch nicht identifizierten Person.
Judith: Oberst Frank?
Frank: Frau Delgado? Sehe ich recht? Welch angenehme Überraschung, werte Kollegin.
Judith: Sie erwarten doch wohl nicht, daß ich ganz meinerseits sage, werter Kollege.
Frank: Aber wie hätte ich denn ahnen können, werte Kollegin. Hauptabteilungsleiterin Judith Delgado von der zentralen Sicherheitsverwaltung und dieser... dieser Jonas. Pikant.
Judith: Sie werden unverschämt, werter Kollege.
Frank: Werte Kollegin, ich bitte Sie. Glauben Sie mir, hätte ich von dieser Ihrer Beziehung gewußt, wäre mein Entraut anders ausgefallen, leiser und nicht so so abrupt.
Jonas: Rührend. Wer ist dieser aufgedonnerte Weihnachtsbaum, Judith?
Frank: Gestatten Sie, Oberst Frank von der Terrorpolizei. Ich möchte mich mit Ihnen unterhalten. Jonas.
Jonas: Ach ja? Und deshalb schicken Sie mir sechs Radaubrüder in voller Kriegsbemalung auf den Hals?
Frank: Unsere Sondereinheit SSA 9. Direkt. Druckvoll. Durchschlagend. Drahtig.
Jonas: Rauh, aber herzlich. Also vergessen.
Frank: Eventuell ein ganz klein wenig übereifrig die Jungs. Na ja, besser als zu lahm. Zugführer?
Herr Oberst befehlen?
Frank: Aktion beendet. Abrücken.
Befehl, Herr Oberst, zum Abmarsch angetreten. Marsch marsch.
Jonas: Die drahtigen Jungs von SSA 9 rückten ab, so geräuschvoll, wie sie aufgetaucht waren. Wir, Judith und ich, zogen uns was an, Oberst Frank guckte aus dem Fenster und pfiff sich eins, ich war immer noch sauer, und neugierig. Was wollte die Terrorpolizei von Jonas?
Frank: Hab ich doch gesagt, Jonas, mit Ihnen reden.
Jonas: Machen sie's kurz, es zieht, ein paar dämliche Bullen haben mir Tür und Fenster eingeschlagen.
Frank: Ach mein Gott, den kleinen Schaden werden wir Ihnen selbstverständlich ersetzen.
Jonas: Worüber?
Frank: Bitte?
Jonas: Worüber reden wir?
Frank: O ja natürlich, Über die KBF, die sogenannte Kusbekische Befreiungsfront.
Jonas: Nur zu, wenn ich auch nicht wußte, was ich mit diesen Leutchen zutun haben sollte. Terroristen, Bombenleger, kein Umgang für Jonas. Erst vor ein paar Tagen hatten sie in Babylon zugeschlagen im Museum für internationale Kulturgeschichte, der Verwaltungstrakt war in die Luft geflogen. Zwölf Tote, mehrere Verletzte, der übliche Sachschaden, und auch sonst das übliche, keine Spur, keine Festnahme. Die Terrorpolizei hatte offenbar anderes zu tun, zum Beispiel Jonas aus dem Bett zu holen.
Frank: Nach meinen Informationen werden Sie in Kürze Kusbekistan besuchen, Jonas.
Judith: Kusbekistan? Jonas warum weiß ich nichts davon?
Jonas: Weil ich auch nichts weiß, Judith, was soll ich in Kusbekistan.
Frank: Glauben sie mir Jonas, sie werden nach Kusbekistan fahren, und dabei, das ist unser Anliegen, dabei sollen Sie für uns die Augen aufhalten, wir interessieren uns für alles, was die KBF betrifft. Aktivitäten, Hintergrund, Verbindungen mit Europa, Namen, Adresse.
Jonas: Apropos Adresse, Oberst Frank, Sie sind an der falschen. Ich bin kein Polizist, erst recht kein Spion.
Jonas: Ich bin Jonas, nur Jonas, Privatdetektiv, der letzte vom Stamm der Sam Spade und Phil Marlowe, nicht ganz so gut und nur mäßig erfolgreich, die Zeiten haben sich geändert, die Detektive auch. Aber ich gebe mir Mühe. Ich halte die Stange hoch, auch wenn keine Fahne mehr dran ist, vielleicht war nie eine dran. Vielleicht bin ich bloß eine komische Figur. Das macht nichts. Jonas der letzte Detektiv hat seinen Stolz.
Frank: Aber das ist es doch gerade, Jonas, Sie werden von anderer Seite einen Auftrag bekommen, völlig offen, ganz korrekt, Sie werden als Privatdetektiv nach Kusbekistan fahren, dort ihre Arbeit tun und für uns nur nebenbei tätig sein, in ihrer Freizeit sozusagen. Absolut ungefährlich, das versichere ich ihnen, geheimdienstmäßig sind Sie unbekannt, ein Amateur, ein Außenseiter, eine graue Maus, wie wir Fachleute sagen, und Sie werden gut bezahlt, Jonas. Für freie Mitarbeiter ihres Kalliebers haben wir einen Sonderfond aus Spenden der privaten Wirtschaft, aber das muß unter uns bleiben. Also Jonas, was halten sie davon?
Jonas: Gar nichts.
Frank: Sehr richtig, Jonas, sagen Sie jetzt noch nichts, lassen Sie sich mein Angebot durch den Kopf gehen. Sie hören von mir. Werte Kollegin.
Judith: Oberst Frank.
Frank: Hat mich gefreut. Bis bald, Jonas.
Jonas: Kusbekistan eine Reise in den sonnigen Süden so verkehrt wär das gar nicht.
Jonas: Wir hatten November, den 20. November 2010. Das Wetter in Babylon war entsprechend: naß, kalt, windig. In einem Wort mies. Die Klimaregulatoren waren wieder mal ausgefallen wie üblich, und Kusbekistan lag im Orient, da wo die Sonne scheint, wo es Palmen gibt und blaue Lagunen.
Judith: Und giftige Schlangen und Sandstürme, nicht zu vergessen Guerillas, Terror und Bürgerkrieg. Du hast mir was versprochen Jonas.
Jonas: Ja schon.
Judith: Wir hatten vereinbart, daß wir zusammen ans Nordmeer fahren, nach Babelshafen.
Jonas: Da ist es ja noch kälter. Wollen wir nicht lieber nach Kusbekistan?
Judith: Danke. Kusbekistan ist mir zu heiß, in jeder Beziehung.
Jonas: So schlimm wird schon nicht sein. Sam?
Sam: Sie haben geläutet, Sir?
