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Zitat Original geschrieben von Fröschel
Zitat Original geschrieben von lakra
Belege scheinen Herr Füllers Sache nicht zu sein.
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Aber wir müssen doch nicht ernsthaft darüber diskutieren, ob Herr Füller mit seiner Verschwörungstheorie recht hat. |
Dann würde ich empfehlen, sich doch die Quellenangaben im Buch mal zu Gemüte zu führen. Dann wird sehr schnell deutlich, dass es sich hier mitnichten nur um eine "Verschwörungstheorie" handelt. Es wird höchste Zeit, dass die sogenannten "Bündischen" ihre Augen mal auftun und die Realität erkennen. Durch beharrliches Leugnen und Beschönigen tut man der Bewegung sicherlich einen Bärendienst. |
@Fröschel: Wo hab ich denn irgendwas beschönigt? Oder geleugnet? Das wüsste ich gerne, so ja nun bitte nicht.
Aber wenn Du das Buch da hast, verrate mir doch bitte kurz, womit Herr Blüher Verzeihung, ich meine natürlich Herrn Füller, den ich mit Blüher keineswegs in eine Ecke stellen möchte. Es war schon spät. die beiden von mir angebrachten Zitate zur Jugend- bzw Wandervogelbewegung belegen zu können glaubt. Ich würd es mir aber auch gerne ausleihen.
Vieleicht hab ich mich in einem Punkt etwas unklar ausgedrückt: Ich bezweifle weder die Geschehnisse um den Balduinsteiner Sumpf, noch behaupte ich, dass Missbrauch kein Thema in der Jugendbewegung ist. Und ich hab ja wohl mit keiner Silbe irgendwas gerechtfertigt. Ich stimme im Gegenteil zu, Sippen als verschworene Gemeinschaften, Fahrten in die Abgeschiedenheit etc. dürften für Kinderschänder eine ziemlich reizvolle Vorstellung sein.
Was ich hingegen tue, ist infragestellen bzw. bezweifeln. Nämlich, dass die ganze Jugendbewegung eine Art "Täterorganisation" sei, in deren Ideen die systematische Begehung von Sexualverbrechen angelegt sei. Und dahingehend argumentiert Füller ja. Glaubt Ihr das im Ernst? Dabei fängt der Fehler ja schon damit an, der Jugendbewegung eine Stringenz (im Sinne einer ideologischen Geschlossenheit) zu unterstellen. It's wrong in so many ways.
Wie gesagt: Wer sich an ein sensibles Thema wagt, sollte das tunlichst nicht reißerisch tun. Allein die Anlehung an "Die Revolution frisst ihre Kinder" finde ich schon reichlich misslungen. Denn nach füllerscher Logik wären die Werte der französischen Revolution verbrannt, da in ihrem und der Demoktratie Namen, ja sogar von ihren Begründern, Tausende unter die Guilloutine geschickt wurden. Wie gut also, dass Füller-Logik sich in dem Fall nicht durchgesetzt hat.
Wieso ich von Verschwörungstheorie spreche: So weit Füller in seinem Buch Fälle von Missbrauch oder Thesen von Blüher und Wyneken beschreibt, nehme ich mal an, dass es eine akzeptable Bequellung gibt, die sich überwiegend auf Sachbücher und Artikel stützt, vielleicht aber auch ein paar Fachpublikationen aufweist. An dem Punkt, wo Gesamtzusammenhänge hergestellt werden, die darüber hinaus gehen, wird es an Quellen (und an eigener Forschung natürlich sowieso) fehlen. Warum? Weil vieles sich nicht belegen lässt. Allein auf den 24 Seiten Leseprobe ist so einiges krude. Kostprobe gefällig?
