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Vielleicht auch kurz, wenn wir schon nun dabei angelangt sind, allgemein auch das eigene Verhältnis zur Bibel als Diskussionsgrundlage mitanzugeben, das meine, das durchaus zwiespältig ist. Zwar hatte ich als Kind eine Kinderbibel, die ich aufgrund der Geschichten auch gern gelesen habe, aber auch nicht anders, als man als Kind z.B. Märchen liebt. Als Jugendliche dann fielen Kirche und Bibel unter die Rubrik "uncool". Danach kam - nach Kontakt mit einer evangelikalen Familie - eine lange Phase der bewußten, radikalen Abkehr und Widerwille gegen alle christlichen Inhalte aufgrund des Schocks, was man alles aus dem Christentum machen könne - solche autoritären Zwänge hatte ich aus meiner eigenen Familie nicht gekannt.
Das heißt, ich war eigentlich nie, außer als Kind, wirklich "frei" genug gewesen, mich darauf möglichst vorurteilsfrei einzulassen, und erst der überraschende Tod meines Vaters hat vermutlich diesen Wunsch geschaffen (mein Vater war auf eine altmodische Weise liberal, liberal in dem Sinne, anderen stets respektvoll zu begegnen, geistige Freiheit zu schätzen, bei Meinungsverschiedenheiten und in Diskussionen stets sachlich, nie persönlich angreifend zu argumentieren und insgesamt auf einer christlichen Lebenseinstellung zu basieren; nicht das die Form von Liberalismus, mit der man heute knallhartes Ellbogendenken und eiskalten Interessenegoismus verbindet).
Ich hab innerhalb eines knappen Jahres nun also einmal die Bibel gelesen und glaube, daß dieses Buch mich so schnell nicht wieder ganz loslassen wird, da es auf eine Weise geschrieben ist, die sehr dunkel, undurchsichtig ist, dahinter aber ein gewaltiges Menschheitswissen immer wieder durchschimmern läßt und vielleicht - auf möglicherweise unbewußte Weise - den Kern alles Wissens überhaupt enthält (bei gleichzeitig, menschen- und zeitgeschuldeter Widersprüchlichkeit - schon einem einzigen Autor fällt es oft schwer, Texte in sich vollkommen geschlossen zu schreiben, wie erst bei einer solchen Vielzahl von Autoren). Insofern finde ich, daß die Interpretation der Schöpfungsgeschichte, die Elvis hier geschrieben hat, genau diese Thematik berührt. Vielleicht ist diese Thematik ja auch dem Jesuswort entsprechend, "hören und doch nicht verstehen, sehen und doch nicht erkennen", die Schwierigkeit also betreffend, hinter all den menschlichen Geschichten den zentralen Kern herauszufinden. Auch hatte ich das Gefühl, als verlaufe die Bibel in einer Weiterentwicklungsrichtung, hin zu einer "humanen Gesinnung", in der die Rache- und Gewaltphantasien zunehmend abnehmen und Gewalt zunehmend zu etwas wird, das kein legitimes Mittel ist, auch - im Liebesgebot und im liebenden Gott, wie er von Jesus - meistens - vermittelt wird - nicht mehr für Gott. Gerade deshalb habe ich auch so ein großes Problem mit der Offenbarung des Johannes, die ich als einen Rückschritt empfinde. (Diese Fortentwicklungslinie müßte ich allerdings bei einer möglichen zweiten Lektüre nochmal überprüfen, das ist nur eine subjektive Empfindung von mir).
Dieser Rückschritt würde aber erklärbar durch die Situation der Verfolgung, in der sich Christen zu dieser Zeit befanden, im Sinne von Macht- und Rachephantasien der Unterdrückten, wie aghamemnun geschrieben hat. Auch heute noch finden sich Rachephantasien ja in unterliegenden gesellschaftlichen Gruppen. Dennoch würde ich das - nach Jesus - eigentlich nicht als christlich gewollten Weg (und auch als insgesamt falschen) verstehen, da das Auf-Sich-Nehmen des Leidens an Verfolgung nicht mit Haß oder Rache einhergehen darf, um seinen Sinn zu bewahren - dem steht entgegen, seine Feinde zu lieben. Das Wort "vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun" finde ich da sehr zentral, und gerade dieses unerwartete Verhalten ist ja letzlich die Quelle seiner Kraft.
Jesus besser verstehen zu lernen, heißt dabei vielleicht nicht, das Neue Testament in allen Details und Theorien kennenzulernen, sondern das gesellschaftliche Verhalten von Menschen an sich verstehen zu lernen und in seiner Verhalten das Durchbrechen verkrusteter Muster zu sehen, verkrusteter Strukturen, die zu gesellschaftlichen Übelständen führen. Dazu gehört auch z.B. seine Abkehr von materiellen Besitzansammlungen. Und damit zu erkennen, was am eigenen Verhalten zu solchen Übelständen beiträgt, und wie auch hier und heute das Durchbrechen solcher Muster zuerst in sich selbst, dann allgemein vielleicht möglich wird.
Naja, das war jetzt schon wieder sehr viel auf einmal, ist sehr unvollständig und basiert, wie gesagt, im Moment hauptsächlich auf Intuition und Empfindung nach einer einmaligen vollständigen Lektüre, ist sicherlich keine "Enderkenntnis" ;-)
Aber gerade wegen des oben geschilderten Problems mit der Offenbarung des Johannes, die ich - abschließend nochmal gesagt - als Rückschritt empfinde, würde es mich freuen, wenn sich diesbezüglich noch jemand oder auch mehrere angestoßen fühlten, selbst etwas oder noch etwas dazu zu schreiben.
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