Jonas: Sam ist mein Computer. Er besteht aus zwei Einheiten, aus dem großen Speicher in meinem Büro und aus Sam zwo, dem guten Rat im Miniformat für die Hosentasche. Sam weiß, was ich nicht weiß, das ist seine Aufgabe, seine existentielle Motivation, würde er sagen, so spricht er, so und noch schöner, gelehrt und geläufig, stark überprogrammiert und leicht unterbelichtet, und voll von Informationen, z.B. über Kusbekistan.
Sam: Wisse o Beherrscher der Gläubigen, daß Kusbekistan ein Land ist, welches im Orient gelegen ist und sich zwischen dem Mittelländischen Meere, den Wüsten Arabiens und dem persischen Hoch... Hoch... Hochgebirge erstreckt, ins Licht der Historie trat Kusbekistan...
Jonas: Geschichte und Geographie brauchen wir nicht, nur die aktuelle Situation. Kurz und Knapp.
Sam: Jawoll Chef ist geritzt: souveräner Staat erst seit einem Jahr, vorher Bestandteil der Vereinigten Großislamischen Republik, Lage derzeit unübersichtlich, da Bürgerkrieg mit mind. 9 sich bekämpfenden Parteien.
Judith: Da hörst du's.
Sam: Regierung unterstützt von Europa und Amerika, sodann Christen, Sunniten, Schiiten, Ismaeliten, nationale Marxisten, internationale Marxisten, provisorisch republikanische Mudschaheddin, und Kusbekische Befreiungsfront, letztere religiös wie politisch unabhängig, bildet größte und geschlossenste Gruppierung. Desweiteren...
Judith: Das reicht Sam.
Sam. Ja.
Judith: Und in so einen Hexenkessel willst du deine Nase stecken?
Jonas: Für Oberst Frank und die Terrorpolizei ganz bestimmt nicht, aber wenn ein interessanter Auftrag kommt.
Sam: Es tönt das Fon, da ist er schon, der Auftrag mein ich.
Jonas: Schön wär's. Ja?
Hier spricht das Ministerium für Kultur und Bildungspolitik, Sie werden verbunden mit dem Dezernenten für Museen und kulturellen Austausch, Herrn Staatssekretär Dr. Gödel Escherbach. Bitte sehr.
Jonas: Ja?
Escherbach: Escherbach. Herr Jonas?
Jonas: Höchstpersönlich.
Escherbach: Sie sind Privatdetektiv.
Jonas: Der letzte.
Escherbach: Ach wirklich. Sind Sie zur Zeit frei, Herr Jonas?
Jonas: Ich will's mal so sagen: Ich könnte noch einen Auftrag übernehmen.
Escherbach: Auch wenn Sie dazu verreisen müßten? Ins Ausland.
Jonas: Sagen Sie bloß nach Kusbekistan.
Escherbach: Ja, woher wissen Sie?
Jonas: Mein lieber Watson, ich habe meine Methoden. Worum geht es?
Escherbach: Am Fon möchte ich nicht darüber sprechen. Können Sie zu mir kommen ins Ministerium?
Jonas: Wann?
Escherbach: Jetzt gleich. Wenn es möglich ist.
Jonas: Es war möglich. Auch wenn Judith sich alle Mühe gab, mir die Sache auszureden. Das Ministerium für Kultur und Bildungspolitik war ein schäbiges Gebäude aus der bösen alten Stahlbetonzeit in einer schäbigen kleinen Straße hinter dem van-Dusen-Platz, und innen ging es so weiter, ein schäbiger Pförtner in einem schäbigen Foyer, schäbige Flure und Vorzimmer, und ein schäbiger Raum, in dem Herr Staatssekretär Dr. Gödel Escherbach aus dem Rahmen fiel. Er war nämlich kein bißchen schäbig, im Gegenteil, er war das titelblattreife Produkt internationaler Zusammenarbeit: Anzug aus London, römische Schuhe, After Shave aus Paris, Zähne aus Hongkong, hausgemachte Glatze. Alles in allem teuer und gediegen. Dafür hatte er an der Ausstattung seines Arbeitszimmers gespart, ein Uralt-Computer noch ohne Vokoder und ein noch älterer Diaprojektor, zweidimensional, eine echte Antiquität.
Escherbach: Was meinen Sie, Herr Jonas, wie oft ich schon einen modernen Holoset beantragt habe, aber die Etatsituation auf dem Kultursektor. Sie wissen ja wie das ist.
Jonas: Keine Ahnung. Hausbar haben Sie wohl auch nicht.
Escherbach: Hausbar?
Jonas: Was zu trinken für Ihre Gäste. Whisky zum Beispiel.
Escherbach: Ich verstehe, bedaure sehr, Herr Jonas, ich könnte Ihnen vielleicht ein Täßchen Soja...
Jonas: Vergessen Sie's. 90 Euros pro Tag und Spesen.
Escherbach: Ihr Tarif, Herr Jonas, nicht eben wenig, aber ich denke wir werden es erschwingen können. Immerhin geht es ja um erhebliche Werte.
Jonas: Wenn Sie das sagen, Dr. Escherbach. Und 20 % Auslandszuschlag, falls ich tatsächlich nach Kusbekistan muß.
Escherbach: Ja das wird sich nicht vermeiden lassen, Herr Jonas.
Jonas: Also Whisky gibts nicht, Geld ist klar, was kann ich für sie tun Dr. Escherbach.
Escherbach: Ja eine komplexe Materie, Herr Jonas, wie soll ich anfangen.
Jonas: Mit dem Anfang, Dr. Escherbach, alte Bauerregel.
Escherbach: Ja gewiß. Also vor einem Jahr, am 11. Dezember 2009, das war der Tag, an dem der Staat Kusbekistan gegründet wurde, mit den üblichen Formalitäten, Staatsakt in der Hauptstadt Chamra, große Militärparade, Fahnenweihe, eine Festausstellung im Nationalmuseum, äh können Sie mir folgen Herr Jonas.
Jonas: Es geht grad noch.
Escherbach: Äh ja, Kern und Prunkstück dieser Ausstellung war der sog. Schatz des Königs Dagon, um 1600 v.Ch, unser großer Archäologe Huhmann hat ihn seinerzeit ausgegraben in der Kusbekischen Wüste, ein Ensemble von unschätzbarem Wert, Herr Jonas, historisch, künstlerisch und auch materiell. Statuetten, Waffen, Schmuckstücke, ein weltberühmtes Spektorale in meisterhafter Goldschmiedarbeit.
Jonas: Was immer das sein mag. Ich bin Privatdetektiv, Dr. Escherbach, kein Archäologe, kommen Sie zur Sache.
Escherbach: Der Schatz des Königs Dagon gehört uns, Herr Jonas, Huhmann hat ihn damals nach Babylon gebracht, und seitdem befindet er sich in unserem Museum für internationale Kulturgeschichte.
Jonas: Wo neulich die Bombe hochgegangen ist, von der Kusbekischen Befreiungsfront.