Ich behaupte (gemeinsam mit der etablierten Geschichtswissenschaft), die antike griechsche Vorstellung des "pädagogischen Eros" ist mit der Antike untergegangen. Sie war an bestimmte Vorstellungen und Rahmenbedingungen geknüpft, die es nicht mehr gibt, ebenso wie z.B. die Vorstellung von Daimonen und die Sklaverei. Die Menschheit (oder von mir aus der europäische Kulturkreis) hat sich entwickelt und diese Vorstellung hinter sich gelassen, wie auch die Sklaverei, das Feudalsystem und den Glauben, das Krankheiten von nachts aufsteigenden giftigen Dämpfen verursacht werden. Das ist der allseits anerkannte Forschungsstand. Wenn Blüher sich also dieses Topos bedient, ist das eine billige, abzulehnende Rechtfertigung. Ebenso, wie moderne BDSM-Praktiken nicht in der Tradition mittelalterlicher Folterkeller stehen (nicht mal dann, wenn sich Praktizierende diesen Habitus geben würden), ein selbsterklärter Sealord nicht in der Tradition historischer Fürsten steht und moderne Lohnsklaverei nicht in der Tradition antiker Skalvenhaltergesellschaften. Wenn es eine Geschichte des Kindesmissbrauchs gibt, ist sie 1. nicht linear in der Weltgeschichte in Form einer(!) Tradition(!) nachzuvollziehen und 2. ganz sicher wesentlich älter als 2500 Jahre.
Anstatt aber die Haltlosigkeit von Blühers Argumentation zu entlarven, folgt er [also Füller] ihr bis zu einem gewisen Grad (und erlaubt damit Tätern blüherscher Couleur, sich auf den armseligen, aber beliebten "Das gab es schon immer, aber die Welt versteht uns nicht"-Standpunkrt zurückzuziehen). Wie hilfreich oder seriös ist das denn? Und dann wird aus diesen beiden, wie gesagt auch zu ihrer Zeit nicht unumstrittenen Spinnern und einigen jüngeren Fällen eine "Tradition des Missbrauchs" gestrickt, die die ganze Jugendbewegung umfassen soll. Und auch davon unabhängig sind einige von Füllers Deutungen der Antike reichlich, sagen wir, unorthodox und eigenwillig. Wenn das keine Verschwörungstheorie ist...
Ich glaube leider wirklich eher, dass es weniger um Outcome als vor allem um Income geht. Immerhin kostet diese Wahrheit auch digital noch 15,90€, in teil- und verleihbarer Version sogar 21,90€. Und neben diesem Hauptaspekt klingt die leise alte Angst des Spießers an, dass es irgendwer wagen könnte, sich der allumfassenden staatlichen Und wer sich für die breite Öffentlichkeit mit der Jugendbewegung auseinandersetzen möchte, aber nicht willens oder in der Lage ist, diese differenziert zu betrachten und darzustellen, der sollte es besser lassen.
By the way lässt die einseitige Darstellung einen wichtigen Punkt außer acht: Nämlich, dass die Verbundenheit und Vertrautheit innerhalb einer Sippe einem Opfer sexueller Gewalt erst und als einziges die Umgebung bietet, über diese Übergirffe berichten und sie so beenden zu können. So erlebt. Und es geht auch eine Nummer tiefer: Schwanger von einem Arschloch und muslimische Eltern -wen fragen? In beiden Fällen haben mir die Betroffenen unzweideutig gesagt, das ssie sonst nicht gewusst hätten, wohin sie sich wenden sollen; in einem Fall bestand ersthafte Suizidabsicht. Der potentielle mögliche Impact so einer einseitigen Generalverurteilung (und: ja, den fürchte ich in einer undiffernezierten Öffentlichkeit immer) kann auch diesem Anspekt nur abträglich sein. Mithin auch szeneunabhängig nicht gewollt von jemandem, der wirklich dazu beitragen möchte, für Betroffene etwas zu verbessern.
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2 Edits: Korrekturen in bleu nach nettem Hinweis auf Fehler bzw. Uneindeutligkeit, danke.
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| "Vieles hätte ich verstanden, wenn man es mir nicht erklärt hätte." Stanisław Jerzy Lec |
Dieser Beitrag wurde 2 mal editiert, zuletzt von lakra am 01.04.2015 - 20:30.
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