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Zitat Original geschrieben von moggeCPD
Die liberaleren evangelischen Landeskirchen folgen im Wesentlichen lediglich der frohen Botschaft, wie Jesus Christus sie verkündet hat. Andere Kirchen haben da enormen Nachholbedarf.
Interessant finde ich die Äußerungen von David Berger - diese decken sich ziemlich mit dem, was ich bei (befreundeten) katholischen Theologen heraushören konnte. |
Der "Nachholbedarf" zeigt sich in dem Artikel mit Berger für die katholische Kirche leider argumentativ etwas merkwürdig: Er verweist (ohne empirischen Beleg) darauf, dass "anerkannt werden [muss], dass ein großer Teil der katholischen Kleriker und Priesteranwärter in Europa und den Vereinigten Staaten homosexuell veranlagt ist." und beschreibt dann, dass "die größte Schwulenfeindlichkeit in der katholischen Kirche von homophilen Geistlichen aus[geht], die ihre Sexualität krampfhaft verdrängen". Diese Argumentationskette wirft aber ein paar Fragen auf:
a) Gesetzt den Fall, die mehrheitliche homosexuelle Veranlagung der Priester in Europa und den USA ließe sich empirisch belegen (ich bezweifele, dass es da Statistiken gibt die mindestens offen zugänglich sind), muss es ja in anderen Erdregionen offenbar anders sein, da diese aus der Argumentation ausgeschlossen werden. Als Frage formuliert: Was soll den der Unterschied im Klerikerprofil der katholischen Kirche in Europa und den USA gegenüber dem Rest der Welt sein, dass ausgerechnet (nur) diese Regionen attraktiv für Homosexuelle macht, obwohl überall das Zölibat gilt?
b) Wenn die Schwulenfeindlichkeit der Katholischen Kirche von homophilen Geistlichen ausgeht, die ihre Sexualität verdrängen, zwingt sich eine andere Frage auf: Da ausnahmslos alle Geistlichen (bis auf ev. Geistliche, die zur kath. Kirche wechseln und kath. Diakone, die zur Zeit ihrer Weihe verheiratet waren) dem Zölibat unterliegen - also keine sexuelle Beziegung führen dürfen - müssten doch die heterosexuellen Geistlichen dann im Umkehrschluss die Heterosexualität verdammen. Warum tun sie das aber nicht?
c) Wenn die Schwulenfeindlichkeit der Katholischen Kirche von homophilen Geistlichen ausgeht, die ihre Sexualität verdrängen, müssen es ja ausgerechnet diese sein, die die Lehrmeinung der Kirche formulieren. Das wäre dann zum einen die "Kongregation für die Glaubenslehre" im Vatikan und zum anderen die katholischen Konzilien. Beide Strukturen werden durch Bischöfe, Kardinäle oder hochrangige (nicht unbedingt klerikale!) Theologen bestimmt. Dann muss es demnach ein hochkarätiges Netzwerk "Homophiler" in der katholischen Kirche geben, das Einfluss auf die Bischofs- und Kongregationsberufungen nimmt. Denn wie sonst ließe sich eine "Ballung" homophiler Geistlicher dort erklären?
d) Wieso gestalten Theologen - wie Berger -, die die Schwulenfeindlichkeit der Katholischen Kirche kritisieren, nicht einen öffentlichen Gegenentwurf zu der katholische Glaubenslehre, deren gültige Version jeder Laie im weltweit einheitlichen "Katechismus der Katholischen Kirche" problemlos nachlesen kann? Denn dort ist doch die Grundlage formuliert, an der alle mögliche Änderung ansetzten muss:
Zitat
§2357 - Homosexuell sind Beziehungen von Männern oder Frauen, die sich in geschlechtlicher Hinsicht ausschließlich oder vorwiegend zu Menschen gleichen Geschlechtes hingezogen fühlen. Homosexualität tritt in verschiedenen Zeiten und Kulturen in sehr wechselhaften Formen auf. Ihre psychische Entstehung ist noch weitgehend ungeklärt. Gestützt auf die Heilige Schrift, die sie als schlimme Abirrung bezeichnet, hat die kirchliche Überlieferung stets erklärt, "daß die homosexuellen Handlungen in sich nicht in Ordnung sind" (CDF, Erkl. "Persona humana" 8). Sie verstoßen gegen das natürliche Gesetz, denn die Weitergabe des Lebens [Andir: die die kath. Sexualmoral für den Beischlaf als Voraussetzung und Ziel der Vereinigung zweier Menschen definiert] bleibt beim Geschlechtsakt ausgeschlossen, Sie entspringen nicht einer wahren affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit. Sie ist in keinem Fall zu billigen.
§2358 - Eine nicht geringe Anzahl von Männern und Frauen sind homosexuell veranlagt. Sie haben diese Veranlagung nicht selbst gewählt; für die meisten von ihnen stellt sie eine Prüfung dar. Ihnen ist mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen. Man hüte sich, sie in irgend einer Weise ungerecht zurückzusetzen. Auch diese Menschen sind berufen, in ihrem Leben den Willen Gottes zu erfüllen und, wenn sie Christen sind, die Schwierigkeiten, die ihnen aus ihrer Veranlagung erwachsen können, mit dem Kreuzesopfer des Herrn zu vereinen.
§2359 - Homosexuelle Menschen sind zur Keuschheit gerufen. Durch die Tugenden der Selbstbeherrschung, die zur inneren Freiheit erziehen, können und sollen sie sich - vielleicht auch mit Hilfe einer selbstlosen Freundschaft -, durch das Gebet und die sakramentale Gnade Schritt um Schritt, aber entschieden der christlichen Vollkommenheit annähern. |
Leider greift also auch dieser Zeitschriftenartikel zu kurz und prallt damit argumentativ ab.
EDIT: Ansätze einer (leider etwas esoterisch orientierten) Gegenargumentation auch zur Sexualmoral bietet z.B. Peter Michel in "Der Anti-Weltkatechismus. Christ-Sein in Liebe und Freiheit"; Grafing 1995. Das Themenfeld der Homosexualität taucht dort jedoch nicht bzw. nur indirekt auf.
P.S.: Ich bin nicht der Inquisor, der die "reine Lehre" verteidigt. Gerade deshalb interessieren mich Diskurse die theologische Argumentationen/Kritiken aufarbeiten und die sich mit der Glaubenslehre positiv auseinandersetzten, die ja die Grundlage der katholischen Kirche bildet. Denn auf einer solchen (Wissens-)grundlage ist dann letztendlich die Gewissensentscheidung des einzelnen gläubigen Menschen zu seiner Kirche gefragt.
Ich wünsche mir Argumente - nicht plakative Slogans - die eine (Weiter-)Entwicklung fördern können. Denn nur Argumente werden den "Stein" des Katechismus langfristig höhlen können. Aber genau diese schlüssigen, auf den Glauben ausgerichteten Argumente fehlen mir leider zu oft bei der Wahrnehmung von medialen Auseinandersetzungen mit (nicht nur) der im katholischen Katechismus enthaltenen Sexualmoral.
P.P.S.: Eines lässt sich mit den Paragraphen aus dem Katechismus der Katholischen Kirche übrigens definitiv nicht begründen: Die Ablehnung homosexueller Mitglieder in Strukturen katholischer Organisationen. Sei es nun in Pfadfinderschaften oder anderswo.
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Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zuletzt von Andir am 09.02.2013 - 22:37.
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