Escherbach: Ja richtig, ich hätte sagen sollen, er befand sich im Museum, jetzt ist er nämlich in Kusbekistan, der Schatz des Königs Dagon, wir haben ihn den Kusbeken geliehen zur Feier der Staatsgründung, schweren Herzens, das kann ich Ihnen versichern, Herr Jonas, aber weil Kusbekistan doch mit uns verbündet war.
Jonas: Und jetzt ist ihr Schatz weg nehme ich an.
Escherbach: Ja so ist es, Herr Jonas, leider. Gleich nach der Staatsgründung brach in Kusbekistan Bürgerkrieg aus, alles ging und geht drunter und drüber, jeder schießt auf jeden, Terror, Chaos, na Sie wissen Bescheid wenn Sie sich für Politik interessieren.
Jonas: In Maßen, Dr. Escherbach.
Escherbach: Der Schatz wurde ausgelagert, mehr wissen wir nicht, seitdem ist er verschollen, und der Minister macht mir das Leben schwer, weil ich damals die Entscheidung getroffen habe, die Stücke auszuleihen.
Jonas: Und Sie geben die heiße Kartoffel weiter.
Escherbach: Ich delegiere, Herr Jonas, an den Fachmann. Auftrag an Sie, kurz und bündig: Finden Sie den Schatz des Königs Dagon und bringen Sie ihn zurück nach Babylon. Wie Sie das machen, das ist Ihre Sache.
Jonas: Wann soll ich fahren?
Escherbach: Sobald wie möglich. Heute noch.
Jonas: Wenn ich einen Platz in der Rakete kriege.
Escherbach: Den kriegen sie, Herr Jonas, machen Sie sich keine Sorgen. Wer fliegt heutzutage schon nach Kusbekistan.
Jonas: Masochisten und Detektive. Warum kommen Sie erst jetzt zu mir, Dr. Escherbach, Ihr Schatz ist doch schon ein Jahr verschwunden und warum so hopp hopp?
Escherbach: Weil sich die Situation in den letzten Tagen zugespitzt hat, wir haben eine Information bekommen, aus bester Quelle, ein Stück aus unserem Schatz ist auf dem schwarzen Kunstmarkt aufgetaucht und von einem amerikanischen Sammler erworben worden. Es handelt sich um... diese Statuette des Königs Dagon aus Elektron, einer Mischung aus Silber und Gold.
Jonas: Sieht aus wie ein antiker Gartenzwerg.
Escherbach: Jonas, bitte, die Sache ist ernst.
Jonas: Aber nicht hoffnungslos.
Escherbach: Ja, am besten zeige ich Ihnen gleich auch die Dia der Stücke, die sich noch in Kusbekistan befinden, das hoffen wir jedenfalls.
Jonas: Ich fiebere vor Spannung, Dr. Escherbach.
Escherbach: Hier sehen Sie das Spektorale des Ichtapriesters Schumschu Ada. Silber mit gefaßten Smaragden. Der goldene Nasenring einer namentlich nicht bekannten Fürstin...
Jonas: Und so weiter. Rund drei Dutzend Klunker, Gold, Silber, Edelsteine. Ich versuchte mir Einzelheiten zu merken, das war schwierig, ein Schmuckstück sah aus wie das andere. Und alle zusammen drehten sich vor meinem Auge im Kreise.
Jonas: Machen wir es doch so, Dr. Escherbach, Sie geben mir Holographien mit oder wenn Sie keine haben, Fotos und ein Verzeichnis.
Escherbach: Ich weiß was besseres. Kusbekisch sprechen Sie wohl nicht.
Jonas: Nein.
Eschebach: Und daß Sie von Archäologie nicht verstehen, das haben Sie mir schon gesagt. Sie brauchen fachkundige Unterstützung. Dr. Khamal wird Sie begleiten.
Jonas: Khamal. Kusbeke?
Escherbach: In Kusbekistan geboren und aufgewachsen, Dr. der Kunstgeschichte und Archäologie, seit knapp zwei Jahren im Stab des Museums für Internationale Kulturgeschichte.
Jonas: Hm, im allgemeinen arbeitet Jonas solo, aber im diesem Fall...
Escherbach: Sie werden die Hände frei haben, Herr Jonas für Ihre Detektivarbeit, alles übrige erledigt Dr. Khamal.
Jonas: Nicht zu vergessen Sam mein Computer. Der versteht sogar was von orientalischer Archäologie, Kusbekisch kann er auch, nicht gerade fließend, aber ausreichend. Und Sam kam natürlich mit nach Kusbekistan, aber das sagte ich Dr. Escherbach nicht. Jonas behält gern eine Karte im Ärmel, für den Notfall. Wenn der Mitspieler plötzlich ein Full House auf den Tisch legt, muß man ihn abfangen, mit 4 Assen, mindestens. Die nächste Rakete nach Chamra ging am Abend, Dr. Khamal sollte mich vor der Eincheckschleuse treffen, war aber noch nicht da. Um so besser. Judith war zum Aerodrom mitgekommen, und Judith hatte mir beim Abschied was zu sagen.
Judith: Fürs kommende Wochenende hab ich uns ein Zimmer in Babelshafen gebucht, Jonas.
Jonas: Bißchen voreilig vielleicht so.
Judith: Meinst du? Dann hör mir mal zu, wenn du nicht mitkommt, weil du einen Fall hast, weil du nicht da bist oder was weiß ich, dann fahr ich allein.
Jonas: Ich werd's schon irgendwie schaffen, Judith.
Judith: In Zukunft fahr ich dann immer allein, jedenfalls nicht mir dir.
Jonas: Warum kommst du denn nicht mit nach Kusbekistan.
Judith: Das weißt du doch, weil ich nicht so ohne weiteres von meinem Schreibtisch wegkann.
Jonas: Nimm dir Kurzurlaub, und komm nach, morgen.
Herr Jonas, Herr Jonas wird gebeten, sich zum Fon am nächsten Infoschalter zu bemühen. Herr Jonas bitte.
Jonas: Ein alter Bekannter wollte mich sprechen. Oberst Frank von der Terrorpolizei, Schrecken des Kusbeken, Wecker und Prophet dazu.
Frank: Ich habe es ja vorausgesagt, Jonas, Sie fahren nach Kusbekistan. Und?
Jonas: Und was?
Frank: Mein Angebot, was halten Sie jetzt davon?
Jonas: Das selbe wie heute früh. Gar nichts.
Frank: Das ist nicht Ihr Ernst, Jonas, denken Sie an den Sonderfond.
Jonas: Ich hab da unten was anders zu tun, und ich bin froh, wenn ich dabei mit der Kusbekischen Befreiungsfront überhaupt nicht in Kontakt komme.
