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Überbündische Nachrichten

Tod und Töten in religiöser Verklärung – die andere Welt des Walter Flex von Prof. Dr. Roland Eckert
12.01.2012 - 22:47 von sadarji


Sehr geehrte Damen und Herren,

wie ich höre, ist für das Meissner-Treffen 2013 das Motto „Wandern zwischen den Welten“ im Gespräch. Ich habe mich daher den Schmerzen unterzogen, „Flex“ noch einmal zu lesen und bin zu folgendem Ergebnis gelangt (siehe Anhang). Ob das für Ihre Webseite interessant ist, weiß ich nicht.

Mit freundlichen Grüßen
Roland Eckert

Das Motto des überbündischen Meißnerlagers 2013 ist NICHT "Wanderer zwischen den Welten" . Diese Formulierung wurde diskutiert, weil sie die schwankende Gefühlswelt Bündischer zwischen "Fahrt" und "Alltag" beschreiben kann, von vielen Stimmen aber abgelehnt, weil der Bezug zum Flex-Roman allzu deutlich und wirklich nicht gewünscht ist.

Tod und Töten in religiöser Verklärung – die andere Welt des Walter Flex

„Der Wanderer zwischen beiden Welten – ein Kriegserlebnis“ – die schmale Schrift von 1917
bringt den Seelenzustand vieler jungen Wandervögel zum Ausdruck, die begeistert 1914 in
den Krieg stürmten und zu Tausenden und Abertausenden gefallen sind, z. B. vor Langemark.
An drei Stellen werden die „beiden Welten“ explizit angesprochen. Ernst Wurche, dem
Wandervogel, dem Flex mit der Schrift ein Denkmal setzt, ist Theologiestudent – „seine Seele
streifte, frei und leicht zwischen beiden Welten wandernd, dunklen Schönheiten und hellen
Wahrheiten“ nach. ... „Willfährig gegen das Göttliche und wehrfähig gegen das Menschliche,
das gab seinem Wesen Reife und Anmut. Aus den weiteren Schilderungen ergibt sich, dass
„Willfährigkeit gegen das Göttliche und Wehrfähigkeit gegen das Menschliche letztlich eines
sind“: Wenn es Sinn und Aufgabe des Menschenlebens ist, hinter die Erscheinungen des
Menschenlebens zu kommen, dann haben wir durch den Krieg unser Teil am Leben mehr als
andere dahin“ (Flex 1917: 33). Einige Zeilen weiter heißt es „Nur den Strohtod ... den möchte
man seinem Volk gern erspart sehen Der Gedanke an den Heldentod eines Volkes ist nicht
schrecklicher als der an den Schwerttod eines Menschen.“
Flex heroischer Idealismus ist aber gegen die reale Erfahrung abgeschirmt. So empfiehlt er,
bei der Todesqual lieber wegzuschauen: „Nur das Sterben ist hässlich bei Menschen und
Völkern. Aber wenn ein Mann den tödlichen Schuss, der ihm das Eingeweide zerreißt,
empfangen hat, dann soll keiner mehr nach ihm hinsehen. Denn, was dann kommt, ist hässlich
und gehört nicht mehr zu ihm. Das Grosse und Schöne, das heldische Leben ist vorüber. So
muss es auch sein, wenn ein Volk in Ehren und Größe seinen Todesstreich empfangen hat, -
was danach kommt, darf niemand mehr seinem Leben zurechnen, es ist kein Teil davon“ (S.
36).
An der zweiten Stelle fragt die Mutter des gefallenen Freundes leise: „Hat Ernst vor seinem
Tode einen Sturmangriff mitgemacht?“ „Ich nickte mit dem Kopfe.“ „Das war sein großer
Wunsch“, sagte sie leise.“ Flex kommt zu dem Schluss: „Wisst ihr nun, was es heißt,
Wanderer sein zwischen beiden Welten?“(S. 42).
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An der dritten Stelle antwortet der nun schon tote Freund auf die Verzweiflung des Autors:
„Sind wir nicht immerdar Wanderer zwischen beiden Welten gewesen, Gesell? Waren wir
nicht Freunde, weil dies unser Wesen war? Was hängst du nun so schwer an der schönen
Erde, seit sie mein Grab ist, und trägst an ihr wie an einer Last und Fessel? Du mußt hier wie
dort daheim sein, oder du bist nirgends“ (S. 93). Kriegstod ist also die „andere „ der beiden
Welten. Er ist der Wille Gottes. „Sein Gott war mit einem Schwerte gegürtet, und auch sein
Christus trug wohl ein helles Schwert, wenn er mit ihm in den Kampf schritt“ (S. 16f.)
(insbesondere gegen die abtrünnigen Bundesgenossen, die Italiener, die mit Judas Ischarioth
verglichen werden).
Auch die „schönste und schwerste Lebenskunst“, die in die berühmte Formel von „Rein
bleiben und reif werden“ (S. 37) gefasst ist, steht im Zusammenhang mit Kampf und
Todesnähe: „Eure Taten und eure Toten machen euch reif und halten euch jung. … Das
alternde Leben soll sich nach Gottes Willen an der ewigen Jugend des Todes verjüngen“ (S.
94). Unklar bleibt dabei, was Flex sich als Reinheit vorgestellt hat. Es könnte sexuelle
Abstinenz gemeint sein, vielleicht aber auch die Ablehnung von Sexismus: die unsauberen
Witze der Landser werden von Ernst Wurche mit Schweigen beantwortet, bis sie aufhören (S
10).
Das „Reif-Werden“ durch Krieg und Todesnähe steht im Zusammenhang mit der Vorstellung
des „Volkes“ als „höchster Menschheitsentwicklung“ (S 100) und des August 1914 , in dem
der Erste Weltkrieg begonnen wurde, als „unerreichter Höhe der Menschheitsentwicklung „
(S. 101).
Was folgt daraus? Wir alle wandern auch heute zwischen verschiedenen Welten. Der anderen
Welt des Walter Flex sollten wir aber fernbleiben. Zu viele sind im letzten Jahrhundert selig
in die Welt des Todes und des Tötens gestürmt.
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