Frank: Kontakt mit der KBF? Aber Mann Gottes, den haben Sie doch schon.
Jonas: Mysteriös. Vielleicht wußte Judith, was ihr werter Kollege meinte. Aber Judith war nicht mehr da, als ich zur Schleuse zurück kam, auf ihrem Platz saß eine Frau, die ich nicht kannte, leider, Ingrid Bergman in Casablanca, nur dunkel, und dieses umwerfende Wesen wartete auf Jonas.
Khamal: Sie sind doch Jonas?
Jonas: Ja. Jonas. Nur Jonas.
Khamal: Warum starren Sie mich so an?
Jonas: Ich seh dir in die Augen, Kleines. Sie heißen Ilse. Sagen Sie, daß Sie Ilse heißen.
Khamal: Nein. Ich bin Dr. Khamal. Duna Khamal.
Jonas: Sie sind Dr. Khamal. Eine Frau?
Khamal: Haben Sie etwas gegen Frauen, Jonas?
Jonas: Aber nein, meine beste Freundin ist eine. Apropos wo steckt sie, eben war sie noch hier.
Khamal: Die attraktive Dame, die hier gesessen und auf Sie gewartet hat?
Jonas: Ja.
Khamal: Ich habe mich ihr vorgestellt, da ist sie gegangen. Ich weiß nicht warum.
Jonas: Aber ich.
Sam: Häh, wie allgemein bekannt, zeigt die Dame Judith einen fatalen Hang zu jeder veralteten Passion welche man Eieieiefersucht zu nennen pflegt.
Jonas: Mein Computer, ein komplesiver Quatschkopf. Sam?
Sam: Meister?
Jonas: Wie oft hab ich dir schon gesagt, Judith geht dich nichts an, halt dich zurück.
Sam: Genau 417 mal, o grantig grollender Grimmbart.
Jonas: Dann paß mal auf, Sam, wenn du nur einmal, nur noch einmal...
Wir bitten alle Passagiere des Fluges QA 842 nach Sydney über Chamra und Singapur, sich zur Abfertigung zu bemühen. Ihr Zubringer ist startbereit.
Jonas: Nur 3 Figuren stiegen ins Chamra aus. Dr. Khamal, ich, und ein bulliger Schnauzbart, der zwei Reihen hinter uns gesessen hatte. Bei einem so mickrigen Besuch hatten sie sich keine Mühe gegeben, ihr Aerodrom herzurichten. Überall auf dem Feld Bombentrichter, in denen sich Abfall ansammelte. Und drinnen an den Wänden makabere Muster aus Einschüssen und rostroten Flecken.
Zollbeamtin: Pasport. Grund Ihres Aufenthalts in Kusbekistan?
Jonas: Bildung. Kultur. Ich bin auf der Suche. Auf der Suche nach ihren weltbekannten Altertümern, und das ist nicht gelogen, Schwester.
Zollbeamtin: Aha. Tourist. Ihre politische Überzeugung?
Jonas: Keine zur Zeit. Sie stellen ja merkwürdige Fragen.
Zollbeamtin: Sind Sie für unsere rechtmäßige kusbekische Regierung oder sympathisieren Sie mit Rebellen, Banditen und Aufrührern? Auf welcher Seite stehen Sie?
Jonas: Auf der richtigen. Immer auf der richtigen.
Zollbeamtin: So. Ein Rat, Herr Jonas, bleiben Sie in Chamra, außerhalb unserer Hauptstadt können wir für Ihre Sicherheit nicht garantieren.
Jonas: Und warum? Weil da die Rebellen und Banditen das Sagen hatten bzw. die Freiheitskämpfer, wie Duna Khamal sie nannte. Die Regierung beherrschte nur Chamra und die nähere Umgebung. Und Chamra, das war eine chaotische Ansammlung brüchiger Wolkenkratzer aus der verflossenen Erdölzeit, ein Gebirge abgewrackter Automobile und Kühlschränke, ein allgegenwärtiger heißer Wind, der gelbe Staubwolken und uralte Computerprintouts vor sich her trieb, ein endloser Slum aus Lehmruinen und verrosteten Ölfässern, und ein Hotel, das bessere Tage gesehen hatte. Wir nahmen uns ein Zimmer, Korrektur zwei Zimmer. Duna legte wert darauf, allein einzuschlafen, ihr gutes Recht und mein Schaden. Am nächsten Morgen besuchten wir Professor Malek. Das hatte mir Escherbach geraten. Malek war der Leiter des Kusbekischen Nationalmuseums, offiziell, in Wahrheit hatte er nichts mehr zu leiten, das Museum war dicht, das schien Malek allerdings wenig zu stören, er hatte so vieles andere, ein wunderschönes großes Haus im Prominentenghetto, einen Swimmingpool, einen Leibwächter, der unauffällig im Hintergrund aufging, außerdem hatte er einen guten Whisky und keine Ahnung.
Malek: So gern ich Ihnen gefällig wäre, Dr. Khamal, Herr Jonas, und natürlich vor allem mein guten Freund Dr. Escherbach, ich kann Ihnen nicht weiterhelfen, Anfang des Jahres mußte mein Museum schließen, die wertvolleren Ausstellungsstücke wurden aus der Stadt gebracht, ausgelagert, auch der Schatz des Dagon.
Jonas: Wohin Professor?
Malek: Wenn ich das wüßte, meine Liebe.
Jonas: Haben Sie denn keine Unterlagen. Verwaltungsnotizen, Frachtbriefe?
Malek: Wir sind keine Wilden, Herr Jonas, zweifellos hat es derartige Dokumente gegeben, doch wo sie sich zur Zeit befinden, falls sie überhaupt noch existieren.
Jonas: Also verschwunden.
Malek: So ist es, Herr Jonas.
Jonas: Die Dokument und der Schatz des Königs Dagon.
Malek: Ich bitte Sie Herr Jonas. Versuchen Sie sich die Situation vorzustellen: Straßenkämpfe, Panzer und Geschütze, Raketen, Laserstrahler, Maschinengewehre, unbeschreiblicher Lärm, Qualm, Rauch, Feuer, wer denkt dabei an Formalitäten. Ich war froh, daß die Kunstwerke, daß die Kunstwerke, für die ich Verantwortung trug, aus der Kampfzone geschafft werden konnten, aus der Stadt hinaus aufs Land. Wohin genau, das war nicht wichtig. Und unter uns, Herr Jonas, das spielt auch heute keine Rolle. Denn gesetzt, Sie wüßten den Ort, Herr Jonas, so könnten Sie ihn doch nicht aufsuchen, falls Sie nicht der Befreiungsfront oder ähnlichen Mörderbanden in die Hände fallen wollen.
Jonas: Oh, das bleibt abzuwarten, Professor. Vielleicht sollte ich mich mal im Museum nach Hinweisen umsehen.
Malek: Sinnlos, Herr Jonas, völlig sinnlos, ein leeres Gebäude, weiter nichts. Ich gebe Ihren einen guten Rat: Gehen Sie zurück in Ihr Hotel, Herr Jonas, machen Sie sich ein paar schöne Tage. Dr. Khamal wird Ihnen gern die Sehenswürdigkeiten unserer interessanten Stadt zeigen, und wenn ich etwas für Sie tun kann, finanziell oder auf andere Weise, zögern Sie nicht, sich an mich zu wenden. Ich habe gewisse Verbindungen, ich werde mich umhören, und sobald ich über den Schatz des Dagon etwas erfahre, werde ich es Sie wissen lassen.
Jonas: Und wenn nicht, Professor.
Malek: Dann kehren Sie zurück nach Babylon, Herr Jonas, mit gutem Gewissen. Sie haben das menschenmögliche getan. Inschala, wie wir hier sagen.
Jonas: Jonas sagt nicht Inschala, Jonas gibt nicht so leicht auf, und Jonas denkt sich seinen Teil. Am Nachmittag ließ ich mich von Duna durch Chamra führen, ein gemischtes Vergnügen, Chamra war häßlich, Duna war schön, wie immer, aber nicht ganz bei der Sache.
Khamal: Und dies ist der Platz des glorreichen 11. Dezember, sogenannt nach dem Datum der feierlichen Gründung unseres großen Staates, die rechte Seite...
Jonas: Ist genauso langweilig wie die linke. Bringen Sie mich zum Nationalmuseum, Duna.
Khamal: Obwohl Professor Malek Ihnen abgeraten hat.
Jonas: Das ist nun mal mein innervierende Art.
Khamal: Wie Sie meinen, Jonas.
Jonas: Sehr begeistert scheinen Sie nicht zu sein und auch nicht gerade hilfreich. Weder Sie noch Professor Malek.
Khamal: Wollen Sie den Grund wissen, Jonas.
Jonas: Ich bitte darum.
Khamal: Wir sind Kusbeken, der Schatz des Dagon gehört uns, vor mehr als einem Jahrhundert hat man ihn uns gestohlen, und jetzt sind Sie gekommen, um ihn uns zum zweiten Mal wegzunehmen.
Jonas: Ganz unrecht haben Sie nicht, Duna. Drehen sie nicht um.
Khamal: Was ist.
Jonas: Wir werden verfolgt, Maleks Leibwächter und hinter ihm...
Khamal: Der Schnauzbart aus unserer Rakete. Ich habe ihn vorhin schon gesehen. Kommen Sie, Jonas, wir wollen versuchen, beide abzuhängen, Hier, rechts in die Passage. Und dann durch den Sug.
Jonas: Wir rannten, wir schlugen Haken, wir liefen Treppen rauf und runter, wir schoben uns durch enge Basargassen, eine halbe Stunde lang, dann standen wir vor der gewaltigen Ruine, die das Kusbekische Nationalmuseum gewesen war, sie sah aus wie das Aerodrom, nur schlimmer, die Fenster waren mit Brettern vernagelt, die Türen auch, bis auf eine, eine kleine an der Seite unter einer Freitreppe, vermutlich der alte Lieferanteneingang.
Khamal: Nicht abgeschlossen.
Jonas: Dann treten wir doch näher. Vorsicht, Schutt.
Museum geschlossen.
Jonas: Das Phantom des Museums. Hallo?
Hallo, Aschmad mechduklek.
Khamal: Er fragt, was wir wollen.
Museum geschlossen. Morgen offen.
Jonas: Glaub ich kaum, alter Freund.
Museum geschlossen, morgen offen. Hanschi ödilek, Kaputt.
Khamal: Er versteht Sie nicht, Jonas, er spricht nur ein paar Worte in Ihre Sprache.
Jonas: Museum geschlossen.
Ek ek morgen offen.
Jonas: Das Phantom war ein kleiner krummer Mann in grüner Uniform, offensichtlich ein Museumswärter, der hier die Stellung gehalten hatte, als alles in Scherben fiel. Wenn einer wußte, wo der Schatz des Dagon abgeblieben war, dann er. Und er wußte wohl wirklich was. Jedenfalls antwortete er begeistert und ausführlich, als Duna ihn fragte.
Ek esienah...
Khamal: Da ist er an der Tür, Maleks Leibwächter.
Jonas: In Deckung Duna. Noch einer, hier muß ein Nest sein.
Khamal: Der Schnauzbart aus der Rakete. Gehen Sie aus dem Weg Jonas.
Jonas: Wie die 10 kleinen Negerlein. Maleks Gorilla laserte den Museumswärter, der Schnauzbart laserte den Gorilla, Duna Khamal laserte den Schnauzbart. Ergebnis der Blitzaktion: drei Tote, Brandgeruch in der Luft und ein völlig verwirrter Jonas.
Jonas: Duna was machen Sie denn, der Schnauzbart hat uns doch nichts getan.
Khamal: Ein Agent Ihrer Terrorpolizei, er war schon in Babylon hinter mir her.
Jonas: Und deshalb bringen Sie ihn um. Woher haben Sie überhaupt den Laser. Und Maleks Leibwächter, was hat der mit der Sache zu tun.
Khamal: Nichts was Sie anginge, Jonas. Das ist Politik, kusbekische Politik. Halten Sie sich raus, kümmern Sie sich nur um Ihren Auftrag.
Jonas: Was hat er gesagt?
Khamal: Der Wärter? Genug, wir wissen jetzt, wo der Schatz des Königs Dagon ist, im Südwesten, am Rande der Wüste, in Taltapik, das ist eine aufgegebene Grabung des europäisch-orientalischen Instituts, vor zwei Jahren hab ich selbst da gearbeitet.
Jonas: Dann kennen Sie sich also aus. OK, fahren wir gleich los.
Khamal: Morgen, Jonas, es sind gut 5 Autostunden bis Delkabit, heute schaffen wir das nicht mehr, es wird bald dunkel.
Jonas: Die Kusbeken wringen immer noch ein paar Tropfen Erdöl aus dem Sand, und die behalten sie für sich, deshalb fahren in Kusbekistan noch Benzinautos wie im 20. Jahrhundert. Duna zog abends los, um eins zu mieten. Für unseren Ausflug nach Telkarbit am nächsten Morgen. Ich hatte Zeit, mir dies und das durch den Kopf gehen zu lassen, zusammen mit Sam, den hatte ich im Lauf der Tages bei mir gehabt, eingeschaltet, und Sam brachte ein neues undurchsichtiges Element in die Debatte. Als ob der Fall nicht schon undurchsichtig genug war.
Sam: Belogen hat sie meinen Herrn, die liebliche Lady mit dem lockeren Laser. Beschwindelt. Getäuscht, hinters Licht geführt, verarscht, ausgetrickst, verladen, angeschmiert mit Löschpapier, und er, er sah ihr ins Auge und glaubete ihr, der dumme Tor, die trübe Tasse.
Jonas: Lenk nicht ab Sam. Was hat er denn nun wirklich gesagt der Museumswärter.
Sam: Sam übersetzt wortgetreu: „Ja, gnädige Frau, ja doch, ich weiß, wo er ist, der Schatz des Königs Dagon. In Ischtara ist er, unter dem großen Tempel, an der rechten Wand der unterirdischen Kammer, in einer eisenbeschlagenen Kiste ahh!“
Jonas: Ahh?
Sam: Unübersetzbar, euer Durchleucht, die Reaktion unseres Gewährsmann auf den ihn treffenden Laserstrahl, und beiläufig erwähnt, seine letzte Lebensäußerung.
Jonas: Ischtara, wo liegt das?
Sam: Im Nordwesten von Chamra, Herr Chefkartograph, mit dem Automobil in etwa 3 Stunden zu erreichen, es handelt sich, auch wenn mein Meister das nicht zu wissen scheint, um eine weithin berühmte Ruinenstätte, eine in den Felsen gehauene Tempelanlage der alten Napatäer im Talkessel des Wadi Achmok, 8. Jahrhundert v. Ch.
Jonas: Die Volkshochschule kannst du dir sparen. Warum hat Duna falsch übersetzt.
Sam: Vorschlag zur Güte, Herr Kamerad, Frage vertagen, first things first, wie ein anonymer Denker so richtig gesagt hat.
Jonas: Wenn man Bescheid weiß, kriegt man in Charma alles. Sam wußte Bescheid. Ich besorgte einen Laserstrahler und ein Auto. Am frühen Morgen fuhr ich los, noch vor Sonnenaufgang, vorher hatte ich in Dunas Zimmer nachgesehen, sie war nicht da, das hatte ich auch nicht erwartet. Unterwegs begegnete mir eine Beduinenkarawane, erst eine Staubwolke am Horizont, und dann zogen sie an meinem alten Citroen vorbei, Cadillacs, Chevrolets, Landrovers, sogar ein Mercedes, ein romantisches Bild, Kusbekistan war Jahrzehnte zurück. Eine nostalgische Enklave, insofern hatte ich gar nichts gegen meine Tour, schließlich bin ich Nostalgiker. Aber ich war gewarnt. Ich hatte meine Erfahrungen. Costaguana, das Niemandsland, zuviel Nostalgie ist ungesund. Manchmal sogar tödlich.
Sam: Achtung, Wadi Ahmack direkt voraus.
Jonas: Und wo ist nun dieses Ischtara.
Sam: Na wo schon, unten im Wadi. Laß die Karre stehen, steig aus.
Jonas: Muß ich klettern.
Sam: Wirst nicht drumrumkommen, o du Ass alle Alpinisten. Und vorher wird marschiert. Per peses apostolorum. Ein Lied zwo drei vier. Mein Vater war ein Wandersmann...
Jonas: Erst ein paar hundert Meter horizontal, dann eine kürzere Strecke vertikal, nach unten über eine Art Ziegenpfad, falls es hier noch Ziegen gab gesehen hatte ich keine, ich hangelte mich um eine Felsenecke, und war da, auf der Talsohle. Drüben an der Felswand: Trümmer und Säulen.
Sam: Ischtara.
Jonas: Ganz schön kaputt. Sam, da steht ein Auto, links neben dem Säulenkomplex.
Sam: Der große Tempel, von welchem der Wärter uns kündete.
Jonas: Duna, und vermutlich nicht allein. Ob sie wohl einen Wächter aufgestellt haben? Ah!
Jonas: Sie hatten, aber das merkte ich erst, als es zu spät war. Als ich von hinten was über den Schädel kriegte und mich ins Geröll legte um ein bißchen zu träumen. Von Helden Lobbebären, von großer Arbeit, von König Dagon und seinem Schatz, von Dr. Escherbach, von Oberst Frank und seiner SSA 9, von Professor Malek nebst Leibwächter, von Judith und Duna Khamal, vor allem Duna Khamal, Ich sah sie ganz deutlich. Sie hockte am Boden, in der linken Hand hatte sie ihren Laserstrahler, mit der rechten wühlte sie in einer Kiste mit Eisenbeschlägen. Ich lag in einer Felsenkammer, an den Wänden Malereien in verblaßten Farben. Löwen mit Flügeln, Stiere, seltsam angezogene Menschen, dazwischen Krakelein, Keilschrift oder Hieroglyphen, vor den Wänden drei unfreundlich wirkende Gestalten mit alten Maschinenpistolen und Taschenlampen, und Duna, und die Kiste, und in der Kiste der Schatz des Königs Dagon.
Khamal: Sie irren sich, Jonas, das ist nicht der Schatz.
Jonas: Erzählen Sie mir keine Märchen Duna, ich kenne die Stücke, Dr. Escherbach hat sie mir im Dia gezeigt, den Nasenring, die Jadekette, das Spektoral oder wie das heißt.
Khamal: Kopien, Jonas, Fälschungen.
Jonas: Sie machen mir doch schon wieder was vor, Duna. Damit Sie sich die Klunker ungestört unter den Nagel reißen können.
Khamal: Sie überschätzen sich Jonas, wenn ich mir den Schatz wie Sie sagen unter den Nagel reißen wollte, könnten Sie mich nicht daran hindern, ein kurzer Druck auf den Abzug, oder ein Wort zu Amir, zu Resa, oder Muratschi und sie wären tot, Jonas.
Jonas: Da ist was dran. Moment mal, der Gartenzwerg hier.
Khamal: Porträtstatuette des Dagon.
Jonas: Der dürfte gar nicht hier sein, nach Dr. Escherbach ist er bei einem Sammler in Amerika.
Khamal: Passen Sie auf, Jonas.
Jonas: Vorsicht, das war knapp!
Khamal: Keine Angst, ich kann mit einem Laser umgehen.
Jonas: Hab ich gemerkt.
Khamal: Heben Sie die Figur auf, Jonas. Sehen Sie sich den Einschnitt des Laserstrahls an, außen ein dünner Überzug vom Gold und Silber, und innen...
Jonas: Blei oder so was ähnliches.
Khamal: Bitte. Eine Fälschung, geschickt gemacht, für Laien kaum zu erkennen, aber doch eine Fälschung, und die anderen Stücke in der Kiste auch. Alles Fälschungen.
Jonas: Wer steckt dahinter. Malek?
Khamal: Unwahrscheinlich. Die Fälschungen können nicht aus Kusbekistan stammen, sie sind so, so gut, zu penibel. Für solche Arbeiten haben wir keine ausgebildeten Handwerker und auch keine technischen Einrichtungen.
Jonas: Wie z.B. die Werkstätten im babylonischen Museum für internationale Kulturgeschichte. Die sie neulich in die Luft gesprengt haben, Duna.
Khamal: Ich?
Jonas: Geben Sie es doch zu. Sie gehören zur Kusbekischen Befreiungsfront.
Khamal: Ja, ich bin ein Mitglied der KBF und ich bin stolz darauf. Wir kämpfen für die Freiheit des kusbekischen Volkes und für die Unabhängigkeit unseres Staates von den Großmächten in Ost und West.
Jonas: Hört sich gut an was Sie sagen, viel besser als das was sie tun. Wenn Sie für Freiheit in Kusbekistan sind, warum legen Sie dann Bomben im Babylon, noch dazu im Museum.
Khamal: Da war nicht die KBF.
Jonas: Sie lügen ja schon wieder.
Khamal: Jonas, ich schwör, die Bombe im Museum geht nicht auf unsere Rechnung.
Jonas: Aber man hat doch einen Bekennerbrief gefunden, das hab ich in den Nachrichten gehört.
Khamal: Eine Fälschung wie dieser Schatz des Königs Dagon.
Jonas: Aber ja doch. Duna ich habe eine Idee. Wenn Professor Malek mit dem falschen Schatz nichts zu tun hat.
Khamal: Das habe ich nicht gesagt. Malek muß die Stücke hier als Fälschungen erkannt haben, ein Experte sieht das auf den ersten Blick, und Malek ist Experte, wie ich oder wie Dr. Escherbach.
Jonas: Trotzdem hat er den falschen Schatz in seinem Museum ausgestellt. Warum? Warum ist er nicht aufgestanden und hat gesagt: Man hat uns Blüten angedreht.
Khamal: Wir werden ihn fragen. Armin.
Erdinea.
Khamal: Hamadin echdak. Wir fahren zurück nach Chamra. Sie kommen mit Jonas.
Jonas: Was Duna und ihre Freunde mit Malek in seinem schönen Haus machten, würde ich unbedingt als fragen bezeichnen, aber ich hatte ja nichts zu sagen, ich war nur geduldet, ein Außenseiter, und das muß ich zugeben, Dunas Methode war wirksam. Nach kurzer Zeit erzählte uns Malek alles, was wir wissen wollten.
Malek: Es war Escherbach, Dr. Gödel Escherbach in Babylon, er hat sich Sorgen ge-macht um seinen Schatz des Dagon, daß er ihn nicht mehr zurückkriegt, daß wir ihn in Kusbekistan behalten als unser nationales Erbe, darum hat er Kopien herstellen lassen, in seinem Museum, und die hat er nach Kusbekistan geschickt, den echten Schatz hat er behalten, niemand weiß das, nur er und die Handwerker im Museum und ich, natürlich, ich bin Fachmann, praktisch der einzige Fachmann in Kusbekistan, ich hätte den Austausch sofort bemerkt, deshalb hat Escherbach mich informiert, von Museumsleiter zu Museumsleiter, ich hatte Verständnis für seine Lage und blieb still.
Khamal: Verräter. Weiter.
Malek: Dann kam der Bürgerkrieg. Der falsche Schatz wurde ausgelagert, und da hatte Escherbach einen Einfall, er lebt sehr aufwendig, braucht immer Geld, wer nicht, ich auch, der Schatz des Dagon war offiziell verschollen. Escherbach wollte abwarten, ein halbes Jahr, ein Jahr, bis der Staub sich gelegt hatte, und dann wollte er anfangen, die echten Stücke zu verkaufen, in Amerika, auf dem schwarzen Kunstmarkt, eins nach dem andern, vorher mußte er natürlich die Mitwisser ausschalten.
Jonas: Die Bombe im Museum.
Malek: Nein, davon weiß ich nichts.
Khamal: Aber wir wissen, wir wissen, wer dahinter steckt, und wer versucht hat, die Sache uns in die Schuhe zu schieben. Weiter Malek, was geschah mit Ihnen, sie waren doch auch Mitwisser.
Malek: Wir haben uns geeinigt, Escherbach und ich, ich habe mitgemacht, bei Gelegenheit sollte ich die Kopien endgültig verschwinden lassen und alle Nachforschungen blockieren.
Jonas: Das heißt Jonas abwimmeln oder umbringen lassen, wenn's nichts anders ging.
Malek: Escherbach mußte was unternehmen, der Minister hat darauf bestanden, deshalb hat er sie angeheuert, Jonas, und mich angerufen, für alle Fälle, daß sie den Schatz finden, ich meine die Kopien, damit hat Escherbach ohnehin nicht gerechnet.
Jonas: Wie sich der Mensch doch irren kann.
Khamal: Was hat Escherbach Ihnen versprochen, Malek?
Malek: Och, 30 Prozent, ich wollte eigentlich die Hälfte, aber und bekommen hab ich noch gar nichts, nicht einen Dinar.
Khamal: Wir sind großzügiger, Malek, wir geben Ihnen gern, was Ihnen zusteht. Amin. Mado li tapok.
Jonas: Kurz darauf schwamm Professor Malek in seinem Swimmingpool, den Kopf nach unten und tot. Damit war der Fall allerdings noch nicht zu Ende. OK, zum größten Teil war er gelöst und abgeschlossen, aber es blieb doch noch die eine oder andere Unklarheit.
Khamal: Zum Beispiel?
Jonas: Zum Beispiel Ihre Rolle Duna. Escherbach hat darauf bestanden, daß Sie mich begleiten, warum, das war doch widersinnig. Sie sind Archäologin. Sie hätten die Fälschungen sofort als Fälschungen erkannt, das mußte ihm klar sein.
Khamal: Und noch was, die Terrorpolizei war mir schon in Babylon auf der Spur, sie wußte, daß ich zur KBF gehöre, trotzdem hat sie mich nach Kusbekistan ausreisen lassen, warum?
Jonas: Und was wollte Oberst Frank?
Sam: Gestatten die erhabenem menschlichen Herrschaften, daß ein armseliger kleiner Computer sich in die Diskussion hineinmenge.
Jonas: Seit wann fragst du Sammy.
Sam: Aber Sir, man hat doch Kinderstube.
Jonas: Ganz was neues. OK Sammy, menge dich hinein.
Sam: Ergebensten Dank. Ich menge mich Herr Vorsitzender. Sam hat sich erlaubt, nach einer Verbindung zwischen Herr Staatsekretär Dr. Gödel Escherbach und Herrn Oberst Frank von der Terrorpolizei zu forschen, und siehe da, wie schnell wart er doch fündig.
Jonas: Was hast du entdeckt, Sam, und wo?
Sam: Im Katasteramt von Babylon, Herr Liegenschaftsinspizient. Beide Herren sind Nachbarn, sie bewohnen zwei nebeneinanderliegende Reihenhäuslein, ergehen sich im gemeinsamen Gärtlein, 30 Quadratmeter englischer Rasen aus wetterbeständigem Plastik und wie aus zahlreichen Hinweisen hervorgeht, sind sie überhaupt recht gute Freunde.
Jonas: Bitte, das ist die Erklärung. Von Frank hat Escherbach erfahren, daß seine Mitarbeiterin Dr. Khamal zur KBF gehört, und deshalb hat er sie mir mitgegeben, natürlich nicht, damit wir zusammen den Schatz finden, im Gegenteil, er wußte, falls Gefahr bestand, daß ich dem Schatz, dem falschen Schatz zu nahe kam, würde Duna mich umbringen, weil ich in ihren patriotischen Augen ein Räuber war, ein Feind des kusbekischen Volkes, der nationale Kunstschätze nach Babylon verschleppen wollte. Das haben Sie doch gedacht, Duna oder?
Khamal: Selbstverständlich. Bis heute nachmittag.
Jonas: Da sah auf einmal alles anders aus, und Sie brauchten Jonas nicht mehr umzubringen.
Khamal: Gern hätte ich es nicht es nicht getan. Jonas. Glauben sie mir.
Jonas: Ich bin gerührt. Sie waren ja sowieso nur die Rückversicherung, die Notbremse. Falls Malek nicht spurte.
Sam: Sagen wir es doch anders, charmant, reizvoll, mythologisch verspielt. Frau Dr. Khamal erfüllte die hochinteressante Funktion einer trojanischen Stute.
Khamal: Äußerst charmant.
Sam: Sam meinte doch bloß...
Jonas: Hör auf zu meinen, Sam, sei still.
Sam: Typisch, kein Dank, keine Anerkennung, nicht einmal ein freundliches Wort. Wofür schindet man sich ab bis aufs Blut, woher kriecht man in die schmutzigsten Datenbänke, wofür kratzt man die abseitigsten Informationen zusammen, wofür wofür o Mensch wofür.
Jonas: Ruhe.
Sam: Ja.
Jonas: Nächste Frage.
Khamal: Oberst Frank und die Terrorpolizei, warum haben sie das Spiel des Dr. Escherbach unterstützt und mich aus dem Land gelassen?
Jonas: Ganz einfach: Durch Sie wollte Frank an die KBF rankommen, an ihre interne Organisation, ihre Basis in Kusbekistan, Frank hatte Sie an der langen Leine, Duna, zuerst war Jonas als Ihr Aufpasser vorgesehen.
Khamal: Ach ja.
Jonas: Aber Jonas hat sich geweigert.
Khamal: Gut für Jonas.
Jonas: Und schlecht für den Schnauzbart, der für Jonas nachgerückt ist. Das war's Duna, alles klar?
Khamal: Bis auf eins. Malek hat seinen Anteil, 30 Prozent. 70 Prozent sind noch offen.
Jonas: Dr. Escherbach, was geschieht mit ihm?
Khamal: Überlassen Sie das uns, Jonas. Wir werden ihn auszahlen. Wenn Sie wieder in Babylon sind.
Jonas: Sie lassen mich zurück?
Khamal: Warum denn nicht. Es sei denn, Sie wollen bei uns bleiben und uns helfen in unserem gerechten Kampf für das kusbekische Volk.
Jonas: Wissen Sie, Duna, gegen Sie hab ich nichts und auch nichts gegen das kusbekische Volk, für Freiheit und Unabhängigkeit bin ich auch, Unabhängigkeit für Jonas, darum hält Jonas sich raus und fliegt zurück nach Babylon.
Khamal: Wenn Sie also zurück sind, Jonas, rufen Sie Dr. Escherbach an, sagen wir morgen nachmittag 5 Minuten vor 4.
Jonas: Warum?
Khamal: Das werden Sie merken. Wann fliegen Sie?
Jonas: Ich dachte heute abend.
Khamal: Warum nicht morgen früh? Wir beide haben uns ja noch gar nicht richtig kennengelernt.
Jonas: Das Wetter in Babylon war immer noch mies, ich schlief ein paar Stunden, und dann rief ich Dr. Escherbach an, 5 vor 4. Wie mit Duna verabredet. Jonas ist wieder da, sagte ich ihm.
Escherbach: So. Wie war’s in Kusbekistan? Warm und sonnig?
Jonas: Eher trocken und heiß. Und tödlich.
Escherbach: Ach. Für Sie doch wohl nicht, Jonas.
Jonas: Aber für Ihren Freund Prof. Malek. Unter anderem.
Escherbach: Und der Schatz des Königs Dagon?
Jonas: Das wissen Sie doch.
Escherbach: Was soll das heißen.
Jonas: Der Schatz ist hier, der echte Schatz in Babylon, bei Ihnen, Dr. Escherbach, soweit Sie ihn nicht schon verhökert haben. Hallo? Dr. Escherbach? Ruhe in Frieden.
Sam: Exit Dr. Escherbach, oder auch: Abtritt.
Jonas: Das treffende Wort.
Sam: Sam kennt noch eins, Erhabenheit. Den Wahlspruch des großen Schugun und Einiger Japan, Iljasu Tokugawa.
Jonas: Und was sagt dieser Dingsbums.
Sam: Er sagt: Alle Menschen sind Gaunel und molgen wild es legnen. Korrektur. Alle Menschen sind Gauner, und morgen wird es regnen.
Jonas: Heute regnet's auch, Sammy.
Sam: Ja.
Jonas: Die Klimaregulatoren sind immer noch kaputt.
Judith: Hier spricht die automatische Fonbeantwortung Judith Delgado. Sie hören eine Aufzeichnung. Ich befinde mich seit dem 21. November auf Urlaub in Babelshafen. Am 3. Oktober werde ich wieder in Babylon sein. In dringenden Fällen wenden sie sich an mein Büro in der zentralen Sicherheitsverwaltung. Danke für Ihren Anruf. Hier spricht...
Jonas: Hätte ich doch besser in Kusbekistan bleiben sollen, bei Duna.
Sam: Inschalla. Gesundheit.
Das war Todestour, eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam: Peer Augustinski. Es wirkten außerdem mit: Karin Anselm, Evelyn Opela, Alexander Kerst, Peter Lühr, Bernd Stephan, Charly Huber, Jürgen Rehmann und viele andere (Julia Fischer). Ton und Technik: Günter Heß und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Regie: Alexander Malachovsky. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks (1986). Redaktion: Erwin Weigel.
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